Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das nicht nur körperliche Einschränkungen, sondern auch erhebliche psychische Belastungen mit sich bringen kann. Viele Betroffene erleben Trauer, Niedergeschlagenheit und Anpassungsschwierigkeiten. Während ein Teil der Patienten und ihrer Familien lernt, sich anzupassen und neue Zuversicht zu finden, entwickelt schätzungsweise ein Drittel eine behandlungsbedürftige Depression, die als Post-Stroke-Depression (PSD) bezeichnet wird. Diese wird jedoch nicht immer erkannt und entsprechend behandelt.
Ursachen der Antriebslosigkeit nach Schlaganfall
Es besteht noch keine Einigkeit darüber, ob eine PSD vorwiegend körperliche oder psychische Ursachen hat. Bei einem Schlaganfall wird ein Teil des Gehirns geschädigt, weil seine Durchblutung unterbrochen wird und es dadurch zu wenig Sauerstoff bekommt. Die durch den Schlaganfall ausgelösten Gehirnschäden könnten auch das Gefühlsleben verändern. Die Entwicklung einer Depression kann aber auch als Reaktion auf die körperlichen und geistigen Einschränkungen durch den Schlaganfall gedeutet werden ("reaktive Depression"). Es gibt nach einem Schlaganfall zwei Ursachen, die allerdings in ihren Auswirkungen nicht voneinander zu unterscheiden sind:
- Der Schlaganfall hat Gehirnbereiche getroffen, die für den Umgang mit Emotionen zuständig sind. Die Depression wird also tatsächlich durch den Schlaganfall selbst ausgelöst.
- Die Folgen des Schlaganfalls führen zu einer Depression, zum Beispiel, wenn sich ein Betroffener durch seine Einschränkungen wert- und nutzlos fühlt, er es nicht schafft, positiv in die Zukunft zu sehen und verlorenen Fähigkeiten nachtrauert.
Für die neuropsychologischen Folgen sind Ort und Ausmaß der Schädigung entscheidend: Läsionen in „strategischen” Arealen - etwa an Knotenpunkten für Aufmerksamkeit, Gedächtnis oder Planung - können selbst bei einem kleinen Infarkt komplexe Netzwerke aus dem Gleichgewicht bringen. Die Beeinträchtigungen gehen oft weit über den direkt geschädigten Bereich hinaus. Bei Diaschisis kommt es zu zusätzlichen Ausfällen in unversehrten Arealen, weil deren Netzwerkpartner ausgefallen sind. Eine Neuroinflammation, die durch Immunzellen wie Mikroglia und Astrozyten ausgelöst wird, setzt einerseits schädigende Prozesse in Gang, kann aber auch schützend wirken und Reparaturmechanismen anstoßen. Gleichzeitig können zentrale Neurotransmittersysteme (Dopamin, Serotonin, Acetylcholin und GABA) aus dem Gleichgewicht geraten. Dies kann zu Antriebsschwäche, kognitiven Defiziten und Persönlichkeitsveränderungen führen.
Symptome der Post-Stroke-Depression
Eine PSD lässt sich genau wie eine nicht schlaganfallbedingte Depression unter anderem an Traurigkeit, Interessenverlust, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen und einem geringen Selbstwertgefühl erkennen. Wenn sich mehrere dieser Symptome länger als zwei Wochen beobachten lassen, kann dies ein Hinweis auf eine PSD sein.
Die Symptome der Post-Stroke Depression gleichen den Symptomen und Anzeichen einer klassischen Depression und können eine Reihe von emotionalen, kognitiven und körperlichen Bereichen betreffen:
- Niedergeschlagene Stimmung: Betroffene erleben oft ein tiefes Gefühl der Hoffnungslosigkeit und negativer Verstimmung.
- Interessenverlust: Der Patient verliert das Interesse an einst genossenen Aktivitäten und kämpft mit Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit und einer Beeinträchtigung des individuellen Gefühlslebens.
- Energiemangel: Nach einem Schlaganfall fühlen sich Betroffene oft erschöpft und antriebslos.
- Schlafstörungen: Nach einem Schlaganfall erleben betroffene Menschen oft Schlafprobleme, welche die Genesung beeinträchtigen können.
- Gewichtsveränderungen: Einige Betroffene nehmen an Gewicht zu, während andere Gewicht verlieren.
- Konzentrationsprobleme: Viele Menschen haben nach einem Schlaganfall Schwierigkeiten, ihre Gedanken zu fokussieren und alltägliche Arbeiten auszuführen.
- Schuld- und Wertlosigkeitsgefühle: Patienten fühlen sich nach einem Schlaganfall oft schuldig für ihre Erkrankung oder wertlos, da sie möglicherweise ihre Unabhängigkeit oder Rollenverpflichtungen nicht mehr erfüllen können.
- Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme.
Es kann schwierig sein, den Unterschied zwischen einer Depression und einer durch die Erkrankung ausgelösten Niedergeschlagenheit zu erkennen. Oft ist eine Körperseite gelähmt, dadurch sind die Beweglichkeit und die Selbstständigkeit stark eingeschränkt. Alltagstätigkeiten wie die Körperpflege und das Essen fallen schwer und sind häufig nur mit fremder Hilfe möglich. Die Lähmung stört zudem das Körpergefühl, da die gelähmte Seite schlecht bis gar nicht mehr wahrgenommen wird. All dies kann sehr belastend sein.
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Besonders gefährdet sind Betroffene mit einer schweren Aphasie, die die Kommunikation mit der Außenwelt erheblich einschränken kann. Die Betroffenen sind niedergeschlagen, antriebslos, verweigern eventuell die Therapien und ziehen sich immer weiter zurück.
Einflussfaktoren auf die Entstehung einer PSD
Depressionen treten häufiger nach schweren Schlaganfällen auf als nach leichteren. Das Ausmaß der Depressionen hängt oft davon ab, wie stark die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit eines Menschen eingeschränkt ist. Es gibt Hinweise aus Studien, dass auch die soziale Situation, die Wohnverhältnisse und die verfügbare Unterstützung die Entstehung einer PSD beeinflussen können. Wenn Betroffene und ihre helfenden Angehörigen gute Informationen und ausreichende Unterstützung bekommen, könnte dies die Wahrscheinlichkeit senken, dass sie depressiv werden.
Behandlung der Antriebslosigkeit nach Schlaganfall
Eine Depression sollte unbedingt behandelt werden, allerdings ist für eine erfolgreiche Behandlung wichtig, dass eine gewisse Krankheitseinsicht besteht. Dann kann der Patient aktiv an der Therapie teilnehmen und wieder Fortschritte erkennen. In den meisten Fällen ist dafür zusätzlich eine medikamentöse Behandlung notwendig. Diese kann aber bei erfolgreichem Therapieverlauf in Rücksprache mit dem Neurologen und / oder Psychiater wieder reduziert oder abgesetzt werden.
Das IQWiG kommt nach einer Auswertung von Studien zur Behandlung von Depressionen nach einem Schlaganfall zu dem Ergebnis, dass Antidepressiva bei Menschen nach Schlaganfällen allgemein nicht so wirksam sind wie bei herkömmlichen Depressionen. Da sie auch unerwünschte Wirkungen haben und die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen können, wird empfohlen, sie nur mit Bedacht einzusetzen.
Die PSD-Behandlung kann Psychotherapie, medikamentöse Ansätze oder eine Kombination aus beidem umfassen.
- Medikamentöse Behandlung: Studien zeigen, dass Medikamente gegen Depressionen (Antidepressiva) Menschen helfen können, die nach einem Schlaganfall eine Depression entwickelt haben. Möglicherweise wirken sie sich auch auf die körperliche Genesung positiv aus. Am besten untersucht sind zwei Gruppen von Antidepressiva: selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und trizyklische Antidepressiva. Sie gehören zu den bei Depressionen am häufigsten eingenommenen Wirkstoffen. Die Wirkung der Medikamente setzt nicht sofort ein. Innerhalb der ersten 6 bis 8 Wochen verringern sich die Beschwerden jedoch oft. Antidepressiva können unter anderem Benommenheit, Zittern und Verdauungsprobleme auslösen. Aus diesen und anderen Gründen werden Menschen nach einem Schlaganfall, die Antidepressiva einnehmen, sorgfältig ärztlich überwacht.
- Psychotherapie: Psychiatrische und psychologische Fachkräfte können dabei unterstützen, mit der Erkrankung und der veränderten Lebenssituation umzugehen. Im Krankenhaus oder der Rehaklinik gibt es entsprechende Angebote. Die Genesung nach einem Schlaganfall gelingt besser, wenn alle Beteiligten die Behandlung intensiv unterstützen - also Fachkräfte aus Pflege, Physiotherapie und Psychologie, Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige. Beratung und Psychoedukation können dabei helfen. Bei der Psychoedukation lernen Betroffene und Angehörige, die Erkrankung zu verstehen und mit den Folgen umzugehen. Ein vertrauensvolles Gespräch, in dem verwirrende Gedanken, Sorgen oder Gefühle von Ratlosigkeit ausgesprochen werden, kann stets zur spontanen Entlastung beitragen. Dabei muss das Gegenüber nicht psychotherapeutisch ausgebildet sein. Ein Austausch im Kreise der Familie oder mit guten Freunden, kann gleichermaßen ein tröstendes Gefühl vermitteln, nicht alleine zu sein.
- Weitere Therapieansätze: Es ist auch erwiesen, dass Ergotherapie helfen kann, bestimmte Körperfunktionen wiederzuerlangen. Dabei werden alltägliche Verrichtungen wie Waschen, Anziehen oder Haushaltstätigkeiten geübt. Auch Bewegungs- und Krafttraining ist wichtig und kann sogar dazu beitragen, dass sich depressive Beschwerden bessern.
Optimal ist eine Zusammenarbeit zwischen einem Neurologen und einem Psychiater, da diese auch Medikamente verschreiben dürfen, falls dies notwendig ist. Auch Sitzungen bei Psychotherapeuten sind sinnvoll - sofern der Betroffene in der Lage ist, sich ausreichend sprachlich auszudrücken.
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Unterstützung durch das soziale Umfeld
Einfache Ermunterungsversuche oder Ratschläge sind für Menschen mit Depressionen meist nicht hilfreich. Mit der Erkrankung umzugehen, erfordert viel Einfühlsamkeit und Geduld. Hinzu kommt, dass der Gemütszustand bei einer Depression stark schwanken kann. Außerdem kann eine Depression sehr unterschiedlich verlaufen. Einen nahestehenden Menschen nach einem Schlaganfall zu betreuen, kann eine große Herausforderung sein und manchmal überfordern. Eine Depression kann sich daher auch bei pflegenden Angehörigen entwickeln. Dann fällt es den Angehörigen schwerer, jemanden nach einem Schlaganfall gut zu unterstützen - was beide Seiten wiederum zusätzlich belasten kann. Auf das Wohl der Helfenden zu achten, ist deshalb nicht nur für diese selbst und andere Familienangehörige wichtig, sondern auch für die Person, die den Schlaganfall hatte. Es gibt viele Unterstützungsmöglichkeiten, zum Beispiel Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, die Erkrankten und ihren Angehörigen Hilfestellungen bei verschiedensten pflegerischen, finanziellen oder psychosozialen Anliegen geben können. Viele Städte und Gemeinden unterhalten auch Pflegeberatungsstellen, deren Angebot kostenlos ist.
Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft vielen Menschen - auch Angehörigen - heraus aus der Isolation und lässt sie neuen Mut schöpfen. Außerdem verfügen Selbsthilfegruppen häufig über einen wichtigen Erfahrungsschatz in speziellen Fragen, beispielsweise bei der Suche nach einem Therapeuten vor Ort, der Erfahrungen mit aphasischen Patienten hat.
Neuropsychologische Störungen nach Schlaganfall
Nach einem Schlaganfall werden vertraute Denkmuster oft zu verschlungenen Pfaden. Erst im Alltag wird vielen Betroffenen und ihren Angehörigen bewusst, welche starken Auswirkungen kognitive und emotionale Veränderungen nach einem Schlaganfall haben können. Oft sind es nicht die körperlichen Einschränkungen, sondern subtile, aber einschneidende Defizite in den Bereichen Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Handlungsplanung und Sprache, die die Lebensqualität und Selbstständigkeit wesentlich beeinträchtigen.
- Laut Schätzung der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe leiden bis zu 80 % aller Schlaganfall-Betroffenen insbesondere in der Akutphase unter Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Besonders betroffen ist die Fähigkeit, sich länger zu fokussieren, Ablenkungen zu widerstehen und mehrere Aufgaben zu bewältigen.
- Diese betreffen vor allem das episodische Gedächtnis, also die Erinnerung an persönliche Ereignisse, sowie das prospektive Gedächtnis, das für die Erinnerung an geplante Handlungen zuständig ist.
- Insbesondere nach frontalen und subkortikalen Läsionen sind exekutive Funktionen wie Handlungsplanung, Flexibilität, Fehlerkontrolle und Zielausrichtung beeinträchtigt. Typische Symptome reichen von starker Antriebsarmut und Apathie bis hin zu Impulsivität, Enthemmung oder Beharrungsneigung.
- Je nach Lokalisation der Schädigung können eine Broca- oder eine Wernicke-Aphasie, eine globale Aphasie oder eine mildere Variante wie eine Wortfindungsstörung auftreten. Obwohl die Intelligenz unverändert bleibt, ist das Sprachvermögen deutlich beeinträchtigt.
- Ein Neglect, also das Ausblenden der gegenüberliegenden Raum- oder Körperhälfte, tritt oft nach rechtshemisphärischen Parietalläsionen auf (meist wird die linke Seite ignoriert). Betroffene übersehen dann beispielsweise Gegenstände oder Personen, stoßen sich einseitig an oder essen nur von einer Tellerhälfte.
- Bei einer Apraxie sind erlernte Handlungsfolgen nicht mehr korrekt ausführbar, obwohl die Motorik und die Sprache an sich intakt sind. Komplexe Bewegungsabfolgen wie das Zähneputzen oder das Ankleiden geraten durcheinander.
- Ein Teil der Patientinnen und Patienten entwickelt im Verlauf eine vaskuläre kognitive Störung bis hin zur Demenz, die sich durch kombinierte Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Exekutivdefizite sowie durch emotionale Veränderungen auszeichnet.
Kaum ein Schlaganfall betrifft ausschließlich die kognitiven Funktionen. Mindestens ebenso prägend sind Veränderungen der Stimmung, der Motivation und des Sozialverhaltens. Für Betroffene und ihre Angehörigen sind diese Symptome oft noch schwerer zu verstehen und zu bewältigen als die körperlichen Folgen.
- Depressive Störungen gehören zu den häufigsten neuropsychiatrischen Folgen eines Schlaganfalls. Sie äußern sich in gedrückter Stimmung, Interessenverlust, Hoffnungslosigkeit, vermehrtem Grübeln, Schlafstörungen bis hin zu Suizidgedanken.
- Neben depressiven Symptomen leiden viele Betroffene unter Ängsten, beispielsweise vor einem erneuten Insult, vor Abhängigkeit, Kontrollverlust oder sozialer Isolation. Typisch sind anhaltende Sorgen, Vermeidungsverhalten und körperliche Unruhe.
- Neben Depressionen und Angststörungen treten bei Betroffenen eines Schlaganfalls häufig weitere beeinträchtigende emotionale und Verhaltensänderungen auf. In der Akutphase kann sich beispielsweise eine ausgeprägte Apathie mit Antriebslosigkeit, Initiativmangel und fehlender emotionaler Resonanz entwickeln. Im Unterschied zur Depression werden diese Symptome jedoch nicht von Traurigkeit dominiert. Ein weiteres häufiges Problem ist die sogenannte Post-Stroke Fatigue: Diese anhaltende Erschöpfung, die sich durch Schlaf bzw. Ruhe nicht verbessern lässt, betrifft die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gleichermaßen und schränkt das Alltagsleben oft massiv ein. Sie kann eigenständig oder zusammen mit depressiver Stimmung auftreten. Selten, aber für das Umfeld besonders belastend, ist das Auftreten von Affektinkontinenz bzw. einer pseudobulbären Affektstörung. Dabei zeigen Betroffene unwillkürliche, plötzlich einsetzende Gefühlsausbrüche wie Lachen oder Weinen, die nicht mit der eigentlichen Stimmungslage übereinstimmen. Manche PatientInnen entwickeln nach einem Schlaganfall auch eine erhöhte Reizbarkeit, Impulsivität und gesteigerte Aggressivität.
Diagnostik neuropsychologischer Störungen
Eine differenzierte Diagnostik neuropsychologischer Störungen nach einem Schlaganfall bildet die Grundlage für eine erfolgreiche, individuelle Rehabilitation. Das Ziel besteht darin, auch unsichtbare Defizite gezielt zu erkennen und zu behandeln, um die Chancen auf eine Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben zu maximieren. Bereits im Akutkrankenhaus werden kurze Screening-Verfahren wie das Montreal Cognitive Assessment (MoCA), der Mini-Mental-Status-Test (MMST) oder DemTect eingesetzt, um kognitive Störungen rasch zu erfassen. Für die detaillierte Therapieplanung werden anschließend aufeinander abgestimmte Testbatterien eingesetzt, darunter Verfahren für das Gedächtnis (z. B. Wechsler Memory Scale), die Aufmerksamkeit (Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung, TAP), die Exekutivfunktionen (Behavioural Assessment of the Dysexecutive Syndrome, BADS) und die Sprache.
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Neben den Testverfahren ist die alltagsnahe Beurteilung entscheidend. Mittels Bildgebung (CT oder MRT) können Läsionen lokalisiert, alternative Diagnosen ausgeschlossen und das Ausmaß der Schädigung eingeschätzt werden. Ein besonderer diagnostischer Schwerpunkt liegt auf der Prüfung der Krankheitseinsicht, beispielsweise bei einer Anosognosie. Fehlt den Betroffenen das Bewusstsein für die eigenen Einschränkungen, sinkt oftmals die Motivation zur Mitarbeit.
Rehabilitation neuropsychologischer Störungen
Die Behandlung neuropsychologischer Störungen ist ein zentraler Bestandteil der modernen Schlaganfallrehabilitation. Ziel ist es nicht nur, einzelne Defizite zu lindern, sondern die Lebensqualität, Selbstständigkeit und gesellschaftliche Teilhabe insgesamt bestmöglich wiederherzustellen. Zusätzlich können medikamentöse Interventionen - zum Beispiel zur Förderung von Aufmerksamkeit oder Stimmung - sowie psychotherapeutische Angebote zur Bewältigung emotionaler Belastungen zum Einsatz kommen. Entscheidend ist, dass die im Klinikalltag erreichten Fortschritte in den realen Alltag übertragen werden. Dies betrifft sowohl die Selbstversorgung und Mobilität als auch die berufliche und soziale Wiedereingliederung. Hierbei spielt die enge Abstimmung zwischen den beteiligten Disziplinen - Neurologie, Neuropsychologie, Logopädie, Ergo- und Physiotherapie sowie Sozialberatung - eine Schlüsselrolle.
Seit 2012 ist die ambulante neuropsychologische Therapie eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung, sofern eine klare Indikation vorliegt und die Behandlung durch entsprechend qualifizierte Therapeutinnen oder Therapeuten erfolgt. Das Angebot reicht von Einzel- und Gruppentherapien bis zu computergestützten Trainings. Ziel ist die alltagsnahe Förderung kognitiver Fähigkeiten und die Unterstützung bei Teilhabeproblemen, etwa im Beruf. Die Zuweisung erfolgt in der Regel durch Haus- oder Fachärzte. Die bestmögliche Versorgung erfordert die enge Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen. NeurologInnen, NeuropsychologInnen, PsychiaterInnen, LogopädInnen, ErgotherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen, Sozialdienste und Reha-BeraterInnen sollten gemeinsam Versorgungspfade gestalten. Regionale Schlaganfallzentren, spezialisierte Rehakliniken und ambulante Netzwerke erleichtern den nahtlosen Übergang zwischen Klinik, Rehabilitation und häuslicher Versorgung.
Persönlichkeitsveränderungen nach Schlaganfall
Emotionale Veränderungen wirken sich auf das Verhalten einer Person aus, also auf seine Persönlichkeit. Das kann so weit gehen, dass Angehörige den schlaganfallbetroffenen Menschen in seinem gesamten Wesen kaum noch wiederkennen. Familie und Freunde nehmen diese emotionalen Veränderungen oft sehr schnell wahr - und zum Teil intensiver als die Betroffenen selbst. Ob die Betroffenen den Wandel selbst bemerken - und auch darunter leiden - ist individuell unterschiedlich.
Die Veränderungen können äußerst vielfältig sein. Grundsätzlich lassen sich zwei unterschiedliche Richtungen unterscheiden: Das Minus-Syndrom (antriebsarm, apathisch, desinteressiert, wenige Emotionen, emotionslose Sprechweise oder Mimik) und das Plus-Syndrom (impulsiv, aufbrausend, aggressiv, zum Teil paranoide Verdächtigungen).
Einige Beispiele:
- Ehemals ausgeglichene Menschen werden aggressiv.
- Ehemals rationale Denker treffen plötzlich Entscheidungen, die niemand nachvollziehen kann.
- Ehemals herzliche Menschen werden passiv und emotionslos.
- Ehemals ruhige Persönlichkeiten haben ihre Emotionen kaum unter Kontrolle, weinen oder lachen lautstark, auch in unpassenden Momenten.
- Ehemals aktive Menschen werden antriebslos.
- Ehemals mutige Menschen bekommen Angstzustände und Panikattacken.
Wesensveränderungen kommen besonders häufig vor, wenn die Schädigung im Bereich des Frontal- und Temporallappens des Gehirns liegt. Sind der rechte und linke Frontallappen betroffen, begünstigt dies ein Plus-Syndrom, Schädigungen der Temporallappen können eher zu einem Minus-Syndrom führen.
Mit Persönlichkeitsveränderungen verhält es sich so, wie mit vielen Schlaganfall-Folgen. Manche Folgen entwickeln sich wieder zurück, andere nicht. Wichtig ist, die Situation zu thematisieren und Fachleute (Neurologen, Neuropsychologen, Psychologen, Psychotherapeuten etc.) zu Rate zu ziehen, um individuelle Therapien zu entwickeln, die langfristig sowohl den Betroffenen als auch den Angehörigen den Umgang mit den Veränderungen erleichtern.
Vor allem für Angehörige, aber auch für die Betroffenen, ist es oft schwieriger, mit den emotionalen Veränderungen nach einem Schlaganfall umzugehen als mit den körperlichen. Wenn eine Person „nicht mehr sie selbst“ ist, betrifft das das komplette soziale Umfeld. Daran können partnerschaftliche, familiäre und freundschaftliche Beziehungen scheitern.
Prävention eines Schlaganfalls
Die besten Tipps zur Prävention eines Schlaganfalls sind letztendlich immer die Vermeidung von Risikofaktoren. Das heißt: Maßnahmen, die effektiv einem Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel und letzten Endes auch Diabetes vorbeugen und verhindern. Dazu gehört im ersten Schritt, dass man sich vernünftig ernährt, das heißt eine balancierte, ausgewogene zum Beispiel mediterrane Diät zu sich führt. Also überwiegend Gemüse, nicht zu viel Fleisch, nicht zu viel Alkohol. Alkohol ist zwar nicht komplett verboten, aber nur in sehr geringen Mengen. Und natürlich ist ausreichende Bewegung sehr wichtig. 20 bis 30 Minuten Bewegung pro Tag, bei der man leicht schwitzt, ist ideal. Und wenn Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck vorliegen, sollte man die natürlich auch behandeln.
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