Der plötzliche Rückzug von Action-Star Bruce Willis aus dem Filmgeschäft aufgrund seiner Aphasie hat die Krankheit in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch was genau ist Aphasie, wodurch wird sie verursacht und wie kann Betroffenen geholfen werden? Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Aphasie, von den Ursachen und Symptomen bis hin zu Therapieansätzen und Tipps für den Umgang mit Betroffenen.
Was ist Aphasie?
Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die durch eine Schädigung des Sprachzentrums im Gehirn verursacht wird. Sie betrifft die Fähigkeit, Sprache zu produzieren und/oder zu verstehen. Die Kognition, also das Denkvermögen, das Wissen und die Intelligenz, sind in der Regel nicht beeinträchtigt. Betroffene sind sich ihrer Sprachprobleme oft bewusst, was zu Frustration, sozialer Isolation und psychischen Problemen führen kann. In Deutschland sind mehr als 100.000 Menschen von Aphasie betroffen.
Ursachen von Aphasie
Die häufigste Ursache für Aphasie ist ein Schlaganfall. Etwa 30 bis 40 Prozent aller Schlaganfallpatienten erleiden zumindest vorübergehend eine Aphasie. Ein Schlaganfall führt zu einer Durchblutungsstörung im Gehirn, wodurch Hirnzellen absterben, wenn sie nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden.
Weitere Ursachen für Aphasie sind:
- Schädel-Hirn-Trauma (z.B. durch einen Unfall)
- Hirntumore
- Hirnblutungen
- Hirnentzündungen (Enzephalitis)
- Neurodegenerative Erkrankungen (z.B. Demenz, primär progressive Aphasie)
- Epileptische Anfälle
- Sauerstoffmangel im Gehirn (Hypoxie)
Formen der Aphasie
Je nachdem, welcher Bereich des Sprachzentrums im Gehirn geschädigt ist, unterscheidet man verschiedene Formen der Aphasie. Die Hauptformen sind:
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- Broca-Aphasie (motorische Aphasie): Betroffene haben Schwierigkeiten, flüssig zu sprechen. Die Sprache ist mühsam, stockend und klingt wie ein Telegrammstil. Das Sprachverständnis ist meist relativ gut erhalten. Der Satzbau ist vereinfacht und Wörter sind oft nach thematischer Wichtigkeit geordnet, nicht nach grammatikalischer Reihenfolge (Agrammatismus).
- Wernicke-Aphasie (sensorische Aphasie): Betroffene sprechen flüssig, aber die Sprache ist oft verworren und ohne inhaltlichen Zusammenhang. Sie verwenden falsche Wörter oder erfinden neue Wörter (Neologismen). Das Sprachverständnis ist stark beeinträchtigt. Betroffene bemerken ihre eigene Sprachstörung oft nicht. Die Sätze sind oft lang, falsch aufgebaut oder stark ineinander verschachtelt (Paragrammatismus).
- Amnestische Aphasie: Betroffene haben Wortfindungsstörungen, können aber Gesprochenes meist gut verstehen. Sie können sich verständlich artikulieren, aber suchen oft nach dem richtigen Wort und umschreiben es dann ("das Ding, aus dem man Wasser trinkt"). Lesen und Schreiben sind kaum beeinträchtigt.
- Globale Aphasie: Dies ist die schwerste Form der Aphasie. Betroffene können sich sprachlich kaum äußern und verstehen Gesprochenes oft gar nicht. Die Verständigung ist kaum oder gar nicht mehr möglich. Der Sprechfluss ist stark eingeschränkt oder auf einzelne sinnlose Wörter beschränkt.
Neben diesen Hauptformen gibt es noch weitere Sonderformen der Aphasie, wie die Leitungsaphasie und die transkortikale Aphasie.
Symptome der Aphasie im Detail
Die Symptome einer Aphasie können vielfältig sein und hängen von der Art und Schwere der Hirnschädigung ab. Betroffen sein können:
- Sprachproduktion:
- Wortfindungsstörungen
- Verwechslung von Lauten und Wörtern
- Schwierigkeiten, ganze Sätze zu bilden
- Sprechen im Telegrammstil
- Verwenden von Neologismen (Wortneuschöpfungen)
- Starker Redefluss ohne inhaltlichen Zusammenhang
- Vollständiges Verstummen
- Sprachverständnis:
- Schwierigkeiten, Gesprochenes zu verstehen
- Verwechseln ähnlich klingender Wörter
- Verstehen von Wörtern, aber nicht von Sätzen
- Unfähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu erfassen
- Lesen und Schreiben:
- Schwierigkeiten, Gelesenes zu verstehen (Alexie)
- Schwierigkeiten, sich schriftlich auszudrücken (Agraphie)
- Verwechseln von Buchstaben und Wörtern
- Lesen und Schreiben nur einzelner Wörter oder Sätze möglich
Es ist wichtig zu beachten, dass Aphasie eine Sprachstörung und keine Sprechstörung ist. Bei einer Sprechstörung (Dysarthrie oder Sprechapraxie) sind die motorischen Funktionen des Sprechens beeinträchtigt, während bei einer Aphasie die Fähigkeit gestört ist, Sprache zu erzeugen und zu verstehen. Allerdings können Aphasie und Sprechstörungen auch gemeinsam auftreten.
Diagnose von Aphasie
Die Diagnose einer Aphasie wird von einem Neurologen, Neuropsychologen oder Logopäden gestellt. Dabei werden verschiedene Sprachtests durchgeführt, um die Art und den Schweregrad der Sprachstörung zu ermitteln. Ein häufig verwendeter Test ist der Aachener Aphasie Test (AAT).
Bei der Diagnose werden unter anderem folgende Aspekte untersucht:
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- Spontansprache
- Sprachverständnis
- Nachsprechen von Wörtern und Sätzen
- Benennen von Gegenständen
- Lesen und Schreiben
Therapie von Aphasie
Es gibt keine Medikamente gegen Aphasie. Die wichtigste Therapieform ist die Sprachtherapie (Logopädie). Ziel der Sprachtherapie ist es, die sprachlichen Fähigkeiten des Betroffenen zu verbessern, die Kommunikation im Alltag zu erleichtern und die Lebensqualität zu steigern.
Die Therapieansätze sind vielfältig und werden individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt. Sie umfassen unter anderem:
- Übungen zur Verbesserung der Sprachproduktion (z.B. Wortfindung, Satzbau)
- Übungen zur Verbesserung des Sprachverständnisses
- Übungen zum Lesen und Schreiben
- Kommunikationstraining
- Computergestützte Therapie
- Gruppentherapie
Eine intensive Sprachtherapie, idealerweise mindestens vier Mal pro Woche für eine Stunde, ist besonders wichtig. Studien haben gezeigt, dass auch Jahre nach dem Auftreten der Aphasie noch Verbesserungen durch Sprachtherapie erzielt werden können.
Zusätzlich zur Sprachtherapie können auch andere Therapieformen hilfreich sein, wie z.B. Ergotherapie zur Verbesserung der motorischen Fähigkeiten oder Psychotherapie zur Bewältigung der psychischen Belastung.
In einigen Fällen kann auch die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) eingesetzt werden, um die Sprachfähigkeit der Betroffenen zu verbessern. Dabei wird das Sprachnetzwerk des Gehirns extern moduliert.
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Heilungschancen bei Aphasie
Die Heilungschancen bei Aphasie hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Ursache und dem Ausmaß der Hirnschädigung, dem Zeitpunkt des Therapiebeginns und der Intensität der Therapie.
Bei Aphasien, die durch einen Schlaganfall verursacht wurden, ist eine spontane Rückbildung der Sprachstörung innerhalb der ersten Wochen möglich. In vielen Fällen ist eine Aphasie gut behandelbar oder bildet sich im Verlauf sogar allein zurück.
Bei Hirnentzündungen kann eine rechtzeitig begonnene medikamentöse Therapie zu einer vollständigen Heilung führen. Bei Verletzungen ist in der Regel nur eine unvollständige Besserung möglich. Bei neurodegenerativen Erkrankungen ist eine Heilung nicht möglich, aber die Symptome können gelindert werden.
Umgang mit Menschen mit Aphasie
Der Umgang mit Menschen mit Aphasie erfordert Geduld, Einfühlungsvermögen und Verständnis. Hier einige Tipps:
- Sprechen Sie langsam und deutlich.
- Verwenden Sie einfache Sätze und vermeiden Sie lange, komplizierte Formulierungen.
- Geben Sie dem Betroffenen ausreichend Zeit, um zu antworten.
- Vermeiden Sie es, Sätze zu vervollständigen oder Wörter vorzugeben.
- Hören Sie aufmerksam zu und versuchen Sie, den Betroffenen zu verstehen, auch wenn er sich nicht klar ausdrücken kann.
- Verwenden Sie Gesten und Mimik, um die Kommunikation zu erleichtern.
- Vermeiden Sie es, den Betroffenen zu korrigieren oder zu kritisieren.
- Behandeln Sie den Betroffenen wie einen Erwachsenen und nicht wie ein Kind.
- Beziehen Sie den Betroffenen in Gespräche ein und geben Sie ihm die Möglichkeit, sich zu äußern.
- Ermutigen Sie den Betroffenen zu sozialen Aktivitäten und helfen Sie ihm, Kontakte zu pflegen.
- Informieren Sie sich über Aphasie und suchen Sie Unterstützung bei Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen.
Es ist wichtig, dass Menschen mit Aphasie nicht isoliert werden und weiterhin am sozialen Leben teilnehmen können. Angehörige und Freunde spielen dabei eine wichtige Rolle.
Unterstützung für Betroffene und Angehörige
Aphasie kann für Betroffene und ihre Angehörigen eine große Herausforderung sein. Es gibt jedoch zahlreiche Möglichkeiten der Unterstützung:
- Selbsthilfegruppen: Hier können sich Betroffene und Angehörige austauschen und gegenseitig unterstützen.
- Aphasie-Zentren: Diese bieten spezialisierte Therapien und Beratungen an.
- Beratungsstellen: Hier erhalten Betroffene und Angehörige Informationen und Unterstützung zu allen Fragen rund um die Aphasie.
- Bundesverband Aphasie: Der Bundesverband Aphasie bietet eine bundesweite Übersicht mit regionalen Aphasiezentren und Selbsthilfegruppen.
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