Eine Armparese nach einem Schlaganfall beschreibt den Verlust der Muskelkraft oder Bewegungsfähigkeit in einem oder beiden Armen. Diese Lähmung kann teilweise (Parese) oder vollständig (Plegie) sein, je nachdem, wie stark die Muskeln betroffen sind. Sie ist immer Symptom einer Grunderkrankung wie z.B. eines Schlaganfalls oder einer Schädigung des Gehirns aufgrund anderer Ursachen. Einseitige Kraft- und Bewegungsstörungen (Motorik) sowie Muskelverkrampfungen im Gesicht oder an Armen und Beinen können den Alltag erheblich einschränken und Betroffene psychisch enorm belasten.
Was ist eine Parese?
Unter Paresen fasst die Medizin unvollständige Lähmungen der Skelettmuskulatur zusammen, die zu mehr oder minder ausgeprägten Bewegungseinschränkungen führen. Bei einer Parese handelt es sich um keine eigenständige Erkrankung.
Ursachen einer Armparese
Die Ursache liegt in einer Schädigung des motorischen Nervs, der die Bewegung in einem Muskel einleitet. Die bewusste Steuerung der Bewegungen ist bei einer Armlähmung eingeschränkt oder gar nicht möglich. Normalerweise ist der motorische Kortex im Gehirn für diese Steuerung zuständig. Wird dieser oder gar die Nervenleitbahnen, die vom motorischen Kortex zum Rückenmark verlaufen, geschädigt, kann eine Armlähmung entstehen.
Häufigste Ursache einer Hemiplegie ist der Schlaganfall oder Apoplex. Er entsteht in bis zu 85 % der Fälle durch eine verminderte Blutversorgung (Ischämie) eines begrenzten Gehirnbereiches, wobei die Ischämie dann zum Untergang von Hirngewebe führt (Hirninfarkt). In den übrigen 15 % der Fälle wird der Schlaganfall durch das Platzen einer Hirnarterie mit nachfolgender Blutung in das Gehirn ausgelöst. Häufig lässt sich eine Hirnblutung auf jahrelang erhöhten Blutdruck zurückführen. Ursachen können aber auch Gefäßfehlbildungen (Aneurysmen) oder Kopfverletzungen sein.
Weitere Ursachen können sein:
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- Schädigungen des Nervensystems: Verletzungen oder Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks oder der Nerven, die die Arme versorgen.
- Druckschäden, die häufig durch Tumore oder Bandscheibenvorfälle verursacht werden, durch die die Reizweiterleitung über den Spinalkanal (Wirbelkanal) eingeschränkt wird.
- Schlaganfall
- Schädelhirntrauma
- Bandscheibenvorfall
- Karpaltunnelsyndrom
- Tumore
Jede Hemiparese ist auf eine Schädigung eines begrenzten Areals in einer Gehirnhälfte zurückzuführen. Dabei ist immer die der betroffenen Körperseite gegenüberliegende Gehirnhälfte geschädigt. Die spiegelverkehrten Ausfälle sind dadurch erklärbar, dass eine Gehirnhälfte immer die Muskulatur der gegenüberliegenden Körperseite steuert. Hemiparesen können unterschiedliche Ursachen haben und durch Stoffwechselstörungen, Unfälle oder entzündliche Erkrankungen bedingt sein. Als häufigste Ursache solcher Hirnschäden gilt Sauerstoffmangel, der durch Durchblutungsstörungen entsteht. Ist ein Blutgefäß verstopft, verengt oder sogar verschlossen, kommt es zu einer Unterversorgung des Nervengewebes mit sauerstoffreichem Blut und lebenswichtigen Nährstoffen.
Formen der Parese
Je nach Schädigungsort unterscheidet man zwei Formen:
- Zentrale Parese: Bei Schädigung des Nervs zwischen Gehirn und Vorderhornzelle des Rückenmarks (1. Motoneuron). Bei einer zentralen Parese liegt die Ursache im Gehirn oder Rückenmark. Bei zentralen Paresen befindet sich die gelähmte Muskulatur immer auf der Gegenseite zur Gehirnschädigung.
- Periphere Parese: Bei Schädigung des Nervs zwischen der Vorderhornzelle des Rückenmarks und der motorischen Endplatte des Muskels (2. Motoneuron). Bei einer peripheren Parese ist der Nerv in seinem Verlauf in Armen oder Beinen geschädigt. Bei peripheren Lähmungen ist die Parese immer gleichseitig zur Schädigung.
Bei zentralen Paresen unterscheidet man, abhängig von der betroffenen Extremität:
- Monoparese: Die inkomplette Lähmung betrifft nur eine Extremität, z.B. den Arm.
- Paraparese: Beide Beine sind von der Lähmung betroffen, Arme sind nicht betroffen.
- Hemiparese: Arm und Bein einer Seite sind inkomplett gelähmt. Wenn normales Gehen oder das Ergreifen von Gegenständen durch den Ausfall eines Beines oder Armes auf einer Körperseite nicht mehr möglich sind, liegt eine sogenannte Hemiparese vor.
- Tetraparese: Eine inkomplette Lähmung aller vier Gliedmaßen (Arme und Beine) sowie eine gestörte Rumpf- und Kopfkontrolle sind vorhanden. Die Tetraparese ist laut Definition eine unvollständige Lähmung aller vier Extremitäten, also beider Arme und Beine. Häufige Ursachen der inkompletten Tetraparese sind Verletzungen des Rückenmarks im oberen Halswirbelbereich (hohe Querschnittslähmung) oder neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose (MS) und Hirntumore.
Periphere Paresen können einen oder mehrere Nerven betreffen. Eine Schädigung mehrerer Nerven im Bereich des Nervengeflechts bezeichnet man als Plexusparese. Man unterscheidet eine Armplexusparese (Plexus brachialis) und eine Beinplexusparese (Plexus lumbalis). Armparesen gehören zu den häufigsten Nervenschädigungen. Zu Lähmungserscheinungen im Arm kommt es auch bei einer Armplexusparese (Plexus brachialis).
Symptome einer Armparese
Typische Symptome können eine Muskelschwäche, ein Taubheitsgefühl oder ein vollständiger Verlust der Bewegungsfähigkeit sein. Die bewusste Steuerung der Bewegungen ist bei einer Armlähmung eingeschränkt oder gar nicht möglich.
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Die Halbseitenlähmung ist die Lähmung einer Körperhälfte, die vollständig (Hemiplegie) oder unvollständig (Hemiparese) ausgeprägt sein kann. Bei einer vollständigen Halbseitenlähmung (Hemiplegie) sind häufig auch die Gesichts- und Zungenmuskulatur (Faszialparese) der gelähmten Seite betroffen. Die Wahrnehmung von Reizen (Temperatur, Schmerz, Berührung) ist gestört, vermindert oder nicht mehr vorhanden. Die unvollständige Halbseitenlähmung (Hemiparese) kann sich in einer schlaffen oder starken Muskelspannung äußern und zu unkoordinierten oder überschießenden Bewegungen (Spastiken) führen. In manchen Fällen sind vor allem das Gesicht und/oder der Arm und weniger das Bein betroffen, sodass es noch möglich ist, selbstständig mit oder ohne Hilfsmittel zu gehen. Häufig erschweren jedoch Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen die eigenständige Fortbewegung. Lähmungen einer Gesichtshälfte führen häufig zu eingeschränkter Mimik und Sprachstörungen.
Diagnose einer Armparese
Die Diagnose einer Parese erfolgt durch eine klinische Untersuchung, bildgebende Verfahren und optional durch spezielle Zusatzuntersuchungen. Lähmungen sind durch eine Minderung der Muskelkraft gekennzeichnet. Aus diesem Grund werden zur klinischen Klassifizierung der verschiedenen Lähmungsgrade diverse Skalen zur Bewertung der Muskelkraft herangezogen. Ein häufig verwendetes System ist der „Medical Research Council“ (MRC). Hierbei werden pro Muskel bzw. Bewegung Punkte von 0 bis 5 vergeben.
Zur Diagnose gehören:
- Klinische Untersuchung: Der zuständige Facharzt für Lähmungserscheinungen ist der Neurologe. Bei einem Unfall wird nach dem genauen Unfallhergang, Beginn und Dauer aller Symptome gefragt. Überprüfung von Muskelkraft, Beweglichkeit, Reflexe und Empfinden in den betroffenen Körperteilen.
- Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG/NLG): Durch Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG/NLG) können Nervenleitgeschwindigkeit und Muskel genauer untersucht werden. Sie können bei der Ursachenfindung eine wichtige Rolle spielen.
- Bildgebende Verfahren: Um auf eine zentrale Schädigung können Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) Aufschluss geben.
- Liquorpunktion: Bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung erfolgt eine Liquorpunktion.
Therapie einer Armparese
Die Behandlung wird stets an die individuellen Anforderungen des Patienten angepasst und orientiert sich an Ursache, Ausprägung und genauer Lokalisation der Nervenschädigung. Je früher die Therapie bei einem Schlaganfall einsetzt, um so größer sind die Überlebenschancen des Patienten. Dies erfordert von Anfang an eine intensive „Rehabilitation". Sie beginnt bereits in der Akutphase im Krankenhaus, wenn der Allgemeinzustand des Betroffenen stabilisiert und die Behandlung des Schlaganfalls entsprechend der Ursachen eingeleitet worden ist.
Akutbehandlung
Nach einem Schlaganfall muss zunächst eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden, um die Blutgerinnsel im Gehirn aufzulösen. Dazu stehen blutverdünnende Präparate mit verschiedenen Wirkstoffen wie etwa Tenecteplase zur Verfügung. Liegt der Hemiparese eine entzündliche Erkrankung zugrunde, erfolgt deren medikamentöse Behandlung abhängig vom Erreger als Gabe von Virostatika oder Antibiotika. Operative Maßnahmen kommen zum Einsatz, wenn verletzungsbedingte Blutungen im Gehirn vorliegen oder ein Tumor Auslöser der Halbseitenlähmung ist. Bei Tumorerkrankungen können die behandelnden Ärzte auch eine Chemotherapie oder eine Strahlentherapie einleiten.
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Rehabilitation
Im Anschluss an die Akutbehandlung wird ein interdisziplinäres Rehabilitationsprogramm konzipiert, das darauf abzielt, die Bewegungsfähigkeit des Patienten zu verbessern oder wiederherzustellen. Abhängig von den Einschränkungen und den betroffenen Körperbereichen stützt sich die Behandlung auf physiotherapeutische, ergotherapeutische und logopädische Maßnahmen.
Bei zentralen Paresen, wie nach Schlaganfall oder Schädelhirntrauma, erfolgt die Rehabilitation angepasst an die Ziele des Patienten nach den Prinzipien des motorischen Lernens. Es werden spezifische alltagsrelevante Bewegungen, wie Greifen oder Gehen, die durch die Parese eingeschränkt sind, trainiert.
Physiotherapie: Eine zentrale Rolle in der Paraparese-Behandlung spielt die Physiotherapie. Die verschiedenen klassischen Physiotherapieschulen (zum Beispiel Bobath oder PNF) werden nicht ausdrücklich empfohlen. Insbesondere bei leichten bis mittelschweren Lähmungen ist für die Behandlung geeigneter Patienten ein „Zirkeltraining“ denkbar. Dabei können auch passive mechanische Trainingsgeräte und virtuelle Realitäts-Anwendungen zum Einsatz kommen.
Ergotherapie: Mithilfe von Ergotherapie können zudem Bewegungsabläufe trainiert werden, um alltägliche Aufgaben wie Waschen und Anziehen selbstständig zu bewältigen. In der Ergotherapie steht das Trainieren der Feinmotorik im Vordergrund, damit alltägliche Handlungen geübt und dadurch ein gewisses Maß an Selbständigkeit wiedererlangt werden.
Logopädie: Eine intensive logopädische Betreuung ermöglicht den Patienten, die Lippen- und Zungenmuskulatur wieder gezielt zu nutzen, um Laute zu bilden und sich sprachlich verständigen zu können.
Weitere Therapieansätze:
- Bobath-Konzept: Das ganzheitliche und interdisziplinäre Bobath-Konzept ist heute die Therapieform erster Wahl. Es bewirkt bei vielen Patienten eine Anbahnung angepasster beidseitiger Bewegungsabläufe, eine Normalisierung des Muskeltonus und der Wahrnehmung der eigenen Körperfunktionen sowie die Wiederherstellung einer intakten Mund-, Schluck-, Zungen- und Gesichtsmotorik.
- Bewegungsinduktionstherapie („Constraint induced movement therapy, CIMT“): Diese Personen haben früh nach einem Schlaganfall realisiert, dass ihr gelähmter Arm im Alltag nicht oder kaum eingesetzt werden kann. Sie haben dann gelernt, alles mit der nicht betroffenen Hand zu machen. Später hat sich der gelähmte Arm eventuell schon erholt. CIMT umfasst üblicherweise sechs Stunden Therapie pro Tag. Ergänzend stellt man über zwei Wochen die weniger betroffene Hand für die größte Zeit des Tages ruhig (90 Prozent der Wachstunden).
- Spiegeltherapie: Bei der Spiegeltherapie betrachtet der Patient im Spiegel die Bewegung seiner nicht gelähmten Hand. Durch den Blick in den Spiegel sieht diese Bewegung so aus als würde sich seine gelähmte Hand ganz normal bewegen.
- Mentales Training: Eine Verbesserung der Armfunktion ist auch durch das mentale Training denkbar.
- Neuromuskuläre Elektrostimulation: Bei den verschiedenen Verfahren der neuromuskulären Elektrostimulation werden Nerven und Muskel am Arm elektrisch stimuliert. So erzeugt man technisch eine Bewegung, die eine betroffene Person mit schwerer Armlähmung nach Hirnschädigung noch nicht selbst ausführen könnte.
- Arm-Therapie-Roboter: Arm-Therapie-Roboter können je nach Bauart Schulter- und Ellenbogen-Bewegungen, Unterarm- und Handgelenksbewegungen oder Fingerbewegungen mechanisch unterstützen. Die Arm-Therapie-Roboter erkennen, welchen Anteil an Bewegungen der Betroffene schon selbst ausführen kann und ergänzen den Rest der Trainingsbewegungen.
Funktionelle Elektrostimulation: Die funktionelle Elektrostimulation kann ausgezeichnet mit Aktivitäten des täglichen Lebens kombiniert werden.
Periphere Nervenschädigung: Ist der periphere Nerv geschädigt, der Muskel also teils denerviert, ist eine Kombination aus aktiven Übungen und elektrischer Stimulation sinnvoll. und somit eine Atrophie/Abbau der vom Nerv nicht mehr versorgten Muskelanteile verhindern (Kern et al. 2010) und die Regeneration der Nerven fördern.
Verlauf einer Parese
Kann die Ursache der Nervenschädigung nicht behoben werden, kommt es durch die fortdauernde Lähmung meist zum Abbau von Muskelmasse (Atrophie). der Muskelfasern und zu vermehrten Fetteinlagerungen kommen. Das Ausmaß der Atrophie und der Fibrosierung geht mit dem Schweregrad der Lähmung einher. Abhängig vom Ausmaß der Parese tritt bei zentralen Schädigungen aufgrund der fehlenden Kontrolle durch das Gehirn im Rückenmark im Verlauf zusätzlich eine Spastik (erhöhte Muskelspannung) auf. man bei Multipler Sklerose oder Schlaganfall häufig von einer spastischen Parese. Je stärker die Parese, desto stärker die Spastik.
Je nach Schweregrad der Nervenschädigung und bei schneller Versorgung können die Lähmungserscheinungen zurückgehen oder sogar verschwinden.
Hilfsmittel
Neben den Therapiemöglichkeiten bietet der Markt verschiedene Lösungen in Form von Hilfsmitteln an. Diese richten sich vor allem an Patienten, bei denen eine Therapie keine Besserung gebracht und der Funktionsverlust oder -einschränkung dennoch besteht. Eine solche Lösung ist die MyoPro® Orthese. Speziell entwickelt für Patienten mit einer Hand- und Armlähmung nach einem Schlaganfall, unterstützt sie diese im Alltag. Daneben kann sie bei weiteren neuromuskulären Erkrankungen und Verletzungen helfen. Der Funktionsverlust wird mittels der MyoPro® ausgeglichen, sodass eine Beidhändigkeit ermöglicht wird. Trotz einer Armlähmung können so alltägliche Aufgaben wieder mit beiden Armen erledigt werden. Ermöglicht wird dies durch die Myoelektrik. Die MyoPro® kommt gänzlich ohne Elektrostimulation sowie invasiven Eingriff aus, sondern arbeitet mit Elektroden, die die Muskelsignale auf der Haut ablesen.
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