Atypischer Parkinson: Ursachen, Vererbung und Diagnose

Die Diagnose Parkinson ist für Betroffene oft ein Schock. Obwohl diese chronische Nervenerkrankung nicht heilbar ist, gibt es Möglichkeiten, die Lebensqualität langfristig zu bewahren. Eine passgenaue Therapie, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist, ist dabei entscheidend. In den Schön Kliniken verfügen Teams aus Ärzten, Therapeuten und Pflegepersonal über langjährige Erfahrung in der Parkinsonbehandlung.

Was ist atypischer Parkinson?

Im Gegensatz zur Parkinson-Krankheit im engeren Sinn (Morbus Parkinson), bei der Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren, frühzeitig absterben, handelt es sich bei atypischen Parkinson-Syndromen (APS) um seltene Erkrankungen. Diese werden auch als "Parkinson plus" bezeichnet.

Ursachen

Wie bei der Parkinson-Krankheit liegt atypischen Parkinson-Syndromen eine Schädigung oder Degeneration von Nervengewebe im Gehirn zugrunde, die über die typischen Auffälligkeiten bei der Parkinson-Krankheit hinausgeht. Die Ursachen für das Absterben der Nervenzellen sind vielfältig und oft nicht vollständig geklärt.

Morbus Parkinson (Parkinsonsyndrom mit ungeklärter Ursache) sowie das symptomatische Parkinsonsyndrom, das verschiedene Ursachen haben kann. Dazu gehören Hirndurchblutungsprobleme („Gefäßverkalkung“), Tumore, Vergiftungen, Traumata sowie stoffwechselbedingte Krankheiten.

Abgrenzung zu Morbus Parkinson

Atypische Parkinson-Syndrome unterscheiden sich von Morbus Parkinson in einigen wesentlichen Punkten:

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  • Symptome: Bei atypischen Parkinson-Syndromen fehlen oft die klassischen Symptome wie Zittern, dafür treten andere neurologische Symptome hinzu. Stürze, Gleichgewichtsprobleme, Kreislaufregulationsstörungen, Blasenstörungen sowie kognitive Störungen und Demenz können schon frühzeitig auftreten.
  • Verlauf: Atypische Parkinson-Syndrome verlaufen in der Regel schwerer und schneller als Morbus Parkinson.
  • Behandlung: Atypische Parkinson-Syndrome sprechen im Allgemeinen weniger gut auf Medikamente wie Levodopa an.

Formen atypischer Parkinson-Syndrome

Zu den atypischen Parkinson-Syndromen zählen verschiedene Krankheitsbilder:

  • Multisystematrophie (MSA): Hierbei kommt es zu einer Degeneration in mehreren Gehirnregionen, einschließlich des Kleinhirns, des autonomen Nervensystems und der Basalganglien. Je nach Ausprägung der Symptomatik werden zwei Typen unterschieden: der Parkinson-Typ (MSA-P) und der cerebelläre Typ (MSA-C) mit Zeichen einer Kleinhirnfunktionsstörung.
  • Progressive supranukleäre Blickparese (PSP): Diese Erkrankung betrifft besonders das Mittelhirn und andere Hirnregionen und ist durch abnormale Ansammlungen des Tau-Eiweißes gekennzeichnet.
  • Kortikobasales Syndrom (CBS): Das CBS zeichnet sich durch eine Kombination von kortikalen (z.B. Apraxie, Sensibilitätsstörungen) und basalganglionären Symptomen (z.B. Rigor, Dystonie) aus.
  • Demenz mit Lewy-Körpern (LBD): Bei der LBD kommt es zur Bildung von Lewy-Körpern, die Eiweißablagerungen von alpha-Synuclein in Nervenzellen darstellen. Neben den motorischen Parkinson-Symptomen zählen die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, wiederkehrende optische Halluzinationen und Schwankungen der Aufmerksamkeit zu den Kernsymptomen.

Vererbung

Die Parkinson-Erkrankung der meisten Patientinnen und Patienten ist nicht genetisch bedingt, sondern tritt aus zunächst unbekannten Gründen auf. Rein erbliche Formen machen nur etwa 5-10 % aus. Einige Studien zeigen familiäre Häufungen, jedoch ist dies weniger ausgeprägt als bei klassischen genetischen Formen der Parkinson-Krankheit. Es gibt allerdings genetische Faktoren, die zum Krankheitsausbruch beitragen können. Eines der identifizierten „Parkinson-Gene“ (PARK1) ist für die Herstellung von Alpha-Synuclein verantwortlich. Das Protein reguliert u. a. die Dopamin-Ausschüttung. Liegt z. B. eine Genmutation vor, ist auch das Alpha-Synuclein defekt. Das „unbrauchbare“ Protein lagert sich als sogenannte „Lewy-Körperchen” in den Zellen ab, wodurch diese nicht mehr richtig arbeiten können und schließlich absterben. Wegen ihrer kausalen Therapierbarkeit ist die Kupferstoffwechselstörung des Morbus Wilson sehr wichtig. Jenseits des 50 Lebensjahrs ist diese aber bisher kaum beschrieben worden.

Diagnose

Die Diagnose atypischer Parkinson-Syndrome ist oft schwierig, insbesondere in der Frühphase der Erkrankung. Sie erfolgt durch Neurologinnen und Neurologen und basiert auf eine Kombination aus:

  • Klinischer Untersuchung: Erhebung der Krankengeschichte und körperlich-neurologische Untersuchung auf Basis der Symptome.
  • Verlaufsbeobachtung: Beobachtung der Entwicklung der Symptome im Zeitverlauf.
  • Ausschluss anderer Erkrankungen: Abklärung anderer möglicher Ursachen für die Symptome.
  • Bildgebende Verfahren: MRT-Untersuchungen können strukturelle Veränderungen im Gehirn zeigen, die typisch für bestimmte atypische Parkinson-Syndrome sind.
  • Nuklearmedizinische Untersuchungen: PET-Untersuchung oder Dopamintransporter-Szintigraphie (DaTSCAN) können zur Diagnosefindung beitragen.
  • Weitere Untersuchungen: Blutdruckmessungen, Bestimmung der Restharnmenge, Nervenwasseruntersuchung, kardiovaskuläre Funktionstests.

Differenzialdiagnose

Es ist wichtig, atypische Parkinson-Syndrome von anderen Erkrankungen abzugrenzen, die ähnliche Symptome verursachen können. Dazu gehören:

  • Morbus Parkinson
  • Alzheimer-Demenz
  • Vaskuläre Enzephalopathie
  • Normaldruckhydrozephalus

Symptome wie Kreislaufschwindel, Stürze, Gleichgewichtsstörungen, abnorme Augenbewegungen, Muskelzuckungen und kognitive Beeinträchtigungen bei Beginn eines Parkinson-Syndroms gelten als Ausschlusskriterien für die Parkinson-Krankheit und sind damit diagnostisch richtungsweisend für ein atypisches Parkinson-Syndrom.

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Therapie

Leider gibt es bis heute keine kausale medikamentöse Therapie für atypische Parkinson-Syndrome. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, den funktionellen Status zu erhalten und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Da diese Syndrome in der Regel kaum auf dopaminerge Therapien ansprechen, erfordert die Behandlung einen individuelleren Ansatz als bei der Parkinson-Erkrankung.

Medikamentöse Therapie

  • Levodopa: Kann bei einigen Patienten mit MSA-P die hypokinetisch-rigide Symptomatik verbessern, die Wirkung lässt aber oft im Verlauf nach.
  • Medikamente gegen vegetative Symptome: Bei MSA können Medikamente zur Behandlung der Kreislaufprobleme (z.B. Midodrin) helfen, den Blutdruck aufrechtzuerhalten. Harninkontinenz und Blasenprobleme lassen sich mit Medikamenten zur Kontrolle der Blasenfunktion behandeln.
  • Antidepressiva: Können bei depressiven Verstimmungen oder Angstzuständen hilfreich sein.
  • Acetylcholinesterase-Hemmer: Bei Lewy-Körper-Demenz können diese Medikamente zur Behandlung von kognitiven Symptomen und Halluzinationen eingesetzt werden.
  • Botulinumtoxin: Kann bei Dystonien oder Schwierigkeiten, die Augenlider offen zu halten, helfen.

Nicht-medikamentöse Therapie

  • Physiotherapie: Soll Mobilität, Gleichgewicht und Kraft verbessern und das Risiko von Stürzen reduzieren.
  • Ergotherapie: Unterstützt Patienten dabei, alltägliche Aktivitäten besser zu bewältigen und gibt Hilfsmittel oder Anpassungen für das häusliche Umfeld, um die Selbstständigkeit möglichst lange aufrechtzuerhalten.
  • Logopädie: Kann helfen, die Sprachverständlichkeit zu verbessern und Schlucktechniken zu trainieren.
  • Ernährung: Eine gesunde Ernährung kann helfen, bestimmte Symptome zu lindern (z.B. Verstopfung) und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Bei Schluckstörungen kann eine spezielle Kostanpassung erforderlich sein.
  • Urotherapie und Kontinenzberatung: Kann sehr wertvoll sein, insbesondere bei MSA.

Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige

  • Parkinson-Fachkliniken: Bieten eine multimodale Komplexbehandlung vollstationär oder tagesklinisch an.
  • Selbsthilfegruppen: Bieten die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen.
  • Parkinson-Verbund, Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV) und die Deutsche PSP-Gesellschaft e. V.: Organisationen, die auch offen sind für Betroffene mit atypischen Parkinson-Syndromen.

Leben mit atypischem Parkinson

Die Diagnose eines atypischen Parkinson-Syndroms kann das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinflussen. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit der Erkrankung auseinanderzusetzen und sich professionelle Hilfe zu suchen. Eine individuelle Therapie und eine gute Unterstützung können dazu beitragen, die Lebensqualität möglichst lange zu erhalten.

Chris' Geschichte

Chris erhielt 2017 die Diagnose idiopathisches Parkinsonsyndrom. Seitdem hat sich sein Leben grundlegend verändert. Er berichtet offen über die verschiedenen Facetten seiner Erkrankung und seinen Umgang damit. Dabei setzt er sich auch für bessere Strukturen im Pflegesystem ein. 2023 gründete er den Verein „Parkinson Pate e.V.“, um Betroffenen und Angehörigen in dieser schwierigen Phase beizustehen.

Akzeptanz und Austausch

Chris betont die Wichtigkeit des Austauschs mit anderen Menschen mit Parkinson. Er rät Betroffenen, das zu akzeptieren, was sie nicht ändern können, und sich zusammen mit ihren Angehörigen mit dem Thema Parkinson auseinanderzusetzen, aber dem Ganzen nicht zu viel Raum zu geben.

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