Der Hirnstamm ist ein entwicklungsgeschichtlich alter und wichtiger Teil des Gehirns, der zahlreiche essenzielle Funktionen erfüllt. Er verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark und ist für die Steuerung lebenswichtiger Prozesse wie Atmung, Herzfrequenz und Blutdruck zuständig. Innerhalb des Hirnstamms spielt die Brücke (Pons) eine zentrale Rolle bei der Informationsweiterleitung und -verarbeitung.
Was ist die Brücke (Pons)?
Die Brücke, lateinisch "Pons", ist ein etwa 2,5 Zentimeter langer Abschnitt des Hirnstamms. Sie liegt zwischen dem Mittelhirn (Mesencephalon) und dem verlängerten Mark (Medulla oblongata). Ihr Name ist Programm, denn sie dient als "Brücke" zwischen dem peripheren Nervensystem, dem Großhirn und dem Kleinhirn. Am intakten Gehirn ist der Pons nur von unten (basal) sichtbar. Lateral bedecken die Temporallappen die Struktur des Hirnstamms, nach dorsal schließt sich das Cerebellum an. Von letzterem wird er durch den Ventriculus quartus - den vierten Ventrikel des Liquorsystems - getrennt, wobei der dorsale Pons seinen rautenförmigen Boden bildet. Seitlich verlaufen die drei paarigen Pedunculi cerebellaris, die mächtigen Faserverbindungen zum Kleinhirn. Die Brücke selbst ist nach ventral hin vorgewölbt, wobei die Form durch horizontal (Fibrae pontis transversae) und vertikal (Fibrae pontis longitudinales) verlaufende Faserstränge hervorgerufen wird. Sie bilden die weiße Substanz der Pars basilaris pontis, der Basis. Ihre graue Substanz liegt zwischen den Axonen und besteht aus sogenannten Brückenkernen, den Nuclei pontis. Dorsal liegt das Tegmentum pontis - die Haube. Die Gefäßversorgung des Pons erfolgt durch die entsprechend benannten Aa. Pontis, die A. basilaris entspringen. Letztere ist wiederum der unpaare Zusammenschluss der beiden Aa. vertebrales darstellt.
Aufbau des Hirnstamms
Der Hirnstamm besteht aus drei Hauptabschnitten:
- Mittelhirn (Mesencephalon): Es ist der kleinste Hirnabschnitt und verbindet die Brücke mit dem Zwischenhirn.
- Brücke (Pons): Sie liegt zwischen dem Mittelhirn und dem verlängerten Mark.
- Verlängertes Mark (Medulla oblongata): Es bildet den Übergang zum Rückenmark.
Die Brücke und das Kleinhirn werden auch als Metencephalon (Hinterhirn) bezeichnet. Es bildet zusammen mit dem Myelencephalon (verlängerten Mark) das Rautenhirn (Rhombencephalon).
Funktionen der Brücke
Die Brücke hat vielfältige Funktionen, die für die Informationsverarbeitung und Steuerung verschiedener Körperfunktionen unerlässlich sind.
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- Informationsweiterleitung: Ein Großteil aller Informationen, die von peripheren Nerven an das Gehirn weitergeleitet werden, passieren in ihrem Verlauf den im Hirnstamm gelegenen Pons. Die Fibrae pontis transversae entstammen Fasern, die ursprünglich aus dem Cortex stammen. Sie werden in ihrem Verlauf an den Nuclei pontis umgeschaltet und kreuzen als Fibrae zur Gegenseite. Letztendlich gelangen sie durch die Pedunculi cerebellaris ins Kleinhirn. Die Hauptaufgaben der Brücke bestehen in der Umschaltung und Weiterleitung von Informationen an das Großhirn, Kleinhirn oder von den beiden an das Rückenmark.
- Feinmotorik: Die Brücke bildet eine wichtige Umschaltstelle zwischen Kleinhirn und Motorcortex. Indem sie die cortipontinen Fasern umschalten und als pontocerebelläre Bahnen in die jeweils gegenüberliegende Kleinhirnhälfte senden, dienen sie motorischen Signalen als Brücke. Damit dreht sich im vorderen Bereich der Pons also alles um Motorik, hier werden die willkürmotorischen Signale der Großhirnrinde als eine Art Kopie ins Kleinhirn weitergeleitet, das die Bewegung daraufhin feiner abstuft und präzisiert.
- Hirnnervenkerne: Die Hirnnervenkerne im Pons nehmen ebenfalls eine hohe funktionelle Bedeutung ein. Sie sind für die Steuerung von Muskeln und Drüsen wichtig und verarbeiten Informationen über Berührungen oder Nozizeption („Schmerz“).
- Vegetative Funktionen: Der Pons setzt sich zum einen das auffällige Netz der Formatio reticularis fort, das essenzielle vegetative Aufgaben erfüllt - zum Beispiel die Steuerung der Herztätigkeit, des Kreislaufs und der Atmung. Zur Formatio reticularis gehört auch das aufsteigende retikuläre aktivierende System, ohne das Bewusstsein nicht möglich ist.
- Sensorische Wahrnehmung: Funktional werden in dem Pons Geschmack und besonders Gehör verortet.
Hirnnerven und ihre Funktionen
Die Brücke enthält wichtige Hirnnervenkerne, die für verschiedene Funktionen im Kopf- und Halsbereich zuständig sind:
| Kern | Lage | Hirnnerv | Funktion |
|---|---|---|---|
| Ncl. nervi abducentis | Pons | N. abducens (VI) | Steuerung M. rectus lateralis (äußerer Augenmuskel) |
| Ncl. motorius nervi trigemini | Pons | N. mandibularis nervi trigemini (V) | Steuerung Kaumuskulatur |
| Ncl. nervi facialis | Pons | N. facialis (VII) | Steuerung mimische Muskulatur |
| Ncl. salivatorius superior | Pons | N. facialis (VII) | Ggl. pterygopalatinum, Steuerung Gll. lacrimalis, nasales, palatinae; Ggl. submandibularis, Steuerung Gll. submandibularis, lingualis anterior, sublingualis |
| Ncl. olivaris superior | unterer Pons | N. vestibulocochlearis (VIII) | Haarzellen des Corti-Organs (Hören) |
| Nucleus principalis nervi trigemini | Pons | N. trigeminus (V) | Druck- und Berührungsempfindung von Gesichts- und Schleimhaut in Mund- und Nasenhöhle |
| Nucleus spinalis nervi trigemini | Pons bis Zervikalmark | N. trigeminus (V) | Grobe Druck- und Berührungsempfindung, Schmerz- und Temperatursinn in Mund- und Nasenhöhle |
| Ncll. cochleares | Pons und Medulla oblongata | N. vestibulocochlearis (VIII) | Innenohr (Hörsinn) |
| Ncll. vestibulares | Pons und Medulla oblongata | N. vestibulocochlearis (VIII) | Gleichgewichtssinn |
Schädigungen und Erkrankungen der Brücke
Die wichtige Rolle des Pons zeigt sich auch bei Ausfällen in diesem Bereich: Pathologien der Brücke können sich schnell auf den gesamten Körper auswirken und sind generell relativ riskant mit einer hohen Letalität (Sterberate). Schädigungen des Hirnstamms führen zu sogenannten Hirnstamm-Syndromen. Diese sind in den meisten Fällen durch den Ausfall von Hirnnerven gekennzeichnet (durch Schädigung der Hirnnervenkerne). Je nach Höhe der Läsion - in Mittelhirn, Pons oder verlängertem Mark - fallen die Funktionen verschiedener Nerven aus. Bei unvollständigen Hirnstamm-Läsionen können die Symptome auf der gleichen oder auf der gegenüber liegenden Körperseite auftreten (wegen der gekreuzten Bahnen).
Einige Beispiele für Erkrankungen und Syndrome, die den Pons betreffen können, sind:
- Zentrale pontine Myelinolyse (ZPM): Eine neurologische Erkrankung des Pons, bei der ohne ersichtlichen Grund die Myelinisolierung der Nervenbahnen (vor allem im zentralen Teil) degenerieren. Die Symptome können unterschiedlich sein und von Problemen bei der Sprachbildung, Augenbewegung oder Schluckvorgängen bis hin zu Bewusstseinsstörungen, komatösen Zuständen und dem Locked-In Syndrom führen. Ursachen können unterschiedlich sein. So kann das Syndrom etwa durch Alkoholmissbrauch, Mangelernährung, Verbrennungen oder Hormonstörungen ausgelöst werden. Auch der zu schnelle Ausgleich einer Hyponatriämie kann zur ZPM führen.
- Locked-In-Syndrom: Beim Locked-In-Syndrom sind die Patienten/-innen wach und bei vollem Bewusstsein. Sprachverständnis und die Aufnahme sind ebenfalls erhalten. Durch Lähmungserscheinungen ist die Bewegungs- und Artikulationsmöglichkeit auf vertikale Augenbewegungen und den Lidschluss beschränkt. Typische Ursache neben dem ZMR ist ein Verschluss der A. basilaris.
- Millard-Gubler-Syndrom (Brückensyndrom): Es wird durch eine Durchblutungsstörung - etwa nach einem Schlaganfall - ausgelöst und kann die laterale oder paramediane Basis oder die Haube des Pons betreffen. Laterale Brückensyndrome führen zu Bewegungs- und Empfindungseinschränkungen, Paramediane zu spastischen Halbseitenlähmungen.
- Hirnstamm-Infarkt: Ein Hirnstamm-Infarkt kann jene Areale betreffen, die für das Bewusstsein oder die Atmung von Bedeutung sind. In einem solchen Fall ist die Läsion lebensbedrohend.
- Hirntumoren: Circa 20 % der Hirnstammgliome wachsen, indem sie das Gewebe verdrängen (exophytisches Wachstum) und verlängertes Mark, Brücke und Mittelhirn in erster Linie durch Druck auf diese Strukturen schädigen. Die verbleibenden 80 % wachsen infiltrierend, das heißt in das Hirnstammgewebe hinein (intrinsisches Wachstum).
Der Hirnstamm als Ganzes
Der Hirnstamm bildet die Schnittstelle zwischen dem übrigen Gehirn und dem Rückenmark. Aus dem Körper aufsteigende und in den Körper absteigende Informationen leitet er überkreuz weiter, daher ist die rechte Gehirnhälfte für die linke Körperhälfte zuständig und umgekehrt.
Der Hirnstamm ist für die essenziellen Lebensfunktionen zuständig wie die Steuerung der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Atmung. Zudem ist er für wichtige Reflexe wie den Lidschluss-, Schluck- und Husten-Reflex verantwortlich. Auch der Schlaf und die verschiedenen Schlaf- und Traumphasen werden hier kontrolliert.
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Der Hirnstamm ist durchzogen von der Formatio reticularis - einer netzartigen Struktur aus Nervenzellen und ihren Fortsätzen. Sie ist an verschiedenen vegetativen Funktionen des Organismus beteiligt, etwa an der Steuerung der Aufmerksamkeit und des Wachheitszustandes. Auch Kreislauf, Atmung und Erbrechen werden hier kontrolliert.
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