Niedrigschwellige Betreuungsangebote bei Demenz: Eine umfassende Übersicht

Demenz ist eine Erkrankung, die oft mit einem fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten einhergeht und den Alltag der Betroffenen und ihrer Angehörigen erheblich beeinträchtigen kann. Um die Lebensqualität von Menschen mit Demenz zu erhalten und pflegende Angehörige zu entlasten, gibt es sogenannte niedrigschwellige Betreuungsangebote. Diese Angebote zielen darauf ab, eine alltagsnahe Unterstützung anzubieten, die leicht zugänglich ist und den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen entspricht.

Was sind niedrigschwellige Betreuungsangebote?

Niedrigschwellige Betreuungsangebote sind zusätzliche Unterstützungsleistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Geschulte Ehrenamtliche oder professionelle Betreuungskräfte übernehmen für einige Stunden im Monat verschiedene Aufgaben, wodurch die Pflegebedürftigen gut versorgt sind und die Angehörigen neue Kraft tanken können. Diese Angebote zeichnen sich dadurch aus, dass sie leicht zugänglich sind und keine umfangreichen bürokratischen Hürden bestehen. Sie sollen es auch Privatpersonen ermöglichen, sich in diesem Bereich zu engagieren, auch ohne formale Pflegeausbildung.

Ein zentrales Merkmal niedrigschwelliger Betreuungsangebote ist die Orientierung an den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen mit Demenz. Die Betreuung findet oft in einem familiären, vertrauten Rahmen statt, was es den Betroffenen erleichtert, die Hilfe anzunehmen.

Gesetzliche Grundlagen und Definitionen

Die rechtliche Grundlage für niedrigschwellige Betreuungsangebote findet sich im Sozialgesetzbuch XI (SGB XI), insbesondere in § 45b. Dieser Paragraph regelt die sogenannten Entlastungsleistungen, die Pflegebedürftigen in häuslicher Umgebung zustehen.

§ 45b SGB XI gewährt allen Pflegebedürftigen der Pflegegrade 1 bis 5, die zu Hause gepflegt werden, einen Anspruch auf Entlastungsleistungen. Dieser Anspruch besteht, sobald die Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde und die Pflege zu Hause stattfindet. Es muss kein gesonderter Antrag für den Entlastungsbetrag gestellt werden.

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Als niedrigschwellige Hilfe- und Betreuungsangebote gelten gemäß § 45b Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB XI Angebote, die dazu dienen,

  1. die Selbstständigkeit und die Alltagskompetenzen von Menschen mit Demenz, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen zu erhalten, zu fördern oder zu stabilisieren,
  2. pflegende Angehörige und vergleichbar nahestehende Personen in ihrer Betreuungsaufgabe zu unterstützen und zu entlasten.

Arten von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten

Die Vielfalt niedrigschwelliger Betreuungsangebote ist groß und richtet sich nach den unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebenssituationen der Betroffenen. Zu den gängigsten Angeboten gehören:

  • Betreuungsgruppen: In Betreuungsgruppen treffen sich Menschen mit Demenz in einer kleinen, überschaubaren Gruppe, um gemeinsam Zeit zu verbringen. Unter Anleitung von geschulten Betreuungskräften werdenAlltagsfähigkeiten durch kreative Tätigkeiten erhalten oder noch einmal verbessert werden. Für körperlich eingeschränkte Menschen können Bewegungs- und Koordinationsgruppen ein passendes Angebot sein.
  • Einzelbetreuung zu Hause: Ehrenamtliche oder professionelle Betreuungskräfte kommen stundenweise ins Haus, um den Menschen mit Demenz zu betreuen und zu beschäftigen. Die Betreuungskräfte können Unterstützung bei der Alltagsgestaltung bieten, Gespräche führen, zu Spaziergängen begleiten oder gemeinsame Aktivitäten durchführen.
  • Alltagsbegleiter: Alltagsbegleiter unterstützen Menschen mit Demenz bei der Bewältigung des Alltags. Sie helfen beispielsweise beim Einkaufen, bei Arztbesuchen, bei Behördengängen oder bei der Organisation individueller Hilfen.
  • Pflegebegleitung: Geschulte Pflegebegleiter stehen pflegenden Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite. Sie informieren über Unterstützungsangebote, helfen bei der Organisation der Pflege und bieten emotionale Unterstützung.
  • Selbsthilfegruppen: Selbsthilfegruppen bieten Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen die Möglichkeit, sich auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und gegenseitige Unterstützung zu finden.
  • Haushaltsnahe Dienstleistungen: Unterstützung im Haushalt oder bei Bewegung. Konkret kann das beispielsweise so aussehen:einmal pro Woche Hilfe im Haushalt oder beim Einkaufen.

Finanzierung niedrigschwelliger Betreuungsangebote

Die Kosten für niedrigschwellige Betreuungsangebote können über die sogenannten Entlastungsleistungen der Pflegeversicherung finanziert werden. Alle pflegebedürftigen Menschen, die Leistungen von der Pflegeversicherung beziehen und zu Hause wohnen, haben einen Anspruch auf 131 Euro im Monat für Entlastungsleistungen. Wichtig ist, dass das Angebot nach dem aktuellen Landesrecht anerkannt ist. Wenn die 131 Euro pro Monat nicht ausreichen, können Pflegebedürftige einen Teil ihrer Pflegesachleistungen umwidmen lassen. Auf diese Weise lassen sich bis zu 40 Prozent des Betrags für Pflegesachleistungen, also den Pflege- oder Betreuungsdienst, für Betreuungs- und Entlastungsleistungen nutzen. Das ist sinnvoll, wenn diese nicht für die Pflege benötigt werden. Für die Umwidmung ist ein Antrag bei der Pflegekasse nötig.

Es gilt das Kostenerstattungsprinzip: Die pflegebedürftige Person muss zunächst ein passendes Angebot auswählen und aus eigener Tasche bezahlen. Anschließend erstattet die Pflegeversicherung den Betrag, sobald die Rechnung eingereicht wurde. Wichtige Voraussetzung ist allerdings, dass das genutzte Angebot nach dem jeweiligen Landesrecht anerkannt ist. Viele Anbieter können auch direkt mit der Pflegekasse abrechnen, wenn eine Abtretungserklärung abgegeben wird.

Qualitätsstandards und Anerkennung

Um sicherzustellen, dass niedrigschwellige Betreuungsangebote den Bedürfnissen der Menschen mit Demenz entsprechen und eine hohe Qualität aufweisen, gibt es bestimmte Qualitätsstandards und Anerkennungskriterien. Die genauen Anforderungen können je nach Bundesland variieren.

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In Nordrhein-Westfalen beispielsweise müssen Betreuungsangebote bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um als niedrigschwellig anerkannt zu werden. Dazu gehört unter anderem, dass die Betreuungskräfte über eine entsprechende Qualifikation verfügen und regelmäßig fortgebildet werden. Zudem müssen die Angebote eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung gewährleisten.

Bedeutung für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen

Niedrigschwellige Betreuungsangebote spielen eine wichtige Rolle bei der Versorgung und Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Sie tragen dazu bei,

  • die Selbstständigkeit und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten,
  • pflegende Angehörige zu entlasten und ihnen Freiräume zu schaffen,
  • die soziale Teilhabe von Menschen mit Demenz zu fördern,
  • einen Beitrag zur Prävention von Überlastung und Burnout bei pflegenden Angehörigen zu leisten.

Herausforderungen und Perspektiven

Trotz der positiven Auswirkungen niedrigschwelliger Betreuungsangebote gibt es auch Herausforderungen. Dazu gehört unter anderem die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen. Zudem ist es wichtig, die Angebote kontinuierlich weiterzuentwickeln und an die sich verändernden Bedürfnisse der Menschen mit Demenz anzupassen.

Ein weiteres Problem ist, dass Menschen ihren ersten Pflegegrad erhalten, bekommen sie lediglich einen Brief von ihrer Pflegekasse, in dem steht, dass sie Anspruch auf bestimmte Leistungen haben. Doch anstatt einer Liste von Anbietern aus der Nähe beizufügen, müssen die Betroffenen selbst recherchieren. Dieses System, bei dem die Kunden die Initiative ergreifen müssen, ist ungerecht.

Die Zukunft der niedrigschwelligen Betreuungsangebote liegt in einer stärkeren Vernetzung und Kooperation der verschiedenen Akteure im Gesundheits- und Sozialwesen. Nur so kann eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Versorgung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen gewährleistet werden.

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Unterschiede in den Bundesländern

Die Anerkennung und Handhabung von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten kann sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. In Schleswig-Holstein zum Beispiel ist es vergleichsweise einfach, sich als Anbieter anerkennen zu lassen. Dies hat nicht nur den Vorteil, dass man als offizieller Anbieter gelistet ist und somit Marketingkosten sparen kann, sondern man darf auch die sogenannten Pflegesachleistungen zu 40 Prozent umwandeln. In Hamburg ist es so, dass Einzelpersonen keine Anerkennung erhalten können. Sie können jedoch Nachbarschaftshilfe anbieten und dafür eine Aufwandsentschädigung von 5 Euro pro Stunde erhalten. Pflegedienste oder Betreuungsteams, die Versorgungsverträge mit den Kranken- und Pflegekassen gemäß Paragraf 71 oder Paragraf 72 SGB XI haben, werden automatisch anerkannt. Aber als Solo-Selbstständiger erhält man diese Anerkennung nicht. In NRW ist die Anerkennung ebenfalls einfacher, egal ob man professionell oder ehrenamtlich tätig ist. Andere Bundesländer wie Niedersachsen sind komplizierter, während Sachsen und Thüringen besonders schwierig sind.

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