Batrachotoxin, ein extrem potentes Neurotoxin, das von bestimmten Pfeilgiftfröschen abgesondert wird, beeinflusst die synaptische Übertragung auf einzigartige Weise. Es verhindert, dass die Natriumkanäle in den Nervenzellen sich schließen, was zu einer Reihe von neurologischen Effekten führt. Um die Wirkung von Batrachotoxin auf die Synapse zu verstehen, ist es wichtig, die Grundlagen der synaptischen Übertragung und die Rolle von Ionenkanälen zu betrachten.
Grundlagen der synaptischen Übertragung
Die synaptische Übertragung ist der Prozess, bei dem ein Neuron ein Signal an ein anderes Neuron oder eine Zielzelle (z. B. eine Muskelzelle) weitergibt. Dieser Prozess umfasst mehrere Schritte:
- Aktionspotential: Ein Aktionspotential erreicht das Ende des präsynaptischen Neurons.
- Kalzium-Einstrom: Die Depolarisation der präsynaptischen Membran führt zur Öffnung spannungsgesteuerter Kalziumkanäle. Kalziumionen strömen in das Neuron ein.
- Neurotransmitter-Freisetzung: Der Kalzium-Einstrom löst die Fusion von Neurotransmitter-haltigen Vesikeln mit der präsynaptischen Membran aus. Neurotransmitter werden in den synaptischen Spalt freigesetzt.
- Rezeptorbindung: Neurotransmitter diffundieren durch den synaptischen Spalt und binden an Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran.
- Ionenkanalöffnung: Die Bindung von Neurotransmittern an ihre Rezeptoren führt zur Öffnung von Ionenkanälen in der postsynaptischen Membran. Dies kann zu einer Depolarisation (erregendes postsynaptisches Potential, EPSP) oder Hyperpolarisation (inhibitorisches postsynaptisches Potential, IPSP) der postsynaptischen Zelle führen.
- Signalbeendigung: Der Neurotransmitter wird entweder abgebaut, wieder in die präsynaptische Zelle aufgenommen oder diffundiert aus dem synaptischen Spalt, um das Signal zu beenden.
Die Wirkung von Batrachotoxin auf Natriumkanäle
Batrachotoxin greift in diesen Prozess ein, indem es an spannungsabhängige Natriumkanäle bindet und diese in einem offenen Zustand fixiert. Dies hat folgende Konsequenzen:
- Verhinderung des Schließens der Natriumkanäle: Batrachotoxin verhindert, dass sich die Natriumkanäle in der Nervenzelle schließen können.
- Dauerhafte Depolarisation: Durch die ständig geöffneten Natriumkanäle strömen kontinuierlich Natriumionen in die Zelle, was zu einer anhaltenden Depolarisation der Zellmembran führt.
- Übererregung: Die Zelle wird übererregt, da das Ruhepotential nicht wiederhergestellt werden kann.
Auswirkungen auf die synaptische Übertragung
Die dauerhafte Depolarisation, die durch Batrachotoxin verursacht wird, hat erhebliche Auswirkungen auf die synaptische Übertragung:
- Dauerhafte Signalübertragung: An der Synapse findet eine dauerhafte Aussendung von Signalen statt.
- Muskelkrämpfe und Lähmungen: Durch die Übererregung der Muskelzellen kommt es zunächst zu Muskelkrämpfen. Da die Zellen jedoch nicht mehr in der Lage sind, sich zu repolarisieren, tritt schließlich eine Lähmung ein. Es treten Muskel- und damit auch Atemlähmungen auf, die in schweren Fällen beim Menschen zum Tod nach etwa 20 Minuten führen können.
- Blockade der Erregungsleitung: Obwohl Batrachotoxin die Natriumkanäle öffnet, führt die dauerhafte Depolarisation dazu, dass die Zelle nicht mehr auf neue Reize reagieren kann. Dies liegt daran, dass für die Auslösung eines Aktionspotentials eine Repolarisation der Membran notwendig ist.
Vergleich mit anderen Synapsengiften
Es ist nützlich, die Wirkungsweise von Batrachotoxin mit anderen bekannten Synapsengiften zu vergleichen, um seine einzigartige Rolle zu verstehen:
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- Tetrodotoxin (TTX): Im Gegensatz zu Batrachotoxin blockiert Tetrodotoxin die Natriumkanäle, indem es sie physisch verstopft. Dadurch wird die Depolarisation verhindert und die Nervenleitung unterbrochen.
- Curare: Curare blockiert die Acetylcholin-Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran. Dadurch kann Acetylcholin nicht mehr binden und die Ionenkanäle öffnen, was zu einer schlaffen Lähmung führt.
- Botulinumtoxin (Botox): Botulinumtoxin verhindert die Freisetzung von Acetylcholin aus der präsynaptischen Zelle, indem es die Vesikelfusion blockiert. Dies führt ebenfalls zu einer Lähmung.
- α-Latrotoxin: Das Gift der schwarzen Witwe (α-Latrotoxin) führt zum Beispiel dazu, dass übermäßig viele Calciumionen einströmen. Dadurch kommt es zur Entleerung aller vorhandenen Vesikel in den synaptischen Spalt. So wird die nachfolgende Nervenzelle dauerhaft aktiviert (= Dauererregung). Es kommt zu Muskelkrämpfen.
- Muscarin: Muscarin wirkt an den Rezeptoren der Synapse wie der Neurotransmitter Acetylcholin. Es wird aber nicht abgebaut und löst sich daher nicht vom Rezeptor. Dies führt dann zu einer dauerhaften Weitergabe von Signalen an der Synapse.
Molekulare Mechanismen der Batrachotoxin-Bindung
Untersuchungen zeigen, dass unpolare Batrachotoxin-Moleküle durch die Zellmembran ins Zellinnere von Neuronen diffundieren können. Im Cytoplasma angekommen, werden sie protoniert und dadurch positiv geladen. In dieser Form können sie die Zelle nicht mehr verlassen.
Bei Ratten kann Batrachotoxin auf der Zellinnenseite an Natriumionenkanäle binden. Die Bindung erfolgt im Bereich einer polaren Aminosäure.
Resistenz gegen Batrachotoxin bei Pfeilgiftfröschen
Pfeilgiftfrösche haben eine bemerkenswerte Resistenz gegen Batrachotoxin entwickelt. Diese Resistenz beruht auf Mutationen in der Aminosäuresequenz ihrer Natriumkanäle. Diese Mutationen verhindern, dass Batrachotoxin effektiv an die Kanäle binden kann, wodurch die Frösche vor den schädlichen Auswirkungen des Toxins geschützt sind.
Ökologische Bedeutung und Mimikry
Da Pfeilgiftfrösche Batrachotoxin nicht selbst synthetisieren können, nehmen sie das Gift über ihre Nahrung auf. Als Nahrungsquelle werden hierbei beispielsweise Käfer aus der Familie der Melyridae in Betracht gezogen, welche das Gift enthalten.
Pfeilgiftfrösche sind meist sehr auffällig gefärbt. Oft gibt es im gleichen Gebiet andere ungiftige Froscharten mit derselben Färbung („Nachahmer“). Dieses Phänomen wird als Mimikry bezeichnet. Die Population der „Nachahmer“ ist immer deutlich kleiner als die der „Vorbilder“, da die Nachahmer auf das Vorhandensein der giftigen Vorbilder angewiesen sind, um von Fressfeinden gemieden zu werden.
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