Ludwig van Beethoven: Ursachen und Verlauf seiner Taubheit

Ludwig van Beethoven, einer der größten Komponisten aller Zeiten, ist nicht nur für sein unvergleichliches Werk berühmt, sondern auch für sein tragisches Schicksal: den Verlust seines Gehörs. Das große Jubiläum Beethovens ging im Pandemie-Jahr 2020 etwas unter, was irgendwie zu seinem Leben passt, das ebenfalls stets im Zeichen von Krankheiten stand.

Das Mysterium Beethoven

Beethovens Leben ist von vielen Geheimnissen umgeben. Anderseits ist bereits das Geburtsdatum das erste Mysterium. Überliefert ist nur sein Taufdatum am 17. Dezember 1770 in Bonn. Am 17. Dezember 1770 wurde der weltberühmte Komponist in Bonn getauft; das genaue Geburtsdatum ist unbekannt (wahrscheinlich zwei, drei Tage zuvor). Fest steht, so sehr sich Beethoven in jungen Jahren als rheinische Frohnatur gab, so griesgrämig und cholerisch muss er wohl im Alter gewesen sein. Seine Biografien füllen ganze Regale. Schauen wir im 250. Für viele ist Beethovens „Ode an die Freude“ in der 9. Sinfonie nach Schillers gleichnamigem Gedicht das Maß aller Dinge. Ebenso die Oper "Fidelio". Das Lebenswerk Beethovens ist aber viel opulenter. Er hinterließ rund 240 Kompositionen und schon zu Lebzeiten konnte er von dieser seiner Arbeit leben. Mit Beethoven ging das Zeitalter der Wiener Klassik zu Ende. Der Komponist mit dem wilden Haarschopf galt als musikalischer Revolutionär und als Wegbereiter der Romantik. Beethoven interessierte sich aber nicht nur für Musik, sondern auch für Philosophie, Literatur und Politik. In seiner musikalischen Frühphase beschwor er gern das Heldenhafte im Menschen. Er begeisterte sich für die Französische Revolution und widmete Napoleon seine 3.

Frühe musikalische Ausbildung und Karriere

Schon als Kind lernte er Klavier, Orgel und Violine. Mit sieben Jahren gab er sein erstes Konzert. Mit 12 komponierte er bereits Stücke mit lustigen Namen wie etwa das "Lied an einen Säugling" oder später die "Elegie auf den Tod eines Pudels". Zu diesem Zeitpunkt lebte er als gefeierter Klaviervirtuose in Wien, der Welthauptstadt der Musik. Zum erste Mal an die Donau gereist war er bereits 1786, um bei Mozart Unterricht zu nehmen. Es ist aber unklar, ob die beiden sich überhaupt begegnet sind. Einige von Mozarts Förderern wurden später Beethovens Gönner und ermöglichten ihm ein finanziell weitgehend sorgenfreies Leben. Bei seinen Konzerten riss er das Publikum durch seine Klavierkompositionen und freie Improvisationen hin.

Der Beginn der Schwerhörigkeit und soziale Isolation

Bereits im Alter von 27 Jahren wurde Beethoven schwerhörig. Beethovens markantestes Gesundheitsproblem war sein schleichender Gehörverlust. Die Karriere als Konzertpianist musste er deshalb aufgeben, als Komponist aber trotzte er seiner Taubheit grandiose Werke ab, obwohl er sie nur noch in seinem Geist hören konnte. Dann aber begann sein Gehör, ihn im Stich zu lassen. Beethoven war am Boden zerstört. Die Schwerhörigkeit machte nicht nur die Ausübung seines Berufs als Klaviervirtuose praktisch unmöglich, sondern zerstörte - so empfand er es - auch sein soziales Leben. Um seine Kommunikationschwierigkeiten zu verbergen, zog er sich gesellschaftlich zurück. Das brachte ihm allmählich den Ruf ein, ein eigenbrötlerischer Grantler zu sein: „O, ihr Menschen, die ihr mich für feindseelig, störrisch oder misantropisch haltet oder erkläret, wie unrecht thut ihr mir, ihr wißt nicht die geheime Ursache von dem, was euch so scheinet“, schrieb er 1802 in seinem „Heiligenstädter Testament“. „Drum verzeiht, wenn ihr mich da zurückweichen sehen werdet, wo ich mich gern unter euch mischte, doppelt wehe thut mir mein Unglück, indem ich dabei verkannt werde… wie ein Verbannter muß ich leben“. Er dachte in dieser Krise an Selbstmord. Eindringlich beschreibt der Komponist die charakteristische soziale Isolation des Schwerhörigen, die Schwerhörigkeit als Krankheit. Mit denMitteln der modernen Medizin hätte man ihm wahrscheinlich helfen können.

Es war Kant, der anmerkte, schlechtes Sehen trenne von den Dingen, Schwerhörigkeit hingegen trenne von den Menschen. Beethoven beschreibt die charakteristische, soziale Isolation des Schwerhörigen, die Schwerhörigkeit als Krankheit, die im wahrsten Sinne des Wortes doppelt unsichtbar ist: Man kann sie nicht sehen, und der Betroffene macht sich unsichtbar. Beethoven zieht sich aus der Welt der Hörenden zurück. Ein bestimmender Teil seines Menschseins geht Beethoven unaufhaltsam verloren.

Lesen Sie auch: Beethovens Taubheit: Eine Legende?

So bald ich tot bin, . . . , so bittet ihn [seinen Arzt Professor J. Adam Schmidt]* in meinem Namen, daß er meine Krankheit beschreibe, . . . damit wenigstens soviel als möglich die Welt nach meinem Tode mit mir versöhnt werde . . .“ Dies schrieb Ludwig van Beethoven 1802, gerade 32 Jahre alt, in sein Heiligenstädter Testament.

Symptome und Verlauf der Schwerhörigkeit

Beethoven war bereits als 28-Jähriger schwerhörig. Die letzten Jahre seines Lebens war er taub - ein Dornenweg für den hoch begabten Musiker. Hört man die 1798 zu Beginn seiner Schwerhörigkeit komponierte, schwer klingende Klaviersonate D-Dur (op. 10) „largo e mesto“, so glaubt man, etwas von der Ahnung dieses schweren Weges in der Musik wiederzu-finden. 1801, im Alter von 31 Jahren, schildert Beethoven seine Symptome: Schwerhörigkeit mit Hochtonverlust und Sprachverständlichkeitsverlust, quälende Ohrgeräusche [Tinnitus], Verzerrungen [Recruitment] und Überempfindlichkeit für Schall [Hyperakusis]. In einem Brief an seinen Freund Dr. Franz Gerhard Wegeler (1765 bis 1848) vom 29. Juni beschreibt Beethoven die dissonante Kognition von Menschen und eigener Musik:„Der neidische Dämon hat meiner Gesundheit einen schlimmen Streich gespielt, nämlich mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden [Schwerhörigkeit]. . . . nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort [Tinnitus]. . . . Ich bringe mein Leben elend zu. Seit zwei Jahren meide ich alle Gesellschaften, weils mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin taub. Hätte ich irgend ein anderes Fach so gings noch eher, aber in meinem Fach ist es ein schrecklicher Zustand. . . . Die hohen Töne von Instrumenten und Singstimmen höre ich nicht [Hochtonverlust], wenn ich etwas weit weg bin, auch die Bläser im Orchester nicht. Manchmal auch hör ich den Redner, der leise spricht, wohl, aber die Worte nicht [Sprachverständlichkeitsverlust], und doch, sobald jemand schreit, ist es mir unausstehlich [Hyperakusis].“

Als Folge litt er insbesondere an der von ihm geschilderten Einschränkung der Sprachverständlichkeit. Die drastische Verstärkung der Wanderwelle, die zur scharfen Spitze und damit erst zur Frequenzselektivität führt, fehlte bei ihm offenbar. Dieser grundlegende Unterschied kann heute am ehesten auf den Ausfall der äußeren Haarzellen zurückgeführt werden. Wenn eine äußere Hörsinneszelle sich nicht mehr bewegt, dann fehlt die Spitze der Wanderwelle. Dann nimmt man wahr, wie Beethoven wahrgenommen hat: „Hör ich . . . wohl . . ., aber verstehe die Worte nicht.“ Aufgrund Beethovens Beschreibungen kann man annehmen, dass seine Schwerhörigkeit damit begann, dass er sukzessive äußere Hörsinneszellen verlor.

Ab 1814 verschlimmerte sich Beethovens Schwerhörigkeit zunehmend. Die Indizien: 1814 war sein letzter öffentlicher Auftritt als Pianist. Danach spielte er nur noch im Freundeskreis oder für sich alleine. Der Musiker Tomaschek beschrieb Beethoven als sehr taub [„taub“ bedeutete damals auch schwerhörig]. Ein Jahr später (1815) meinten Neate und Simrock, englischer Pianist der eine und sein Verleger der andere, wenn überhaupt noch ein Restverstehen vorhanden sei, dann nur noch auf dem linken Ohr. Von seiner rechten Seite angesprochen, verstehe Beethoven nichts mehr. 1816, so Simrock, sei Persönliches nur noch schriftlich vermittelbar gewesen. Seit 1818 wurden Gespräche mit Beethoven ausschließlich schriftlich geführt. Überliefert sind rund 400 so genannte Konversationshefte. Vergleicht man Beethovens Porträts aus den Jahren 1812, 1815 und 1818, so gewinnt man den Eindruck, sein Antlitz sei in diesen sechs Jahren fast 20 Jahre älter geworden. Es spiegelt offensichtlich die furchtbare Erfahrung Beethovenswider.

1819 schrieb der schwedische Dichter Atterbom, Beethoven sei, was man „stocktaub“ nenne. Ludwig Spohr beobachtete 1821, dass Beethoven beim Piano die Tasten nicht mehr anschlug.Offensichtlich war Beethoven taub. Nach allem, was wir heute wissen, kann man vermuten, dass 1824 nicht nur Beethovens äußere Hörsinneszellen, sondern auch seine inneren Hörsinneszellen ihre Funktion aufgegeben hatten.

Lesen Sie auch: Beethovens medizinisch-musikalische Analyse

Mögliche Ursachen für Beethovens Gehörverlust

Trotz jahrhundertelanger Forschung bleibt die genaue Ursache ein Rätsel. Immer wieder wurde darüber gerätselt, warum der Komponist sein Gehör verlor und an weiteren gesundheitlichen Problemen litt. Jetzt hat ein australischer Physiker neue Erkenntnisse gewinnen können. So standen bereits Krankheiten wie die Paget-Knochenkrankheit in Kombination mit dem Reizdarmsyndrom und Diabetes oder die erblich bedingte Leberzirrhose im Raum.

Basierend auf den verfügbaren Informationen haben die beiden US-amerikanischen Audiologen Douglas L. Beck und Dave Fabry verschiedene Theorien aufgestellt:

  • Bleivergiftung: Es ist bekannt, dass Beethoven häufig Wein trank. Dieser könnte möglicherweise mit Blei verunreinigt gewesen sein.
  • Syphilis: Diese sexuell übertragbare Krankheit wurde im 19. Jahrhundert oft als Ursache für neurologische und sensorische Störungen vermutet.
  • Paget-Krankheit: Diese Knochenerkrankung könnte den Hörnerv (den achten Hirnnerv) komprimiert haben.
  • Otosklerose: ist eine relativ häufige Erkrankung, bei der sich Knochengewebe im Mittelohr abnorm verdickt, was die Schallübertragung beeinträchtigt. Typische Symptome der Otosklerose, wie Tinnitus und Gleichgewichtsprobleme, passen zu den Berichten über Beethovens Beschwerden.

Zweihundert Jahre nach Beethovens Tod bleibt die genaue Ursache seines Hörverlustes unklar. Otosklerose erscheint laut Douglas L. Beck und Dave Fabry als die wahrscheinlichste Erklärung, doch ohne moderne diagnostische Werkzeuge bleibt auch diese Theorie spekulativ.

Neue Haaranalyse deutet auf Bleivergiftung hin

Der australische Physiker Kevin Brown, führte mittels dreier Haarlocken des Komponisten eine erneute Haaranalyse in einem Speziallabor durch. Dabei fand das Labor in einer der Locken 258 Mikrogramm Blei, in einer weiteren Locke sogar 380 Mikrogramm. Normalerweise dürfte der Bleigehalt im Haar allerdings vier Mikrogramm nicht überschreiten. Auch andere Werte im Haar waren deutlich zu hoch, wobei der zu hohe Bleigehalt wahrscheinlich die Hauptursache seiner Magen-Darm-Probleme und Taubheit erklärt. Wie Beethoven so viel Blei zu sich nehmen konnte, ist nur durch einen zu hohen Alkoholkonsum zu erklären - denn im 19. Jahrhundert mischte man den Weinen häufig Blei bei. Beethoven starb also wahrscheinlich nicht nur an Leberversagen in Folge des Alkohols, sondern hatte schon Jahre zuvor aufgrund dessen mit starken gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.

Genetische Faktoren und Lebererkrankung

Das Forschungsteam konnte keine genetische Ursache für Beethovens Taubheit oder seine Magen-Darm-Probleme feststellen. Sie entdeckten jedoch eine Reihe von bedeutenden genetischen Risikofaktoren für eine Lebererkrankung. Der Hauptautor der Studie, Tristan Begg von der Universität Cambridge, sagt: „Beethovens ‚Konversationshefte‘, die er im letzten Jahrzehnt seines Lebens benutzte, legen die Vermutung nahe, dass er sehr regelmäßig Alkohol konsumierte. Die genauen Mengen einzuschätzen, bleibt aber schwierig. Auch wenn die meisten seiner Zeitgenossen behaupten, sein Alkoholkonsum sei für Wiener Verhältnisse des frühen 19. Jahrhunderts mäßig gewesen, gibt es auch Quellen, in denen sich andere Aussagen dazu finden. Unserer Einschätzung nach dürfte es sich immer noch um Alkoholmengen gehandelt haben, von denen man heute weiß, dass sie für die Leber schädlich sind. Das Forschungsteam vermutet auch, dass Beethovens Hepatitis-B-Infektion eine Mitursache für die schwere Lebererkrankung des Komponisten gewesen sein könnte, die im Zusammenspiel mit dem Alkoholkonsum und seiner genetischen Veranlagung zum fortschreitenden Leberversagen und damit zum Tode führte. Beethovens Schwerhörigkeit wurde mit mehreren möglichen Ursachen in Verbindung gebracht, darunter auch Krankheiten, die in unterschiedlichem Maße genetisch bedingt sind. Die Untersuchung der als authentisch geltenden Haarproben ergab keine einfache genetische Ursache für den Hörverlust. Axel Schmidt vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn sagt: „Obwohl keine eindeutige genetische Ursache für Beethovens Schwerhörigkeit identifiziert werden konnte, kann man eine solche auch nicht völlig ausschließen. Die Referenzdaten, die für die Interpretation individueller Genome notwendig sind, werden stetig besser. Eine genetische Erklärung für Beethovens Magen-Darm-Beschwerden konnte ebenfalls nicht gefunden werden, aber anhand der genomischen Daten kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass Gluten- und Laktoseintoleranz höchstwahrscheinlich als Ursachen ausgeschlossen werden können. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, woran Beethoven gestorben ist, aber wir können jetzt zumindest das Vorhandensein eines erheblichen erblichen Risikos für eine Leberzirrhose und eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus belegen“, sagt Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „In Anbetracht der bekannten Krankengeschichte ist es sehr wahrscheinlich, dass im Zusammenspiel genetische Veranlagung, Hepatitis-B-Infektion und Alkoholkonsum zu Beethovens Tod geführt haben.

Lesen Sie auch: Wie Beethoven mit seiner Taubheit umging

Behandlungen und Hilfsmittel

Die Behandlung von Beethovens Ohrenleiden begann 1800. Mandelöl-Ohrentropfen und Meerrettich-Baumwolle wurden angewandt, danach bestimmte Teesorten, aber auch so genannte Vesikatorien, die zu Blasen auf der Haut führten; man hoffte, dass mit Verschwinden der Blasen auch die Krankheit vergehe. Was heute fremd anmutet, war typisch für die damalige Zeit. Schließlich wurden ihm lauwarme Donaubäder verschrieben, die ihm bei seinem Ohrgeräusch etwas geholfen haben sollen.

Allerdings war von Heilung keine Rede, und so war Beethovens Ärzte-Hopping kein Wunder. Aber die besten Ärzte seiner Zeit konnten ihm alle nicht helfen. Es sollte damals noch etliche Jahrzehnte dauern, bis wirklich wirkungsvolle Hörhilfen auf den Markt kamen. Die Entwicklung des Telefons brachte die Dinge in Bewegung: Töne wurden übertrag- und verstärkbar. Gehörgeschädigten eröffneten sich neue Perspektiven.

Heute hätte Beethoven dank moderner Technik gute Aussichten, trotz seiner Erkrankung ein normales gesellschaftliches Leben zu führen und vielleicht auch weiter Konzerte zu geben. Aber damals gab es lediglich primitive Hörhilfen: So befestigte Beethoven an seinem Flügel einen Holzstab, den er beim Spielen zwischen seine Zähne nahm, um die Schallschwingungen wahrzunehmen. Und er ließ sich vom Mechaniker Johann Nepomuk Mälzel verschiedene Hörrohre konstruieren. Diese konnte man zum Beispiel mit einem Reifen am Kopf befestigen. Hörrohre, die teilweise schon seit der Antike bekannt sind, haben nur einen begrenzten Wirkungsgrad: Eine Hand hinter dem Ohr verstärkt den Schall um etwa 10, Hörrohre um 25 Dezibel. Beethoven musste in späteren Jahren dazu übergehen, seine Unterhaltungen schriftlich zu führen und nutzte dafür die berühmten „Konversationshefte“.

Eine weitere Unterstützung war ein an seinem Erard-Flügel befestigter Holzstab, den Beethoven zwischen seine Zähne nahm. Auf diese Weise hatte er ein Vibrationsempfinden.

Beethovens kompositorisches Schaffen trotz Taubheit

Und doch hat Beethoven in den Jahren bis 1812 acht seiner neun Sinfonien abgeschlossen. Was kann es Schlimmeres für einen Musiker geben, als das Gehör zu verlieren? Die eigene Musik nicht mehr hören zu können? Bei Ludwig van Beethoven machte sich vermutlich seit dem 20. Was kann es Schlimmeres für einen Musiker geben, als das Gehör zu verlieren? Die eigene Musik nicht mehr hören zu können? Bei Ludwig van Beethoven machte sich vermutlich seit dem 20. Lebensjahr eine zunehmende Ertaubung bemerkbar. 1801 schrieb der damals 30-Jährige an einen Freund: "Meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort. Die hohen Töne höre ich nicht. Manchmal auch höre ich den Redner, der leise spricht, wohl, aber die Worte nicht. Hochton- und Sprachverständlichkeitsverlust, Verzerrungen und Überempfindlichkeit für bestimmte Frequenzen - so würde die Diagnose heutiger Mediziner lauten. "Man muss dem Schicksal in den Rachen greifen", mit diesem Leitspruch zog sich Beethoven am eigenen Schopf aus seinem gesundheitlichen Sumpf. Er komponierte weiter. Meisterwerke wie die Sinfonien, seine Oper "Fidelio", grandiose Klaviersonaten und visionäre Streichquartette. Und: die Neunte Sinfonie sogar wohl in fast völliger Taubheit. Er leitete zwar 1824 die Uraufführung, aber als nach dem ersten Satz Applaus losbrach, hörte er ihn nicht. Wie aber konnte Beethoven überhaupt mit seiner Schwerhörigkeit komponieren? Nur, weil er als Hörender geboren worden war, eine normale Ausbildung zum Musiker und Komponisten erhalten hatte, er die musikalische Welt seiner Zeit hörend erlebt hatte und sie in seinem musikalischen Gedächtnis - laut Forschenden liegt es in den Schläfenlappen der beiden Gehirnhälften - gespeichert hatte. Für das Komponieren selbst ist ein reales Hören nicht nötig, es geschieht im Kopf, in der inneren musikalischen Vorstellungswelt. Musikalische Elemente wie Harmonik, Rhythmik und Melodien werden in eine kunstvolle Form gebracht.

Am 7. Mai 1824 wurde Beethoven als Dirigent eines Konzertabends angekündigt. Von der Ouvertüre „Die Weihe des Hauses“ über eine Teilaufführung der Großen Messe (Kyrie, Credo, Agnus dei) bis zur 9. Sinfonie war ein umfangreiches Programm zu hören. Beethoven war zwar formal Dirigent, tatsächlich folgte das Orchester Michael Umlauf, dem „assistierenden“ Dirigenten. Frenetischen Beifall gab es bereits nach dem Kyrie. Beethoven wandte sich jedoch nicht zum applaudierenden Publikum. Man nahm ihn bei den Schultern und drehte ihn sanft um, damit er den Beifall in Empfang nehmen könne.

Was hat Beethoven zu jener Zeit seiner vollständigen Ertaubung komponiert? Die Missa solemnis mit ihrem Kyrie (Op. 123), nach dessen Erklingen die Ertaubung evident wurde. Aber der vom sozialen Rückzug Betroffene komponierte auch: „Seid umschlungen Millionen“ und: „Alle Menschen werden Brüder“ (9. Sinfonie, op. 125, 1823/24). Vielleicht wollte er mit seiner glanzvollen Musik etwas über sich sagen, was der Ertaubte mit Sprache allein nicht mehr ausdrücken konnte.

Weitere gesundheitliche Probleme und Tod

Auch ohne Schwerhörigkeit und Taubheit war Beethoven ein kranker Mann. Er hatte Masern, aber auch Pocken gehabt. Die von Franz Klein 1812 erstellte Gesichtsmaske Beethovens zeigt charakteristische Pockennarben. Alois Weizenbach, Chirurgie-Professor in Salzburg, notierte einen Typhus vor 1798. 1797 bis 1802 wurden von seinem damaligen Arzt Professor Schmidt rheumatische Beschwerden genannt. Ob diese mit unseren heutigen medizinischen Begriffen übereinstimmen, bleibt unklar. Ab 1802 litt er immer wieder an Infekten der Nase, an Nasenbluten und an einem Asthma bronchiale. 1810 ist er offenbar schwer auf den Kopf gestürzt. Beethoven war ausgeprägt kurzsichtig. Er trug Sehgläser zwischen 1,5 bis vier Dioptrien.

In seinen Briefen beschreibt er nicht nur seine Schwerhörigkeit, sondern auch Unterleibskrämpfe und Unterleibserkrankungen. Die Bäder in der Donau, von denen die Rede war, dienten nicht nur dazu, sein Ohrenleiden zu lindern, sondern auch sein Unterleibsleiden zu behandeln. Heutige Erkenntnisse lassen auf eine Pankreatitis schließen. In seinen letzten Lebensjahren (ab 1821) kamen ein Ikterus und Hämoptoen (ab 1825) hinzu.

Dabei fand man ebenfalls heraus, dass der starke Alkoholkonsum wohl zu Leberversagen geführt hatte, woran er schließlich 1827 im Alter von 56 Jahren starb. Er verschied am 26. März 1827 wahrscheinlich an Leberzirrhose.

tags: #beethoven #taubheit #ursachen #verlauf