Schwindel ist ein häufiges neurologisches Symptom, das viele Menschen betrifft. Es kann sich als Drehschwindel, Schwankschwindel oder Benommenheitsschwindel äußern. Eine genaue neurologische Untersuchung ist entscheidend, um die Ursache des Schwindels zu ermitteln und eine geeignete Behandlung einzuleiten.
Einführung
Schwindel gehört mit Kopfschmerzen zu den häufigsten neurologischen Symptomen und führt oft zur Vorstellung beim Neurologen. Um den Schwindel richtig einzuordnen, ist eine genaue Beschreibung des Schwindels essentiell. Hierbei muss auf die Art des Schwindels (Drehschwindel, Schwankschwindel), die Dauer des Schwindels sowie auslösbare Faktoren geachtet werden.
Arten von Schwindel
Man unterscheidet hauptsächlich zwischen zwei Arten von Schwindel:
- Drehschwindel: Hierbei hat der Betroffene das Gefühl, sich selbst oder die Umgebung dreht sich. Es ist das Gefühl gemeint, wenn man sich schnell dreht und dann plötzlich stoppt. Plötzlicher, anfallsartiger Drehschwindel tritt zum Beispiel bei der Neuritis vestibularis, dem Gutartigen Lagerungsschwindel oder dem Morbus Menière auf.
- Schwankschwindel: Hierbei fühlt sich der Betroffene unsicher beim Gehen oder Stehen, als würde der Boden schwanken. Schwankschwindelattacken sind mit Unsicherheitsgefühlen beim Gehen oder Stehen verbunden.
Ursachen von Schwindel
Schwindel kann zahlreiche Ursachen haben, die in verschiedene Kategorien eingeteilt werden können:
- Peripher-vestibulärer Schwindel: Ursachen liegen im Gleichgewichtsorgan im Innenohr oder im Gleichgewichtsnerv.
- Zentral-vestibulärer Schwindel: Ursachen liegen im Gehirn, insbesondere im Hirnstamm oder Kleinhirn.
- Nicht-vestibulärer Schwindel: Ursachen basieren auf körperlichen Beschwerden außerhalb des Gleichgewichtssystems.
- Psychogener Schwindel: Ursachen liegen in seelischem Ungleichgewicht.
Einige der häufigsten Schwindelerkrankungen sind:
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- Benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel
- Morbus Menière
- Einseitiger akuter Vestibularisausfall (Neuritis vestibularis)
- Vestibuläre Migräne
- Phobischer Schwankschwindel
Weitere mögliche Ursachen sind:
- Tumoren an Hör- und Gleichgewichtsnerven (Akustikusneurinom)
- Multiple Sklerose
- Parkinson
- Polyneuropathie
- Herz-Kreislauf-Probleme
- Stoffwechselstörungen (Diabetes, Schilddrüsenfunktionsstörungen)
- Sehstörungen
- Medikamente
- Infektionen
- Hormonelle Veränderungen (Periode, Schwangerschaft, Wechseljahre)
- Alkohol
Neurologische Untersuchung bei Schwindel
Bei der vieldeutigen Angabe des Patienten, unter "Schwindel" zu leiden, ist sowohl die sorgfältige Erhebung der Anamnese als auch die neuro-ophthalmologische und neuro-otologische Untersuchung von besonderer Bedeutung.
Anamnese
An erster Stelle steht ein ausführliches Arzt-Patient-Gespräch, um möglichst aussagekräftige Informationen zum subjektiven Schwindelgefühl und der Krankheitsgeschichte des Patienten zu erhalten. Wichtige Fragen sind:
- Wie macht sich der Schwindel bemerkbar? Ist es ein Drehschwindel, Schwankschwindel oder Benommenheitsschwindel?
- Tritt der Schwindel attackenförmig auf oder liegt ein Dauerschwindel vor?
- Wie lange dauern die Schwindelattacken? Sekunden, Minuten, Stunden, Tage oder Wochen?
- Wann und in welcher Situation tritt der Schwindel auf?
- Werden die Symptome durch Ruhe, Bewegung, Lagerung oder bestimmte Situationen beeinflusst?
- Gibt es Begleitsymptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Hörprobleme, Tinnitus oder Sehstörungen?
Ein sorgfältig geführtes Schwindeltagebuch kann bei der Diagnosefindung sehr hilfreich sein.
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung umfasst verschiedene Tests, um das Gleichgewichtssystem und die neurologische Funktion zu überprüfen:
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- Ganganalyse: Beurteilung der Gangsicherheit und des Gleichgewichts beim Gehen. Zunächst prüft man die Gang- und Standsicherheit, erschwert durch Stehen auf einem Bein oder den Seiltänzergang.
- Romberg-Test: Überprüfung des Standvermögens mit offenen und geschlossenen Augen. Untersuchung des Standvermögens (Romberg-Test) und Gehvermögens mit offenen und geschlossenen Augen und verschiedenen Schwierigkeitsgraden (Füße nebeneinander, Tandem-Romberg, Stehen auf einem Bein), insbesondere mit der Frage nach sensorischen Defiziten vor allem des vestibulären Systems.
- Kopfimpulstest (KIT): Untersuchung der Funktion der einzelnen Bogengänge im Innenohr. Der Kopfimpulstest (KIT) ist ein Verfahren, mit welchem die Funktion jedes einzelnen Bogengangs im Innenohr nahezu isoliert untersucht werden kann. Dies löst einen vestibulo-okulären Reflex (VOR) aus. Gesunde Patienten können den zuvor anvisierten Punkt trotz der ruckartigen Bewegung weiterhin fixieren. Bei Schwindelpatienten reagieren die Augen hingegen mit einer Nachstellbewegung (Sakkade). Der KIT kann auch videogestützt erfolgen.
- Lagerungsmanöver: Auslösen von Schwindel und Nystagmus durch bestimmte Kopfbewegungen, um einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel zu diagnostizieren.
- Untersuchung der Augenbewegungen (Nystagmus): Beobachtung der Augen auf unwillkürliche, ruckartige Bewegungen, die auf eine Störung des Gleichgewichtssystems hinweisen können. Die schnellen, nystagmiformen Augenbewegungen bei Schwindel kann man ebenfalls mit einer sogenannten Elektronystagmographie (kurz: ENG) feststellen. Bei der Video-Nystagmographie (kurz: VNG) werden die Augenbewegungen entweder direkt per Darstellung auf einem vergrößernden Bildschirm oder einer Videobrille mit Hilfe mehrerer, kleiner Infrarotkameras erfasst.
- Funktionsprüfung der Hirnnerven: Überprüfung der Funktion der Hirnnerven, um neurologische Ausfälle festzustellen. Zu den möglichen Untersuchungen beim Neurologen gehören eventuell eine Funktionsprüfung der Hirnnerven, eine Aufzeichnung der Hirnströme sowie bildgebende Verfahren.
Apparative Diagnostik
Zusätzlich zur Anamnese und körperlichen Untersuchung können apparative Untersuchungen durchgeführt werden, um die Ursache des Schwindels genauer zu bestimmen:
- Video-Kopf-Impulsuntersuchungen (vKIT): Präzisere Messung der Augenbewegungen während des Kopfimpulstests.
- Elektronystagmographie (ENG) / Video-Nystagmographie (VNG): Aufzeichnung der Augenbewegungen, um Nystagmus und andere okulomotorische Störungen zu erkennen.
- Thermische Vestibularisprüfung: Anregung des Gleichgewichtssinns durch Spülung des Gehörgangs mit kaltem oder warmem Wasser. Bei der thermischen Vestibularisprüfung wird im horizontale Bogengang des jeweiligen Ohres der Gleichgewichtssinn angeregt. Diese Reaktion kann entweder mit kaltem oder warmem Wasser ausgelöst werden, das ca. 30-40 Sekunden in den Gehörgang gespült wird. Je nach Wassertemperatur kommt eine Abkühlung bzw. In der Ampulle (Erweiterung des Bogengangs) wird die Veränderung der Druckunterschiede durch Sinneszellen registriert und als neuronaler Impuls über den Gleichgewichtsnerv zum Hirnstamm geleitet, wo schließlich die Augenmuskelkerne erregt werden. Der Nystagmus wird ausgelöst.
- Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Arterien: Überprüfung der Durchblutung der hirnversorgenden Gefäße, um Durchblutungsstörungen als Ursache auszuschließen.
- Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns: Bildgebung des Gehirns, um strukturelle Veränderungen wie Tumoren, Entzündungen oder Durchblutungsstörungen zu erkennen.
- Audiometrie: Hörtest zur Feststellung von Hörstörungen, die mit Schwindel einhergehen können.
- Vestibulär Evozierte Myogene Potentiale (VEMPs): Prüfung von Hirnstammreflexen des vestibulären Systems auf Vibrations- oder akustische Reize der Otholithenorgane (Sakkulus, Utrikulus), die mit Oberflächenelektroden an Hals- bzw.
Diagnose
Die Kombination aus Anamnese, körperlicher Untersuchung und apparativen Untersuchungen ermöglicht es dem Arzt, die Ursache des Schwindels zu identifizieren und eine Diagnose zu stellen.
Schlüssel zur Diagnose beim Leitsymptom Schwindel ist eine sorgfältige Erhebung der Anamnese und körperliche Untersuchung, da die Kriterien der meisten Syndrome auf diesen Informationen beruhen. Die apparative Diagnostik ist meist nachrangig.
Behandlung
Die Behandlung von Schwindel richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache:
- Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel: Lagerungsmanöver (Befreiungsmanöver), um die aus dem Gleichgewichtsorgan verschobenen Ohrsteinchen wieder an ihren Platz zu bringen.
- Neuritis vestibularis: Medikamente zur Linderung von Übelkeit und Erbrechen, Gleichgewichtstraining zur Kompensation des Ausfalls des Gleichgewichtsnervs. Bei einer Neuritis vestibularis können Medikamente akute Beschwerden wie Übelkeit oder Erbrechen lindern. Diese sollten Betroffene aber nur kurzzeitig nehmen. Die Mittel machen schläfrig und das verlangsamt die Heilungs- und Trainingsprozesse im Gehirn.
- Morbus Menière: Medikamente zur Reduktion der Flüssigkeitsansammlung im Innenohr, z.B. Glukokortikoide und Betahistin.
- Vestibuläre Migräne: Migräneprophylaxe mit Medikamenten und Anpassung des Lebensstils.
- Psychogener Schwindel: Psychotherapie, Entspannungstechniken.
- Schwindel aufgrund anderer Ursachen: Behandlung der Grunderkrankung, z.B. Einstellung des Blutdrucks, Behandlung von Stoffwechselstörungen.
Zusätzlich können allgemeine Maßnahmen wie ausreichend Schlaf, regelmäßige Bewegung, Vermeidung von Stress und Alkohol helfen, Schwindel zu reduzieren.
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