Bell-Lähmung Behandlung: Ein umfassender Überblick

Eine Bell-Lähmung, auch Fazialisparese genannt, ist eine Erkrankung, die durch eine Schwächung oder Lähmung der Gesichtsmuskeln gekennzeichnet ist. Sie entsteht durch eine Schädigung des Gesichtsnervs (Nervus facialis), der die Gesichtsmuskulatur steuert. Die Lähmung betrifft meistens nur eine Gesichtshälfte, kann aber in seltenen Fällen auch beide Seiten betreffen.

Was ist eine Fazialisparese?

Unter einer Fazialisparese - auch Bell’sche Parese oder Bell-Lähmung genannt - versteht man eine meist einseitige Lähmung der Gesichtsmuskulatur. Sie tritt infolge einer Schädigung des Gesichtsnervs (Nervus facialis) auf. Besonders betroffen sind die Muskeln für die Mimik - also Muskeln, die es beispielsweise ermöglichen, die Stirn zu runzeln, die Nase zu rümpfen oder die Augenbraue hochzuziehen.

Der Gesichtsnerv (N. facialis) versorgt die mimische Muskulatur des Gesichts und ist für das Empfinden von Geschmacksqualitäten Süß und Sauer verantwortlich. Die „zentrale Fazialisparese“ tritt häufig nach einem Schlaganfall auf. Eine „periphere Fazialisparese“ entsteht häufig nach Entzündungen, Verletzungen und Tumoren im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels, im Mittelohr oder im Bereich der Ohrspeicheldrüse. Je nachdem an welcher Stelle der Nerv beschädigt ist, zeigt sich eine andere Ausprägung der Gesichtsnervenlähmung.

Symptome einer Fazialisparese

Die Symptome einer Fazialisparese treten plötzlich auf, meist innerhalb weniger Stunden. Einige Menschen haben nur milde Lähmungserscheinungen, andere schwerere. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Schwäche oder Lähmung einer Gesichtshälfte
  • Herabhängender Mundwinkel
  • Unfähigkeit, das Auge vollständig zu schließen
  • Verlust des Stirnrunzelns
  • Veränderung des Geschmackssinns
  • Erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen (Hyperakusis)
  • Verminderter Tränenfluss oder trockene Augen
  • Schmerzen im oder hinter dem Ohr

Die Gesichtsnervenlähmung hat eine Vielzahl wichtiger Auswirkungen auf alle Teile des Gesichts: Die Stirn erscheint asymmetrisch und weniger faltig; die Augenbraue hängt, bleibt unbeweglich und kann das Sehfeld beeinträchtigen; das Oberlid des Auges schließt nicht richtig und der Tränenfilm kann austrocknen. Dies kann zu Entzündungen der Hornhaut des Auges führen. Unbehandelt kann das Auge Schaden nehmen. Daher sind hier sofort befeuchtende Maßnahmen angezeigt. Als Erstmaßnahme kann das Auge durch ein Pflaster verschlossen werden. Das Unterlid kann lax werden und sekundär ebenfalls zu einem trockenen Auge, zu Schmerzen und Tränenträufeln führen. Die Weichteilgewebe des Mittelgesichts können sich nach unten und zur Mitte hin verlagern. Dadurch kann der Atemweg der Nase eingeschränkt werden. Die Wange kann an Spannung verlieren und so beim Essen und Sprechen zu Problemen führen.

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Ursachen einer Fazialisparese

Bei den meisten Menschen mit einer Fazialisparese ist die Ursache unklar. In diesen Fällen spricht man von einer idiopathischen Fazialisparese oder Bell-Lähmung. Es wird vermutet, dass eine Virusinfektion, wie z. B. eine Herpes-simplex-Virusinfektion, eine Rolle spielen könnte.

Andere mögliche Ursachen für eine Fazialisparese sind:

  • Infektionen: Borreliose, FSME (virale Meningitis), Herpes Zoster
  • Geschwulste: Akustikusneurinom, Fazialisneurinom, Tumoren der Ohrspeicheldrüse
  • Verletzungen: Schädelbasisbruch
  • Autoimmunerkrankungen: Sarkoidose, Guillain-Barré-Syndrom
  • Schlaganfall (zentrale Fazialisparese)

Diagnose einer Fazialisparese

Die Diagnose einer Fazialisparese wird in der Regel anhand einer körperlichen Untersuchung gestellt. Dabei wird die Ärztin oder der Arzt die Gesichtsmuskulatur untersuchen und verschiedene Gesichtsbewegungen testen.

Zusätzlich können weitere Untersuchungen durchgeführt werden, um die Ursache der Fazialisparese zu ermitteln. Dazu gehören:

  • Blutuntersuchungen: zum Nachweis von Infektionen oder Autoimmunerkrankungen
  • Liquoruntersuchung: zum Ausschluss einer Borreliose oder Meningitis
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: zur Messung der Nervenfunktion
  • Bildgebende Verfahren: MRT oder CT, um Tumoren oder andere strukturelle Veränderungen auszuschließen

Behandlung einer Fazialisparese

Die Behandlung einer Fazialisparese richtet sich nach der Ursache. Bei der idiopathischen Fazialisparese (Bell-Lähmung) ist das Ziel, die Entzündung des Gesichtsnervs zu reduzieren und die Nervenfunktion zu unterstützen.

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Die gängigsten Behandlungen sind:

  • Glukokortikoide (Kortison): Kortison wirkt entzündungshemmend und kann die Chancen auf eine vollständige Genesung verbessern, insbesondere wenn es frühzeitig eingenommen wird (innerhalb von 72 Stunden nach Symptombeginn).
  • Antivirale Medikamente: Wenn eine Virusinfektion als Ursache vermutet wird, können antivirale Medikamente wie Aciclovir oder Valaciclovir eingesetzt werden.
  • Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Gesichtsmuskulatur zu stärken und die Beweglichkeit wiederherzustellen.
  • Augenpflege: Wenn das Auge nicht vollständig geschlossen werden kann, ist es wichtig, es vor dem Austrocknen zu schützen. Dies kann durch künstliche Tränen, Augensalben oder das Tragen einer Augenklappe erreicht werden.
  • Chirurgische Eingriffe: In seltenen Fällen, wenn die Fazialisparese schwerwiegend ist und sich nicht verbessert, kann ein chirurgischer Eingriff in Betracht gezogen werden, um den Druck auf den Gesichtsnerv zu verringern oder die Nervenfunktion wiederherzustellen.

Die Behandlung von Gesichtsnervenlähmung ist ein Schwerpunkt der HNO-Klinik der Uniklinik Köln. Durch die langjährige Erfahrung können wir eine große Auswahl erprobter Operationsmaßnahmen zur Wiederherstellung des Gesichtsnervs und der mimischen Gesichtsmuskulatur anbieten. Die Wahl des optimalen Verfahrens erfolgt individuell nach den Voraussetzungen und Wünschen des einzelnen Patienten. Die Behandlung von bleibender Gesichtsnervenlähmung erfordert große Erfahrung, da die konservative und operative Behandlung oft sehr komplex ist und viele verschiedene Aspekte bei der Therapieplanung berücksichtigt werden müssen.

Professor Gassner kooperiert bei der Behandlung dieser komplexen Erkrankung eng mit dem renommierten Professor Kofi Boahene des Johns Hopkins Medical Center. So hat Prof. Gassner die Technik des orthodromen Temporalis Transfers in Deutschland eingeführt und bietet den mikrovaskulären Transfer des Musculus Gracilis an.

Wie kann man den Alltag mit einer Fazialisparese bewältigen?

Bleibt die Gesichtslähmung lange oder dauerhaft bestehen, ist es wichtig zu lernen, damit gut im Alltag zurechtzukommen. Schulungen mit professioneller Anleitung können vermitteln, wie sich das Auge im Alltag schützen lässt oder wie man trotz Einschränkung allein essen und trinken kann. Zudem gibt es die Möglichkeit, mit bestimmten Übungen und Gesichtsmassagen Gesichtsausdrücke zu trainieren sowie das Sprechen zu verbessern.

Übungen bei Fazialisparese

Regelmäßiges Training ist der Schlüssel zur Wiederherstellung deiner Gesichtsfunktionen bei einer Fazialisparese. Die Rückbildung der Lähmung erfordert viel Zeit und Geduld, wobei Ausdauer und häufiges Üben den Heilungsprozess unterstützen. Beginne dein Training mit der Stirn- und Augenpartie. Ziehe zunächst deine Augenbrauen hoch und runzle die Stirn, sodass sich gleichmäßige Falten bilden. Halte diese Position für 5-10 Sekunden. Versuche anschließend, beide Augen sanft zu schließen, ohne die Stirn zu verkrampfen. Falls das schwierig ist, kannst du mit dem Zeigefinger vorsichtig Zug auf das Oberlid ausüben. Außerdem ist es hilfreich, die Augenbrauen zusammenzuziehen, als würdest du böse schauen.

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Die Mundpartie spielt eine zentrale Rolle in der Fazialisparese Therapie. Forme deine Lippen zu einem Kussmund und spitze sie, als ob du pfeifen wolltest. Halte diese Spannung für 10 Sekunden und entspanne dann. Ziehe anschließend die Mundwinkel weit auseinander, um ein breites Lächeln zu formen - einmal mit geschlossenen und einmal mit geöffneten Lippen. Zeige dabei deine Zähne.

Für die Wangenmuskulatur sind folgende Übungen besonders wirksam: Blase deine Wangen auf und lege deine flachen Finger darauf. Versuche nun, gegen den Druck deiner Finger die Spannung in den Wangen zu halten. Danach kannst du die Wangen einziehen, als würdest du einen „Fischmund“ machen. Strecke zudem deine Zunge in verschiedene Richtungen heraus - zum Kinn, zur Nase und zu beiden Seiten.

Der Spiegel ist dein wichtigster Begleiter bei allen Fazialisparese Übungen. Führe sämtliche Übungen unter Spiegelkontrolle durch, um die Bewegungen selbst zu kontrollieren und die Symmetrie zu verbessern. Achte dabei darauf, dass sich wirklich nur die beabsichtigte Muskulatur bewegt. Sollte es zu ungewollten Mitbewegungen kommen, mache eine kurze Pause. Dieses visuelle Feedback hilft dir, ein Bewusstsein für subtile Bewegungen zu entwickeln und deine Fortschritte zu verfolgen.

Ergänzende Maßnahmen

Neben gezielten Übungen existieren wirksame ergänzende Maßnahmen, die deine Fazialisparese Therapie unterstützen können.

  • Sanfte Massagen: Massiere dein Gesicht vor dem Üben, zwischendurch und besonders bei auftretenden Schmerzen. Diese Technik verbessert die Durchblutung, löst Verspannungen und bereitet die Muskulatur optimal auf die eigentlichen Übungen vor. Mit kreisenden Bewegungen und leichtem Druck kannst du die betroffenen Areale stimulieren.
  • Kinesiologisches Taping: Kinesiologisches Taping bietet eine wertvolle Ergänzung zur herkömmlichen Fazialisparese Therapie. Das elastische Baumwollband mit spezieller Acrylbeschichtung kann auf die betroffenen Gesichtspartien aufgeklebt werden und wirkt unterstützend auf die Muskulatur. Bei der Fazialisparese fördert das Tape den Lippenschluss und kann die Symmetrie des Gesichts verbessern. Sprich deinen Physiotherapeuten an - er kann dir ein passendes Tape, auf Wunsch auch hautfarbend, anlegen.
  • Kälteanwendung: Stimuliere die zu beübende Gesichtspartie kurz mit Eis, bevor du mit den Übungen beginnst. Ein „Eis am Stiel“ oder ein Eiswürfel, mit dem über die betroffene Region gestrichen wird, aktiviert die Hautrezeptoren und erhöht die Wirksamkeit der nachfolgenden Übungen.
  • Wärmeanwendung: Wärme lockert die Muskulatur auf und ermöglicht ein tieferes Erreichen der Muskelschichten bei der anschließenden Massage.
  • Elektrotherapie: Die Elektrotherapie setzt niederfrequente Reiz- und Impulsströme (0,1-1000 Hz) ein, um die geschwächte oder teilgelähmte Muskulatur zu stimulieren. Dabei werden über Elektroden elektrische Impulse an die betroffenen Gesichtsmuskeln geleitet. Allerdings sind die wissenschaftlichen Nachweise zur Wirksamkeit begrenzt - einige Studien zeigen positive Effekte wie eine Beschleunigung der Remission, während andere keine eindeutigen Vorteile belegen.

Verlauf einer Fazialisparese

Bei vielen Menschen mit einer Fazialisparese gehen die Lähmungen von selbst wieder zurück. Innerhalb weniger Wochen erholen sich 85 Prozent zumindest teilweise. Nach einem Jahr sind 71 Prozent der Menschen mit einer idiopathischen Fazialisparese wieder vollständig genesen.

Der Heilungsprozess bei einer Fazialisparese erfordert einen langen Atem und konsequentes Dranbleiben. Studien zeigen, dass frühe und konsequente Physiotherapie bei einer schweren Fazialisparese einen signifikanten positiven Effekt auf den Schweregrad und die Dauer der Rückbildung hat. Sogar bei chronischen Fazialisparesen, die länger als neun Monate bestehen, konnte ein erheblicher Nutzen durch regelmäßige Übungsbehandlung nachgewiesen werden.

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