Bei der Behandlung der Parkinson-Krankheit und insbesondere der damit verbundenen Demenz (PDD) und der Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) stellen psychotische Symptome eine besondere Herausforderung dar. Oftmals werden diese Symptome durch Antiparkinsonika ausgelöst oder verstärkt. Der Einsatz von Neuroleptika, insbesondere konventionellen hoch- und niederpotenten, ist aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen problematisch. In diesem Kontext stellt sich die Frage nach dem Stellenwert von Benzodiazepinen.
Bewegungsstörungen als Nebenwirkung von Medikamenten
Es ist wichtig zu beachten, dass bei der Einnahme bestimmter Medikamente Bewegungsstörungen als Nebenwirkung auftreten können. Unter dem Überbegriff „motorische Störungen“ oder „Bewegungsstörungen“ werden viele Arten von Bewegungen zusammengefasst, die von Zittern (Tremor) und plötzlichen Bewegungen von Armen und Beinen (Chorea) bis hin zu anhaltenden Muskelanspannungen mit ungewöhnlichen Körperhaltungen (Dystonie) reichen. Gegebenenfalls kann eine motorische Unruhe auftreten, bei der die Betroffenen nicht still sitzen können (Sitzunruhe bzw. Akathisie). Auch parkinsonartige Bewegungsstörungen können vorkommen. All diese Bewegungsstörungen haben gemeinsam, dass sie unwillkürlich auftreten, ohne dass die betroffene Person eine Kontrolle darüber hat.
Die einzelnen Bewegungsstörungen können typische Befunde bei bestimmten Grunderkrankungen sein (z. B. Parkinson-Krankheit, Chorea Huntington, Schizophrenie). Aber auch einige Medikamente können als Nebenwirkung Bewegungsstörungen auslösen. Die Ausprägung der Bewegungsstörung kann dabei sehr unterschiedlich sein.
Symptome medikamenteninduzierter Bewegungsstörungen
Die Bewegungsstörungen durch Medikamente können vielfältig sein. Sie treten meist kurz nach Therapiebeginn auf.
- Tremor: Unter einem Tremor (Zittern) versteht man die unwillkürlichen rhythmischen Bewegungen eines oder mehrerer Körperteile. Es gibt verschiedene Arten von Tremor, z. B. Tremor, der nur in Ruhe oder nur bei aktiven Bewegungen vorkommt.
- Medikamenteninduziertes Parkinson-Syndrom (Parkinsonoid): Symptome, die bei der Parkinson-Krankheit auftreten können, aber auch als Medikamenten-Nebenwirkungen bekannt sind, umfassen Ruhetremor, Muskelsteifheit (Rigor), Bewegungsarmut (Hypokinesie) oder eine mangelhafte Stabilität der aufrechten Körperhaltung (posturale Instabilität). Das medikamentenbedingte Parkinson-Syndrom tritt häufig symmetrisch auf beiden Seiten auf.
- Chorea: Choreatische Bewegungsstörungen können sich in unwillkürlichen, raschen, unregelmäßigen Bewegungen äußern. Betroffen sind meist die Arme und Beine, das Gesicht, der Nacken oder der Rumpf. Die Symptome können durch Stress und körperliche Aktivität zunehmen. Im Tiefschlaf sind sie weitestgehend aufgehoben. Eine medikamentenbedingte Chorea ist nicht zu verwechseln mit der Huntington-Krankheit (Chorea Huntington).
- Dystonie: Bei einer Dystonie kommt es zur unwillkürlichen Muskelanspannung sowie evtl. zu Krämpfen verschiedener Muskelgruppen. Dabei können schmerzhafte Fehlhaltungen oder Bewegungsstörungen entstehen. Antipsychotische Medikamente können sog. Frühdyskinesien auslösen, bei denen die Muskulatur des Halses, des Nackens, der Augen und des Rumpfes von krampfhaften Muskelanspannungen betroffen sein kann. Diese beginnen in den ersten Stunden bis Tagen der Behandlung.
- Akathisie: Eine Akathisie kann sich in Bewegungsunruhe und quälender innerer Anspannung äußern. Der Bewegungsdrang ist dabei oft auf die Beine begrenzt (Sitzunruhe). Typisch sind ein Hin- und Herschaukeln, Aufstehen und Hinsetzen, Trippeln auf der Stelle und dauerndes Übereinanderschlagen der Beine im Sitzen.
- Spätdyskinesien: Spätdyskinesien können ebenfalls im Rahmen einer Antipsychotika-Einnahme vorkommen, allerdings erst nach Monaten oder Jahren. Es kommt zu unwillkürlichen, stereotypen Bewegungsmustern, z. B. Kau-, Schluck- und Schmatzbewegungen, Grimassieren, Zungenbewegungen, Kopfwendungen oder ständigem Blinzeln. Spätdyskinesien können mitunter nicht mehr rückgängig zu machen sein.
- Malignes neuroleptisches Syndrom: Das maligne neuroleptische Syndrom ist ein seltenes, aber lebensbedrohliches Krankheitsbild, das eine schnelle, intensive Therapie erfordert. Dabei kann es u. a. zu Tremor (Zittern), Rigor (Muskelsteifheit), hochgradiger Bewegungsarmut, Bewusstseinsstörung, Fieber, beschleunigter Atmung und Puls, Blutdruckerhöhung sowie veränderten Blutwerten kommen.
Ursachen und Häufigkeit
In den meisten Fällen interagieren die Medikamente mit einem bestimmten Teil des motorischen Systems, dem extrapyramidal-motorischen System, das für die unwillkürliche Koordination von Bewegungsabläufen zuständig ist. Die Folge sind sog. extrapyramidal-motorische Störungen bzw. ein extrapyramidales Syndrom (EPS).
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Die häufigste Ursache ist eine Therapie mit Antipsychotika (Neuroleptika), z. B. im Rahmen einer Schizophrenie. Weitere Medikamente, die für die Entstehung für Bewegungsstörungen verantwortlich sein können, sind u. a. bestimmte Mittel gegen Übelkeit (Antiemetika), Reserpin, Lithium, Kalziumantagonisten (Cinnarizin, Flunarizin), Ciclosporin A, Antiepileptika, Antidepressiva, Antihistaminika sowie Medikamente, die für die Behandlung der Parkinson-Krankheit eingesetzt werden (z. B. Levodopa, Dopaminagonisten).
Die Häufigkeit von medikamentenbedingten Bewegungsstörungen hängt vom Wirkstoff und der Art der Bewegungsstörung ab. Sie treten häufig bei einer Therapie mit klassischen Antipsychotika auf.
Diagnose und Behandlung
Im ärztlichen Gespräch werden Sie u. a. zu den Symptomen, den Medikamenten, die Sie einnehmen, sowie zu möglichen Grunderkrankungen und Verwandten mit Bewegungsstörungen befragt. Anschließend wird eine ausführliche körperliche Untersuchung durchgeführt, bei der u. a. auf das Gangbild, die Muskelkraft, die Koordination, die Reflexe und auffällige Bewegungsmuster geachtet wird. Gegebenenfalls wird Blut abgenommen. In der Regel erfolgt die weitere Abklärung bei Spezialistinnen (Neurologinnen).
Wenn Sie eine Therapie mit Medikamenten beginnen, die potenziell Bewegungsstörungen auslösen können, werden Sie über die möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt und im Verlauf auf neu aufgetretene Symptome kontrolliert. Die vorrangigsten Behandlungsoptionen bei medikamentenbedingten Bewegungsstörungen sind Absetzen des auslösenden Medikaments, Dosisreduktion oder ein Wechsel des Medikaments. In einigen Fällen kann eine zusätzliche medikamentöse Therapie zur Linderung der Beschwerden sinnvoll sein. Das maligne neuroleptische Syndrom wird im Krankenhaus behandelt, in der Regel auf der Intensivstation.
Medikamentenbedingte Bewegungsstörungen treten meist in den ersten Tagen bis Wochen der Therapie auf. Die Symptome sind dosisabhängig und können durch Dosisreduktion, Absetzen oder Wechsel Medikaments rückgängig gemacht werden. Spätdyskinesien sind noch Monate bis Jahre nach Beginn der Therapie mit Antipsychotika möglich.
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Benzodiazepine: Eine kritische Betrachtung
Benzodiazepine sind aufgrund ihrer anxiolytischen, antikonvulsiven, muskelrelaxierenden, sedierenden, hypnotischen und leicht stimmungsaufhellenden Wirkung weit verbreitet, auch bei älteren Patienten. Sie werden in der Prämedikation bei Narkosen, in der Behandlung der Epilepsie, von Angstzuständen, Erregungszuständen, Schlafstörungen sowie beim Entzug von Alkohol und Benzodiazepinen eingesetzt. Bei Verhaltensstörungen bei Demenz können sie kurzfristig bei Agitation, Erregung, Ängsten und Schlafstörungen hilfreich sein.
Risiken und Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen von Benzodiazepinen sind jedoch gerade im Alter nicht zu unterschätzen. Dazu gehören:
- Hang-over-Effekt: Tagesmüdigkeit und Schläfrigkeit
- Muskelrelaxierende Wirkung: Erhöhte Sturzgefahr und verstärkte Blasenschwäche
- Kognitive Beeinträchtigungen: Verstärkung bestehender Defizite und paradoxe Reaktionen wie Agitiertheit und Erregungszustände
- Abhängigkeitsentwicklung: Zunehmende Dosissteigerung und Verstärkung der Nebenwirkungen
Benzodiazepine und Demenz: Keine langfristige Lösung
Die langfristige Anwendung von Benzodiazepinen bei dementen Patienten wird aus verschiedenen Gründen nicht empfohlen:
- Fehlender Wirksamkeitsnachweis: Es gibt keine ausreichenden Belege für einen langfristigen Nutzen bei Demenz.
- Erhöhte Sturzgefahr: Die muskelrelaxierende Wirkung erhöht das Risiko von Stürzen und Verletzungen.
- Abhängigkeitsrisiko: Benzodiazepine können schnell zu einer Abhängigkeit führen, insbesondere bei älteren Menschen.
- Kognitive Verschlechterung: Benzodiazepine können die kognitiven Funktionen weiter beeinträchtigen und die Demenz verstärken.
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass Benzodiazepine zum Verlust von Nervenverbindungen im Gehirn führen können, was insbesondere bei älteren Menschen zu kognitiven Beeinträchtigungen führen kann. Die Forscher fanden heraus, dass Benzodiazepine an Immunzellen des Gehirns (Mikroglia) binden und diese aktivieren, was zum Abbau von Synapsen führt.
Alternativen zu Benzodiazepinen bei Parkinson-Demenz und DLB
Angesichts der Risiken von Benzodiazepinen ist es wichtig, alternative Behandlungsstrategien für psychotische Symptome und Verhaltensstörungen bei PDD und DLB in Betracht zu ziehen.
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Cholinesterasehemmer
Cholinesterasehemmer gelten als anerkannter Standard zur Behandlung der psychotischen und kognitiven Symptome bei PDD und DLB. Sie wirken dem cholinergen Defizit entgegen, das bei diesen Erkrankungen häufig vorliegt. Rivastigmin ist in Deutschland als einziger Cholinesterasehemmer für die PDD zugelassen. Donepezil und Galantamin zeigen in offenen Studien ebenfalls Wirksamkeit und Verträglichkeit.
Antipsychotika: Vorsicht geboten
Der Einsatz von Neuroleptika bei PDD und DLB ist mit Vorsicht zu genießen, da DLB-Patienten eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber diesen Medikamenten aufweisen. Viele Neuroleptika verschlechtern die motorische Symptomatik und können schwere Nebenwirkungen wie das maligne neuroleptische Syndrom auslösen.
- Clozapin: Clozapin wird in niedriger Dosis zur Behandlung psychotischer Symptome bei der Parkinson-Krankheit eingesetzt und hat eine Zulassung für "Psychosen im Verlauf einer Parkinson-Krankheit". Es erfordert jedoch besondere Vorsichtsmaßnahmen und Blutbildkontrollen.
- Quetiapin: Quetiapin zeigte in offenen Studien eine Besserung psychotischer Symptome bei DLB, wird aber von den Herstellern bei „älteren Patienten mit demenzbedingter Psychose“ kontraindiziert.
Weitere medikamentöse Optionen
- Memantin: Die Daten zu Memantin sind widersprüchlich. In Fallserien scheinen sich die psychotischen Symptome bei DLB häufig zu verschlechtern.
- Antidepressiva: Bei affektiven Symptomen, die zu herausforderndem Verhalten führen, kann ein antidepressiver Behandlungsversuch mit Citalopram sinnvoll sein.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
Neben medikamentösen Behandlungen spielen nicht-medikamentöse Maßnahmen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Verhaltensstörungen bei Demenz. Dazu gehören:
- Angehörigeninformation und -schulung: Angehörige als Kotherapeuten gewinnen.
- Identifizierung von Auslösern: Auslöser für Verhaltensstörungen erkennen.
- Ausgleich sensorischer Defizite: Seh- und Hörbehelfe.
- Regelmäßige körperliche und geistige Aktivitäten.
- Psychotherapeutische Interventionen: Validation, Familien- oder Paartherapie, Gruppen mit Betroffenen und Angehörigen, verhaltensmodifizierende Zugänge, Musiktherapie, Tiertherapie.
- Aktivierende Pflege.
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