Die Erregungsleitung in Nervenzellen ist ein fundamentaler Prozess für die Funktionsweise des Nervensystems. Sie ermöglicht die neuronale Kommunikation durch die Übertragung elektrischer Signale. Dieser Artikel befasst sich mit der Erregungsleitung innerhalb der Nervenzelle, also dem Weg eines Aktionspotenzials vom Axonhügel zu den synaptischen Endknöpfchen.
Grundlagen der Nervenzelle
Eine Nervenzelle besteht aus dem Zellkörper (Soma), Dendriten und dem Axon. Die Dendriten sind dünne Fortsätze der Neuronen, die Reize aus der Umwelt aufnehmen. Das Axon ist ein langer Fortsatz der Nervenzelle, der aus dem Axonhügel hervorgeht und elektrische Impulse weiterleitet. Die Aufgabe des Axons ist die Weiterleitung der Aktionspotentiale zu Nerven- oder Muskelzellen. Der Axonhügel bildet den Übergang vom Soma zum Axon. Hier werden die bei den Dendriten eingehenden elektrischen Signale solange gesammelt und summiert, bis eine bestimmte Schwelle oder ein Schwellenpotential überschritten wird. Erst dann wird ein Signal an das Axon weitergeleitet. Diese Signale werden Aktionspotentiale genannt.
Das Aktionspotenzial
Der Befehl vom Gehirn, z.B. "Klick auf die Maus!", wird in einem Neuron als elektrisches Signal bzw. genauer als Aktionspotenzial am Axonhügel losgeschickt und entlang des Axons bis zum Finger weitergeleitet. Damit die Erregung vom Neuron im Gehirn auf die Reise zur Muskelzelle deines Fingers geschickt werden kann, muss die Erregung stark genug sein, um am Axonhügel der Gehirn-Nervenzelle das Schwellenpotenzial von - 40 bis - 50 mV zu erreichen. Nun findet eine Potenzialumkehr statt. Eine Potenzialumkehr beschreibt den Moment, in dem sich Ionenkanäle in der Membran öffnen und das sonst negative Membranruhepotential des Axons positiv wird (bis ca. + 30 mV). Dadurch entsteht ein Aktionspotenzial.
Arten der Erregungsleitung
Je nach Art und Ablauf unterscheidet man zwei Formen der Erregungsübertragung:
- Kontinuierliche Erregungsleitung
- Saltatorische Erregungsleitung
Kontinuierliche Erregungsleitung
Nervenfasern ohne Myelinisierung, also marklose Neurone, leiten Erregungen kontinuierlich weiter. Das heißt, dass das Aktionspotenzial über ständiges Ausgleichen von Ladungsunterschieden zwischen schon erregten und noch nicht erregten Membranstellen weitergeleitet wird. Die kontinuierliche Erregungsleitung beschreibt die Weiterleitung von Reizen über das Axon durch eine unterbrechungsfreie, also kontinuierliche Auslösung eines Aktionspotentials. Es entstehen also immer wieder neue Aktionspotenziale, die sich Richtung Axonendknöpfchen ausbreiten. So bleibt das Signal immer gleich stark.
Lesen Sie auch: Die Barrieren des Gehirns erklärt
Ablauf der kontinuierlichen Erregungsleitung:
- Auslösung des Aktionspotenzials: Wie bereits beschrieben, muss am Axonhügel das Schwellenpotential erreicht werden, um ein Aktionspotenzial auszulösen.
- Weiterleitung der Erregung: Durch die Bildung des Aktionspotenzials entsteht ein depolarisierter Membranabschnitt am Axon. Dieser Bereich weist ein positives Membranpotential auf. Es besteht also ein Ladungsunterschied zwischen diesem erregten Bereich und dem noch nicht erregten Abschnitt, an dessen Membran ein negatives Ruhepotential vorherrscht. Dieser Ladungsunterschied führt dazu, dass Ionen zwischen den beiden Axonabschnitten fließen, um den Unterschied auszugleichen. Die Ausgleichs-Strömchen-Theorie (oder kurz Strömchen-Theorie) basiert auf der Annahme solcher ausgleichenden Ionen- oder Kreisströme. Durch die ausgleichenden Kreisströme beidseits der Membran werden Ionen von "axonabwärts", das heißt in Richtung des Axonendes, abgezogen. Die Membran beginnt zu depolarisieren. Wird dabei das Schwellenpotential erreicht, öffnen sich auch in diesem Bereich die Na+-Kanäle und ein neues Aktionspotenzial entsteht. Das neu gebildete Aktionspotenzial hat genau die gleiche Dauer (2 ms), Stärke (ca. 100 mV) und Form des vorangegangenen Aktionspotenzials. Dieser Vorgang wiederholt sich, bis das Ende des Axons erreicht ist. Damit ist jedes Aktionspotenzial der Auslöser für das Entstehen neuer Aktionspotenziale an benachbarten Membranstellen. So wird die Erregung, mittels passiver Kreisströme und ständiger Neuentstehung von Aktionspotenzialen, ohne Abschwächung, das ganze Axon entlang weitergeleitet.
Gerichtete Erregungsleitung:
Die ständig neu gebildeten Aktionspotenziale entstehen durch Ionenströme. Die Refraktärzeit sorgt dafür, dass sie immer nur in Richtung Axonendköpfchen geleitet werden und nicht rückwärts fließen. Nach Ablauf eines Aktionspotenzials ist die Membran für kurze Zeit unerregbar (absolute Refraktärphase), da sich die spannungsgesteuerten Natriumkanäle erst regenerieren müssen. Auch bei überschwelligen Reizen wird dann kein neues Aktionspotential ausgelöst. Das führt dazu, dass sich das Aktionspotenzial nur auf erregbare Membranabschnitte ausbreiten kann. Außerdem wird so die Dauer des Aktionspotenzials begrenzt.
Einflussfaktoren auf die Geschwindigkeit der kontinuierlichen Erregungsleitung:
- Myelinisierung: An marklosen Axonen kommt es zu kontinuierlichen Erregungsübertragungen. Da hier ständig neue Aktionspotenziale hergestellt werden, dauert es länger, bis das elektrische Signal am Ende des Axons angekommen ist.
- Faserdurchmesser: Je größer der Nervenfaserdurchmesser, umso größer die Leitungsgeschwindigkeit. Ein größerer Faserdurchmesser hat nämlich einen geringeren Innenwiderstand zur Folge.
- Temperatur: Im Rahmen physiologischer, also tatsächlich im Körper vorkommender Temperaturen, hat eine Temperaturerhöhung um 1 °C eine Steigerung der Leitungsgeschwindigkeit um 1 - 2 zur Folge.
Vorkommen:
Diese Art der Erregungsleitung findet man vorwiegend in wirbellosen Tieren, wie Tintenfischen oder Regenwürmern.
Saltatorische Erregungsleitung
Die meisten Nervenzellen bei uns Menschen sind wie elektrische Kabel isoliert. Dazu wird der Fortsatz durch Stütz- oder Hüllzellen umhüllt. Im peripheren Nervensystem (außerhalb von Gehirn und Rückenmark) werden sie auch Schwann’sche Zellen genannt. Diese Myelinscheiden umhüllen die Axone. Die Myelinschicht bildet aber keine durchgehende Umhüllung, sondern ist im Abstand von etwa 0,5-2 mm immer wieder unterbrochen. Den nicht-umhüllten Bereich eines Axons nennst du Ranvierschen Schnürring. Die isolierende Schicht an markhaltigen Nervenfasern wird von Ranvier’schen Schnürringen unterbrochen. Bei der saltatorischen Erregungsleitung wird ein Aktionspotential nicht weitergegeben, sondern sequenziell immer wieder neu ausgebildet.
Ablauf der saltatorischen Erregungsleitung:
Das Aktionspotential "springt" von einem Ranvierschem Schnürring zum nächsten und überbrückt die nach außen hin isolierenden Myelinscheiden. Die Kanäle findest du nur an den Ranvier’schen Schnürringen. Dort strömen dann die positiv geladenen Natriumionen ins Zellinnere. Dadurch wird ein erneutes Aktionspotential bzw. eine neue Depolarisierung ausgelöst. Sie reicht bis zum nächsten Schnürring. Es wird also immer nur an einem nicht-isolierten Bereich ein Aktionspotential gebildet. Schlussendlich ermöglicht die Erregungsleitung die Weiterleitung eines elektrischen Signals ans Ende einer Nervenzelle.
Vorteile der saltatorischen Erregungsleitung:
- Höhere Geschwindigkeit: Durch die Isolation kann die Leitungsgeschwindigkeit deutlich erhöht werden. Die Erregung kann auch von einem Schnürring zum nächsten „springend“ weitergeleitet werden.
- Energie sparen: Da die Depolarisation nur an den Ranvierschen Schnürringen erfolgen muss, ist die saltatorische Erregungsleitung energetisch günstiger als die kontinuierliche Erregungsleitung.
Vorkommen:
Die saltatorische Erregungsleitung findet fast ausschließlich in Wirbeltieren statt.
Lesen Sie auch: Wie funktioniert die Erregungsübertragung an Synapsen?
Vergleich von kontinuierlicher und saltatorischer Erregungsleitung
| Merkmal | Kontinuierliche Erregungsleitung | Saltatorische Erregungsleitung |
|---|---|---|
| Myelin-Ummantelung | nicht vorhanden = marklos | vorhanden = markhaltig |
| Erregungsübertragung | fortschreitend | sprunghaft |
| Leitungsgeschwindigkeit | eher langsam (max. 30 m/s) | eher schnell (bis zu 120 m/s) |
| Axondurchmesser | eher groß (bis 1 mm) | eher klein |
| Vorkommen | v. a. in wirbellosen Tieren | in Wirbeltieren fast ausschließlich |
Faktoren, die die Erregungsleitung beeinflussen
Es gibt verschiedene Faktoren, die die Geschwindigkeit der Erregungsleitung beeinflussen können:
- Myelinisierung: Myelinisierte Axone leiten Erregungen schneller als marklose Axone.
- Faserdurchmesser: Je größer der Durchmesser des Axons, desto schneller die Erregungsleitung.
- Temperatur: Eine Erhöhung der Temperatur kann die Leitungsgeschwindigkeit erhöhen.
- Multiple Sklerose: Bei der Multiplen Sklerose werden die Myelinscheiden der Nervenfasern teilweise oder vollständig abgebaut. Diese sind in gesunden Fasern für die Isolierung der Axone zuständig. Wird diese verringert, erhöht sich zum einen die Gefahr von Leckströmen und zum anderen die Anziehung von Ionen zwischen dem Cytoplasma und der Zwischenzellflüssigkeit. Beide Faktoren führen zu einer Reduktion der Erregungsleitgeschwindigkeit.
Die Rolle der Synapse
Wenn das Signal am Ende des Neurons angelangt ist, findet an der Synapse (Kontaktstelle) die Erregungsübertragung auf die nächste Zelle statt. Die Verbindung am Ende einer Nervenzelle mit einer anderen Zelle nennst du Synapse. In den meisten Fällen sind das chemische Synapsen. Das Endknöpfchen setzt chemische Moleküle in den synaptischen Spalt - die Lücke zwischen den zwei Zellen - frei. Dort binden sie an Rezeptoren und geben die Erregung weiter. Am synaptischen Endknöpfchen, was dem Ende des Axons entspricht, wird der elektrische Impuls in ein chemisches Signal umgewandelt. Das elektrische Potenzial, das dort ankommt, löst die Ausschüttung chemischer Botenstoffe (sogenannte Neurotransmitter) aus. Dort löst der Neurotransmitter erneut einen elektrischen Impuls aus, der wieder am Axon entlangwandert und so von Zelle zu Zelle weitergegeben wird.
Lesen Sie auch: Die Schallwahrnehmung
tags: #erregungsleitung #nervenzelle #einfach #erklärt