Eine gute Beweglichkeit ist in nahezu allen Sportarten essenziell - sei es im Krafttraining, in der Leichtathletik, beim Tanzen oder beim Yoga. Unabhängig von den individuellen Voraussetzungen wird sie in erster Linie vom Gehirn und vom zentralen Nervensystem reguliert und bestimmt. Dass das Gehirn die nötigen Informationen erhält, um große Bewegungsweiten zu tolerieren und diese auch als sicher zu empfinden, kann gezielt trainiert werden.
Die Rolle des Gehirns bei der Beweglichkeit
Beweglichkeit wird in erster Linie vom Gehirn reguliert und bestimmt. Das Gehirn muss die nötigen Informationen erhalten, um große Bewegungsweiten zu tolerieren und diese auch als sicher zu empfinden. Diese Fähigkeit lässt sich gezielt trainieren.
Neuroathletik als Schlüssel zur Verbesserung
Die Neuroathletikexperten Lars und Ulla Lienhard zeigen, mit welchen Methoden und Prinzipien Sie die unterschiedlichen Hirnareale ansteuern und somit Ihre Beweglichkeit und Ihre Mobilität deutlich verbessern können. Mit diesem revolutionären Ansatz der Neuroathletik lassen sich die Informationsaufnahme und -verarbeitung gezielt trainieren und die sportliche Leistung erheblich verbessern.
Lars Lienhard, ein führender Experte im Neuroathletiktraining, zeigt in seinem Buch, mit welchen Methoden und Prinzipien die unterschiedlichen Hirnareale angesteuert und Beweglichkeit und Mobilität deutlich verbessert werden können. Die über 50 bebilderten Übungen sind verständlich dargestellt und können ohne Vorkenntnisse ausgeführt werden.
Lars Lienhard: Pionier des Neuroathletiktrainings
Lars Lienhard arbeitet als Trainer, Berater und Ausbilder im Spitzensport. In seinem Neuro Athletic Training Institute (neuro-athletic-training-institute.com) bietet er Ausbildungen für Trainer, Therapeuten und Athleten an. Der Sportwissenschaftler und ehemalige Leistungssportler ist der führende Experte für neurozentriertes Training in Europa. Er hat zahlreiche Athleten auf die Olympischen Spiele vorbereitet und unterstützt als Trainer und Berater Vereine und Verbände bei sportlichen Großveranstaltungen und in konzeptionellen Fragen. So war er unter anderem als Trainer 2014 bei der FIFA-Fußballweltmeisterschaft in Brasilien und 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio. Er ist zudem Autor mehrerer erfolgreicher Bücher zum Thema Neuroathletiktraining.
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Ulla Lienhard ist ehemalige Leistungssportlerin im Tanzen, Trainerin, Beraterin und Referentin im Bereich Neuroathletik sowie neurozentrierter Gesundheits- und Leistungsoptimierung. Zusammen mit ihrem Mann Lars Lienhard führt sie das Neuro Athletic Training Institute und unterstützt angehende Neuroathletiktrainer beim Wissenstransfer und der Integration neuroathletischer Prinzipien in spezifische Themenbereiche wie Schule, Vereinssport, neuronale Gesundheit am Arbeitsplatz und darstellende Kunst.
Neuroathletik in der Praxis
Das Hauptziel ist die spezifische Vorbereitung des Beweglichkeitstrainings sowie die Optimierung der Trainingswirkung durch gezielte neurozentrierte Ansätze:
- Stellen Sie durch kleine Tests sicher, dass Ihr Training die gewünschten Effekte erzielt.
- Steigern Sie Ihre Entspannungsfähigkeit, da sie über Beweglichkeit mitbestimmt.
- Lernen Sie Strategien kennen, bestimmte Hirnareale gezielt vorzubereiten.
- Setzen Sie Trainingsprinzipien um, die Ihre Dehntoleranz erhöhen. Die wichtigsten Komponenten sind hier Play und das Nutzen externer Ziele wie Widerstandsbänder oder Bälle.
- Festigen Sie die erworbene Bewegungsweite nachhaltig, um dauerhaft beweglich zu bleiben.
- Nutzen Sie spezifische Trainingsinhalte, um beispielsweise im Nacken- und Schulterbereich beweglicher zu werden oder die Beweglichkeit in Hüfte, Sprunggelenk und Fuß zu verbessern.
Über 60 bebilderte Übungen und zahlreiche Trainingspläne helfen Ihnen dabei, nicht nur Ihr Training zu optimieren und Ihre Beweglichkeit zu steigern, sondern Ihre gesamte sportliche Performance auf ein neues Level zu heben.
Entspannung als Grundlage von Beweglichkeit
Die Fähigkeit, aktiv muskuläre Systeme zu entspannen, ist eine Grundvoraussetzung der Beweglichkeitsverbesserung. Im Beweglichkeitstraining, besonders beim Dehnen, wird der Fokus oft mehr auf das Erfühlen von Spannungen innerhalb der Bewegung gelegt als auf das Erlernen von Entspannung innerhalb der jeweiligen Situation beziehungsweise Position. Es geht darum, dass Sie lernen, wie es sich überhaupt anfühlt, entspannt zu sein beziehungsweise muskulär zu entspannen, muskuläre Spannung loszulassen. Muskulär zu entspannen ist ein aktiver, willkürlicher Prozess, eine Fähigkeit, genauso wie die Erzeugung muskulärer Spannung (Kraft). Es ist also erlern- und trainierbar. Es beruht des Weiteren auf Entscheidungen, die das Gehirn aufgrund der situativen sensorischen Datenlage, vorausgegangener Erfahrungen und prognostizierter Erwartungen trifft.
Welche Hirnareale die Entspannungsfähigkeit beeinflussen
Schaut man sich die Hirnareale an, die bei muskulärer Entspannung aktiv werden, so sind hier vor allem der dorsolaterale präfrontale Kortex (DLPFC) und der vordere cinguläre Kortex (ACC) sowie die Inselrinde von besonderem Interesse. Diese Bereiche unseres Gehirns sind jedoch nicht nur beim Prozess der muskulären Entspannung beteiligt, einer Grundvorraussetzung von Beweglichkeit, sondern sie bilden auch Teile des Salienz-Netzwerks (salience network), welches bei der Beurteilung der Dehntoleranz, bei der Beurteilung von Konflikten sowie bei der Beurteilung von nozizeptiven Reizen beteiligt ist. Durch das Training der muskulären Entspannungsfähigkeit können wir also aktiv auf kortikale Bereiche Einfluss nehmen, die an der Erlaubnis der Dehntoleranz beteiligt sind.
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Bodyscan - Spannungen gezielt loslassen
Der Bodyscan ist den Body-Mind-Meditationen zuzuordnen und wurde besonders durch den Achtsamkeitsmeditationslehrer Jon Kabat-Zinn geprägt. Der Bodyscan dient im Allgemeinen zur Stressreduktion und Entspannung und optimiert wichtige Komponenten des neuronalen Netzwerks, das an der Beurteilung und Einschätzung der körperlichen Signale beteiligt ist. Das Prinzip des Bodyscans ist einfach. Der Körper wird vom Kopf bis zu den Füßen mental gescannt und auf Spannungen sowie Spannungsunterschiede hin durchsucht. Ziel ist es, die wahrgenommene Spannung durch eine willentliche Entscheidung aktiv loszulassen und zu reduzieren. In der Praxis zeigt sich das Entspannen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs als besonders effektiv, die allgemeine Dehntoleranz zu erhöhen, und sollte daher vermehrte Aufmerksamkeit bekommen.
Beim Bodyscan machen Sie nun eine innerliche Reise durch Ihren Körper. Stellen Sie sich dabei die folgenden Fragen: Gibt es hier (vermehrt) Spannung? Können Sie diese loslassen?
Bodyscan-Übung
Stellen Sie sich hüftbreit auf, die Wirbelsäule ist lang und locker und der Atem fließt ruhig und gleichmäßig. Stellen Sie sich nun vor, Sie scannen Ihren Körper von Kopf bis Fuß Zentimeter für Zentimeter von oben nach unten ab. Fangen Sie am Kopf an, nehmen Sie Gesicht, Kopf und Nacken wahr. Spüren Sie Unterschiede zwischen Ihrer rechten und linken Gesichtshälfte, im rechten und linken Schädelbereich, in Ihrer Nackenmuskulatur? Gibt es irgendwo Spannungen? Nehmen Sie diese Spannungen kurz wahr und versuchen Sie, diese aufzulösen, indem Sie sich einen inneren Befehl hierzu geben. Scannen Sie auf die gleiche Art Schultern, Brustpartie, Arme, Rumpf, Beine und Füße auf Spannungsunterschiede und leiten Sie gegebenenfalls auch hier die Spannungen lokal aus dem Körper. Es bedarf einiger Übung und Zeit, den Körper differenziert zu scannen, wahrzunehmen und sich zu erlauben, die Spannungen zu lösen. Führen Sie den Bodyscan ganz oder auch in Teilen täglich für 2 bis 5 Minuten vor dem Training aus.
Vielen Menschen fällt es leichter zu entspannen, wenn sie die Übung zunächst im Sitzen oder Liegen ausführen, bevor sie in den Stand oder in die spezifische Position gehen.
Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
Edmund Jacobson gilt als der Begründer der progressiven Muskelentspannung (PME). Durch seine Forschung kam er zu der Erkenntnis, dass entspannte Muskeln die Aktivität im Gehirn positiv beeinflussen. Es zeigt sich, dass durch diese Methode Schmerz weniger stark wahrgenommen und die allgemeine Muskelspannung reduziert wird - beides sind zentrale Aspekte bei der Betrachtung der Dehntoleranz. Ähnlich wie bei dem Bodyscan zeigen auch bei der progressiven Muskelentspannung die Bereiche im Gehirn mehr Aktivität, die auf die Dehntoleranz Einfluss nehmen. Hierdurch ist diese Methode prädestiniert, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer Ihr Beweglichkeitstraining stattfinden kann.
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Die Methode der Muskelentspannung, die hier vorgestellt wird, ist eine vereinfachte Form des originalen Programms und lässt sich für die meisten Menschen schnell und leicht erlernen. Daher ist sie ein guter Startpunkt, um in die Körperwahrnehmungsübungen einzusteigen. Sie kann für circa 10 Minuten täglich praktiziert werden, um über die Zeit eine allgemeine Reduzierung der Muskelspannung zu erreichen. Alternativ führen Sie die Übung für 2 bis 5 Minuten unmittelbar vor dem Beweglichkeitstraining aus. Neben einer allgemein besseren Muskelentspannungsfähigkeit kann diese Methode auch gut genutzt werden, um spezifische Bereiche gezielt zu adressieren, wie zum Beispiel die Beine oder die Muskulatur um die Schulter herum, je nachdem, wo und wobei Sie beweglicher werden möchten.
Progressive Muskelentspannung im Stand
Stellen Sie sich etwa schulterbreit hin, die Wirbelsäule ist entspannt und locker aufgerichtet. Der Atem fließt ruhig und gleichmäßig. Richten Sie nun Ihre Aufmerksamkeit auf den rechten Unterarm - vom Handgelenk bis zum Ellenbogen. Nehmen Sie ihn für 2 bis 3 Sekunden wahr. Ballen Sie dann die Hand zur Faust und spannen Sie den gesamten Unterarm so stark wie möglich an. Achten Sie darauf, dass Sie die Anspannung zunächst langsam beginnen, bis Sie die maximale Spannung im gesamten Unterarm und in der Hand erreichen. Nehmen Sie die Spannung und Stärke für 6 bis 8 Sekunden wahr. Lassen Sie in dieser Zeit Ihre Aufmerksamkeit in alle Partien des Unterarms und der Hand schweifen. Spüren Sie die Spannung überall gleichmäßig? Gibt es Stellen, die Sie schlechter spüren? Lösen Sie die Spannung abrupt! Spüren Sie nun erneut in den Unterarm und die Hand hinein und nehmen Sie die Entspannung, Leichtigkeit und Lockerheit nach der Anspannung wahr. Spüren Sie den Unterschied zwischen angespanntem und entspanntem Arm. Lenken Sie nun Ihre Aufmerksamkeit für insgesamt 30 bis 60 Sekunden in alle Bereiche des Unterarms und der Hand. Sind alle Muskeln locker und entspannt? Gibt es Stellen, die nicht richtig entspannt sind? Nehmen Sie den Unterschied zwischen An- und Entspannung noch einmal wahr und wiederholen Sie die Übung ein weiteres Mal. Anschließend lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die nächste Körperpartie. Spannen Sie in dieser Reihenfolge die folgenden Körperbereiche an und entspannen Sie sie wieder: rechter Unterarm inklusive Hand, rechter Oberarm, linker Unterarm inklusive Hand, linker Oberarm, Gesicht, Nacken und Schultern, Rücken, Bauch.
Es ist wichtig zu verstehen, dass es wie bei dem Bodyscan mehr um das zugrunde liegende Wirkprinzip und weniger um eine genaue Technik geht. Wenn Sie das Prinzip verstehen, sind Sie in der Lage, es immer und ohne viel Aufwand anzuwenden.
Weitere Faktoren für Beweglichkeit
Neben gezieltem Training und Entspannungstechniken spielen auch alltägliche Aktivitäten eine Rolle für die Beweglichkeit.
Die Bedeutung von Spaziergängen
Spazieren gehen wird oft unterschätzt, ist aber eines der effektivsten und zugleich niedrigschwelligsten Tools, um Stress abzubauen, Emotionen zu regulieren und den Kopf freizubekommen. Studien zeigen, dass schon 20 bis 30 Minuten Gehzeit täglich:
- die Stresshormone messbar senken (Cortisolreduktion),
- das Nervensystem beruhigen und Ängste verringern,
- die Stimmung stabilisieren und depressive Symptome lindern können.
Vor allem Gehen an der frischen Luft aktiviert unser parasympathisches Nervensystem - den „Beruhigungsmodus“. Wir kommen runter, atmen tiefer und denken klarer. Es fühlt sich oft an, als würde sich der innere Knoten lösen.
Spaziergänge sind kein Sport, den man „abhaken“ muss - sie sind eine Einladung, in Bewegung zu denken, zu fühlen und zu verarbeiten. Sie schenken uns Zeit für Reflexion, Lösungen und innere Ordnung. Der Spaziergang wird dann zum Ritual, das uns erdet und stärkt - körperlich, mental und emotional.
Körperliche Vorteile von Spaziergängen
Regelmäßiges Gehen wirkt sich auch körperlich aus:
- Kreislauf und Stoffwechsel werden angeregt
- Fettverbrennung steigt bereits nach 20 bis 30 Minuten
- Muskel- und Gelenkgesundheit verbessert sich
- Schlafqualität nimmt zu
Spaziergänge sind eine der sanftesten Formen von Fitness - gleichzeitig überraschend effektiv.
Spaziergangs-Plan für mehr Routine
- 7 Tage - Einstieg: „Ich mache es einfach“: Täglich 10 bis 20 Minuten gehen, Handy auf Flugmodus oder zu Hause lassen, Fokus: atmen, wahrnehmen, ankommen. Tipp: Suche dir eine kurze Lieblingsrunde, die du schnell erreichst.
- 14 Tage - Vertiefung: „Ich mache es bewusst“: 20 bis 30 Minuten täglich, mindestens 10 davon in Ruhe, ein Spaziergang pro Woche mit einer anderen Person (Partner, Kind, Freund), nach dem Gehen zwei bis drei Gedanken kurz notieren, Ritual: Zum Start drei tiefe Atemzüge - „Was brauche ich gerade?“
- 30 Tage - Transformation: „Es gehört zu mir“: 30 bis 45 Minuten pro Tag (zwei davon als „Achtsamkeitsgänge“), ein längerer Wochenend-Spaziergang (60 bis 90 Minuten), „Digital-free walks“: drei Spaziergänge ohne Handy, mindestens ein Familien- oder Freundesspaziergang pro Woche. Beobachtung: Nach 30 Tagen wirkt Gehen wie ein mentales Reset-System.
Der Aha-Moment
Forscher fanden heraus, dass beim Gehen kreative Lösungen deutlich häufiger entstehen, weil sich unser Gehirn im sogenannten „assoziativen Modus“ bewegt - wir denken freier, offener und weniger linear. Heißt: Wer geht, denkt besser.
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