Neurowissenschaftliche Erkenntnisse haben in den letzten Jahren die Trainingslehre und den Spitzensport revolutioniert. Der Ansatz der Neuroathletik nutzt diese Erkenntnisse, um die sportliche Leistung durch gezieltes Training der Informationsaufnahme und -verarbeitung im Gehirn zu verbessern. Eine optimale körperliche Leistung ist nämlich nur dann möglich, wenn das Gehirn hochwertige Informationen von Augen, Gleichgewichtssystem und Körper erhält.
Was ist Neuroathletik?
Neuroathletik ist ein Trainingskonzept, das sich mit den neuronalen Prozessen beschäftigt, die jeder Bewegung zugrunde liegen. Die Idee dahinter ist, dass jede Bewegung im Gehirn und nicht im Muskel beginnt. Durch gezieltes Training des Gehirns können sportliche Leistungen verbessert und Verletzungen vorgebeugt werden. Neuro-Athletik dient der Leistungsverbesserung und der Verletzungsvorbeugung durch best- und schnellstmögliche visuelle Datenverarbeitung.
Die Grundlagen der Neuroathletik
Die Neuroathletik basiert auf der Annahme, dass das Nervensystem eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Bewegungen spielt. Um die sportliche Leistung zu verbessern, werden in der Neuroathletik die folgenden drei Systeme trainiert:
- Visuelles System: Das visuelle System liefert Informationen über die Umgebung und die Position des Körpers im Raum.
- Gleichgewichtssystem: Das Gleichgewichtssystem sorgt für Stabilität und Orientierung.
- Propriozeptives System: Das propriozeptive System liefert Informationen über die Position und Bewegung der Körperteile.
Durch gezieltes Training dieser Systeme können die Informationsaufnahme und -verarbeitung im Gehirn verbessert werden, was zu einer Steigerung der sportlichen Leistung führt.
Eine zentrale Rolle spielt dabei der Vagusnerv, der an der Regulation fast aller Organe beteiligt ist und einen großen Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden hat. Gemeinsam mit der Inselrinde, einem Hirnareal, in dem Informationen aus dem Körperinneren mit Sinneseindrücken abgeglichen werden, bildet er die Grundlage unserer Selbstwahrnehmung. Durch ein gezieltes Training des Vagusnervs und der neuronalen Komponenten unserer inneren Wahrnehmung können Sie Depressionen, Ängste, Verdauungsprobleme, aber auch Schmerzen, Bewegungsstörungen und Stresssymptome einfach und effektiv selbst behandeln.
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Wie funktioniert Neuroathletiktraining?
Das Neuroathletiktraining umfasst eine Vielzahl von Übungen, die darauf abzielen, die Informationsaufnahme und -verarbeitung im Gehirn zu verbessern. Diese Übungen können in jedes sportliche Training integriert werden und erfordern oft nur geringen Aufwand. Lars Lienhard zeigt in seinem Buch "Training beginnt im Gehirn", wie Neuroathletik in jedes sportliche Training integriert werden kann. Das Buch enthält über 90 bebilderte Übungen, die leicht verständlich dargestellt sind und überall mit geringem Aufwand trainiert werden können.
Um die Wirkung des Trainings auf das zentrale Nervensystem beurteilen zu können, sind nach Durchführung der Einheit Assessments durchzuführen, mit denen diese Auskunft selbst abzuschätzen ist.
Beispiele für Neuroathletikübungen
- Visuelle Übungen: Übungen zur Verbesserung der Augenmuskulatur, der visuellen Wahrnehmung und der Augen-Hand-Koordination.
- Gleichgewichtsübungen: Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichtsgefühls und der Stabilität.
- Propriozeptive Übungen: Übungen zur Verbesserung der Körperwahrnehmung und der Koordination.
- Atemübungen: Mit dem Relaxator trainieren Sie die Atmung. Es geht bei der Atmung immer um das Gleichgewicht.
- Training der Fingerstrecker.
- Kohlendioxid-Training: Der CarboHaler ist ein Gerät, das der eingeatmeten Luft zusätzliches Kohlendioxid hinzufügt und gleichzeitig die Menge an eingeatmetem Sauerstoff reduziert. Sobald Sie den BodyStream-Anzug tragen, wird zunächst die gesamte Luft durch Vakuum abgepumpt und dann wird der Anzug mit 100 % Kohlendioxid gefüllt.
Neuroathletik in der Praxis
Neuroathletiktraining wurde von Schweizer und deutschen Wintersportlern verwendet, im Zuge der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro auch von einigen der deutschen Leichtathleten. Seit 2012 nutzen zudem einige Fussballprofis aus Bundesliga und Premier League diese Trainingsphilosophie. Nachdem die deutsche 100-Meter-Sprinterin Gina Lückenkemper bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London unter 11 Sekunden gelaufen war, äußerte sie sich zu ihrem Neuroathletiktrainining mit Coach Lars Lienhard. Ein Teil des Trainings der beiden ist es, die neuronale Plastizität zu beschleunigen indem die Athletin kurze Stromstöße einer 9V-Batterie auf der Zunge anwendet.
Vorteile der Neuroathletik
Neuroathletik bietet eine Reihe von Vorteilen für Sportler aller Leistungsstufen:
- Verbesserung der sportlichen Leistung: Durch gezieltes Training der Informationsaufnahme und -verarbeitung im Gehirn können sportliche Leistungen verbessert werden.
- Verletzungsprävention: Neuroathletik kann dazu beitragen, Verletzungen vorzubeugen, indem die Stabilität, Koordination und Körperwahrnehmung verbessert werden.
- Schnellere Rehabilitation: Neuroathletik kann die Rehabilitation nach Verletzungen beschleunigen, indem die neuronalen Prozesse, die für die Bewegungskontrolle verantwortlich sind, gezielt trainiert werden.
- Gezieltes Gehirntraining kann das Quentchen Leistung hervorkitzeln, das dann den Unterschied macht.
- Linderung von Schmerzen: Durch ein gezieltes Training des Vagusnervs und der neuronalen Komponenten unserer inneren Wahrnehmung können Sie Depressionen, Ängste, Verdauungsprobleme, aber auch Schmerzen, Bewegungsstörungen und Stresssymptome einfach und effektiv selbst behandeln.
Kritik an der Neuroathletik
Im Falle der Neuroathletik fehlen zurzeit allerdings die wissenschaftlichen Nachweise zur Wirksamkeit. Aus physiotherapeutischer Sicht sind die Übungen auf den Bildern allerdings nicht immer präzise und nach der Beschreibung dargestellt.
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Experten auf dem Gebiet der Neuroathletik
- Lars Lienhard: Sportwissenschaftler und ehemaliger Leistungssportler, arbeitet als Trainer, Ausbilder und Berater im Spitzensport. Er trainiert Weltklasseathleten verschiedenster Sportarten. Bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien gehörte er zum Betreuerteam der siegreichen deutschen Nationalmannschaft. Er gilt als Pionier und
Gesicht
derNeuroathletik
im deutschen (Spitzen-)Sport. Er arbeitet seit Jahren als erfolgreicher Individualtrainer mit Weltklasse-Athleten aus den unterschiedlichsten Sportarten zusammen. - Ulla Schmid-Fetzer: Autorin und ehemalige Leistungssportlerin im Tanzen, absolvierte die Ausbildung zur Neuroathletiktrainerin durch das Z-Health-Curriculum in Rekordzeit und ist bis heute eine der wenigen vollumfassend zertifizierten Trainer in ganz Europa.
- Dr. Eric Cobb: Der Gründer von Z-Health® Performance Solutions, gilt als einer der weltweit führenden Experten für innovative, neurologisch ausgerichtete Rehabilitations- und Sportperformance-Programme.
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