Das zentrale Nervensystem (ZNS) ist ein äußerst komplexes Netzwerk, das den Körper steuert und koordiniert. Es ist der Dreh- und Angelpunkt für Sinneswahrnehmungen, Gedanken, Emotionen und Bewegungen. Das ZNS umfasst alle Nerven und Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark. Alle anderen Nervenbahnen gehören zum peripheren Nervensystem; beide sind jedoch nur topographisch voneinander abgrenzbar, funktionell allerdings eng miteinander verknüpft.
Das Nervensystem des Menschen wird in das zentrale und das periphere Nervensystem unterteilt. Darüber hinaus fungieren das sympathische, parasympathische und enterische Nervensystem als Teile des autonomen Nervensystems. Das periphere Nervensystem besteht aus neuronalen Komponenten, die sich aus dem ZNS fortsetzen. Rückenmark, die sich außerhalb des ZNS befinden. Das autonome Nervensystem (ANS) überwacht und steuert die Funktionen der inneren Organe. Das ANS besteht aus dem parasympathischen und sympathischen Nervensystem.
Aufbau des Gehirns
Das Gehirn liegt in der Schädelhöhle, einem Hohlraum, der von den Schädelknochen gebildet wird. Das Gehirn wird orientierungsweise in 5 größere Abschnitte unterteilt:
- Großhirn
- Zwischenhirn
- Mittelhirn
- Kleinhirn
- Nachhirn
Umgeben ist das Gehirn von drei Hautschichten (Hirnhäuten oder Meningen):
- Dura mater (harte Hirnhaut): Sie ist die äußerste Schicht und innen mit den Schädelknochen fest verbunden.
- Arachnoidea (Spinngewebshaut): In dieser mittleren Haut verlaufen zahlreiche Blutgefäße.
- Pia mater (weiche Hirnhaut): Sie ist die innerste Schicht, die sich direkt an die Oberfläche des Gehirns anlegt und es mit Blutgefäßen versorgt.
Zwischen der Arachnoidea und der Pia mater befindet sich der Subarachnoidalraum, der mit Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis) gefüllt ist. Diese Flüssigkeit wirkt bei Erschütterungen wie eine Art Stoßdämpfer und trägt so zum Schutz des Gehirns bei. Im Inneren des Gehirns befinden sich vier Hohlräume (Hirnkammern oder Ventrikel), die ebenfalls mit Gehirnflüssigkeit gefüllt sind.
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Das Großhirn, dessen Entwicklung den Menschen mit all seinen einzigartigen und vielfältigen Fähigkeiten erst ermöglicht, nimmt 80% der Hirnmasse ein. Es besteht aus einer rechten und einer linken Großhirnhälfte, die durch einen breiten und dicken Nervenstrang (den „Balken“ oder Corpus callosum) miteinander verbunden sind. Die äußere Schicht des Großhirns bildet die Großhirnrinde (Cortex cerebri). Sie ist 2 bis 3 Millimeter dick und wird auch, wegen ihres Aussehens, als graue Substanz bezeichnet. Ihre graue Farbe erhält die Großhirnrinde von den Zellkörpern der Neurone. Unterhalb der Großhirnrinde befindet sich die weiße Substanz (Substantia alba), die überwiegend aus Axonen besteht.
Aufbau des Rückenmarks
Das Rückenmark ist Teil des ZNS und der Hauptleitungsweg, der das Gehirn mit dem Körper verbindet. Es liegt, umschlossen von der Wirbelsäule, im Wirbelkanal (auch Rückenmarkskanal oder Spinalkanal genannt). Die Dura mater grenzt als äußerste Schicht an die umgebenden Wirbelknochen an, während sich die Pia mater als innerstes Blatt direkt an die Oberfläche des Rückenmarks anlegt. Der Raum zwischen der Spinngewebshaut und der weichen Rückenmarkshaut ist mit Liquor cerebrospinalis gefüllt.
Das Rückenmark erstreckt sich vom Foramen magnum im Os occipitale bis zur Höhe des 1. oder 2. Lendenwirbels. Es ist in Zervikal-, Thorakal-, Lumbal- und Sakralregion unterteilt. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Regionen nicht ganz mit ihren entsprechenden Wirbelniveaus übereinstimmen. Im Querschnitt ist das Rückenmark in einen H-förmigen Bereich mit grauer Substanz (bestehend aus verknüpften neuronalen Zellkörpern) und einen umgebenden Bereich mit weißer Substanz (bestehend aus auf- und absteigenden Bahnen myelinisierter Axone) unterteilt.
Die graue Substanz des Rückenmarks ist in verschiedene Kerngruppen unterteilt:
- Mediale Kerngruppen des Vorderhorns: Nucleus dorsomedialis und Nucleus ventromedialis
- Laterale Kerngruppen des Vorderhorns: Nucleus dorsolateralis, Nucleus ventrolateralis und Nucleus retrodorsolateralis
- Zentrale Kerngruppen des Vorderhorns (im Zervikalmark): Nucleus phrenicus
- Laterale Kerngruppen des Vorderhorns (im Halsmark): Nucleus accessorius (innerviert M. trapezius und M. sternocleidomastoideus), Nucleus spinalis nervi accessorii (auch im oberen Halsmarksegment C1-C6), Nuclei intermediolaterales (sympathische Neurone)
- Sakrale Kerngruppen des Vorderhorns: Nucleus lumbosacralis intermediolateralis
- Weitere Kerngruppen: Nucleus funiculi lateralis (C1-L2)
Zusätzlich gibt es spezifische Kerne für Extremitäten:
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- Zervikalmark: Nucleus cervicalis lateralis (Ncl. arm)
- Lumbosakralmark: Nucleus lumbalis lateralis (Ncl. Leg), Nucleus sacralis intermedius (Ncl. Fuß), Nucleus caudalis centralis (Ncl. Hand)
Die Meningen sind die faserigen Membranen, die das Rückenmark (und das Gehirn) umhüllen. Das Rückenmark wird von einer vorderen und zwei paarigen, hinteren Spinalarterien versorgt.
Entwicklung des Nervensystems
Das Nervensystem entwickelt sich aus dem Neuralrohr, das sich während der Gastrulation und Neurulation im trilaminaren Embryo bildet. Das Neuralrohr gliedert sich in drei Schichten.
Funktion des Nervensystems
Das Nervensystem umfasst alle Nervenzellen des menschlichen Körpers. Mit ihm kommuniziert der Körper mit der Umwelt und steuert gleichzeitig vielfältige Mechanismen im Inneren. Das Nervensystem nimmt Sinnesreize auf, verarbeitet sie und löst Reaktionen wie Muskelbewegungen oder Schmerzempfindungen aus. Es enthält viele Milliarden Nervenzellen, sogenannte Neuronen. Jede einzelne Nervenzelle besteht aus einem Körper und verschiedenen Fortsätzen. Die kürzeren Fortsätze (Dendriten) wirken wie Antennen: Über sie empfängt der Zellkörper Signale, zum Beispiel von anderen Nervenzellen. Axone leiten Signale zu anderen Neuronen oder Zielzellen weiter, während Dendriten die Signale meistens von anderen Neuronen empfangen. Die Länge der Axone und Dendriten reicht von wenigen tausendstel Millimeter bis zu über einem Meter.
Nach der Lage der Nervenbahnen im Körper unterscheidet man zwischen einem zentralen und einem peripheren Nervensystem. Das zentrale Nervensystem (ZNS) umfasst Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark. Es befindet sich sicher eingebettet im Schädel und dem Wirbelkanal in der Wirbelsäule.
Das willkürliche Nervensystem (somatisches Nervensystem) steuert alle Vorgänge, die einem bewusst sind und die man willentlich beeinflussen kann. Dies sind zum Beispiel gezielte Bewegungen von Gesichtsmuskeln, Armen, Beinen und Rumpf.
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Das vegetative Nervensystem (autonomes Nervensystem) regelt die Abläufe im Körper, die man nicht mit dem Willen steuern kann. Es ist ständig aktiv und reguliert beispielsweise Atmung, Herzschlag und Stoffwechsel. Hierzu empfängt es Signale aus dem Gehirn und sendet sie an den Körper. In der Gegenrichtung überträgt das vegetative Nervensystem Meldungen des Körpers zum Gehirn, zum Beispiel wie voll die Blase ist oder wie schnell das Herz schlägt. Das vegetative Nervensystem kann sehr rasch die Funktion des Körpers an andere Bedingungen anpassen. Ist einem Menschen beispielsweise warm, erhöht das System die Durchblutung der Haut und die Schweißbildung, um den Körper abzukühlen.
Sowohl das zentrale als auch das periphere Nervensystem enthalten willkürliche und unwillkürliche Anteile. Das vegetative Nervensystem wird weiter unterteilt in:
- sympathisches Nervensystem
- parasympathisches Nervensystem
- Eingeweide-Nervensystem (enterisches Nervensystem)
Das sympathische und parasympathische Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) wirken im Körper meist als Gegenspieler: Der Sympathikus bereitet den Organismus auf körperliche und geistige Leistungen vor. Er sorgt dafür, dass das Herz schneller und kräftiger schlägt, erweitert die Atemwege, damit man besser atmen kann, und hemmt die Darmtätigkeit. Der Parasympathikus kümmert sich um die Körperfunktionen in Ruhe: Er aktiviert die Verdauung, kurbelt verschiedene Stoffwechselvorgänge an und sorgt für Entspannung.
Wichtige Bahnen des Rückenmarks
Das Rückenmark enthält wichtige aufsteigende (sensorische) und absteigende (motorische) Bahnen, die Informationen zwischen Gehirn und Körper vermitteln. Die Buchstaben C, T, L und S geben an, wo sich die zu jeder Region gehörenden Fasern befinden.
Eine Erregung kann durch afferente Fasern direkt auf Motoneurone der Vorderhornzellen übertragen werden, die wiederum über ihre Efferenzen die Muskulatur ansteuern. Beim Eigenreflex liegen Rezeptor und Effektor im gleichen Organ. Ein Beispiel ist der Patellarsehnenreflex: Dehnungsrezeptoren in der Muskelspindel des M. quadriceps femoris werden durch den Schlag auf die Patellarsehne aktiviert. Efferenzen verlaufen nun im Plexus lumbalis und dann isoliert im N. femoralis zum Muskel. Beim Fremdreflex liegen Rezeptor und Effektor nicht im gleichen Organ. Ein Beispiel ist der Cornealreflex.
Blutversorgung des Rückenmarks
Die Spinalarterien entspringen aus den Aa. vertebrales und der Aorta. Die A. sulcocommissuralis zweigt von der A. spinalis anterior ab und speist die vordere graue Substanz.
Das venöse System des Rückenmarks besteht aus:
- V. spinalis anterior
- Vv. spinales anteriores
- V. spinalis posterior
- Vv. spinales posteriores
Die V. spinalis posterior steht in Verbindung mit den Vv. intervertebrales. Im Halsbereich erfolgt die Drainage in die V. vertebralis; im Thorakalbereich in die (Hemi-)Azygosvenen, die gemeinsam in die V. cava superior drainieren.
Klinische Relevanz
Syndrome des Rückenmarks
Verschiedene Syndrome können durch Verletzungen oder Erkrankungen des Rückenmarks entstehen:
- Zentromedulläres Syndrom: Neurologisches Syndrom, das durch eine Verletzung des Zentrums des Rückenmarks verursacht wird und die spinothalamischen Bahnen (Sensorik) und die medialen Anteile der Tractus corticospinales (Motorik) betrifft.
- Vorderes Quadrantensyndrom: Inkomplettes Rückenmarkssyndrom infolge einer Verletzung des ventralen Rückenmarks unter Schonung der dorsalen Anteile. Klinische Manifestationen sind der Verlust der motorischen und sensorischen Funktion unterhalb des Verletzungsniveaus.
- Hinteres Quadrantensyndrom: Inkomplettes Rückenmarkssyndrom, das die dorsalen Säulen, die Tractus corticospinales und die absteigenden autonomen Bahnen zur Blase betrifft.
- Brown-Séquard-Syndrom: Seltenes neurologisches Syndrom, das durch eine halbseitige Rückenmarkschädigung verursacht wird.
Erkrankungen des Nervensystems
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Auch bekannt als Lou-Gehrig-Syndrom, ist eine sporadisch auftretende oder vererbte neurodegenerative Erkrankung sowohl der oberen als auch der unteren Motoneurone.
- Multiple Sklerose (MS): Chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die zur Demyelinisierung des zentralen Nervensystems (ZNS) führt.
- Bandscheibenvorfall (Prolapsus nuclei pulposi): Meist degenerativ oder traumatisch bedingt. Das ausgetretene Bandscheibengewebe drückt auf das Rückenmark und führt so zu neurologischen Ausfallerscheinungen.
- Myelitis: Seltene Erkrankung mit meist immunologischen oder allergischen Ursachen. Die Entzündung kann diffus über das gesamte Rückenmark verteilt sein oder herdförmig (disseminierte Myelitis) in Erscheinung treten.
- Neuralrohrdefekte: Verursacht durch den fehlerhaften Verschluss des Neuralrohrs während der Embryonalentwicklung, was möglicherweise zu einer Vorwölbung von Neuralgewebe führt.
Diagnostische und therapeutische Verfahren
- Lumbale Spinalpunktion: Entnahme von Liquor aus der lumbalen Zisterne unterhalb des Rückenmarks. Sie ist ein wichtiges diagnostisches Instrument zur Beurteilung einer Vielzahl von Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS).
- Anästhesiologie: Die Injektion von Opioid-Medikamenten in den Epidural- oder Subarachnoidalraum kann eine wirksame Anästhesie bei der Geburt und bei chirurgischen Eingriffen am Abdomen und an der unteren Extremität bieten. Bei der kontinuierlichen Epiduralanästhesie wird ein Katheter in den Epiduralraum gelegt, um eine kontinuierliche Infusion von Medikamenten zu ermöglichen. Die spinale Anästhesie umfasst die einmalige Injektion eines Opioids in den Subarachnoidalraum.