Biochemische Veränderungen im Gehirn: Ursachen und Zusammenhänge

Die komplexen Funktionen unseres Gehirns basieren auf einem ausgeklügelten Zusammenspiel elektrischer und biochemischer Prozesse. Wenn dieses System aus dem Gleichgewicht gerät, können neurologische und psychiatrische Erkrankungen entstehen. Dieser Artikel beleuchtet die biochemischen Veränderungen im Gehirn, die zu solchen Störungen führen können, und untersucht die vielfältigen Ursachen, die diesen Veränderungen zugrunde liegen.

Die Bedeutung des Gehirns und des Nervensystems

Unser Gehirn, ein etwa 1,4 Kilogramm schweres Organ, ist das Zentrum unseres Denkens, Fühlens und Handelns. Es ermöglicht uns, Entscheidungen zu treffen, uns zu erinnern und uns in der Welt zurechtzufinden. Das Gehirn ist über das Rückenmark und Nervenfasern mit allen Körperteilen verbunden und empfängt und sendet ständig Informationen.

Das Nervensystem besteht aus dem zentralen Nervensystem (ZNS), das Gehirn und Rückenmark umfasst, und dem peripheren Nervensystem (PNS), das die Nerven außerhalb des ZNS umfasst. Beide Systeme arbeiten eng zusammen, um Informationen zu verarbeiten und Körperfunktionen zu steuern.

Wie das Gehirn funktioniert

Jedes Gefühl, jede Stimmung, jeder Gedanke, jede Wahrnehmung und jedes Verhalten gehen mit einem besonderen Aktivitätsmuster der Nervenzellen in unserem Gehirn einher. Die Aktivität innerhalb einer Nervenzelle wird über Axone, Ausläufer der Nervenzelle, zu anderen Nervenzellen weitergeleitet. Zwischen den Nervenzellen besteht jedoch keine direkte Verbindung. Um den Reiz zur nächsten Nervenzelle weiterzuleiten, werden über Synapsen Botenstoffe (Neurotransmitter) in den synaptischen Spalt (den Raum zwischen zwei Nervenzellen) ausgeschüttet, die Kontaktstellen (Rezeptoren) an den nachgeschalteten Zellen aktivieren.

Ursachen für Fehlfunktionen im Gehirn

Fehlfunktionen von Gehirn und Nervensystem können durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden. Äußere Einflüsse, Vererbung oder eine Kombination von beidem können das komplexe Geflecht schädigen und zu neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen führen. Die genauen Ursachen und Zusammenhänge sind bei vielen Krankheiten jedoch noch unbekannt.

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Mangelnde Durchblutung

Das Gehirn hat aufgrund seiner großen Aktivität den größten Energiebedarf aller Organe. Es benötigt etwa 20 % der gesamten Blutmenge, die vom Herzen in den Körperkreislauf gepumpt wird, um die Nervenzellen mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Eine Unterbrechung dieser Versorgung, z. B. durch Herzstillstand, Ersticken oder Unterzuckerung, kann zu einer Schädigung oder sogar zum Absterben der Nervenzellen führen.

Schädigungen und Verletzungen

Auch Gehirntumoren, krankhafte Veränderungen von Blutgefäßen, mechanische Verletzungen durch Unfälle, Blutungen ins Gehirn und Entzündungen können die Ursache für Funktionsstörungen sein.

Störungen der Signalübertragung und des Stoffwechsels

Weitere Gründe für Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems sind Störungen bei der Signalübertragung von einer Nervenzelle zur nächsten und Unregelmäßigkeiten im Stoffwechsel der Nervenzellen. Auch Störungen der Hirnfunktion, die von Gliazellen ausgehen, können eine Rolle spielen. Diese Zellen sind an der Ernährung der Nervenzellen beteiligt und dienen ihnen als Stützgewebe.

Genetische Faktoren

Bei zahlreichen Störungen des Gehirns und Nervensystems spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Studien haben gezeigt, dass zumindest eine Veranlagung für Schizophrenie und manisch-depressive Erkrankungen vererbt werden kann. Allerdings scheint ein Ausbruch dieser Erkrankungen durch Umwelteinflüsse begünstigt zu werden. Reine Erbkrankheiten weisen häufig Defekte im Stoffwechsel der Nervenzellen auf.

Äußere Einflüsse

Störungen der Hirnfunktion können auch durch äußere Einflüsse verursacht werden. Ein Beispiel dafür sind Infektionen durch Bakterien und Viren, die zu einer Entzündung der Hirnhäute führen können. Auch Giftstoffe können zu schweren Beeinträchtigungen von Gehirn und Nervensystem führen.

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Autoimmunreaktionen

Neuronale Funktionsstörungen können auch durch das körpereigene Immunsystem ausgelöst werden. Dabei werden bestimmte Zellen im Gehirn und Nervensystem fälschlicherweise als fremd eingestuft und von den Immunzellen geschädigt.

Biochemische Veränderungen bei neurodegenerativen Erkrankungen

Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Chorea Huntington sind durch den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen gekennzeichnet. Im Verlauf der Erkrankung bilden sich Ansammlungen von fehlgefalteten Eiweißen im Gehirn, die als Einschlusskörperchen oder Plaques bezeichnet werden.

Alzheimer-Krankheit

Bei der Alzheimer-Krankheit sterben nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was zu einem fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten führt. Ein typisches Frühsymptom sind Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis.

Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta (Aß) zwischen den Gehirnzellen an und bildet Klumpen (Oligomere) und Zusammenlagerungen (Plaques). Ein weiteres Protein, das mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird, ist das Tau-Protein. Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seine Funktion nicht mehr erfüllen kann und eine fadenförmige Struktur bildet.

Gliazellen und Alzheimer

Neben den Ablagerungen von Amyloid und Tau können auch Fehlfunktionen bestimmter Zellen als mögliche Auslöser der Alzheimer-Krankheit in Frage kommen. Im Fokus stehen hier insbesondere die Gliazellen, die etwa 90 Prozent aller Gehirnzellen ausmachen. Astrozyten, eine Art von Gliazellen, stehen im Verdacht, an der Verbreitung der giftigen Amyloid-beta-Oligomere und Tau-Fibrillen beteiligt zu sein.

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Biochemische Veränderungen bei Depressionen

Neben psychosozialen Auslösern gibt es auch körperliche Ursachen für die Entstehung einer Depression, d. h. Veränderungen im Körper und insbesondere neurobiologische Veränderungen im Gehirn. Hierzu zählen z. B. vererbte Faktoren, die das Risiko zu erkranken beeinflussen.

Neurotransmitter und Depression

Es gibt viele verschiedene Botenstoffe, die auf Hirnfunktionen Einfluss nehmen. Einer davon, der mit Depression in Verbindung gebracht wird, ist das Serotonin. Da die meisten Antidepressiva die Wirkung des Serotonins beeinflussen, ist eine Annahme, dass eine Störung im Serotoninsystem eine Rolle bei der Depressionsentstehung spielt.

Genetik und Depression

Es gibt jedoch kein einzelnes "Depressionsgen", das hauptverantwortlich für die Erkrankung ist. Bei eineiigen Zwillingen, d. h. bei Personen mit gleicher genetischer Ausstattung, leiden in circa 50 % der Fälle beide Zwillinge an einer depressiven Erkrankung. Das bedeutet aber auch, dass die Gene nicht alles erklären können.

Stress und Depression

Die hormonelle Stress-Achse (HPA-Achse) zeigt bei einer Depression ebenfalls Veränderungen. CRF-produzierende Neuronen (Corticotropin-Releasing Factor) im Hypothalamus aktivieren die Hypophyse, die dann Corticotropin ausschüttet, das wiederum die Nebennierenrinde zu vermehrter Cortisol-Ausschüttung veranlasst. Der gesamte Organismus ist damit in Alarmbereitschaft, was sich bei einer Depression in Symptomen wie Unruhezuständen, Schlafstörungen und permanentem (unterbewussten) Stresserleben ohne vermeintliche Ursache zeigt.

Die Rolle der Forschung

Überall auf der Welt arbeiten Forscherinnen und Forscher daran, Antworten darauf zu finden, wie Krankheiten des Gehirns entstehen, wie sie verhindert oder geheilt werden können. Die Therapien in der Neurologie versuchen, die Schädigungsmechanismen zu beseitigen oder zumindest zu verringern. Manchmal können Botenstoffe durch Medikamente ersetzt werden.

Prävention und Therapie

Am besten ist es, die Entstehung von Erkrankungen zu verhindern. Dazu können Medikamente notwendig sein - wie zum Beispiel Blutverdünner gegen den Schlaganfall - oder ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung und ausgewogener Ernährung.

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