Die Blut-Hirn-Schranke: Funktion, Aufbau und Bedeutung für die Gesundheit des Gehirns

Die Blut-Hirn-Schranke (BHS) ist ein hoch selektiver Schutzschild, der das Gehirn vor schädlichen Substanzen im Blutkreislauf bewahrt und gleichzeitig die Versorgung mit lebensnotwendigen Nährstoffen sicherstellt. Sie ist von entscheidender Bedeutung für die Aufrechterhaltung eines stabilen inneren Milieus im Gehirn, das für die reibungslose Funktion der Nervenzellen unerlässlich ist.

Was ist die Blut-Hirn-Schranke?

Die Blut-Hirn-Schranke ist eine Barriere zwischen dem Blut und dem Hirngewebe. Sie wird hauptsächlich durch die Endothelzellen gebildet, die die Innenwand der Blutkapillaren im Gehirn auskleiden. Diese Endothelzellen sind über sogenannte "Tight Junctions" eng miteinander verbunden, wodurch eine dichte Barriere entsteht, die den unkontrollierten Durchtritt von Substanzen zwischen den Zellen verhindert. Zusätzlich sind die Kapillaren von Astrozyten umgeben, einer Art von Gliazellen, die ebenfalls zur Barrierefunktion beitragen. Eine vergleichbare, jedoch etwas schwächere Barriere, die Blut-Liquor-Schranke, existiert zwischen dem Blut und dem Hohlraumsystem des Gehirns, das die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) enthält.

Bestandteile der Blut-Hirn-Schranke:

  • Endothelzellen: Kleiden die Wände der Blutgefäße von innen aus und kontrollieren, welche Stoffe in das Nervensystem des Gehirns eindringen dürfen und welche nicht. Sie stehen dicht an dicht und bilden eine starke Schutzmauer, indem sie ihre Zwischenräume mit Hilfe sogenannter Tight-Junction-Proteine verschließen.
  • Basalmembran: Umgibt das Endothel und hält alles zusammen. Sie steht mit den umliegenden Zellen im Austausch und hat ein Wörtchen bei der Entscheidung mitzureden, welche Stoffe die Schranke zum Gehirn passieren dürfen und welche nicht.
  • Perizyten: Eingebettet in die Basalmembran, kommunizieren mit den Endothelzellen, können kontrahieren und somit den Blutfluss steuern. Außerdem zeigen sie Makrophagenaktivität.
  • Astrozyten: Umgeben die Basalmembran und helfen den Endothelzellen dabei, die Barriere zum Gehirn zu verteidigen und tragen zur Versorgung der Nervenzellen bei. Sie senden Botenstoffe aus, die die Durchlässigkeit des Endothels beeinflussen.

Die Funktion der Blut-Hirn-Schranke

Die Hauptfunktion der Blut-Hirn-Schranke besteht darin, ein konstantes inneres Milieu im Gehirn aufrechtzuerhalten, das für die ungestörte Funktion der Nervenzellen unerlässlich ist. Sie erfüllt diese Aufgabe durch:

  • Selektive Filterfunktion: Die BHS lässt bestimmte Stoffe passieren, die das Gehirn benötigt, wie Sauerstoff, Glukose, Aminosäuren, Elektrolyte und bestimmte Peptide. Andere Substanzen, die schädlich sein könnten, werden hingegen zurückgehalten.
  • Schutz vor schädlichen Substanzen: Die BHS verhindert, dass Krankheitserreger, Giftstoffe und andere schädliche Substanzen aus dem Blut in das Gehirn gelangen.
  • Aufrechterhaltung des Gleichgewichts: Die BHS sorgt dafür, dass der pH-Wert, die Ionenkonzentration und andere Parameter im Gehirn konstant bleiben, auch wenn sich diese im Blut verändern.

Selektive Durchlässigkeit:

Die Blut-Hirn-Schranke ist nicht undurchlässig, sondern selektiv durchlässig. Dies bedeutet, dass bestimmte Substanzen die Barriere leichter passieren können als andere. Kleine, fettlösliche Stoffe wie Sauerstoff, Kohlendioxid, Alkohol und Nikotin können die BHS durch Diffusion überwinden. Andere Substanzen, die für das Gehirn lebensnotwendig sind, werden mithilfe spezieller Transportsysteme durch die Barriere geschleust.

  • Diffusion: Fettlösliche Substanzen können aufgrund eines Konzentrationsunterschiedes durch die Schranke diffundieren.
  • Aktive Transportsysteme: Andere Stoffe wiederum müssen mithilfe spezieller Transportmechanismen durch die Schranke geschleust werden, wie beispielsweise Zucker (Glukose), Blutsalze (Elektrolyte wie Natrium oder Kalium) oder Hormone (Insulin).

Bedeutung der Blut-Hirn-Schranke für die Gesundheit

Die Blut-Hirn-Schranke spielt eine entscheidende Rolle für die Gesundheit des Gehirns. Eine gestörte Funktion der BHS kann zu verschiedenen neurologischen Erkrankungen führen, darunter:

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  • Schlaganfall: Bei einem Schlaganfall kann die BHS geschädigt werden, wodurch Plasma in das Hirngewebe gelangt und ein Hirnödem entsteht.
  • Hirnhautentzündung (Meningitis): Erreger einer Hirnhautentzündung können die BHS überwinden und eine Entzündung des Gehirns verursachen.
  • Multiple Sklerose (MS): Studien zeigen, dass sich Krankheitssymptome erst entwickeln, wenn die Immunzellen auch die Astroglia-Schicht durchdrungen haben.
  • Alzheimer-Krankheit: Es gibt Hinweise darauf, dass eine gestörte BHS-Funktion zur Entstehung und zum Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit beitragen kann.
  • Tumore: Tumorzellen können ebenfalls die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Krebszellen heften sich an die Endothelwand der Kapillaren und exprimieren eigene Moleküle zur Adhäsion. Diese binden dann an spezielle Rezeptoren, mittels derer der Weg durch die Blut-Hirn-Schranke offen steht.

Faktoren, die die Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigen können:

  • Entzündungen: Neuroinflammation kann die Durchlässigkeit der BHS erhöhen. Immunzellen wie Leukozyten können die BHS überwinden, wobei Matrix-Metalloproteinase (MMP)-2 und -9 eine Schlüsselrolle spielen.
  • Infektionen: Viren und Bakterien können die BHS schwächen oder sogar überwinden.
  • Sauerstoffmangel: Sauerstoffmangel kann die BHS schädigen.
  • Alkohol- und Drogenkonsum: Substanzen wie Nikotin, Alkohol und Kokain können die BHS beeinflussen und sie sogar beschädigen.
  • Elektromagnetische Strahlung: Elektromagnetische Strahlung kann die BHS schädigen.
  • Ernährung: Ein hoher Blutzuckerspiegel und künstliche Zusatzstoffe in Lebensmitteln können die BHS beeinträchtigen.
  • Alter: Mit zunehmendem Alter lässt die Sperrwirkung nach.

Neue Erkenntnisse und Forschungsansätze

Die Forschung zur Blut-Hirn-Schranke ist ein aktives Feld, das ständig neue Erkenntnisse liefert. So haben Forscher der Universität Münster und des Universitätsklinikums Bonn (UKB) mithilfe eines empfindlichen Massenspektrometrie-basierten Sekretom-Ansatzes Hunderte von Molekülen identifiziert, die von der Zelloberfläche von Astrozyten abgespalten werden und spezifisch für die Bildung und Aufrechterhaltung der Barriere sowie der Kommunikation zwischen Astrozyten und Neuronen sind.

Ein weiteres wichtiges Forschungsgebiet ist die Entwicklung von Methoden, um Medikamente gezielt durch die Blut-Hirn-Schranke zu transportieren. Dies ist besonders wichtig für die Behandlung von neurologischen Erkrankungen, bei denen die Wirkstoffe ins Gehirn gelangen müssen, um ihre Wirkung zu entfalten.

Neue Ansätze für den Wirkstofftransport:

  • Nutzung von Transzytose-Rezeptoren: Die Identifizierung von Transzytose-Rezeptoren auf der Oberfläche von Gefäßzellen könnte genutzt werden, um Wirkstoffmoleküle gezielt in das Gehirn zu transportieren.
  • Nanopartikel: Wirkstoffmoleküle könnten in Nanopartikel verpackt werden, die gezielt an die Rezeptoren auf den Gefäßzellen binden.
  • Verringerung der unspezifischen Transzytose: Bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen könnte die unspezifische Transzytose verringert werden, um das Gehirn vor schädlichen Stoffen aus der Blutbahn zu schützen.

Wie kann man die Blut-Hirn-Schranke schützen?

Obwohl die Forschung noch nicht alle Details der BHS-Funktion aufgeklärt hat, gibt es einige allgemeine Empfehlungen, die dazu beitragen können, die Gesundheit der BHS zu unterstützen:

  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukten kann dazu beitragen, Entzündungen im Körper zu reduzieren und die BHS zu schützen.
  • Vermeidung von schädlichen Substanzen: Der Konsum von Alkohol, Nikotin und Drogen sollte vermieden werden, da diese Substanzen die BHS schädigen können.
  • Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann die Durchblutung des Gehirns verbessern und die BHS stärken.
  • Ausreichend Schlaf: Ausreichend Schlaf ist wichtig für die Regeneration des Gehirns und die Aufrechterhaltung einer gesunden BHS-Funktion.
  • Stressmanagement: Chronischer Stress kann Entzündungen im Körper fördern und die BHS beeinträchtigen. Stressmanagement-Techniken wie Yoga, Meditation oder Spaziergänge in der Natur können helfen, Stress abzubauen.

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