Boltzmann-Gehirn-Theorie: Eine einfache Erklärung

Die Boltzmann-Gehirn-Theorie ist ein faszinierendes und zugleich verstörendes Gedankenspiel, das die Grundlagen unseres Verständnisses von Universum, Bewusstsein und Realität in Frage stellt. Benannt nach dem österreichischen Physiker Ludwig Boltzmann, wirft diese Theorie die Frage auf, ob unsere Wahrnehmung der Realität nicht vielmehr eine zufällige Illusion eines spontan entstandenen Gehirns sein könnte.

Was ist ein Boltzmann-Gehirn?

Ein Boltzmann-Gehirn ist ein hypothetisches Gebilde, das nicht durch Evolution oder natürliche Prozesse entstanden ist, sondern durch zufällige Quantenfluktuationen im Universum. Diese Fluktuationen führen zur spontanen Entstehung von Teilchenkombinationen, die komplex genug sind, um für einen kurzen Moment ein Bewusstsein zu entwickeln. Im Wesentlichen ist ein Boltzmann-Gehirn ein Gehirn, das aus dem Nichts entsteht, ohne einen Körper oder eine evolutionäre Geschichte.

Die Berechnung von Roger Penrose

Roger Penrose hat Berechnungen angestellt, die die Hypothese unterstützen, dass das Universum, wie wir es wahrnehmen, möglicherweise nicht real ist, sondern lediglich die Illusion eines Boltzmann-Gehirns. Er schätzt die Wahrscheinlichkeit ab, dass unser Universum genau so beschaffen ist, wie wir es als Boltzmann-Gehirne wahrnehmen.

Die Entstehung von Boltzmann-Gehirnen

Boltzmann-Gehirne sind nicht an einen realen Körper gebunden und können unabhängig von Materie und Energie im Universum entstehen. Die Entstehung eines Boltzmann-Gehirns kann man sich als den zeitlich umgekehrten Prozess seines Zerfalls vorstellen. Teilchen finden sich allmählich zufällig zusammen und bilden eine Struktur. Die Nukleation könnte und würde meistens zur Entstehung allen möglichen anderen Zeugs führen, aber eben gelegentlich auch zu einem Bewusstsein.

Boltzmann-Gehirne und das Standardmodell der Kosmologie

Das Standardmodell der Kosmologie scheint zu implizieren, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir Boltzmann-Gehirne sind, fast sicher ist. Sean Carroll argumentiert, dass Boltzmann-Gehirne in einem von Dunkler Energie dominierten Universum die kleinstmögliche Abweichung vom thermodynamischen Gleichgewicht darstellen, die mit der Beobachtung eines intelligenten Beobachters vereinbar ist.

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Die Ablehnung von Boltzmann-Gehirnen

Viele Physiker lehnen die Auseinandersetzung mit Boltzmann-Gehirnen ab, da ihre Existenz nicht empirisch bestimmbar ist und somit außerhalb des naturwissenschaftlich erkundbaren Horizonts liegt. Einige argumentieren, dass eine Physik, die die Existenz von Boltzmann-Gehirnen vorhersagt, intrinsisch fehlerhaft sein muss.

Ein weiteres Argument gegen Boltzmann-Gehirne ist, dass sie in einen logischen Widerspruch führen: Wenn wir Boltzmann-Gehirne sind, wären alle unsere naturwissenschaftlichen Erkenntnisse Makulatur, was die Grundlage für die Annahme unserer Boltzmann-Existenz untergraben würde.

Auswege aus dem Boltzmann-Gehirn-Problem

Es ist unmöglich, mit absoluter Sicherheit auszuschließen, dass man ein Boltzmann-Gehirn ist. Es gibt jedoch mögliche Auswege aus diesem Dilemma. Sean Carrolls Konzept der "Kognitiven Instabilität" deutet darauf hin, dass wir keine Boltzmann-Gehirne sind, liefert aber keine physikalische Ursache dafür.

Die Boltzmann-Suppe entsteht durch folgende Annahmen:

  1. Das Universum existiert ewig.
  2. Über die gesamte Existenz des Universums gilt dieselbe Physik wie heute, welche Nukleation von Teilchen und zusammenhängenden Strukturen ermöglicht.
  3. Die Raumzeit, in der die Entropie ansteigt, ist beschränkt.

Diese Annahmen bieten Lösungsansätze, um die Entstehung von Boltzmann-Gehirnen zu verhindern.

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Zeitlicher Deckel

Eine Möglichkeit ist, dass die Lebensdauer des Universums doch endlich ist. Obwohl es derzeit nicht so aussieht, als ob das Universum schrumpfen und in einem "Big Crunch" untergehen könnte, ist es denkbar, dass die Dunkle Energie zeitlich variabel ist und das Universum irgendwann wieder kollabiert.

Eine weitere Variante ist das "ekpyrotische Universum", das unser Universum in einem höherdimensionalen Raum befindlich annimmt, welches regelmäßig mit einem Nachbaruniversum kollidiert.

Änderung der Physik

Um die zweite Voraussetzung auszuhebeln, müsste sich die Physik in endlicher Zeit so grundlegend ändern, dass die Nukleation von Boltzmann-Gehirnen oder zusammengesetzten Objekten unmöglich wird. Eine Möglichkeit wäre ein "Big Rip", eine zunehmend beschleunigte Expansion durch immer weiter steigende Dunkle Energie, die am Ende alles bis zum Elementarteilchen zerreissen würde.

Vakuumzerfall

Die derzeit plausibelste Variante ist jedoch ein Vakuumzerfall. Nach der kosmologischen Inflationstheorie begann das Universum mit einer Phase extrem schneller, exponentieller Expansion. Wenn das Vakuum intrinsisch eine Energie beinhaltet, gespeichert in einem "Inflatonfeld", und es in der Potenzialkurve des Inflatonfelds Zonen gibt, deren Energieniveau tiefer liegt, dann spricht man von einem "falschen Vakuum".

Aus den Massen des Top-Quarks und des Higgs-Teilchens folgt, dass wir uns in einem metastabilen Vakuumzustand befinden, d.h. er ist nicht für ewig stabil, sondern wird nach einer gewissen Zeit in der Größenordnung mehrerer zehn Milliarden Jahre wieder auf einen neuen Zustand noch niedrigerer Energie fallen. Damit wäre die Kuh vom Eis bzw. das Boltzmann-Hirn vom Tisch, denn einige 10 Milliarden Jahre sind zu kurz, um auch nur annähernd ein Boltzmann-Hirn hervorzubringen.

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Multiversum

Die Inflation erzeugt ein "Multiversum" unendlich vieler Blasenuniversen, und jedes davon macht eine Phase steigender Entropie durch, in der eine endliche Zahl von biologischen Hirnen entstehen können. Jedes der Universen, das geeignet ist, endlich viele biologische Intelligenz hervorzubringen, bringt potenziell auch unendlich viele Boltzmann-Hirne hervor.

Um zu entscheiden, wie dieses Wettrennen zwischen biologischen und Boltzmann-Hirnen ausgeht, kommt es darauf an, welche Unendlichkeit mächtiger ist: die der neu entstehenden Universen mit jeweils einer beschränkten Zahl von biologischen Hirnen aber unendlichem Quell neuer Tochteruniversen oder die Zahl der Boltzmann-Hirne, die in einem Universum entstehen kann.

Boltzmann-Gehirne und die Angst vor dem Verschwinden

Philosophisch/psychologisch stellt sich die Frage, warum Angst vor dem Verschwinden (Tod) besteht. Wenn alle Menschen verschwinden, wird Ihr Verschwinden von niemandem bemerkt und betrauert werden kann.

Boltzmann-Maschinen

Eine Boltzmann-Maschine ist ein stochastisches neuronales Netz, das verwendet wird, um Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu modellieren. Sie basiert auf einem Netzwerk von symmetrisch verbundenen Einheiten, die miteinander kommunizieren. Boltzmann-Maschinen werden häufig zur Mustererkennung und Feature-Lernen eingesetzt.

Die Boltzmann-Maschine funktioniert durch Minimierung einer Energiesumme, die durch den Zustand des Netzes definiert ist. Dieser Prozess der Energie-Minimierung ermöglicht es der Boltzmann-Maschine, Wahrscheinlichkeitsverteilungen über die sichtbaren Einheiten zu generieren, wenn das Training abgeschlossen ist.

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