Botox bei Nervenschmerzen: Anwendung, Wirkung und Perspektiven

Das Nervengift Botulinumtoxin Typ A, besser bekannt unter dem Markennamen „Botox“, ist nicht nur für kosmetische Anwendungen von Bedeutung. Es findet auch in der Medizin breite Anwendung, insbesondere bei der Behandlung von Nervenschmerzen. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkungsweise von Botox, seine Anwendung bei Nervenschmerzen, mögliche Nebenwirkungen und die aktuelle Forschungslage.

Wirkungsweise von Botulinumtoxin

Botulinumtoxin (BTX) ist ein von Bakterien produziertes Nervengift, genauer gesagt von verschiedenen Stämmen des Bakteriums Clostridium botulinum. Es hemmt die Erregungsübertragung von den Nervenzellen zum Muskel. "In der Medizin wird diese Wirkung gezielt genutzt, um übermäßige Muskelaktivitäten zu behandeln. Dabei sind die gewählten Dosierungen exakt für eine ausschließlich lokale Wirkung bemessen", erklärt Dr. Roland Mett. Das Toxin blockiert die Signalübertragung der Nerven auf die Muskeln, was zu einer Entspannung dieser führt.

Botulinum Neurotoxine werden in sieben sogenannten Serotyp-Gruppen zusammengefasst, die mit den Buchstaben A bis G bezeichnet werden. Aus der ersten, Serotyp A genannt, stammt das in der Kosmetik genutzte Botox. Genau wird es als Subtyp A1 bezeichnet.

Verzögerter Wirkungseintritt und Wirkungsdauer

Botulinumtoxin wirkt nicht sofort nach der Injektion, sondern zeitlich verzögert. "Es dauert drei bis sieben Tage bis zum Wirkungseintritt, das heißt bis sich die Botox-Moleküle an die Rezeptoren der Nervenzelle gebunden haben, um hier die Impulsübertragung auf die Muskelzelle zu blockieren", weiß der Experte. Die Wirkung ist anhängig von der Dosis. Zu hohe Dosierungen führen zur vollständigen Lähmung der Muskulatur und können insbesondere im Gesichtsbereich zu maskenhaften und entstellenden Resultaten führen.

Die BTX-Behandlung ist alle drei bis sechs Monate zu wiederholen. Die Langzeitwirkung ist hierbei ein elementarer Pluspunkt: Die Reizübertragung kann im Optimalfall für mehrere Monate gehemmt werden.

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Anwendung von Botox bei Nervenschmerzen

Was weniger bekannt ist: Botox wird auch in der therapeutischen Medizin sehr häufig genutzt, um Leiden zu behandeln, die auf krampfende Muskeln oder Fehlsignale von Nerven zurückzuführen sind, beispielsweise Schmerzen, Spastiken, Blasenschwäche, Zähneknirschen, Fehlstellungen, etwa der Augen. Hartnäckige Muskelverhärtungen und Muskelverspannungen führen nicht selten zu chronischen Schmerzzuständen. Wenn lokale Injektionen, Massagen und Krankengymnastik keine Besserung erbringen, lässt sich mit Hilfe der gezielten Injektion von Botulinumtoxin in die schmerzhaften Stellen eine Erleichterung erzielen. Botulinumtoxin wird seit 20 Jahren bei zahlreichen muskulären Erkrankungen eingesetzt, die durch eine hohe unangemessene Muskelkontraktion charakterisiert sind. Durch die Injektion kleinster Mengen Botulinumtoxin in die schmerzhafte Muskelverhärtung kommt es zur Unterbrechung des Teufelskreises von Muskelverspannung und Schmerzen.

Neuropathische Schmerzen

Patienten, die an neuropathischen Schmerzen leiden, können von subkutanen Injektionen des Nervengifts Botulinumtoxin A profitieren. Für viele Patienten mit chronischen neuropathischen Schmerzen durch periphere Nervenläsionen oder Polyneuropathien, die die gängigen Medikamente zur symptomatischen Therapie nicht vertragen oder Kontraindikationen haben, hat sich Botulinumtoxin in einer doppelblinden, placebokontrollierten Untersuchung als wirksame und sichere Alternative erwiesen.

Migräne

Seit einiger Zeit ist Botox bei Migräne offiziell als Medikament zur Schmerzbehandlung zugelassen. Allerdings nur bei chronischer Migräne, nicht bei episodischen Schmerzen. Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn die Patienten an mindestens 15 Tagen im Monat unter Kopfschmerzen leiden, davon an mindestens 8 Tagen unter Migräne. Die Verwendung von Botox gegen Migräne wird nur verordnet, wenn die üblichen konservativen medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien nicht ausreichend ansprechen oder die Patienten diese nicht vertragen. Dann kann das Botulinumtoxin aber vielen Patienten die lang erhoffte Linderung bringen. Um eine optimale Prophylaxe gegen Migräne zu gewährleisten, sollte die Botox Therapie alle drei Monate wiederholt werden. Im Schmerzzentrum Wiesbaden wenden wir die Botox-Therapie unter anderem nach dem PREEMPT-Schema an, einem wissenschaftlich fundierten Behandlungsansatz für chronische Migräne.

Weitere Anwendungsgebiete

Die Haupteinsatzbereiche für die sogenannte Botox Therapie zur Schmerzbehandlung sind beispielsweise:

  • Chronische Schmerzen in den Kniescheiben
  • „Steife“ Schultern
  • Fersensporn
  • Tennisarm / Tennisellenbogen
  • Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule
  • Chronische verspannungsbedingte Schulter- und Nackenschmerzen

Botox-Therapie bringt auch bei langanhaltenden starken Schmerzen im Bereich des Kniegelenkes oder des Ellenbogens zuverlässige Linderung. Beispielsweise kann sie auch beim sogenannten Tennisarm oder auch dem Fersensporn zum Einsatz kommen.

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Ablauf einer Botox-Therapie

Der Ablauf einer Botox-Therapie variiert je nach Indikation und wird individuell angepasst. In der Regel erfolgt eine präzise Injektion des Botulinumtoxins mit feinen Nadeln in die betroffenen Muskelpartien oder Nervenpunkte. Die Therapie ist minimalinvasiv und hat ein geringes Risiko. Vor jeder Behandlung findet ein individuelles Beratungsgespräch statt, um die Therapie optimal auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen.

Dosierung und Injektionstechnik

Bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen spritzten die Ärzte im Abstand von 1,5 bis 2 cm je 5 Einheiten Botulinumtoxin A unter die Haut. Die Gesamtdosis hing von der Größe des schmerzhaften Areals ab, überstieg jedoch nicht 300 Einheiten. Nach zwölf Wochen wurde das Procedere wiederholt.

Mögliche Nebenwirkungen und Risiken

Die typischen und kurzzeitigen Nebenwirkungen nach BTX-Injektionen sind bei richtiger Anwendung überschaubar. Neben einem lokalen, sehr kurzzeitigen Injektionsschmerz können Schwellungen, Rötungen oder blaue Flecken auftreten. Sehr selten kann es zu Infektionen der Einstichstelle (mangelnder Hygiene) kommen, die lokal behandelt werden müssen. Zudem kann eine übermäßige Schwäche der Muskulatur auftreten, die jedoch nicht von Dauer ist.

Zur Vermeidung von Komplikationen, wie zum Beispiel eine zu starke Lähmung der Mimik, Blutergüsse oder asymmetrische Behandlungsergebnisse, muss die BTX-Behandlung fachärztlich ausgeführt werden, nach dem eine umfängliche Aufklärung stattgefunden hat.

Aktuelle Forschung und Entwicklung

In einem Forschungsprojekt wollte ein Team unter Leitung von Richard Kammerer vom Labor für biomolekulare Forschung am PSI nun untersuchen, ob man die Wirkung des Toxins beeinflussen kann. „Wir haben dafür zusammen mit dem Biochemiker Andreas Plückthun von der Universität Zürich fünfundzwanzig sogenannte DARPins produziert“, sagt Kammerer. DARPins sind kleine, künstlich hergestellte Proteine, die ähnlich wie Antikörper fungieren. Die Idee war, DARPins zu finden, die gezielt an die sogenannte katalytische Domäne des Botox Serotypen A1 binden, jenen Teil des Enzyms, der für dessen Wirkung auf die Nerven verantwortlich ist, indem er gewisse Proteine zerschneidet. Die DARPins sollten diese Funktion hemmen.

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Die Forschenden wiederholten die Versuche nun mit echten Muskeln, den Zwerchfellen von Mäusen. Diese bleiben in einer Nährlösung noch für längere Zeit intakt und sind ein beliebtes Modell, um die Wirkung von Nervengiften zu testen. Die mögliche Erklärung dafür ist biochemisch sehr komplex. Einfach ausgedrückt ist es so, dass der DARPin das Toxin tatsächlich in einer Weise destabilisiert, dass es schneller in das Innere der Nervenzelle transportiert wird. „Der DARPin könnte damit das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von Botulinum Neurotoxin erweitern“, sagt Oneda Leka. Auch wenn die Forschenden im Rahmen der Studie keine Vergleichstests angestellt haben, sieht es so aus, dass Botulinum Neurotoxin A1 mit dem DARPin erheblich schneller wirkt als A1 ohne die Antikörper. Gleichzeitig bleibt die Wirkdauer deutlich länger als die von E und F. Der Zusatz von diesem DARPin liefert also eine Art Zwischenvariante zwischen Serotyp A sowie E und F.

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