Bulimie, auch bekannt als Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa), ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die durch wiederholte Episoden von Heißhungerattacken gekennzeichnet ist, gefolgt von kompensatorischen Verhaltensweisen wie selbstinduziertem Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, exzessivem Sport oder Fasten, um einer Gewichtszunahme entgegenzuwirken.
Pathogenese der Bulimie
Die Pathogenese der Bulimia nervosa ist komplex und noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass die Erkrankung durch eine Kombination aus genetischen, soziokulturellen, psychologischen und neurobiologischen Faktoren entsteht.
Genetische Faktoren
Studien haben gezeigt, dass genetische Einflüsse eine Rolle bei der Entstehung von Bulimia nervosa spielen könnten. Menschen mit einer familiären Vorbelastung für Essstörungen oder andere psychische Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko, eine Bulimie zu entwickeln.
Neurobiologische Faktoren
Dysregulationen in den Neurotransmittern Serotonin und Dopamin führen zu einer gestörten Appetit- und Sättigungsregulation.
- Serotonin-Dysregulation: Ein zentraler Aspekt der Pathogenese von Bulimia nervosa ist eine Störung im Serotoninsystem. Serotonin, ein Neurotransmitter, der den Appetit und das Sättigungsgefühl reguliert, scheint bei Menschen mit Bulimie dysfunktional zu sein. Eine reduzierte Serotoninaktivität kann zu einer verminderten Kontrolle über das Essverhalten und einer verstärkten Neigung zu Heißhungerattacken führen. Neben psychotherapeutischen Maßnahmen kommen in der Behandlung von Bulimikerinnen oft auch Anti-Depressiva zum Einsatz, die den Haushalt des Nervenbotenstoffes Serotonin regulieren. Doch diese Medikamente wirken in einigen Fällen nicht.
- Dopamin und das Belohnungssystem: Auch das dopaminerge System spielt eine Rolle, da Dopamin an der Regulation von Belohnung und Vergnügen beteiligt ist. Menschen mit Bulimie haben möglicherweise eine gesteigerte Sensibilität gegenüber Belohnungen durch hochkalorische Nahrungsmittel, was Essanfälle begünstigen kann. Zwischen der Konzentration des Nervenbotenstoffs Dopamin im Hirn und der Anfälligkeit für Bulimie haben vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Forschende einen Zusammenhang gefunden. Dabei zeigte sich einerseits, dass das Belohnungssystem im Hirn der Frauen, die früher an Bulimie litten, weniger robust ist als dasjenige der Gesunden und auf Schwankungen in der Konzentration des Botenstoffs Dopamin stärker reagiert. Unter Dopamin-Mangel fiel es diesen Frauen viel schwerer, in psychologischen Tests ihre Antworten an sich verändernde Belohnungsreize anzupassen. Andererseits lösten die fehlenden Botenstoffe bei einigen Frauen einen leichten Rückfall aus. In telefonischen Interviews berichteten sie von einem stärkeren Essdrang, eine Frau hatte sogar wieder einen Essanfall.
Psychologische Faktoren
Psychologische Merkmale wie Perfektionismus, Impulsivität und emotionale Dysregulation beeinflussen das Essverhalten.
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- Perfektionismus und Zwanghaftigkeit: Menschen mit Bulimia nervosa neigen häufig zu Perfektionismus und haben hohe Erwartungen an sich selbst. Das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Leben oder Gewicht zu verlieren, kann die Entwicklung der Essstörung begünstigen. Insbesondere bei anorektischen Patienten sind Zwangsphänomene wie Essrituale, Ordnungs- und Säuberungszwänge, Perfektionismus und Unheilsbefürchtungen oft zu beobachten. Bei Patienten mit Bulimie sind diese zwar seltener, treten aber dennoch bei 8-33 Prozent der Betroffenen auf - insbesondere ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Symmetrie und Exaktheit, Säuberungs- und Waschzwänge sowie Kontrollzwänge, wobei im Vergleich zu Magersüchtigen vermehrt Zwangsgedanken mit aggressivem Inhalt vorkommen.
- Impulsivität: Im Gegensatz zu Perfektionismus kann auch Impulsivität eine Rolle spielen. Viele Betroffene berichten von einer plötzlichen, unkontrollierbaren Impulse, die zu Essanfällen führen.
- Emotionale Dysregulation: Ein weiteres Merkmal der Bulimie ist die emotionale Dysregulation. Menschen mit Bulimie verwenden oft das Essen als Bewältigungsmechanismus, um mit negativen Gefühlen wie Angst, Depression, Wut oder Langeweile umzugehen.
- HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse): Störungen in der Stressantwort, vermittelt über die HPA-Achse, könnten ebenfalls zur Pathogenese beitragen. Menschen mit Bulimie zeigen häufig eine dysregulierte Stressantwort, was zu einer erhöhten Cortisolproduktion führt.
Soziokulturelle Faktoren
Der soziokulturelle Druck, schlank zu sein, spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung von Essstörungen.
- Gesellschaftliche Ideale und Schönheitsdruck: In vielen Gesellschaften wird Schlankheit als Schönheitsideal propagiert, was den sozialen Druck, dem Ideal zu entsprechen, erhöht. Oft werden Themen wie Aussehen, Schönheit, Fitness oder Körpergewicht ständig präsent.
- Medien und soziale Netzwerke: Die allgegenwärtige Darstellung von idealen Körperformen in den Medien und sozialen Netzwerken verstärkt diesen Druck. Junge Frauen sind besonders anfällig für diesen Schönheitsdruck, was häufig zu Diäten und restriktivem Essverhalten führt. Viele Nutzerinnen und Nutzer folgen täglich Influencerinnen und Influencern, die in ihren Beiträgen, Posts und Fotos vermeintlich erstrebenswerte Schlankheits- und Schönheitsideale darstellen. Diese Selbstinszenierung erfolgt kaum noch ohne „Aufhübschen“: Inzwischen reicht es nicht mehr, auf den richtigen Kamerawinkel zu achten. Software-Programme oder Filter optimieren das eigene Aussehen auf verblüffende Art. Eine Gefahr darin liegt, die digitale Welt als real anzusehen und sich selbst „ungeschminkt“ als nicht der Norm entsprechend, unattraktiv und minderwertig zu betrachten.
- Restriktives Essverhalten: Menschen mit Bulimia nervosa neigen zu einem zyklischen Muster von restriktivem Essen, gefolgt von Essanfällen. Das restriktive Essverhalten führt zu einem Gefühl der Entbehrung, das später in unkontrollierte Essanfälle münden kann.
Auswirkungen auf das Gehirn
Bulimie kann verschiedene Auswirkungen auf das Gehirn haben, sowohl strukturell als auch funktionell.
- Berechnungsfehler: Der Neuropsychologe Boris Suchan (Ruhr-Universität Bochum) hat gerade einen weiteren Umstand entdeckt, der Essstörungen hervorrufen könnte: Berechnungsfehler, die dem Gehirn ständig unterlaufen. Dabei ist Boris Suchan bei den magersüchtigen Patientinnen auf eine deutlich verringerte Masse an Neuronen in zwei Gehirnarealen gestoßen. Von der einen dieser beiden Regionen weiß man mittlerweile, dass sie in erster Linie für die visuelle Wahrnehmung des menschlichen Körpers zuständig ist (Extrastriate Body Area, EBA). Die andere Region wird ebenfalls mit der Verarbeitung von Körperbildern in Verbindung gebracht. Diese Befunde lassen vermuten, dass Magersüchtige mit einem fehlgesteuerten Gehirn zu kämpfen haben, das ihnen vorgaukelt, einen zu fetten Körper zu haben.
- Schrumpfungen der Hirnrinde: In Dresden hat man sich unter anderem auf Schrumpfungen der Hirnrinde konzentriert. Das Team um Professor Ehrlich fand heraus, dass sich die Dicke der Hirnrinde im akuten Stadium der Magersucht stark verringert - bei vollständiger Therapie meist aber wieder regeniert. "Das Ausmaß der Veränderungen am Hirn ist denen bei einer Alzheimer-Erkrankung beobachtbaren Abbauprozessen sehr ähnlich", beschreibt Ehrlich die Folgen der Essstörung.
Symptome der Bulimie
Menschen mit Bulimie leiden unter häufigem Heißhunger mit unkontrollierbaren Essanfällen. Gleichzeitig haben sie große Angst vor einer Gewichtszunahme, genau wie Patientinnen und Patienten mit Magersucht. Da Bulimie äußerlich häufig nicht sichtbar ist, können viele Betroffene sie erfolgreich über einen langen Zeitraum vor Freunden und Familie verheimlichen. Menschen mit Bulimie leiden fast immer unter einem schlechten Selbstwertgefühl, das sie mit einem möglichst attraktiven Äußeren, aber auch anderen besonderen Leistungen zu verbessern versuchen. Schlankheits-, Fitness- und sonstige Schönheitsideale unserer Gesellschaft täuschen eine Möglichkeit vor, durch Annäherung daran das eigene Selbstbild und Selbstwertgefühl zu verbessern zu können.
Charakteristisch sind Essattacken, in denen Betroffene innerhalb kürzester Zeit weit mehr als die normalen 500 bis 600 Kalorien pro Mahlzeit zu sich nehmen - teilweise sind es viele Tausend Kalorien. Die gegensteuernden Maßnahmen führen jedoch dazu, dass viele Betroffene normalgewichtig sind.
Die Betroffenen nehmen große Mengen Essen zu sich und erbrechen diese wieder, um einer Gewichtszunahme entgegenzuwirken, so Jakobi. Dabei ist das Gefühl des Kontrollverlusts entscheidend: Das Essen ist nicht lustvoll, es ist zur Sucht geworden. Bulimie-Patienten fiebern so auf den Moment des Essens hin, dass sie ihr Leben danach ausrichten. Dazu gehört auch, dass Verabredungen abgesagt werden, um sich den Essanfällen hingeben zu können. Das Erbrechen gehört fast immer zur Bulimie, da alle Patienten eine krankhafte Angst vor der Gewichtszunahme verbindet. Zusätzlich wenden sie aber unterschiedliche Methoden an: Einige fasten zwischen den Essensanfällen oder treiben exzessiv Sport, andere nehmen Abführmittel, Schilddrüsenhormone oder Diuretika (Entwässerungstabletten) ein. Die Krankheit entwickelt sich schleichend. Auslöser sind letztlich oft Diäten, die in der Pubertät gemacht werden. Die Betroffenen essen viel zu wenig, um etwa ihren Babyspeck loszuwerden und bekommen im Anschluss Heißhungerattacken. Sie erhalten häufig positive Resonanz auf ihre Gewichtsabnahme, es wird ihnen extrem wichtig, eine gute Figur zu haben. Bei der Entstehung einer Bulimie spielt in der Regel auch ein instabiles Selbstwertgefühl eine Rolle.
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Es kommt regelmäßig zu Essanfällen, bei denen man innerhalb einer bestimmten Zeit - zum Beispiel einer Stunde - sehr große Mengen isst. Während des Anfalls hat man das Gefühl, die Kontrolle über das Essen verloren zu haben. Nach einer Essattacke versucht man, die gegessenen Kalorien loszuwerden - zum Beispiel durch Erbrechen, Abführmittel-Missbrauch, Fasten oder viel Sport. Im letzten Monat kam es mindestens 1-mal pro Woche zu einem Essanfall und 1-mal pro Woche wurde durch Purging gegengesteuert. Die eigene Figur und das Gewicht haben sehr großen Einfluss darauf, ob man sich wohl und wertvoll fühlt.
Diagnose der Bulimie
In der Regel stellt eine Psychotherapeutin oder ein Psychotherapeut die Diagnose durch eine ausführliche Bestandsaufnahme im Gespräch. Dabei werden Informationen zum Essverhalten erhoben, zu Gefühlen und zum Bewegungsverhalten. Außerdem werden die Gewichtsentwicklung und Gewichtsschwankungen über die Lebenszeit, im letzten halben Jahr und in den letzten Wochen betrachtet.
All diese wichtigen Informationen erfragen Ärztinnen und Ärzte oder Psychotherapeutinnen und -therapeuten in einem ausführlichen Gespräch. Sie prüfen außerdem, ob möglicherweise eine andere Erkrankung vorliegt - etwa eine andere Essstörung wie eine Magersucht.
Laborchemische Untersuchungen überprüfen das Blut auf Elektrolytstörungen, Leberfunktionsstörungen und Verdauungsenzyme. Durch ein EKG können Folgen wie Herzrhythmusstörungen erfasst werden. Bei der körperlichen Untersuchung geht es um mögliche Folgeschäden wie Speicheldrüsenentzündungen und Ödeme.
Körperliche Folgen der Bulimie
Als Folge einer Erkrankung an Bulimie ist auf der körperlichen Ebene häufig eine Vergrößerung der Speicheldrüsen (Parotishypertrophie) erkennbar, die durch das wiederholte Würgen und Erbrechen hervorgerufen wird. Durch den Kontakt mit dem stark säurehaltigen Mageninhalt können sich auch Schäden am Zahnschmelz, ausgeprägte Karies, sowie Entzündungen der Speiseröhre (Ösophagitis) und Einrisse der Speiseröhrenwand (Mallory-Weiss-Syndrom) entwickeln. Es werden auch Verletzungen der Handknöchel oder der Speiseröhre beobachtet. Letztere entstehen durch gewaltsames Einführen von Gegenständen wie Stricknadeln, Drähten, Holzstäbchen, etc., um den Würgereflex auszulösen.
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Die Einnahme von harntreibenden und abführenden Mitteln und ständiges Erbrechen der Nahrungsmenge führt zum Ungleichgewicht der im Blut gelösten Stoffe (Elektrolytverschiebungen vor allem Kalium, Natrium und/oder Chlor betreffend). Durch Kaliummangel kann es u.a. Infolge von Störungen der Östrogenbildung, Kalzium- und Vitamin-D-Versorgung steigt das Risiko für Knochenschwund (Osteoporose) - insbesondere bei Magersucht, was aber je nach Essstörungstypus auch Patienten mit Bulimie betreffen kann.
Untergewicht führt zu Osteoporose. Der Grund: Die weiblichen Hormone sinken ab, der Knochen wird mit geringerer Dichte aufgebaut. Osteoporose ist irreversibel. Ebenfalls nicht wieder rückgängig zu machen, ist der Schaden, der am Zahnschmelz durch das Erbrechen entsteht. Das Erbrechen verursacht außerdem Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts des Körpers. Diese können zu Herz-Rhythmus-Störungen oder Störungen der Nierenfunktion führen. Der Missbrauch von Entwässerungs- oder Abführmitteln kann zu Störungen der Nierenfunktion und Verdauungsstörungen, wie Durchfall, Verstopfungen oder einem Darmverschluss führen. Frauen, die schwanger werden wollen, haben häufig Probleme. Wenn die Regel häufig ausbleibt und der Eisprung durch den Abfall der Hormone nur noch selten stattfindet, ist die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden, dementsprechend geringer. In einer bestehenden Schwangerschaft kann eine Bulimie ebenfalls zu Komplikationen führen. Zu den Folgen, die erst nach jahrelangem Essen und Erbrechen auftreten, gehört die Verkleinerung der Organe bei ausgeprägtem Untergewicht. Auch das Suizidrisiko und die Sterblichkeit sind bei Bulimie-Kranken höher als in der nichterkrankten Bevölkerung.
Folgen von Bulimie sind u.a.:
- Zahnschäden (Säureschäden an den Zähnen)
- Magenprobleme und Schäden der Speiseröhre
- Elektrolytstörungen, Mineralverlust
- Nierenschäden
- Herzprobleme, Herzrhythmusstörungen
Wird Bulimie nicht behandelt, kann es zu schweren körperlichen Folgen kommen und sogar lebensbedrohlich werden. Das Sterberisiko ist doppelt so hoch im Vergleich zu Gesunden.
Psychische Begleiterkrankungen
Patienten mit Essstörungen können ein breites Spektrum weiterer psychischen Erkrankungen aufweisen. Besonders häufig sind Zwangs-, Angsterkrankungen und Depressionen. Auch Angsterkrankungen (soziale Phobien, generalisierte Angststörungen und einfache Phobien) sind bei Bulimie etwas seltener (30-70 Prozent) als bei Magersucht (40-80 Prozent). Depressive Verstimmungen sind im akuten Krankheitszustand sowohl bei Bulimie als auch bei Magersucht typisch. Essgestörte Patienten zeigen häufig eine gedrückte Stimmungslage und sind leicht reizbar. Sie haben ein geringes Selbstwertgefühl und klagen über Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit, nicht selten auch über Schlaflosigkeit und Konzentrationsstörungen. Patienten mit einer Bulimie haben ein größeres Risiko, an Selbstmord zu sterben, als die Normalbevölkerung.
Ja, das tun sie. Der Selbstwert, der zuvor schon beeinträchtigt war, kann durch die Essstörung gänzlich verloren gehen. Die Betroffenen sind zutiefst beschämt über ihr Verhalten und ziehen sich deswegen sozial zurück. Wegen der Essanfälle werden Verabredungen abgesagt und Hobbies zurückgestellt. Depressionen und Angststörungen können die Folge sein.
Behandlung der Bulimie
Bei der Behandlung einer Bulimie geht es vor allem darum, die Essanfälle und das anschließende Purging langfristig loszuwerden. Das Ziel ist, sich emotional zu stabilisieren und sich in und mit dem eigenen Körper wohl und wertvoll zu fühlen. Fachleute empfehlen dazu eine Psychotherapie. Es gibt verschiedene Formen der Psychotherapie. Am ehesten wird zu einer kognitiven Verhaltenstherapie geraten. Manchmal wird auch eine Psychotherapie mit tiefenpsychologischem Ansatz gemacht. Bei Kindern und Jugendlichen wird in der Regel die Familie in die Behandlung miteinbezogen. Reicht eine Psychotherapie nicht aus, kann zusätzlich mit Medikamenten versucht werden, die Ess-Brech-Anfälle zu reduzieren.
Es geht in der Therapie also darum herauszufinden: Was wird durch ihr Essverhalten kaschiert? Welche Ursachen hat die Erkrankung? Hinter einer Bulimie stecken immer unbewusste Konflikte und schwierige Gefühle. Die junge Frau muss verstehen, warum sie an einer Essstörung leidet. Außerdem muss sie lernen, sich besser durchzusetzen und ihre Bedürfnisse zu artikulieren. Dabei hilft ihr ein Psychotherapeut, ihre Gefühle wahrzunehmen und einzuordnen. Er oder sie hält die Gefühle mit ihr zusammen aus, so dass sie sie nicht alleine mit sich herumtragen muss. Zusätzlich muss der betroffenen Person wieder ein Rahmen für ein normales Essverhalten vorgegeben werden. In der Therapie lernt sie, was eine normale Mahlzeit ist und wie sie ihre Mahlzeiten regelmäßig strukturieren kann. Außerdem lernt sie andere Bewältigungsstrategien zur Gefühlsregulation.
In Ergänzung zu einer Psychotherapie oder während der Wartezeit auf einen Therapieplatz können erwachsene Betroffene die sogenannte strukturierte Selbsthilfe nutzen. Dabei erhält man Informationsmaterial zu Bulimie und Anleitungen für Übungen, die an eine kognitive Verhaltenstherapie angelehnt sind und die man zu Hause macht. Man kann dazu auch eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) nutzen - also eine App oder ein Online-Angebot mit Hintergrundinformationen, Übungen und anderen interaktiven Elementen, etwa einem digitalen Esstagebuch.
Ein Beispiel: Eine junge Frau wird am Arbeitsplatz ausgenutzt. Statt sich zu wehren, passt sie sich an und geht immer brav ihrem Job nach. Um das auszuhalten, braucht sie ein Ventil. Mit einem Essanfall am Abend kann sie ihre Wut loswerden. Das kann ebenfalls auf eine Beziehung zutreffen, in der eine junge Frau sich von ihrem Partner unterdrückt fühlt.
In einer Klinik steht dafür ein multiprofessionelles Team zur Verfügung. Es besteht in der Regel aus:
- Ärzten, die die körperlichen Folgeschäden der Bulimie behandeln. Bei Komorbidität mit Depression (Bulimie und Depression treten oft zusammen auf), kommt auch eine Behandlung mit einem Antidepressivum in Frage.
- Psychotherapeuten, die eine kognitive Verhaltenstherapie oder eine Kombination aus Verhaltenstherapie und einem anderen Psychotherapieverfahren, wie tiefenpsychologischer Therapie, anwenden.
- Kreativtherapeuten, die den Patienten helfen, sich über Kunst und Gestalten auszudrücken.
- Sporttherapeuten, die eine gesunde Bewegung fördern.
- Pflegepersonal, das die Mahlzeiten strukturiert und begleitet und dabei hilft mit Essens- und Brechdruck umzugehen.
- Sozialpädagogen, die zum Beispiel mit Rollenspielen in der Gruppe arbeiten.
Wenn die Bulimie allerdings schwer ist und durch ein erheblich entgleistes Essverhalten gekennzeichnet ist, oder wenn bestimmte Begleiterkrankungen vorliegen, kann aber auch eine stationäre Therapie notwendig sein. Außerdem ist die Behandlungsform vom Body-Mass-Index (BMI) abhängig. Bei ausgeprägtem Untergewicht treten chronische Folgeerkrankungen auf, die irreversibel sind, etwa Osteoporose. Soziale Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen: Ist jemand hoch verschuldet, weil er seine Essanfälle finanzieren muss? Dann kann eine stationäre Therapie ratsam sein. Die Therapie in der Klinik dauert mehrere Wochen. Wie schnell sich Erfolge zeigen, ist vor allem davon abhängig, wie sehr sich die Patienten einlassen und verstehen, warum sie die Erkrankung entwickelt haben. Wie stabil ihre Lebenssituation ist, ist ebenfalls ausschlaggebend für die Dauer der Therapie.
Eine Bulimie wird in der Regel ambulant behandelt - meist in Form regelmäßiger Einzel- oder Gruppensitzungen bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten. Manchmal empfehlen Fachleute eine Behandlung in einer Klinik, zum Beispiel wenn die Gefahr einer Selbsttötung (Suizid) besteht oder in der Familie Konflikte herrschen, die einer Genesung entgegenstehen.
Nach der Behandlung ist es wichtig, langfristig wachsam zu bleiben. So lassen sich Symptome eines Rückfalls - wie Essanfälle oder eine starke Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper - frühzeitig erkennen. Wer an Bulimie erkrankt ist und behandelt wird, fällt meist für längere Zeit aus dem Alltag heraus. Therapeutinnen und Therapeuten unterstützen dann beim Wiedereinstieg in Schule, Ausbildung, Studium oder Beruf. Vielen hilft es außerdem, nach einer Therapie - oder schon währenddessen - zu den Treffen einer Selbsthilfegruppe zu gehen und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.
Anzeichen für Angehörige
Bulimie-Betroffene sind sehr gut darin, ihre Erkrankung zu verheimlichen. Es gibt trotzdem einige Anzeichen auf die Eltern, Freunde oder Partner achten können:
- Die Essensmengen stimmen nicht mit dem Gewicht der Person überein.
- Im Kühlschrank fehlen immer wieder große Mengen an Nahrungsmitteln.
- Gemeinsames Essen wird vermieden.
- Nach dem Essen finden lange Toilettengänge statt.
- Die Betroffenen sind stark auf die Gewichtsabnahme fixiert. Nicht alle Bulimie-Kranken sind sehr dünn, aber alle streben danach.
Sie sollten die Bulimie direkt ansprechen, denn es vermindert die Scham der Betroffenen nicht, wenn sie es nicht tun. Sie sollten betonen, dass sie sich Sorgen machen und jederzeit dabei unterstützen können, gemeinsam nach Hilfe zu suchen. So signalisiert man: Ich bin weiter für dich da und weiterhin deine Freundin, Mutter, dein Partner etc. Die Erkrankung anzusprechen, ist sehr wichtig. Viele Betroffene reden sich die Bulimie sehr lange schön, weil sie um jeden Preis dünn sein wollen.
Heilungschancen
Meist sind mehrere Therapien über Jahre notwendig, Bulimie ist aber heilbar. Natürlich sind Rückfälle nicht auszuschließen, man hat in der Therapie aber hoffentlich andere Bewältigungsstrategien erlernt. Außerdem ist schon sehr viel gewonnen, wenn man nur noch selten Essanfälle hat. In Krisenzeiten, wie etwa in der Corona-Pandemie, sind Betroffene gefährdeter für Rückfälle. Vor allem Jugendlichen fehlt die Möglichkeit, Konfliktsituationen mit den Eltern zu entkommen und überhaupt rauszukommen und soziale Kontakte zu pflegen. Druck zu kompensieren, ist aktuell wesentlich schwieriger. Das heißt aber nicht, dass Betroffene, ob Erwachsene oder Jugendliche, direkt wieder in die Essstörung abrutschen müssen.