CAD-Kunststoff in der Neurochirurgie: Fortschritte und Anwendungen

Schädeldefekte stellen nach wie vor eine medizinische Herausforderung dar. Ob angeborene Fehlbildung, Unfall oder Krankheit - Schädeldefekte gefährden das Gehirn und müssen umgehend behandelt werden. Die Art der Deformation ist bei jedem Patienten einzigartig, weshalb die Prothesenherstellung individuell erfolgt. Bislang werden Schädelimplantate hauptsächlich aus Titan auf der Basis von CAD/CAM-verarbeiteten CT-Daten hergestellt. Materialien und Bearbeitung sind jedoch teuer und zeitaufwändig. Titan ist zwar biokompatibel, aber relativ starr und wärmeleitend. Nach der Implantation kommt es oft zu Problemen bei Passgenauigkeit und Komfort der Kranioplastik. Abhilfe versprechen seit einiger Zeit der Kunststoff PEEK und die additive Fertigung via 3D-Druck.

Vorteile von PEEK und 3D-Druck in der Neurochirurgie

Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat dem 3D-Druck-Spezialisten und Medizinproduktehersteller 3D-Systems die 510(k)-Freigabe für das Schädelimplantat »VSP PEEK Cranial Implant« erteilt. Das individuell für jeden Patienten 3D-gedruckte Produkt ist das erste von der FDA zugelassene, additiv hergestellte PEEK-Implantat für Cranioplastie-Verfahren. Mit der Kombination aus PEEK und 3D-Druck bekommen Chirurgen deutlich mehr Möglichkeiten für eine präzise und individualisierte Neurochirurgie und die Wiederherstellung von Schädeldefekten.

PEEK (Polyetheretherketon) ist ein Hochleistungskunststoff, der sich durch eine Reihe von vorteilhaften Eigenschaften für medizinische Anwendungen auszeichnet. Die mechanischen Eigenschaften wie hohe Biokompatibilität, Beständigkeit gegen Körperflüssigkeiten und Stabilität bei verschiedenen Temperaturen machen PEEK zu einer idealen Wahl für viele medizinische Anwendungen.

Ein wesentlicher Vorteil von PEEK liegt in seiner Biokompatibilität, was bedeutet, dass der Körper das Material gut verträgt und es nur selten zu Abstoßungsreaktionen kommt. Darüber hinaus ist PEEK beständig gegenüber Körperflüssigkeiten, was seine Langlebigkeit im Körperinneren gewährleistet. Die hohe Stabilität von PEEK bei verschiedenen Temperaturen sorgt dafür, dass sich das Material auch unter wechselnden Bedingungen nicht verformt oder zersetzt.

Der 3D-Druck, auch bekannt als additive Fertigung, ermöglicht die Herstellung von Objekten durch schichtweises Auftragen von Material. Diese Technologie bietet eine hohe Designfreiheit und ermöglicht die Produktion von komplexen Geometrien, die mit herkömmlichen Fertigungsmethoden nicht realisierbar wären. In der Neurochirurgie ermöglicht der 3D-Druck die Herstellung von patientenspezifischen Schädelimplantaten, die exakt an die individuelle Anatomie des Patienten angepasst sind.

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Präzise und günstige Schädelimplantate durch 3D-Druck

Präzise und günstige Schädelimplantate können direkt im Krankenhaus via 3D-Druck gefertigt werden. Die patientenspezifischen Schädelimplantate können jetzt mit bis zu 85 Prozent weniger Material und damit erheblich günstiger hergestellt werden. Mit der additiven Fertigung können Medizinprodukte deutlich schneller und direkt im Krankenhaus produziert werden, bei voller Kostenkontrolle.

Mit der 3D-Systems Methode wurden bisher fast 40 erfolgreiche Cranioplastien in der Schweiz am Universitätsspital Basel, in Österreich am Universitätsklinikum Salzburg und in Israel am Tel-Aviv Sourasky Medical Center erfolgreich gefertigt.

Anwendungsbereiche und Fallbeispiele

Ein Patient berichtet von einer AVM (Arteriovenöse Malformation) im hinteren Hirnbereich, die operativ behandelt wurde. Nach der Operation kam es zu Komplikationen, die eine weitere Operation zur Druckentlastung erforderlich machten. In Folge dessen muss sich der Patient einer Kranioplastik unterziehen, um den entstandenen Knochendefekt zu schließen. Wenn der Knochendefekt nicht sehr groß ist, wird dies voraussichtlich mit Kunststoffzement gedeckt. Das Loch, der fehlende kopfdeckel, hat einen durchmesser von ca. 6 auf 5 cm.

Die Entwicklung und Anwendung von CAD- und 3D-Drucktechnologien in der Neurochirurgie sind ein vielversprechendes Feld mit großem Potenzial für die Zukunft.

Next3D: Innovationen aus Leipzig für die Neurochirurgie

Das Startup Next3D, hervorgegangen aus der Universität Leipzig und dem Fraunhofer IWU, hat sich auf die Entwicklung von chirurgischer Navigation für die Apple Vision Pro spezialisiert und damit Apple überzeugt. Die Arbeitsgruppe Next3D am Universitätsklinikum Leipzig ist nach der ISO13485 Medizintechnik Norm zertifiziert und darf patientenspezifische 3D-gedruckte Instrumente und Modelle herstellen und vertreiben, die nach dem Medizinproduktegesetz als Sonderanfertigungen gelten. Das System wird medizinisch von Prof. Dirk Winkler (Stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Leipzig) betreut, der auch über langjährige Erfahrung als Notarzt verfügt.

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Next3D wurde am 19. Juni 2024 mit dem 2. Platz beim Sächsischen Gründerpreis auf der Sächsischen Innovationskonferenz in Dresden ausgezeichnet.

Weitere Anwendungen des 3D-Drucks in der Medizin

Neben Schädelimplantaten wird der 3D-Druck auch in anderen Bereichen der Medizin eingesetzt. So entwickelte die Uni Klinik Leipzig und das Fraunhofer IWU einen 3D-gedruckten Notfallbeatmungsgerät zur schnellen Unterstützung bei der Notfallversorgung von Covid19-Patienten. Diese Entwicklung dauerte nur 7 Tage. Wenn nicht genügend Hightech-Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen, sollte dies medizinischem Fachpersonal als letzte Option zur Verfügung stehen. Es ist kein zertifiziertes Medizinprodukt, soll aber als letzte Option dienen.

Während der Knappheit an Sterilisationsmittel in Deutschland begann die Apotheke des Universitätsklinikums Leipzig mit der Eigenproduktion und sammelte die bereits im Krankenhaus verwendeten Sterilisationsflaschen zur Wiederbefüllung. Im ersten Schritt wurde ein originaler Verschlussdeckel mit einem Computertomographen in der Radiologie gescannt. Das resultierende virtuelle Modell diente als Vorlage, die mit CAD-Software optimiert wurde. Anschließend wurden die Kappen mit einem 3D-Drucker aus einem biokompatiblen und dampfsterilisierbaren Kunststoff hergestellt.

Ausblick und Zukunftsperspektiven

In Zukunft soll der 3D-Druck in der Medizin noch viel stärker zum Einsatz kommen. Der Markt für Schädelrekonstruktion wird bis 2030 voraussichtlich 2 Milliarden Dollar übersteigen. Die FDA-Zulassung schafft eine solide Grundlage für den verstärkten Ensatz des 3D-Drucks bei weiteren orthopädischen und chirurgischen Indikationen, patientenindividuelle Medizinprodukte und personalisierte Therapien sind ein potenzialreicher Wachstumsmarkt. 3D Systems ist seit über 35 Jahren ein Vorreiter im 3D-Druck und bietet branchenspezifische Lösungen in Bereichen wie Gesundheitswesen, Luft- und Raumfahrt, Automobilindustrie und langlebige Güter. Durch die einzigartige Kombination von Hardware, Software, Materialien und Dienstleistungen ermöglicht das Unternehmen seinen Kunden die Schaffung von Produkten und Geschäftsmodellen, die zuvor nicht möglich waren.

Die Teilnahme an der WWDC25 ist eine große Ehre für das Team von Next3D und eine Anerkennung für die geleistete Arbeit. Das Unternehmen freut sich über die vielen Innovationen für die Apple Vision Pro. Es war eine große Ehre für das Team, seine Forschungsergebnisse auf dem weltweit ersten Health Care Summit for Spatial Computing in San Diego zu präsentieren.

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