Der Canalis centralis, auch Zentralkanal genannt, ist eine zentrale Struktur des Rückenmarks, die mit Liquor cerebrospinalis gefüllt ist und eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Funktion des zentralen Nervensystems (ZNS) spielt.
Anatomie und Struktur
Der Canalis centralis erstreckt sich durch das gesamte Rückenmark, vom unteren Ende des vierten Ventrikels (Fossa rhomboidea) bis zum Conus medullaris. In der Medulla oblongata wird er als Canalis centralis medullae oblongatae bezeichnet. Er ist die kaudale Fortsetzung des Ventrikelsystems und verbindet das Rückenmark mit dem vierten Ventrikel über den Zentralkanal der Medulla oblongata. Der rostrale (zum Mund gelegene) Anfang des Kanals geht am unteren Ende der Fossa rhomboidea aus dem Hirnventrikel ab.
Der Kanal ist dünn, englumig (etwa 0,1 mm) und von Ependymzellen ausgekleidet. Im Querschnitt erscheint der Canalis centralis je nach Höhe des Rückenmarks rund, oval oder schlitzförmig. Die Wand besteht aus mehrreihigem Epithel und Ependymzellen, das teilweise Mikrovilli oder Kinozilien trägt, um Liquorbewegungen zu unterstützen. Er verläuft über die gesamte Länge des Rückenmarks und endet typischerweise im unteren Bereich des Conus medullaris in einer Ampulla terminalis, welche häufig obliteriert (verengt oder verschlossen) ist.
Umgeben ist der Canalis centralis von der Substantia gelatinosa centralis, einer Zone der grauen Substanz. Die Substantia gelatinosa centralis ist ein heller Gewebesaum, der sich um den Canalis centralis des Rückenmarks anordnet.
Entwicklung
Der Canalis centralis entsteht aus dem Lumen des Neuralrohrs, das sich während der Neurulation (3.-4. Embryonalwoche) bildet. Der Hohlraum des Neuralrohrs entwickelt sich in der longitudinalen Achse zum Zentralkanal des Rückenmarks, während sich aus den kranialen Erweiterungen die Ventrikel des Gehirns bilden. Beim Neugeborenen steht der Zentralkanal auf der gesamten Länge noch offen.
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Funktion
Durch die Verbindung mit dem Ventrikelsystem dient der Canalis centralis der Zirkulation von Liquor cerebrosponalis, vor allem in der Fetalzeit. Insbesondere in der embryonalen Entwicklung spielt er eine wichtige Rolle in der Liquorzirkulation und dem Druckausgleich innerhalb des zentralen Nervensystems. Im Erwachsenenalter ist seine funktionelle Bedeutung stark eingeschränkt, da er häufig obliteriert ist. „Obliteriert“ bedeutet, dass der Kanal teilweise oder vollständig verschlossen ist, meist durch fibrotisches Gewebe. Dies kommt häufig bei Erwachsenen vor und ist ein physiologischer Alterungsprozess.
Der Liquor cerebrospinalis umgibt das Gehirn und das Rückenmark wie ein Wasserballon und erfüllt vor allem eine Schutzfunktion. Auch bei Stößen gegen den Kopf wird das ZNS, das durch den Auftrieb fast frei im Hirnwasser schwebt, kaum in Mitleidenschaft gezogen. Außerdem hält der Liquor eine Homöostase, also das Ionengleichgewicht im Gehirn, das Kommunikation zwischen Nervenzellen möglich macht.
Der Liquor wird vom sogenannten Plexus choroideus gebildet, die die Hirnventrikel auskleidet und eine Barriere zwischen Blut- und Liquorsystem bildet. Durch die Blut-Hirn-Schranke, die aus den Wänden und der Basalmembran des Plexus und Ausläufern von Astrozyten besteht, werden nur einige Bestandteile des Blutes gelassen.
Klinische Bedeutung
Klinisch können sich pathologische Zyten (Syrinx) bilden, die innerhalb oder neben dem Zentralkanal, oft durch den gestörten Liquorfluss entstehen. Diese flüssigkeitsgefüllte Höhle kann Druck auf das umliegende Rückenmark ausüben und zu verschiedenen neurologischen Symptomen führen. Die Ursachen sind vielfältig, eine Syringomelie kann angeboren oder erworben sein.
Über eine Schädigung der in der Commissura anterior kreuzenden Fasern des Tractus spinothalamicus kann es zu einer dissoziierten Sensibilitätsstörung auf Höhe der Läsion kommen. Dabei ist dann das Schmerz- und Temperaturempfinden gestört und das Druck- und Berührungsempfinden intakt. Die Tiefensensibilität ist ebenfalls nicht beeinträchtigt.
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Die sogenannte Hydromelie beschreibt eine Erweiterung des Canalis centralis mit Liquorstau, was häufig bei Kindern oder zusammenhängend mit spinalen Fehlbildungen, wie zum Beispiel bei der Arnold-Chiari-Malformation, auftritt. Bei der sogenannten Hydrosyringomelie handelt es sich um eine Mischform beider Erkrankungen und die Spina bifida.
Syringomyelie
Bei der Syringomyelie handelt es sich um flüssigkeitsgefüllte Hohlräume (Syrinx), die sich im oder neben dem Kanal bilden. Die Ursachen sind vielfältig, eine Syringomelie kann angeboren oder erworben sein.
Hydromyelie
Die Hydromelie stellt eine Erweiterung des Zentralkanals mit Liquorstau dar. Sie tritt häufig bei Kindern oder zusammenhängend mit spinalen Fehlbildungen, wie zum Beispiel bei der Arnold-Chiari-Malformation, auf.
Hydrosyringomyelie
Bei der sogenannten Hydrosyringomyelie handelt es sich um eine Mischform von Syringomyelie und Hydromyelie.
Spina bifida
Die Spina bifida ist ein Neuralrohrdefekt, der durch den fehlerhaften Verschluss des Neuralrohrs während der Embryonalentwicklung verursacht wird, was möglicherweise zu einer Vorwölbung von Neuralgewebe führt.
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Liquoruntersuchung
Viele Erkrankungen des ZNS können die Zellen im Liquor verändern oder die Konzentration seiner chemischen Bestandteile verändern, was die Diagnose unterstützt. Die Liquorpunktion führt man meist in Form einer Lumbalpunktion im Bereich der Cauda equina - der fädenförmigen Verlängerung des Rückenmarks nach kaudal - zwischen Lendenwirbelkörper 3 und 4 oder 4 und 5 durch. Auch eine Entnahme in der Cisterna cerebellomedullaris (magna) unter dem Kleinhirn ist möglich, wird aber auf Grund des hohen Verletzungsrisikos nur selten durchgeführt. Im Subarachnoidalraum entnimmt man 2 bis 4 ml Liquor.
Kontraindikationen der LiquorpunktionVor der Liquorentnahme muss man sowohl erhöhten Hirndruck als auch - etwa bei komatösen Patienten/-innen - eine Raumforderung im ZNS ausschließen. Bei der Labordiagnostik werden chemische, zytologische und mikrobiologische Untersuchungen durchgeführt. Die Werte vergleicht man dabei stets mit dem Serum-Gehalt. Eiweiß-, bzw. Eine systemische Protein-Erhöhung kann ein Zeichen für Störungen, die weit außerhalb des Liquorraums vorliegen, sein. Die Blut-Liquor-Schranke kann durch eine Hirnhautentzündung (Meningitis), einen Tumor oder ein Trauma gestört sein. Je nachdem wie weit die Störung vorangegangen ist, lassen sich Erythrozyten (rote Blutkörperchen) im Liquor finden, die bei hohem Gehalt sogar makroskopisch (gelblich bis rote Probe) erkennbar sind. Isolierte Eiweißbildung im Liquor kann einen Befall durch Viren oder Bakterien als Ursache haben, aber auch Zeichen für einen entzündlichen Prozess (beispielsweise Multiple-Sklerose) sein.
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