Cannabis wird oft als „weiche Droge“ verharmlost, besonders unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Jedoch birgt der Konsum von Marihuana oder Haschisch, insbesondere im Jugendalter, erhebliche Risiken. Das Gehirn befindet sich in dieser Lebensphase noch im Auf- und Umbau, was es anfällig für langfristige Schädigungen macht. Diese können von Psychosen und Depressionen bis hin zu Intelligenzminderung reichen.
Wer konsumiert Cannabis?
Die Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zeigt, dass die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen am häufigsten Cannabis konsumiert. Die 12-Monats-Prävalenz liegt hier bei 23 Prozent. Bei den 12- bis 17-Jährigen ist sie mit 8 Prozent niedriger. Es konsumieren mehr junge Männer als junge Frauen, wobei sich die Geschlechter bei den Konsumquoten annähern.
Steigt der Cannabiskonsum an?
Nach einem Hochplateau im Jahr 2004 sank der Konsum bis 2012, steigt aber seitdem wieder an. Diese Zahlen basieren auf der 12-Monats- und der Lebenszeitprävalenz.
Cannabis als Einstiegs- oder Übergangsdroge?
Das Durchschnittsalter für den Erstkonsum von Cannabis liegt bei 15,3 Jahren. In Risikopopulationen kann der Konsum jedoch schon mit zwölf oder dreizehn Jahren beginnen. Cannabis ist eher eine Übergangs- als eine Einstiegsdroge, da Alkohol und Tabak meist zuerst konsumiert werden. Cannabis steht an dritter Stelle in der Konsumabfolge. Zehn bis 20 Prozent der Konsumenten nehmen zusätzlich andere illegale Drogen.
Das Suchtpotenzial von Cannabis
Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Suchtpotenzial, den dokumentierten Störungen und dem Anstieg des THC-Gehalts. Neun Prozent der Cannabiskonsumenten entwickeln eine Abhängigkeit. Bei regelmäßigem Konsum im Jugendalter steigt dieser Anteil auf bis zu 50 Prozent.
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Akute und langfristige Folgen des Cannabiskonsums
Akute Wirkungen
- Panikattacken
- Psychotische Symptome
- Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Koordinationsstörungen
- Übelkeit
Langzeitfolgen
- Psychotische Störungen: Das Risiko für Psychosen oder Schizophrenien steigt bei Konsumenten um 40 bis 100 Prozent.
- Affektive Störungen: Depressionen, Angststörungen, bipolare Störungen und Suizidalität treten bei Konsumenten 30 bis 60 Prozent häufiger auf.
- Beeinträchtigung der Kognition: Gedächtnis, Lernleistung, Aufmerksamkeit, Problemlösefähigkeit und Intelligenz können sich vermindern, insbesondere bei Konsum im Jugendalter. Dies führt oft zu Leistungseinbrüchen in der Schule und Ausbildungsabbrüchen.
- Körperliche Folgen: Lungen- und Atemwegserkrankungen, Hodenkrebs, Frühgeburten und Entwicklungsstörungen des Kindes bei Konsum in der Schwangerschaft sind möglich.
Die Ursache für die kognitiven Auswirkungen liegt in der hohen Verwundbarkeit des jugendlichen Gehirns, das besonders empfindlich auf den erhöhten THC-Gehalt reagiert. Internationale Studien belegen hirnstrukturelle Veränderungen im zentralen Nervensystem bei Cannabiskonsum im Jugendalter.
Bis zum 22. Lebensjahr befindet sich das Gehirn im Umbauprozess, der durch THC gestört werden kann, was zu einer unzureichenden Bildung von Ummantelungssubstanz führt und die genannten Folgen nach sich zieht.
Sind die Folgen irreversibel?
Die Frage der Irreversibilität ist noch unklar und bedarf weiterer, langfristiger Studien. Bisherige Studien liefern unterschiedliche Ergebnisse. In Suchtkliniken wird jedoch eine gewisse Erholung der kognitiven Funktionen bei Abstinenz beobachtet.
Wer ist besonders gefährdet, abhängig zu werden?
Jeder Konsum im Jugendalter stellt eine Risikokonstellation dar, und zwar aus biologischer, entwicklungspsychologischer und sozialer Sicht:
- Biologisch: Das zentrale Nervensystem ist noch im Aufbau und besonders empfindlich für THC-Effekte.
- Entwicklungspsychologisch: Kontrollfunktionen und Selbstreflexion sind noch schwach ausgebildet.
- Sozial: Die Orientierung an Gleichaltrigen ist stark ausgeprägt, was zu sozialem Druck führen kann.
Besonders gefährdet sind auch Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten wie Ängstlichkeit, Essstörungen, ADHS oder frühen Traumatisierungen. Diese Jugendlichen haben oft ein Defizit in der Emotionsregulation.
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Therapie bei Cannabisabhängigkeit
Ein entscheidender Unterschied zur Sucht im Erwachsenenalter ist die fehlende Motivation zur Verhaltensänderung bei Jugendlichen. Während Erwachsene die Folgen ihres Konsums oft deutlich spüren, nutzen Jugendliche Cannabis zur Emotionsregulation. Angehörige suchen daher oft Hilfe bei Suchtberatungsstellen, Suchtambulanzen und Schwerpunktpraxen. Die Therapie von Jugendlichen unterscheidet sich von der Therapie Erwachsener und beinhaltet oft familienbezogene und familientherapeutische Ansätze sowie Pädagogik, Sport-, Musik- und Ergotherapie.
Behandlungserfolg
Der Behandlungserfolg ist oft bescheiden, da Suchtstörungen im Jugendalter selten alleine auftreten und von begleitenden psychischen Störungen begleitet werden. Der Cannabiskonsum kann zudem die Hirnreifung und den psychischen Reifeprozess behindern. Viele junge Suchtpatienten kommen aus schwierigen Familienverhältnissen.
Genetische Veranlagung
Die genetische Veranlagung spielt eine Rolle, jedoch sind Umweltfaktoren wie die Sucht der Eltern oder ungünstige Bindungsstile oft von größerer Bedeutung.
Die Rolle der Legalisierung
Eine Legalisierung von Cannabis könnte zu einem ansteigenden Konsum und einer Zunahme der Cannabisabhängigkeit im Jugendalter führen. US-amerikanische Studien zeigen einen deutlichen Anstieg cannabisbezogener Störungen bei Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang mit der Legalisierung.
Auswirkungen auf die Hirnstruktur
Studien zeigen, dass sich das Gehirn von Cannabis-Konsumenten deutlich verändert. Betroffene Jugendliche sind impulsiver und können sich schlechter konzentrieren. MRT-Aufnahmen zeigen eine dünnere Hirnrinde, insbesondere im präfrontalen Kortex, der für Impulskontrolle, Problemlösung und Handlungsplanung zuständig ist. Je mehr Cannabis konsumiert wird, desto ausgeprägter sind die Folgen.
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Weitere Gesundheitsgefahren
- Abhängigkeit: Cannabiskonsum kann zu Sucht und Abhängigkeit mit Toleranzentwicklung und Entzugssymptomen führen.
- Kognitive Beeinträchtigung: Regelmäßiger Cannabiskonsum kann die kognitiven Funktionen beeinträchtigen.
- Physische Gesundheit: Es besteht ein erhöhtes Risiko für Atemwegserkrankungen und Bronchitis.
- Cannabiskonsum und Schwangerschaft: Cannabiskonsum während der Schwangerschaft kann Risiken für Mutter und Kind bergen.
- Soziale Auswirkungen: Übermäßiger Cannabiskonsum kann sich negativ auf das soziale Leben, die Leistungsfähigkeit und den Bildungserfolg auswirken.
Das amotivationale Syndrom
Langjähriger Cannabiskonsum kann zu einem Zustand der Passivität und Gleichgültigkeit in Kombination mit ausgeprägter Antriebslosigkeit führen.
Besondere Anfälligkeit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Reifeprozesses des Gehirns sind junge Menschen besonders anfällig für die Auswirkungen des Cannabiskonsums. THC kann die Gehirnentwicklung stören und zu strukturellen und funktionellen Beeinträchtigungen führen.
Langzeitstudien und Hirnveränderungen
Langjähriger starker Cannabiskonsum kann zu Hirnveränderungen in Regionen führen, die mit Lernen und der Verarbeitung von Emotionen wie Angst und Aggression in Zusammenhang stehen.
Meta-Analysen und Forschungsergebnisse
Eine Meta-Analyse kam zu dem Schluss, dass auch langjähriger Cannabiskonsum so gut wie keine dauerhaften Auswirkungen auf neurokognitive Funktionen des Gehirns hat. Eine andere Studie fand jedoch ein geringeres Volumen in zwei Hirnregionen bei Cannabiskonsumenten: Der Hippocampus war um 12 Prozent kleiner und die Amygdala um rund 7 Prozent kleiner als bei abstinenten Männern.
Die Bedeutung des Endocannabinoid-Systems (ECS)
Um die Wirkung von THC im Gehirn zu verstehen, ist es wichtig, sich mit dem ECS vertraut zu machen. THC dockt an die CB1-Rezeptoren an und beeinflusst so zentrale Hirnregionen wie den Hippocampus, den präfrontalen Cortex und das Belohnungssystem. Langfristiger Konsum kann strukturelle Veränderungen begünstigen.
THC und COX-2
Eine Studie fand heraus, dass THC über längere Zeit ein Enzym im Gehirn aktivieren kann, das normalerweise bei Entzündungen eine Rolle spielt - COX-2. Dies kann die Struktur der Verbindungen zwischen den Nervenzellen verändern. Sobald COX-2 gehemmt wurde, verschwanden diese negativen Effekte.
Vergleich mit Alkohol
Alkohol beschleunigt den Abbau der grauen Substanz und beeinträchtigt die Entwicklung der weißen Substanz. Cannabis verändert ebenfalls die Hirnstruktur, vor allem im Hippocampus und der Großhirnrinde. Die Veränderungen sind jedoch meist weniger stark ausgeprägt und können sich nach längerer Abstinenz zurückbilden.
Medizinischer Einsatz von Cannabis
Während der Freizeitkonsum mit Risiken einhergeht, können Cannabinoide im medizinischen Kontext ihr therapeutisches Potenzial entfalten. Die Zukunft der medizinischen Cannabisanwendung liegt darin, die Cannabis-Wirkung gezielter zu steuern.
CBD (Cannabidiol)
CBD wirkt im Gehirn anders als THC - beruhigend, ausgleichend und ohne berauschende Effekte. Es beeinflusst Hirnregionen, die für Emotionen, Stressverarbeitung, Impulskontrolle und Gedächtnis zuständig sind.
Auswirkungen auf Cannabinoid-Rezeptoren
Chronischer Cannabiskonsum kann die Zahl von Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn reduzieren. Allerdings können sich diese Auswirkungen bei Konsumabstinenz wieder abschwächen.
Prävention und Aufklärung
Um über die Risiken von Cannabiskonsum aufzuklären, ist es wichtig, dass Eltern mit ihrem Nachwuchs ruhig und ehrlich sprechen. Es geht darum, ein vertrauensvolles Gespräch zu führen, Gedanken und Sorgen zu äußern und auch der Meinung des Kindes Raum zu geben.
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