Capsaicin-Pflaster zur Behandlung von Nervenschmerzen: Anwendung, Wirkung und Wissenswertes

Bis zu acht Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt. Diese Schmerzen können sehr stark und quälend sein und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Oft verlaufen sie chronisch und fortschreitend, wie beispielsweise bei der Polyneuropathie. Betroffene beschreiben die Schmerzen als starkes Brennen auf der Haut, gegen das herkömmliche Schmerzmittel, einschließlich starker Opiate, oft nicht ausreichend wirken. Daher werden bei Nervenschmerzen auch ungewöhnliche Medikamente wie Antidepressiva und Antiepileptika eingesetzt. Jedoch stoßen auch diese Medikamente oft an ihre Grenzen oder verursachen gravierende Nebenwirkungen. In solchen Fällen kann ein Capsaicin-Pflaster eine wirksame Therapieoption darstellen.

Was sind Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen)?

Neuropathische Schmerzen entstehen durch Schädigungen oder Erkrankungen von Nerven. Sie werden oft als brennend, stechend, elektrisierend oder einschießend beschrieben und können von Taubheitsgefühlen begleitet sein. Ursachen für neuropathische Schmerzen können Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder Diabetes mellitus sein, aber auch Verletzungen, Infektionen oder Operationen.

Das Capsaicin-Pflaster: Eine wirksame Therapie bei Nervenschmerzen

Eine vielversprechende Therapieoption bei lokalisierten Nervenschmerzen ist das Capsaicin-Pflaster. Es enthält den Wirkstoff Capsaicin in hoher Konzentration. Capsaicin ist ein Alkaloid, das in Pflanzen der Gattung Capsicum (Paprika) vorkommt und für die Schärfe in Chili- und Paprikaschoten verantwortlich ist. Es gehört zur Familie der Solanaceae (Nachtschattengewächse). Capsaicin wird als pharmazeutischer Wirkstoff in Form von Pflastern oder Salben gegen verschiedene Schmerzformen und Durchblutungsstörungen eingesetzt. Typische Anwendungsgebiete sind Schmerzen durch Verspannungen, Sportverletzungen, Nervenschmerzen oder periphere rheumatische Schmerzen.

Wie wirkt Capsaicin?

Capsaicin wirkt auf die Hitze- und Schmerzrezeptoren der Haut. Es ist ein hochselektiver Agonist an TRPV1-Rezeptoren (transient receptor potential vanilloid 1), die eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Schmerzsignalen spielen. Bei neuropathischen Schmerzen sind sensorische Nervenfasern mit diesen Rezeptoren oft hyperaktiv.

Die topische Anwendung von hochdosiertem Capsaicin führt zunächst zu einer lokalen Reizung, die sich in einer Rötung und einem brennenden, manchmal juckenden Gefühl äußert. Dies kann auf einen Angriff an peripheren sensorischen C-Fasern der Nerven zurückgeführt werden und ist teilweise durch die Freisetzung des Neurotransmitters Substanz P bedingt. Es kommt praktisch zu einem "Sturm der Erregung" über diese Nervenzellen.

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Danach folgt eine längere refraktäre Phase. In dieser Phase ist das Neuron nicht nur gegen eine erneute Capsaicinstimulation unempfindlich, sondern auch gegen andere schmerzauslösende Faktoren. Das führt dazu, dass die Zellen immer unempfindlicher werden, sich erschöpfen und keine Schmerzinformationen mehr senden. Mit der Zeit regenerieren sich die Nerven nach einer Behandlung. Es wird erwartet, dass Wahrnehmungen von nicht-TRPV1-exprimierenden Hautnerven unverändert bleiben, einschließlich der Fähigkeit, mechanische Reize und Vibrationsreize wahrzunehmen. Die durch Capsaicin induzierten Veränderungen in den kutanen Nozizeptoren sind reversibel.

Unterschiede zu Wärmepflastern mit Capsaicin

In der Apotheke sind auch Wärmepflaster mit Capsaicin erhältlich. Diese enthalten jedoch eine deutlich niedrigere Konzentration an Capsaicin als das Schmerzpflaster und sind daher rezeptfrei erhältlich.

PräparatGehalt an Capsaicin insgesamtCapsaicin pro cm² PflasterHinweise zur Anwendung
Qutenza®179 mg640 µgApplikationszeit: zwischen 30 und 60 Minuten, Wartezeit bis zur erneuten Anwendung: 90 Tage
Hansaplast ABC® Wärmepflaster11 mg36 µgApplikationszeit: zwischen 4 und 12 Stunden, Wartezeit bis zur erneuten Anwendung: 12 Stunden

Pflaster mit niedrig dosiertem Capsaicin werden zur Linderung von Muskelschmerzen eingesetzt. Das Capsaicin regt die Durchblutung an und sorgt so für eine Entspannung der Muskulatur. Solche Wärmepflaster können bis zu zwölf Stunden auf der Haut verbleiben. Eine erneute Anwendung ist bereits nach einer Wartezeit von zwölf Stunden möglich.

Durch eine hochdosierte dermale Anwendung von Capsaicin - wie in Qutenza® - werden dagegen die Schmerzrezeptoren gezielt überstimuliert und sollen damit über einen längeren Zeitraum desensibilisiert werden. Das Pflaster darf nur für einen kurzen Zeitraum auf der Haut verweilen - bei einer Behandlung am Fuß 30 Minuten und an anderen Hautstellen 60 Minuten. Zwischen den einzelnen Anwendungen müssen mindestens 90 Tage liegen.

Anwendung des Capsaicin-Pflasters

Das Capsaicin-Pflaster muss von einem Arzt oder unter der Aufsicht eines Arztes angewendet werden. Zunächst werden die schmerzhaften Hautareale von einem Arzt ermittelt und auf der Haut markiert. Vor der Applikation kann das Behandlungsareal mit einem topischen Anästhetikum behandelt oder dem Patienten ein orales Analgetikum verabreicht werden, um eventuelle applikationsbedingte Beschwerden zu reduzieren. Das topische Anästhetikum sollte auf das gesamte zu behandelnde Areal und die umgebenden 1 bis 2 cm aufgetragen und gemäß der Produktinformation des jeweiligen Arzneimittels angewendet werden. In klinischen Studien wurden die Patienten mit topischem Lidocain (4%), Lidocain (2,5%)/Prilocain (2,5%) oder mit 50 mg Tramadol vorbehandelt.

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Das Pflaster wird dann für 30 Minuten (an den Füßen) oder 60 Minuten (an anderen Körperstellen) auf die markierte Hautstelle aufgeklebt. Während dieser Zeit kann es zu einem brennenden Gefühl und Schmerzen kommen. Nach der Behandlung wird das Pflaster entfernt und die Haut mit einem Reinigungsgel gereinigt. Zur Linderung der Schmerzen kann die Hautfläche auch mit einer Kühlkompresse gekühlt werden.

Mögliche Nebenwirkungen

Während der Anwendung von Capsaicin-Pflastern können lokale Nebenwirkungen wie Schmerzen, Brennen, Rötung und Juckreiz an der Applikationsstelle auftreten. Diese sind in der Regel vorübergehend und klingen nach kurzer Zeit wieder ab. Infolge einer behandlungsbedingten Zunahme der Schmerzen kann es während und kurz nach der Behandlung mit Capsaicin-Pflastern zu einem vorübergehenden Blutdruckanstieg (um durchschnittlich < 8,0 mmHg) kommen. Der Blutdruck sollte daher während der Behandlung überwacht werden.

Studien zur Wirksamkeit von Capsaicin-Pflastern

Die Wirksamkeit von Capsaicin-Pflastern wurde in kontrollierten klinischen Studien an Patienten mit verschiedenen Arten von Nervenschmerzen nachgewiesen, darunter:

  • Schmerzhafte humane Immundefizienzvirus-assoziierte Neuropathie (HIV-AN)
  • Schmerzhafte diabetische Neuropathie
  • Postherpetische Neuralgie (PHN)

In diesen Studien wurde eine Schmerzlinderung bereits in der ersten Woche (bei PHN), in der zweiten Woche (bei HIV-AN) oder in der dritten Woche (bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie) beobachtet. Die Wirkung hielt während des gesamten Studienzeitraums an. Wiederholte Behandlungen über einen Zeitraum von 52 Wochen zeigten eine konstante und reproduzierbare Wirksamkeit bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie.

Eine internationale retrospektive Studie analysierte die Behandlung von 43 Patienten mit Neuralgien infolge einer Gürtelrose (Herpes Zoster), Verletzung bzw. eines chirurgischen Eingriffs. Nach sieben bis 14 Behandlungstagen ging die Schmerzintensität um durchschnittlich 40 Prozent zurück.

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Eine spanische Studie mit 60 Teilnehmern, die unter verschiedenen Arten von Nervenschmerzen litten, zeigte, dass das Schmerzempfinden von durchschnittlich 6,8 Punkten zu Beginn der Behandlung auf 4,1 Punkte bis Behandlungsende sank. 39 Patienten (65 Prozent) gaben an, bereits mit der ersten Applikation des Pflasters eine Schmerzlinderung erlebt zu haben.

Eine skandinavische Studie testete die Wirksamkeit, Sicherheit und Akzeptanz von Capsaicin 8 % Pflaster in der klinischen Praxis. Bei 28 Prozent bzw. 31 Prozent der behandelten bzw. wiederbehandelten Patienten ließen die Schmerzen in den Wochen 2 bis 8 der Studiendauer um mindestens 30 Prozent nach.

Eine italienische Studie belegte, dass Capsaicinpflaster sogar oral verabreichtem Pregabalin überlegen sind - und zwar bei Patienten, die unter dynamischer mechanischer Allodynie aufgrund von peripheren neuropathischem Schmerz leiden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Bei Patienten mit einer schmerzhaften diabetischen Neuropathie sollte vor jeder Applikation und bei den folgenden Arztbesuchen eine sorgfältige Untersuchung der Füße vorgenommen werden, um Hautläsionen in Zusammenhang mit der zugrundeliegenden Neuropathie oder vaskulären Insuffizienz zu diagnostizieren.
  • Bei Patienten mit beeinträchtigter Wahrnehmung in den Füßen und Patienten mit erhöhtem Risiko für derartige Einschränkungen der sensorischen Funktion ist Vorsicht geboten.
  • Alle Patienten mit vorher bestehender Beeinträchtigung der sensorischen Funktion sollten vor jeder Applikation auf Anzeichen eines Verlustes der sensorischen Wahrnehmung hin klinisch untersucht werden.
  • Bei Patienten mit instabiler oder schlecht eingestellter Hypertonie oder mit einer Vorgeschichte einer kardiovaskulären Erkrankung sollte das Risiko unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse durch den potenziellen Stress des Behandlungsverfahrens bedacht werden, bevor die Behandlung eingeleitet wird.
  • Während der Behandlung sollte der Blutdruck überwacht werden.
  • Die Anwendung von Capsaicin-Creme ist während der Schwangerschaft nur mit Vorsicht zu genießen, Capsaicin-Pflaster sollten während der Stillzeit nicht angewendet werden.
  • Die Creme darf nicht in die Nähe der Augen oder auf Schleimhäute aufgebracht werden.
  • Zusätzliche Wärmezufuhr (z.B. durch Sonnen-/Infrarot-Bestrahlung oder Heizkissen oder warmes Wasser) während der Behandlung sollte vermieden werden.

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