Die Huntington-Krankheit, auch bekannt als Chorea Huntington oder Morbus Huntington, ist eine seltene, erblich bedingte neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Sie ist durch einen fortschreitenden Verlust von Nervenzellen in bestimmten Hirnbereichen gekennzeichnet, was zu motorischen, kognitiven und psychiatrischen Symptomen führt. Die Krankheit ist nicht heilbar, aber es gibt Behandlungen, die die Symptome lindern und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern können.
Was ist Chorea Huntington?
Chorea Huntington ist eine neurodegenerative Erkrankung, die sich vor allem in Form von unkontrollierten übermäßigen Bewegungen zeigt. Neurodegenerative Erkrankungen betreffen Anteile des Nervensystems, im Falle der Chorea sind bestimmte Nervenzellen im Gehirn krankhaft verändert. Der Begriff degenerativ beschreibt in der Medizin Krankheitsprozesse, die stetig fortschreiten und die Funktionsweise bestimmter Organe somit zunehmend einschränken. Die Symptome der Chorea Huntington nehmen somit im Krankheitsverlauf zu.
Die Erkrankung tritt mit etwa 2-10 Fällen pro 100 000 Einwohnern pro Jahr relativ häufig auf. Dabei sind große regionale Unterschiede zu verzeichnen, so kommt sie in Ländern wie Finnland, China oder Japan deutlich seltener vor. Die genaue Ursache dafür ist bislang unbekannt. Männer und Frauen sind in etwa gleich häufig von der Erkrankung betroffen. Durchschnittlich zeigen sich die ersten Symptome etwa im Alter von 40 Jahren.
Ursachen
Die Huntington-Krankheit wird durch eine Mutation im HTT-Gen verursacht, das sich auf dem Chromosom 4 befindet. Diese Mutation führt zu einer abnormen Wiederholung von CAG-Trinukleotiden. Bei gesunden Menschen wiederholt sich das Basentriplet CAG etwa 10-26-mal. Bei Betroffenen des Morbus Huntington gibt es zu viele dieser Bausteine, nämlich des Bausteins CAG, an einer bestimmten Stelle des Chromosoms Vier. Das Eiweiß, das durch dieses Gen verschlüsselt wird, funktioniert nicht richtig und führt schließlich zu den Symptomen der Huntington Krankheit. Ab zirka 36 Wiederholungen bricht die Krankheit aus. Je mehr CAG-Repeats Patienten aufweisen, desto früher kommt es zur Erkrankung. Die Zahl der Wiederholungen nimmt von einer Generation zur nächsten häufig zu. Die Faustregel: Je mehr CAGs, umso früher bricht die Krankheit aus und umso rascher schreitet sie voran.
Die Huntington-Krankheit ist autosomal dominant vererbt, was bedeutet, dass eine betroffene Person eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit hat, das mutierte Gen an ihre Nachkommen weiterzugeben. Jedes Kind eines Elternteils, der das Huntington Gen in sich trägt, hat eine 50:50 Wahrscheinlichkeit, das mutierte Gen vererbt zu bekommen. Hat ein Kind das mutierte Gen ererbt, wird es die Krankheit irgendwann entwickeln. Dies geschieht normalerweise erst im Erwachsenenalter.
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Symptome
Die Symptome der Huntington-Krankheit beginnen in der Regel im mittleren Erwachsenenalter, etwa zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, können jedoch auch früher oder später auftreten. Die ersten Symptome von Chorea Huntington treten meistens im Alter zwischen 30 und 50 Jahren auf. Es gibt allerdings auch Fälle mit Erkrankungsbeginn in der Jugend oder im Alter. Wie schnell die Erkrankung dann voranschreitet, ist individuell verschieden. Expertinnen und Experten unterscheiden verschiedene Stadien:
- Das prämanifeste Stadium ist die Phase, in der die Träger und Trägerinnen des veränderten Huntingtin-Gens noch keine Symptome zeigen.
- Die prodromale Phase ist eine Art Vorläuferstadium mit ersten leichten Symptomen.
- Das manifeste Stadium ist die letzte Phase mit zunehmenden und schwerwiegenden körperlichen und geistigen Veränderungen.
Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Motorische Symptome:
- Chorea: Unkontrollierte, unwillkürliche Bewegungen, die sich in Zuckungen, Grimassen oder unregelmäßigen Bewegungen der Arme und Beine äußern können. Das griechische Wort Chorea bedeutet Tanz und bezeichnet die für die Erkrankung charakteristischen Hyperkinesen, die durch unwillkürliche, plötzliche, unregelmäßige und nicht vorhersehbare Bewegungen der Extremitäten, des Gesichtes, des Halses und des Rumpfes gekennzeichnet sind. Erste Bewegungsstörungen werden von vielen Patienten häufig nicht selbst wahrgenommen. Eine Fremdanamnese ist daher von besonderer Bedeutung. Die plötzlich auftretenden unwillkürlichen Hyperkinesen der distalen Extremitäten und des Gesichts sind die auffälligsten Symptome (beispielsweise Klavierspielbewegungen der Finger, Grimassieren, Chamäleonzunge).
- Dystonie: Anhaltende Muskelkontraktionen, die zu verdrehten und sich wiederholenden Bewegungen oder abnormalen Haltungen führen.
- Bradykinesie: Verlangsamung der Bewegungen.
- Rigor: Muskelsteifheit.
- Gleichgewichtsstörungen: Erhöhtes Sturzrisiko.
- Schluckbeschwerden (Dysphagie): Schwierigkeiten beim Schlucken von Nahrung und Flüssigkeiten.
- Sprachstörungen (Dysarthrie): Schwierigkeiten beim Sprechen.
- Kognitive Symptome:
- Gedächtnisprobleme: Schwierigkeiten, sich an neue Informationen zu erinnern oder alte Informationen abzurufen.
- Aufmerksamkeitsdefizite: Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und aufrechtzuerhalten.
- Exekutive Dysfunktion: Schwierigkeiten beim Planen, Organisieren, Problemlösen und Treffen von Entscheidungen.
- Verlangsamtes Denken: Schwierigkeiten, Informationen schnell zu verarbeiten.
- Demenz: Fortschreitender Verlust der kognitiven Fähigkeiten.
- Psychiatrische Symptome:
- Depression: Anhaltende Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Verlust des Interesses an Aktivitäten.
- Angstzustände: Übermäßige Sorgen und Ängste.
- Reizbarkeit: Leichte Erregbarkeit und Ungeduld.
- Aggressivität: Feindseliges und gewalttätiges Verhalten.
- Zwangsstörungen: Wiederholte, unerwünschte Gedanken und Verhaltensweisen.
- Psychosen: Realitätsverlust, der sich in Halluzinationen und Wahnvorstellungen äußern kann.
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Betroffenen alle diese Symptome entwickeln und dass die Schwere der Symptome von Person zu Person unterschiedlich sein kann.
Diagnose
Besteht der Verdacht auf Chorea Huntington, ist es empfehlenswert, ein spezialisiertes Huntington-Zentrum mit entsprechend erfahrenen Neurologen aufzusuchen. Die Huntington-Krankheit ist selten. Hausärzte und manchmal sogar „normale“ Neurologen haben daher möglicherweise noch nie einen Patienten mit dieser Krankheit gesehen.
Die Diagnose von Chorea Huntington basiert auf einer Kombination aus:
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- Klinischer Untersuchung: Beurteilung der motorischen, kognitiven und psychiatrischen Symptome.
- Familienanamnese: Erhebung der Familiengeschichte, um festzustellen, ob andere Familienmitglieder von der Krankheit betroffen sind.
- Neurologische Untersuchung: Um das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen, werden Menschen mit Chorea Huntington neurologisch, neuropsychologisch und psychiatrisch untersucht. Diese Untersuchungen führen entweder erfahrene Ärzte oder speziell ausgebildete Neuropsychologen durch.
- Bildgebende Verfahren: Durch bildgebende Untersuchungen wie eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) des Gehirns lässt sich der Abbau einzelner Hirnbereiche darstellen, die bei Chorea Huntington besonders betroffen sind. Die elektrophysiologische Diagnostik untersucht die Hirnfunktion und liefert in Einzelfällen ebenfalls wichtige Hinweise bei Chorea Huntington. In der zerebralen Bildgebung (cMRT oder bei Kontraindikation cCT) kann eine Atrophie des Nucleus caudatus durch an den Vorderhörnern erweiterte Seitenventrikel nachgewiesen werden. Als Zeichen der Hirnatrophie tritt eine Verbreiterung der Rindenfurche auf. Die zerebrale Bildgebung dient auch dem Ausschluss symptomatischer Ursachen und dem Nachweis von Veränderungen, die pathognomonisch für einige als Differentialdiagnosen in Betracht kommende Erkrankungen sind.
- Gentest: Eine Blutuntersuchung, um die Mutation im HTT-Gen nachzuweisen. Gefestigt wird die Chorea-Huntington Diagnose durch eine Blutuntersuchung. Die übermäßig vielen Wiederholungen der gleichen Basenpaare (CAG) in einem bestimmten Gen auf dem Chromosom vier lassen sich mittels molekulargenetischer Untersuchung nachweisen. Auch für Gesunde mit einem erhöhten Risiko für Chorea Huntington besteht die Möglichkeit auf einen Gentest. Ärzte sprechen von einer Vorhersagediagnostik oder prädiktiven Diagnostik. Mit dieser Untersuchung lässt sich eindeutig feststellen, ob jemand an Chorea Huntington erkranken wird oder nicht. Das Wissen, Träger dieser Genveränderung zu sein, wirkt sich allerdings massiv auf die Psyche der Betroffenen aus. Daher gibt es Richtlinien zur Durchführung eines Gentests auf die Huntington-Krankheit. Die betreffenden Personen müssen unter anderem vorher genau über die Risiken aufgeklärt werden.
Behandlung
Aktuell gibt es keine Heilung für die Huntington-Krankheit. Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität. Sinnvoll ist hierbei ein multimodales Therapiekonzept, das an den individuellen Krankheitsverlauf angepasst ist.
- Medikamentöse Therapie:
- Tetrabenazin und Tiaprid: Zur Behandlung von Chorea (unkontrollierte Bewegungen). Aktuell sind zur Therapie von choreatischen Hyperkinsen Tiaprid (D2/D3-Dopaminrezeptor-antagonist) und Tetrabenazin zugelassen. Nach derzeitiger Studienlage ist Tetrabenazin am besten zur Therapie geeignet. Der große Nachteil liegt darin, dass als unerwünschte Arzneimittelwirkung eine Depression auftreten kann. Da Patienten mit Chorea Huntington sowieso zu Depressionen neigen, ist diese Nebenwirkung von besonderer Relevanz. In der Leitlinie wird daher empfohlen die antihyperkinetische Therapie mit Tiaprid zu beginnen, bei dem ein günstigeres Nebenwirkungsprofil vorliegt. Tetrabenazin soll laut Leitlinie in Kombination oder als Monotherapie eingesetzt werden, wenn die Behandlungsmöglichkeiten mit Tiaprid hinsichtlich Wirkung und Verträglichkeit ausgereizt sind. Eine Kombination der beiden Präparate kann auch zu einer Dosisreduktion der einzelnen Wirkstoffe genutzt werden, was die Nebenwirkungen reduziert.
- Antidepressiva: Zur Behandlung von Depressionen.
- Antipsychotika: Zur Behandlung von Psychosen, Reizbarkeit und Aggressivität.
- Andere Medikamente: Zur Behandlung anderer Symptome wie Schlafstörungen oder Angstzustände.
- Physiotherapie: Zur Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, des Gleichgewichts und der Koordination. Physiotherapie, Ergotherapie und Sprachtherapie können ebenfalls hilfreich sein, um die motorischen Fähigkeiten und die Kommunikation zu unterstützen. Zwei Studien konnten eine Verbesserung der Gangsicherheit durch Krankengymnastik belegen.
- Ergotherapie: Zur Verbesserung der Selbstständigkeit im Alltag. Außerdem lassen sich mit Ergotherapie die Aktivitäten des alltäglichen Lebens trainieren. Dies ermöglicht Menschen mit Chorea Huntington, länger selbstständig zu bleiben.
- Logopädie: Zur Verbesserung der Sprach- und Schluckfunktionen.
- Psychotherapie: Zur Bewältigung der emotionalen und psychischen Belastungen der Krankheit. Eine Psychotherapie hilft vielen Betroffenen, besser mit der Erkrankung umzugehen.
- Ernährungsberatung: Da viele Menschen mit Chorea Huntington im Laufe ihrer Krankheit stark abnehmen, ist eine kalorienreiche Ernährung sinnvoll. In einigen Fällen verbessert leichtes Übergewicht die Symptome der Chorea Huntington. Der Stoffwechsel von Patienten mit Chorea Huntington befindet sich in einem katabolen Zustand. Sie benötigen eine hochkalorische Kost mit ggf. sechs bis acht Mahlzeiten am Tag und ggf. eine hochkalorische Nahrungsergänzung.Liegen Schluckstörungen vor, kann das Andicken von Flüssigkeiten hilfreich sein. Je nach Verlauf kann eine frühe PEG-Anlage sinnvoll sein.
- Unterstützungsgruppen: Für Betroffene und ihre Familien, um sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Es gibt Selbsthilfegruppen, die Menschen mit Chorea Huntington und ihren Angehörigen helfen. Da der unwillkürliche Bewegungszwang zu einem sehr hohen Energieverbrauch führt und die Erkrankung zu Schluckstörungen führen kann, sollten die meisten Patienten zudem eine spezielle hochkalorische Diät erhalten, um Untergewicht zu vermeiden. Studien konnten zeigen, dass ein erhöhtes Stresslevel mit einem vermehrten Fortschreiten der Erkrankung einhergeht. Daher ist es besonders wichtig, den Betroffenen eine umfangreiche Unterstützung im Alltag anzubieten und so zu einer möglichst hohen Lebensqualität beizutragen. Dabei können Selbsthilfegruppen oder Vereine eine wichtige Stütze für Betroffene und Angehörige darstellen.
Forschung
Forschung und klinische Studien sind im Gange, um neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln, einschließlich genetischer Therapien, die darauf abzielen, die zugrunde liegende Ursache der Erkrankung anzugehen. Therapien, die den zugrunde liegenden Abbauprozess bei Chorea Huntington aufhalten, sind noch nicht bekannt. Es werden vielfältige neue Ansätze in der medikamentösen Chorea-Huntington-Therapie verfolgt, die sich aber bisher noch im Versuchsstadium befinden. Das Verständnis der Huntington-Krankheit hat in den letzten Jahren zugenommen, und es gibt Hoffnung auf neue therapeutische Ansätze in der Zukunft.
Lebenserwartung und Prognose
Die Chorea Huntington schreitet chronisch fort und kann nicht geheilt werden. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer liegt bei etwa 12-15 Jahren, sodass die Lebenserwartung auch maßgeblich davon abhängt, in welchem Alter die Erkrankung auftritt. Das 60. Lebensjahr wird nur von den wenigsten Patienten erreicht.
Dennoch können ein individuell angepasstes Behandlungsschema und pflegerische Unterstützung im Alltag dazu beitragen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
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