Gentests werden zunehmend zugänglicher und kostengünstiger, was sie zu einer attraktiven Option für die Früherkennung und potenziellen Behandlung von Krankheiten macht. Die Unternehmensberatung McKinsey stuft die Gensequenzierung sogar als einen der elf Megatrends der Zukunft ein. Allerdings warnen Experten vor ungenauen Testergebnissen und falschen Zusammenhängen. Dieser Artikel beleuchtet die Möglichkeiten und Grenzen der DNA-Sequenzierung im Zusammenhang mit der Huntington-Krankheit und gibt Entscheidungshilfen für oder gegen einen Gentest.
Was ist Chorea Huntington?
Chorea Huntington, auch Huntington-Krankheit oder Morbus Huntington genannt, ist eine seltene, autosomal-dominant vererbte neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Sie führt zu einer allmählichen Zerstörung bestimmter Hirnbereiche, insbesondere des Nucleus caudatus und des Putamen sowie des Cortex. Die Prävalenz in der mitteleuropäischen Bevölkerung liegt bei etwa 5-7:100.000.
Symptome
Die ersten Symptome treten meist im mittleren Erwachsenenalter zwischen dem 35. und 55. Lebensjahr auf, können aber auch in der frühen Kindheit oder erst im hohen Alter auftreten. Typische Symptome sind:
- Bewegungsstörungen: Unwillkürliche, ruckartige, schnelle, unregelmäßige Bewegungen (Chorea) von Armen, Beinen, Nacken, Rumpf und Gesicht. Diese Bewegungen nehmen bei Stress und körperlicher Aktivität zu und sind im Schlaf kaum vorhanden.
- Psychische Störungen: Wesensveränderungen wie Reizbarkeit, Impulskontrollstörung, Teilnahmslosigkeit, Depressionen, Angstzustände und Schlafstörungen. In einigen Fällen treten auch Zwanghaftigkeit und Psychosen auf.
- Geistiger Abbau: Nachlassen der intellektuellen Fähigkeiten bis hin zur Demenz.
Ursache und Vererbung
Ursache der Huntington-Krankheit ist eine Mutation im Huntingtin-Gen (HTT) auf Chromosom 4, bei der sich eine Sequenz von drei Basenpaaren (CAG) übermäßig oft wiederholt. Normalerweise weisen Menschen 6-26 CAG-Repeats auf, während Betroffene 40 oder mehr Repeats haben. Je höher die Anzahl der CAG-Repeats, desto früher bricht die Krankheit aus. Die Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt, d.h. bereits eine mutierte Genkopie reicht aus, um die Krankheit auszulösen. Das bedeutet, dass Kinder eines Betroffenen mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % die Krankheit erben.
Die Bedeutung von Gentests bei Chorea Huntington
Diagnostische Gentests
Die genetische Diagnostik dient der Sicherung der klinischen Verdachtsdiagnose bzw. der Differentialdiagnose bei Patienten, die bereits Symptome zeigen. Durch eine Blutuntersuchung kann die übermäßige Anzahl an CAG-Wiederholungen im HTT-Gen nachgewiesen werden.
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Prädiktive Gentests
Gesunde Risikopersonen, in der Regel erstgradig Verwandte von Betroffenen, können einen prädiktiven Gentest durchführen lassen, um festzustellen, ob sie die Genmutation tragen und somit im Laufe ihres Lebens an Chorea Huntington erkranken werden.
Ablauf eines prädiktiven Gentests
Ein prädiktiver Gentest sollte nur nach ausführlicher genetischer Beratung erfolgen, um die Risikoperson über die möglichen psychischen und sozialen Folgen des Testergebnisses aufzuklären. Die Richtlinien für die präsymptomatische Diagnostik sehen einen Zeitplan mit Mindestreflexionszeiten für jeden Beratungsabschnitt vor.
- Erstberatung: Informationen über Krankheitsverlauf, Genetik, Möglichkeiten der Frühdiagnostik und Therapie. Erörterung der Motivation für den Test und der möglichen Konsequenzen.
- Psychologische Betreuung: Unterstützung durch eine Psychologin und einen Sozialpädagogen während des gesamten Beratungsablaufs.
- Bedenkzeit: Mindestens drei Monate Bedenkzeit zwischen Erstberatung und Ergebnismitteilung.
- Ergebnismitteilung: Besprechung des Testergebnisses und Planung der weiteren Vorgehensweise.
- Nachbetreuung: Individuelle Nachbetreuung, um die Risikoperson bei der Bewältigung der Testergebnisse zu unterstützen.
Vorteile eines Gentests
- Klarheit: Ein Gentest kann Klarheit über den eigenen Genträgerstatus bringen und die quälende Ungewissheit beenden.
- Familienplanung: Das Wissen um den Genträgerstatus kann bei Entscheidungen zur Familienplanung helfen.
- Lebensplanung: Das Testergebnis kann Auswirkungen auf die Berufs- und Lebensplanung haben.
- Frühe Behandlung: In Zukunft könnten Gentests die Grundlage für eine frühzeitige Behandlung oder präventive Maßnahmen bilden.
Nachteile eines Gentests
- Psychische Belastung: Das Wissen um den Genträgerstatus kann zu Angst, Depressionen und sozialer Isolation führen.
- Diskriminierung: Es besteht die Gefahr der Diskriminierung durch Versicherungen oder Arbeitgeber.
- Keine Heilung: Derzeit gibt es keine Heilung für Chorea Huntington.
- Eingeschränkte Aussagekraft: Ein negativer Gentest schließt das Auftreten der Krankheit nicht vollständig aus, da es auch andere Ursachen für ähnliche Symptome geben kann.
Das Gendiagnostikgesetz (GenDG)
Das Gendiagnostikgesetz in Deutschland regelt die Durchführung von Gentests und soll den Einzelnen vor Diskriminierung aufgrund seiner genetischen Veranlagung schützen.
Wichtige Bestimmungen
- Arztvorbehalt: Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken dürfen nur in ärztlicher Verantwortung durchgeführt werden.
- Aufklärung und Beratung: Jeder Gentest muss durch eine umfassende Aufklärung und ein Beratungsangebot durch speziell qualifizierte Ärzte begleitet werden.
- Verbot von Diskriminierung: Arbeitgeber und Versicherungen dürfen keine genetischen Untersuchungen fordern oder die Ergebnisse verwenden.
- Recht auf Nichtwissen: Niemand darf zu einem Gentest gezwungen werden.
Chorea Huntington: Therapie und Forschung
Symptomatische Behandlung
Chorea Huntington ist derzeit nicht heilbar, daher konzentriert sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome. Medikamente wie Tiaprid und Tetrabenazin können die unwillkürlichen Bewegungen reduzieren. Antidepressiva können bei Depressionen und Angstzuständen helfen. Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie können die Lebensqualität verbessern.
Aktuelle Forschung
Die Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung von Therapien, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder aufhalten können. Vielversprechende Ansätze sind unter anderem:
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- Gentherapie: Ansätze zur Korrektur des Gendefekts oder zur Reduktion der Huntingtin-Produktion.
- Medikamente: Substanzen, die die Nervenzellen schützen und den fortschreitenden Neuronenuntergang aufhalten sollen.
- Identifizierung neuer Gene: Neue Forschungsergebnisse haben das Gen CHCHD2 mit dem Fortschreiten von Chorea Huntington in Verbindung gebracht. Dieses Gen spielt eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der normalen Mitochondrienfunktion und könnte ein mögliches therapeutisches Ziel darstellen.
Lifestyle-Tests und ihre Aussagekraft
Neben medizinischen Gentests gibt es auch Lifestyle-Tests, die angeblich Informationen über die perfekte Sportart, den idealen Partner oder die Herkunft liefern sollen. Experten halten diese Tests oft für unseriös und wenig aussagekräftig.
Fazit: Gentest ja oder nein?
Die Entscheidung für oder gegen einen Gentest bei Chorea Huntington ist eine sehr persönliche und sollte gut überlegt sein. Es ist wichtig, sich umfassend über die Möglichkeiten und Grenzen der Gentests zu informieren und sich von einem Humangenetiker beraten zu lassen.
Entscheidungshilfen
Ein Gentest kann sinnvoll sein, wenn:
- Eine familiäre Vorbelastung für Chorea Huntington besteht.
- Eine klare Vorstellung von den Konsequenzen des Testergebnisses vorhanden ist.
- Eine psychologische Betreuung gewährleistet ist.
- Das Wissen um den Genträgerstatus für die Lebensplanung relevant ist.
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