Vaskuläre Demenz ist die zweithäufigste Form der Demenz und betrifft in Deutschland schätzungsweise 250.000 Menschen. Sie entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu einer Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten führen. Diese Störungen verursachen Schäden an den Blutgefäßen, die das Gehirn mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen, was zum Absterben von Hirnzellen führt. Im Folgenden werden die Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapiemöglichkeiten dieser Erkrankung detailliert erläutert.
Was ist vaskuläre Demenz?
Vaskuläre Demenz ist ein medizinischer Fachbegriff für Demenz-Erkrankungen, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht werden. Sie zählt neben der Alzheimer-Krankheit zu den häufigsten Demenz-Erkrankungen. Etwa 15 bis 20 Prozent aller Menschen mit Demenz haben diese Form. Vor allem sehr alte Menschen mit Demenz zeigen häufig Anzeichen für beide Erkrankungen, was die Abgrenzung erschwert.
Ursachen der vaskulären Demenz
Verschiedene Veränderungen der Gefäße und des Herz-Kreislauf-Systems können vaskuläre Demenz zur Folge haben.
Verengung kleiner Blutgefäße
Die häufigste Ursache ist eine Erkrankung der kleinen Blutgefäße im Gehirn (zerebrale Mikroangiopathie). Dabei werden die hirneigenen Blutgefäße durch Ablagerungen und Wandverdickungen so eng, dass die abhängigen Bereiche des Gehirns nicht mehr genügend Sauerstoff erhalten. Diese Form der Mangeldurchblutung kann langsam voranschreiten und sich ausbreiten oder zu einzelnen oder mehreren kleinen Schlaganfällen führen.
Blutgerinnsel
Eine andere Ursache der vaskulären Demenz sind Blutgerinnsel aus Halsarterien oder dem Herzen, welche hirnversorgende Gefäße verstopfen. Durch den plötzlichen Verschluss des zuführenden Gefäßes stirbt das nachgeschaltete Hirngewebe ab, was als Hirninfarkt bezeichnet wird. Die Blutgerinnsel entstehen an Ablagerungen in den Halsgefäßen (Arteriosklerose) oder im Herzen, beispielsweise beim Vorhofflimmern. Treten mehrere kleine Hirninfarkte an verschiedenen Orten auf und führen zu vaskulärer Demenz, spricht man von einer Multiinfarkt-Demenz. Aber auch ein einzelner Hirninfarkt kann Demenz auslösen, wenn er eine für die geistige Leistung wichtige Region betrifft. Wird eine größere Schlagader durch ein Blutgerinnsel verlegt, stirbt auch ein größerer Bereich des nachgeschalteten Hirngewebes ab. Mindestens ein Viertel der Menschen mit einem solchen Schlaganfall entwickeln im weiteren Verlauf eine Demenz.
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Blutungen im Gehirn
Deutlich seltener wird vaskuläre Demenz durch Blutungen im Gehirn verursacht.
Risikofaktoren für vaskuläre Demenz
Ein weiterer Risikofaktor ist eine ungesunde Lebensweise. Zu den Hauptrisikofaktoren gehören - neben einem höheren Lebensalter - Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen.
Symptome der vaskulären Demenz
Die Symptome der vaskulären Demenz können je nach betroffenem Hirnareal und Ausmaß der Schädigung variieren. Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz steht die nachlassende Gedächtnisleistung weniger im Vordergrund. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung
- Verlangsamung, zum Beispiel von Denkprozessen
- Vergesslichkeit
- Erschwerte Umsetzung von Alltagsaufgaben
- Antriebsstörung bis hin zu Teilnahmslosigkeit (Apathie)
- Rasche geistige und körperliche Erschöpfung
Zusätzlich können folgende körperliche Symptome auftreten:
- Gangstörungen
- Verlust der Kontrolle über die Blase, zum Beispiel verstärkter Harndrang oder Inkontinenz
- Probleme beim Schlucken und Sprechen
- Grundloses Lachen und Weinen
- Schwindelgefühl
Sind größere Hirnregionen von einer plötzlichen Minderdurchblutung betroffen, kann es zu Schlaganfallsymptomen wie Lähmungen, Taubheitsgefühlen und Sehstörungen kommen. Ganz allgemein lassen bei einer Demenz-Erkrankung die geistigen Fähigkeiten immer mehr nach, bis sie schließlich ganz verloren gehen.
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Diagnose der vaskulären Demenz
Um bei einem Verdacht auf eine Demenz-Erkrankung eine möglichst genaue Diagnose zu stellen, setzen Ärztinnen und Ärzte unterschiedliche Methoden ein.
Neuropsychologische Tests
Mithilfe von neuropsychologischen Tests lässt sich herausfinden, welche Gehirnleistungen betroffen sind und wie stark zum Beispiel das Gedächtnis oder das Konzentrationsvermögen beeinträchtigt sind. Die jeweilige Leistungsfähigkeit kann in Zahlenwerten gemessen werden. Die Ärztin oder der Arzt vergleicht diese dann mit Durchschnittswerten der Bevölkerung. Die neuropsychologische Untersuchung hat zwei Ziele:
- Den empfundenen geistigen Abbau objektivieren, indem man ihn messbar macht. Es zeigt sich also, ob die von der Person empfundenen Defizite tatsächlich vorhanden sind.
- Feststellen, welche Kombination von Symptomen im individuellen Fall vorliegt. Daraus ergeben sich wichtige Hinweise auf die Ursache einer Demenz.
Bildgebende Verfahren
Außerdem wird das Gehirn mit bildgebenden Verfahren untersucht, um digitale Schnittbilder des Gehirns zu erstellen. Das ermöglicht, chronische Durchblutungsstörungen und frühere Hirninfarkte oder Hirnblutungen nachzuweisen. Hierfür kommen die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz. Ultraschall-Untersuchungen der Halsgefäße und spezielle CT- und MRT-Aufnahmen der Hirnschlagadern dienen dazu, Verengungen zu erkennen, die Durchblutungsstörungen im Gehirn verursachen können.
Untersuchung der Herz-Kreislauf-Funktionen
Zusätzlich nimmt die Ärztin oder der Arzt Blut ab und misst den Blutdruck, um mögliche Risiko-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhte Cholesterinwerte zu erkennen. Außerdem wird ein Langzeit-Elektrokardiogramm (EKG) gemacht, um beispielsweise Vorhofflimmern zu entdecken.
Therapie der vaskulären Demenz
Demenz ist bislang nicht heilbar. Ziel der Behandlung ist es, die Beschwerden bestmöglich zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung so gut es geht zu verlangsamen. Da Durchblutungsstörungen die Ursache der vaskulären Demenz sind, ist es besonders wichtig, bestehende Risiko-Erkrankungen zu behandeln. So kann die Gefahr verringert werden, dass noch mehr Hirngewebe abstirbt.
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Behandlung von Risiko-Erkrankungen
Bluthochdruck, Diabetes mellitus und zu hohe Cholesterinwerte lassen sich gut durch Änderungen des Lebensstils und mit Medikamenten behandeln. Bei Herzerkrankungen wie Vorhofflimmern, koronarer Herzkrankheit oder Herzschwäche wird ebenfalls gezielt therapiert. Wenn Blutgerinnsel im Gehirn aufgetreten sind, kommen gerinnungshemmende Medikamente zum Einsatz - ASS bei Gefäßleiden und Gerinnungshemmer bei Vorhofflimmern. So lassen sich weitere Schlaganfälle verhindern. Ist eine stark verengte Halsschlagader die Ursache, kann die Engstelle auch durch eine Operation oder einen Stent behandelt werden.
Medikamente gegen Demenz
Für die Alzheimer-Demenz gibt es Medikamente, durch die sich die Symptome mitunter abschwächen lassen. Hierzu zählen Cholinesterasehemmer und Memantin. Diese Medikamente wirken allerdings nur vorübergehend und haben keinen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung. Bei vaskulärer Demenz sind sie unwirksam, zudem können sie Nebenwirkungen verursachen. Sie sollten daher bei einer rein gefäßbedingten Demenz eher nicht eingesetzt werden. Bei Bedarf verschreiben Ärztinnen und Ärzte Psychopharmaka, um Symptome wie Unruhe, Angst, Reizbarkeit, aggressives Verhalten, Schlafstörungen und Depressionen zu lindern. Vorab ist es jedoch wichtig, andere Ursachen für die psychischen Symptome auszuschließen.
Nicht-medikamentöse Begleit-Therapien
Menschen mit Demenz benötigen in der Regel eine langfristige Begleitung und Behandlung. Daran sind Fachkräfte aus Medizin, Psychologie, Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie und Sozialarbeit beteiligt.
Es gibt verschiedene Ansätze, eine vaskuläre Demenz ohne Medikamente zu behandeln. Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und somit die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten zu verbessern. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen. Vaskuläre Demenz kann mit Gesprächen (kognitive Stimulation) oder Erinnerungsarbeit (autobiographische Arbeit) behandelt werden. Körperliche Betätigung oder Kunsttherapie können geeignete Behandlungsmethoden darstellen.
Kognitive Stimulation
Für Menschen mit leichter bis mittelschwerer Demenz gibt es unterschiedliche Übungen im Rahmen der sogenannten kognitiven Stimulation. Beispiele sind Rechenaufgaben, Orientierungstrainings, Gesprächsübungen und kreative Arbeit, wie Malen, Basteln oder Töpfern.
Reminiszenz-Therapie
Bei einer Reminiszenz-Therapie besteht die Möglichkeit, in Einzel- oder Gruppengesprächen beispielsweise von der Kindheit, Schulzeit oder dem früheren Beruf zu erzählen. Diese Therapie soll geistige Fähigkeiten wie Erinnerungsvermögen und sprachliche Ausdrucksfähigkeit fördern, aber auch die Lebensqualität verbessern. Studien weisen darauf hin, dass die Reminiszenz-Therapie die Stimmung heben und die geistige Leistungsfähigkeit etwas verbessern kann.
Ergotherapie
Die Ergotherapie ist eine wirksame Möglichkeit zum Training von Alltagsfertigkeiten wie zum Beispiel Anziehen oder Haushaltsarbeiten. Ergotherapeutinnen und -therapeuten helfen dabei, das Leben so eigenständig wie möglich zu gestalten. Dazu bieten sie verschiedene Übungen und Aktivitäten an, beraten und schlagen Anpassungen im Alltag vor. Ergotherapie kann auch Konzentrations- und Gedächtnistraining beinhalten.
Körperliche Aktivität
Wie bei vielen anderen Erkrankungen auch, hat körperliche Aktivität bei vaskulärer Demenz gesundheitliche Vorteile. Es ist wichtig, in Bewegung zu bleiben, um beispielsweise Bettlägerigkeit zu vermeiden. Studien zeigen, dass Menschen mit Demenz, die an Bewegungsprogrammen teilnehmen, dadurch länger mobil sein können. Kombinierte Programme zur Verbesserung von Kraft, Beweglichkeit und Gleichgewicht können helfen, Alltagsaktivitäten länger selbstständig zu erledigen. Sie bestehen beispielsweise aus Gehübungen, Gymnastik (auch im Wasser), Kräftigungs- und Konditionstraining. Solche Trainings finden etwa 2- bis 3-mal pro Woche für 30 bis 60 Minuten statt. Bei einer Demenz ist auch sogenannter Reha-Sport in festen Gruppen möglich.
Musiktherapie
Musiktherapie wird in Einzel- (persönlich abgestimmt) oder in Gruppensitzungen angeboten. Dabei wird je nach Angebot und Möglichkeit aktiv Musik gemacht - zum Beispiel gesungen - oder (passiv) Musik gehört.
Medikamentöse Vorbeugung weiterer Schlaganfälle
Um weiteren Schlaganfällen und damit erneuten Schäden im Gehirn vorzubeugen, können Medikamente eingesetzt werden.
- Blutdrucksenker: Ein zu hoher Blutdruck kann Gefäßschäden und als Folge neue Schlaganfälle und Hirnblutungen verursachen, ist aber gut mit Medikamenten in den Griff zu bekommen.
- Statine: Statine sind Medikamente, die Schlaganfällen und Herzinfarkten vorbeugen können. Sie verringern den Anteil bestimmter Fette (LDL-Cholesterine) im Blut.
- Plättchenhemmer: Liegt als Grunderkrankung eine Arteriosklerose (Gefäßverengung) vor, kann ein Plättchenhemmer das Risiko für Gefäßschäden durch Blutgerinnsel senken. Diese Medikamente werden auch Thrombozyten-Aggregationshemmer genannt. Hierzu zählen ASS und Clopidogrel.
- Orale Antikoagulanzien (OAKs): OAKs wirken stärker als Plättchenhemmer. Sie werden zum Beispiel zur Vorbeugung von Blutgerinnseln bei Vorhofflimmern eingesetzt. Bei dieser Herzerkrankung besteht ein hohes Schlaganfallrisiko.
Medikamente gegen Verhaltensauffälligkeiten
Sind Wesen und Verhalten durch die Demenz beeinflusst, kommen sowohl Medikamente (Psychopharmaka) als auch nicht medikamentöse Behandlungen infrage. Am Anfang steht eine genaue Erfassung der Situation. Ziel ist es, Faktoren in der Umgebung herauszufinden, wie zum Beispiel Konflikte oder Lärmstörungen, die beseitigt werden und so zu einer Entlastung führen können. Psychopharmaka kommen erst infrage, wenn andere Maßnahmen nicht helfen.
Unterstützung für Angehörige
Für Angehörige gibt es praktische Unterstützungsangebote und Schulungen. Sie sollen helfen, die Krankheit besser zu verstehen und im Alltag mit ihr zurechtzukommen. Praktische Angebote umfassen Informationen über Leistungen der Kranken- und Pflegekassen und über finanzielle Hilfen. Die psychosoziale Beratung unterstützt bei der Antragstellung und berät unter anderem dazu, wie man mit schwierigen Situationen im Pflegealltag umgehen kann. Für Angehörige ist es hilfreich, in die Diagnose und Behandlungsplanung eingebunden zu sein. Da die Betreuung und Pflege für Angehörige belastend sein kann, gibt es Angebote, in denen man Bewältigungsstrategien erlernen kann. Das soll die Belastung senken und kommt dann auch der oder dem Erkrankten zugute. Unterstützung für Angehörige kann persönlich, aber auch telefonisch oder per Videoanruf genutzt werden - je nachdem, was besser in den Alltag passt.
Verlauf und Prognose
Je nachdem, wo die Durchblutungsstörung im Gehirn auftritt und welche Ursache sie hat, treten bei der vaskulären Demenz unterschiedliche Symptome auf. Dadurch kann sie sehr unterschiedlich verlaufen. Liegt eine Durchblutungsstörung der kleinen Hirngefäße vor (Mikroangiopathie), nimmt die geistige Leistungsfähigkeit immer weiter ab. Wenn einzelne Hirninfarkte die vaskuläre Demenz verursachen, kann diese manchmal auf einem bestimmten Stand stehen bleiben und sich auch leicht bessern. Treten wiederholt Schlaganfälle auf, kann sich der Gesundheitszustand schrittweise verschlechtern. Aufgrund von gleichzeitig bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben Menschen mit vaskulärer Demenz oft früher als Menschen mit Alzheimer-Demenz.
Die Lebenserwartung bei einer vaskulären Demenz variiert stark und hängt davon ab, wie schwer die Erkrankung ist und ob weitere Erkrankungen vorliegen.
Prävention
Um einer vaskulären Demenz vorzubeugen, ist die Behandlung der Gefäßrisikofaktoren entscheidend. Einer vaskulären Demenz beugt man vor, indem man einem Schlaganfall vorbeugt. Wer sich regelmäßig bewegt, kann (weiteren) Schlaganfällen vorbeugen. Sport und Bewegung sowie eine ausgewogene und gesunde Ernährung können dabei helfen. sein.
Was bedeutet vaskuläre Demenz für Betroffene und Angehörige?
Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung. Mit der Zeit ist es betroffenen Menschen immer weniger möglich, Aktivitäten des täglichen Lebens nachzugehen. Die selbstständige Lebensführung wird schwieriger. Im fortgeschrittenen Stadium benötigen Menschen mit Demenz umfassende Unterstützung im Alltag und meist dauerhafte Pflege. Je weiter eine Demenz fortschreitet, umso mehr nimmt die Selbstständigkeit ab. Irgendwann ist es erkrankten Menschen nicht mehr möglich, eigenständig wichtige Entscheidungen zu fällen. Daher ist es ratsam, möglichst im frühen Stadium der Erkrankung gezielte Vorkehrungen hinsichtlich Betreuung und Vorsorge zu treffen: Mit einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung lässt sich regeln, wer später Aufgaben in der Versorgung übernehmen und Entscheidungen treffen soll.
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