Ein Schlaganfall kann das Leben eines Menschen grundlegend verändern. Viele Betroffene erleben körperliche und geistige Einschränkungen, die eine langsame Erholung erfordern. Die Rehabilitation spielt eine entscheidende Rolle, um verlorene Fähigkeiten wiederzuerlangen und den Alltag wieder selbstständig bewältigen zu können. Dieser Artikel bietet einen detaillierten Überblick über die Rehabilitation in den ersten drei Monaten nach einem Schlaganfall, einschließlich der verschiedenen Therapieansätze und ihrer Bedeutung.
Akutbehandlung im Krankenhaus
Die Behandlung eines Schlaganfalls beginnt idealerweise auf einer spezialisierten Station im Krankenhaus, der sogenannten Stroke Unit. Hier liegt der Fokus darauf, die akuten Folgen des Schlaganfalls zu minimieren und dauerhafte Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Je schneller und effektiver die initiale Behandlung, desto geringer sind die zu erwartenden Langzeitschäden. Die Krankenhausbehandlung dauert in der Regel ein bis zwei Wochen.
Bedeutung der Rehabilitation
Die Rehabilitation (Reha) beginnt bereits während des Krankenhausaufenthaltes und wird anschließend in einer Rehaklinik und zu Hause fortgesetzt. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Genesung, da sie dazu beiträgt:
- Selbstständigkeit wiederzuerlangen
- Mit Einschränkungen umzugehen
- Folgen des Schlaganfalls wie Lähmungen, Sprachstörungen, Gedächtnisprobleme und Depressionen zu lindern
- Sich auf die Rückkehr nach Hause und das Alltagsleben vorzubereiten
- Angehörige zu unterstützen
Besonders wichtig ist die Reha in den ersten sechs Monaten nach dem Schlaganfall, da in diesem Zeitraum die größten Fortschritte erzielt werden können.
Individuelle Behandlungsziele
Die Behandlungsziele werden gemeinsam mit den therapeutischen Fachkräften festgelegt. Sie hängen von verschiedenen Faktoren ab, darunter:
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- Schwere der Beeinträchtigungen
- Erreichbarkeit der Ziele durch die einzelnen Maßnahmen
- Persönliche Bedürfnisse des Patienten
Konkrete und realistische Ziele können helfen, die Motivation während der Rehabilitation aufrechtzuerhalten und diese optimal zu nutzen.
Neuroplastizität: Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns
Das Gehirn besitzt eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit, die sogenannte Neuroplastizität. Neue Nervenverbindungen können sich immer wieder bilden, selbst im höheren Alter. Wenn ein bestimmter Bereich im Gehirn ausfällt, kann ein anderer dessen Aufgabe übernehmen. Dadurch kann der Körper Störungen wie Sprachprobleme oder Lähmungen ausgleichen. Dies bedeutet nicht, dass Einschränkungen vollständig verschwinden, aber sie können oft gelindert werden.
Gezieltes Training kann die entsprechenden Gehirnbereiche aktivieren. Der Prozess erfolgt schrittweise, beginnend mit einfachen Übungen, oft mit Hilfsmitteln und unter Anleitung von Therapeuten. Wenn diese gelingen, folgen komplexere und eigenständigere Übungen. So können Fähigkeiten nach und nach wiedererlangt oder Einschränkungen minimiert werden.
Therapieansätze in der Rehabilitation
Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall umfasst verschiedene Therapieansätze, die darauf abzielen, spezifische Beeinträchtigungen zu behandeln und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.
Physiotherapie / Krafttraining
Physiotherapie und Krafttraining sind essenziell, um die motorischen Fähigkeiten wiederherzustellen. Wer im Rollstuhl sitzt oder bettlägerig ist, kann beispielsweise üben, von einem Stuhl oder aus dem Bett aufzustehen und einige Schritte zu gehen. Durch das Training von Gleichgewicht, Kraft und Ausdauer kann man lernen, wieder sicherer zu gehen. Auch Einschränkungen von Arm und Hand lassen sich mit Übungen mindern - zum Beispiel, indem der gelähmte Arm verstärkt benutzt wird. Dies kann auch Schulterschmerzen vorbeugen.
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Logopädie
Viele Menschen haben nach einem Schlaganfall Schwierigkeiten, Sätze zu bilden oder Worte zu finden. Auch undeutliche Aussprache oder Schluckstörungen können auftreten. Logopädie umfasst gezielte Übungen zur Behandlung dieser Beeinträchtigungen.
Ergotherapie
Ergotherapie zielt darauf ab, die Fähigkeiten zu verbessern, die für ein möglichst selbstständiges Leben notwendig sind. Dazu gehören das Training von Alltagsfertigkeiten wie Anziehen oder selbstständig essen, aber auch Wahrnehmungs- und Konzentrationsübungen. Bei Bedarf wird geübt, Hilfsmittel wie Rollatoren zu benutzen.
Neuropsychologische Therapie
Dieses psychotherapeutische Verfahren wurde speziell für Menschen mit Hirnverletzungen entwickelt. Es dient dazu, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung zu trainieren. Zudem hilft es, mit den Einschränkungen im Alltag umzugehen und sie emotional zu bewältigen.
Pflege
Eine aktivierende Pflege unterstützt beim Essen, Waschen, An- und Auskleiden. Pflegekräfte zeigen, wie man sich trotz Einschränkungen selbst helfen kann.
Armrehabilitation
Armlähmungen gehören zu den häufigsten Folgen eines Schlaganfalls. Die Ausprägung der Lähmung kann variieren, von leichten Einschränkungen bis hin zu schweren Lähmungen, bei denen der Arm kaum oder gar nicht eingesetzt werden kann.
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Ursachen von Armlähmungen
Armlähmungen entstehen, wenn der motorische Kortex im Gehirn oder die Nervenleitbahnen vom motorischen Kortex zum Rückenmark geschädigt sind. Dies führt zu einer Störung der Bewegungskontrolle.
Therapeutische Ansätze
In der Armrehabilitation gibt es verschiedene therapeutische Ansätze:
- Klassische Therapieformen: Ergo- und Physiotherapie ohne technische Geräte, um den betroffenen Arm aktiv zu trainieren.
- Zirkeltraining: Besonders bei leichten bis mittelschweren Lähmungen, mit passiven mechanischen Trainingsgeräten und virtuellen Realitäts-Anwendungen.
- Tägliches Eigentraining und Training mit Therapeuten: Kombination aus Eigentraining und therapeutischer Begleitung zur Verbesserung der Arm-Handaktivitäten.
- Geräteunterstützte Therapien: Neuromuskuläre Elektrostimulation, Robot-Therapie, virtuelle Realitätsanwendungen sowie sensible Stimulation und Akupunktur.
- Arm-Basis-Training: Wiederholtes Üben der Bewegungsfähigkeit in den verschiedenen Abschnitten von Arm, Hand und Fingern.
- Arm-Fähigkeits-Training: Tägliches Training von Präzision und Geschwindigkeit bei verschiedenen Armfunktions-Anforderungen.
- Bewegungsinduktionstherapie (CIMT): Spezielle Therapie für Schlaganfall-Betroffene mit "erlerntem Nicht-Gebrauch" des betroffenen Arms.
- Spiegeltherapie: Der Patient betrachtet im Spiegel die Bewegung seiner nicht gelähmten Hand, wodurch die Illusion einer normalen Bewegung der gelähmten Hand entsteht.
- Mentales Training: Verbesserung der Armfunktion durch mentales Training.
- Neuromuskuläre Elektrostimulation: Elektrische Stimulation von Nerven und Muskeln am Arm, um Bewegungen zu erzeugen.
- Arm-Therapie-Roboter: Mechanische Unterstützung von Schulter-, Ellenbogen-, Unterarm-, Handgelenks- oder Fingerbewegungen.
- Sensible Stimulation: Verschiedene Formen der sensiblen Stimulation als Zusatztherapie.
Repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS)
Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) ist ein nicht-invasives Verfahren, um die kortikale Aktivität zu beeinflussen und die Funktionserholung nach einem Schlaganfall zu unterstützen.
Funktionsweise der rTMS
Bei der TMS wird über eine auf dem Kopf aufliegenden Spule ein starkes Magnetfeld generiert, welches im Hirngewebe ein elektrisches Feld induziert. Dieses führt zur Depolarisation von Neuronen und zur Augmentation von Neuroplastizität.
Therapeutische Anwendung der rTMS
Durch die Stimulation können Nacheffekte erzielt werden, die über die Zeit der reinen Stimulation hinausgehen. Abhängig von den Stimulationsparametern kann eine die Erregbarkeit inhibierende oder fazilitierende Wirkung unterschieden werden.
- Hochfrequente rTMS/iTBS: Wird über dem ipsiläsionellen primär motorischen Kortex (M1) angewendet, um die motorische Erholung zu fördern.
- Niederfrequente rTMS: Wird über dem kontraläsionellen M1 angewendet, um die Überaktivität zu reduzieren und pathologische Inhibitionsphänomene zu verbessern.
Studienergebnisse zur rTMS
Studien haben gezeigt, dass rTMS, insbesondere in Kombination mit Physiotherapie, motorische Defizite reduzieren kann. Eine Metaanalyse bestätigte, dass sowohl hochfrequente als auch niedrigfrequente rTMS innerhalb der ersten 3 Monate nach Schlaganfall signifikante Verbesserungen der Funktion der oberen Extremität bewirken können.
Neurologische vs. geriatrische Rehabilitation
Für ältere Schlaganfall-Patienten kommen grundsätzlich zwei medizinische Fachrichtungen in Frage: die neurologische und die geriatrische Rehabilitation. In der neurologischen Rehabilitation erhalten Patienten deutlich mehr Therapie-Einheiten als in der geriatrischen Rehabilitation. Studien haben gezeigt, dass auch ältere Patienten von der neurologischen Rehabilitation profitieren. Die geriatrische Rehabilitation richtet sich hauptsächlich an ältere Menschen mit mehreren Vorerkrankungen.
Stationäre vs. ambulante Rehabilitation
Neben der stationären Rehabilitation gibt es auch ambulante Rehabilitationszentren. Diese haben den Vorteil, dass Patienten abends und am Wochenende Zuhause sind und im heimischen Umfeld erproben können, ob das Training mit den Therapeuten sie gut auf die Aktivitäten ihres täglichen Lebens vorbereitet. Voraussetzung für eine ambulante Rehabilitation ist, dass Patienten in der Lage sind, sich selbst zu versorgen oder die Versorgung im heimischen Umfeld gesichert ist.
Ablauf einer stationären neurologischen Rehabilitation
Der Ablauf einer stationären neurologischen Rehabilitation ist in allen Kliniken vergleichbar. Nach einer Eingangsuntersuchung und einem Aufnahmegespräch werden Therapieziele formuliert und ein Therapieplan erstellt. Ziel ist es, verlorengegangene Funktionen so weit wie möglich wiederherzustellen oder Kompensationsstrategien einzuüben. Ein weiteres Ziel ist es, Patienten bei einer notwendigen Umstellung des Lebensstils zu unterstützen, um einen wiederholten Schlaganfall zu vermeiden.
Die Rolle der Angehörigen
Die Unterstützung durch das soziale Umfeld, insbesondere durch die Familie, spielt eine entscheidende Rolle im Rehabilitationsprozess. Angehörige können helfen, die erlernten Übungen zu Hause fortzusetzen und den Patienten emotional zu unterstützen.
Wiedereingliederung in den Alltag und Beruf
Nach dem Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik werden die Maßnahmen meist ambulant fortgeführt. Der Sozialdienst der Rehabilitationsklinik organisiert dies vor der Entlassung und prüft, ob zu Hause spezielle Hilfsmittel nötig sind oder die Wohnung anders gestaltet werden muss.
Berufstätigkeit
Für Menschen, die noch berufstätig sind, gibt es verschiedene Wiedereingliederungshilfen, wie das „Hamburger Modell“, das eine schrittweise Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglicht. Dabei wird gemeinsam mit dem Arbeitgeber geplant, welche Tätigkeiten nach der Erkrankung möglich sind und ob besondere Unterstützung nötig ist.
Sport und Bewegung
Sportvereine bieten Rehasport an, an dem auch Menschen nach einem Schlaganfall teilnehmen können. Dabei wird in Gruppen Ausdauer, Kraft und Koordination trainiert - beispielsweise mit Gymnastik, Bewegungsspielen oder Schwimmen.
Langfristige Perspektiven
Die meisten Verbesserungen zeigen sich in den ersten sechs Monaten nach dem Schlaganfall. Vor allem bei Jüngeren lassen sich die Einschränkungen auch danach noch deutlich lindern. Aber auch einige ältere Menschen können sich Jahre nach dem Schlaganfall noch erholen. Wie gut die Erholungschancen sind, hängt vor allem davon ab, welche Gehirnregion vom Schlaganfall betroffen ist und wie schwer dieser war. Es hilft, über die Therapiestunden in der Reha hinaus selbstständig zu trainieren und die Übungen regelmäßig zu wiederholen.
Organisation der Rehabilitation
Die Mitarbeiter im Krankenhaus stellen den Antrag und organisieren die Verlegung in eine Rehabilitationsklinik. Zuständig sind der Sozialdienst und das „Entlassmanagement“ des Krankenhauses. Die Rehabilitation wird bei der Rentenversicherung oder der Krankenkasse beantragt. Diese bewilligen die Reha zunächst für drei Wochen, die bei Bedarf verlängert werden kann.
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