Die vaskuläre Demenz ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste Form der Demenz. Sie macht etwa 10 bis 15 Prozent aller Demenzerkrankungen aus, wobei weitere 20 Prozent auf Mischformen der vaskulären und der Alzheimer-Demenz entfallen. Schätzungsweise sind 0,3 Prozent der Bevölkerung von dieser Erkrankung betroffen. Im Jahr 2018 lebten in Deutschland geschätzt knapp 1,6 Millionen Menschen ≥ 65 Jahre mit Demenz. Ohne Therapiedurchbruch könnte sich die Anzahl der Fälle im Jahr 2030 auf bis zu 1,9 Millionen und im Jahr 2050 auf bis zu 2,8 Millionen erhöhen.
Einführung in die vaskuläre Demenz
Die vaskuläre Demenz entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn, die dazu führen, dass Hirnzellen geschädigt werden oder absterben. Dies kann unterschiedliche Bereiche des Gehirns betreffen. Die Symptome und ihr Verlauf werden erfasst, um festzustellen, ob überhaupt eine Demenz vorliegt und ob es sich um eine vaskuläre Demenz handeln könnte. Bei der vaskulären Demenz ist es sehr unterschiedlich, welche Symptome im Vordergrund stehen oder auftreten. Dies hängt von der Art der Schädigung im Gehirn ab und davon, wo sie entstanden ist. Je nach Ursache können die Symptome plötzlich, schleichend oder schrittweise auftreten. Auch im weiteren Verlauf können sich die Symptome entweder schleichend oder plötzlich verschlechtern. Dazwischen kann es auch längere stabile Phasen geben.
Pathophysiologie der vaskulären Demenz
Eine "vaskuläre Demenz" entsteht durch eine gestörte Blutversorgung des Hirngewebes. Dies führt zu einer Minderdurchblutung im Gehirn (zerebrale Ischämie), die Nervenzellen absterben lässt. Je nach Mechanismus dieser Durchblutungsstörung unterscheiden Mediziner verschiedene Formen von vaskulärer Demenz:
- Multiinfarktdemenz: Entsteht durch mehrere kleine Hirninfarkte (ischämische Schlaganfälle), die gleichzeitig oder zeitlich versetzt auftreten und eine kritische Masse an Nervengewebe absterben lassen.
- Subkortikale vaskuläre Demenz (SVE): Wird durch eine Verdickung der Wände von kleinen Blutgefäßen bedingt, die tiefer liegende Hirnbereiche mit Blut versorgen. Es kommt in der Folge zu kleinen Infarkten (Lakunen) und einer Schädigung von Nervenfasern (Marklagerschäden). Mediziner sprechen von der subkortikalen vaskulären Enzephalopathie (SVE).
- Gemischte (kortikale und subkortikale) vaskuläre Demenz
- Strategic infarct dementia: Wird durch einen einzelnen, manchmal auch nur kleinen Infarkt an einer strategisch wichtigen Stelle (wie dem Thalamus) verursacht, der zu einer Unterbrechung von Leitungsbahnen führt.
- Hemorrhagic dementia: Ist die Folge von kleineren oder größeren Hirnblutungen (nach Hirninfarkten die zweite große Gruppe von Schlaganfall).
Neuere Untersuchungen weisen auf eine Rolle multipler Mikroinfarkte hin.
Ursachen und Risikofaktoren der vaskulären Demenz
Die vaskuläre Demenz wird durch eine Schädigung der Blutgefäße im Gehirn verursacht. Die Gefäße können das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen, wodurch wichtige kognitive Funktionen eingeschränkt werden.
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Zu den typischen Ursachen gehören:
- Schlaganfälle: Verschließen eine Hirnarterie und können eine vaskuläre Demenz verursachen.
- Stille Schlaganfälle: Verlaufen ohne spürbare Symptome, erhöhen aber ebenfalls das Demenzrisiko.
- Arteriosklerose (Arterienverkalkung) und Bluthochdruck: Führen meist schleichend zu Beschwerden.
Verschiedene Faktoren begünstigen eine vaskuläre Demenz. Dazu zählen zum Beispiel Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), erhöhter Cholesterinspiegel, Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen. Wer sich regelmäßig bewegt, kann (weiteren) Schlaganfällen vorbeugen.
Symptome der vaskulären Demenz
Bei vaskulärer Demenz können zu Beginn vor allem Probleme mit Aufmerksamkeit, verlangsamtem Denken sowie Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Dazu können Gangstörungen oder Kontrollverluste der Blase sowie Probleme mit der Sprache kommen. Auch Gedächtnisstörungen können auftreten, stehen aber zu Beginn nicht immer im Vordergrund.
Menschen mit vaskulärer Demenz fällt es schwer, zusammenhängend zu sprechen, aufmerksam zuzuhören und sich zu orientieren. Sie wirken dadurch oft verwirrt. Es treten auch Antriebs- und Konzentrationsstörungen sowie Stimmungsschwankungen auf. Letztere können sich etwa dadurch äußern, dass die Betroffenen sehr schnell zwischen Lachen und Weinen (oft ohne entsprechende Emotion) wechseln.
Die vaskuläre Demenz geht auch mit fokal-neurologischen Ausfällen einher (bedingt durch die Hirninfarkte): So können zum Beispiel Halbseitenlähmung, Gangstörung und gesteigerte Muskeleigenreflexe auftreten. Auch Störungen der Blasenentleerung (Miktionsstörungen) in Form von zwingendem (imperativem) Harndrang oder Inkontinenz sind möglich.
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Persönlichkeit und Sozialverhalten werden durch die vaskuläre Demenz nicht beeinträchtigt. Gedächtnisleistungen sind von der Erkrankung oft nur gering betroffen - ganz anders als bei Alzheimer, der häufigsten Form von Demenz.
Diagnose der vaskulären Demenz
Eine Demenzerkrankung kann nur durch eine Ärztin oder einen Arzt diagnostiziert werden. Für eine Diagnose werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Am Anfang der Diagnostik steht das ärztliche Gespräch über die persönliche Krankengeschichte. Besonders wichtig sind dabei frühere oder aktuelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Hirngefäße, Bluthochdruck und Diabetes.
Die Ärztin oder der Arzt erkundigt sich nach Beschwerden und Problemen im Alltag, nach Stimmungsschwankungen sowie nach den Lebensumständen. Nach dem Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung, um festzustellen, ob Durchblutungsstörungen vorliegen. Bei einem Verdacht auf eine vaskuläre Demenz wird vor allem das Herz-Kreislauf-System untersucht, also Blutdruck, Herzgeräusche und Herzgröße. Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst.
Medizinische Demenztests dienen der Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit. Dabei werden bestimmte geistige Leistungsbereiche, wie Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit getestet.
Weitere diagnostische Maßnahmen umfassen:
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- Körperliche Untersuchung: Der Arzt prüft besonders sorgfältig den Herz-Kreislauf-Status und den neurologischen Status.
- Neuropsychologische Untersuchung: Dabei werden verschiedene Tests durchgeführt, um die Hirnleistungsstörung erfassen zu können ("Demenztests" wie Uhrentest, MMST und DemTect). Solche Defizite sind bei vaskulärer Demenz aber sehr uneinheitlich.
- Bildgebung: Bildgebende Untersuchungen wie Computertomografie (CT) und Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) sind wichtig, um andere Ursachen für die Symptome auszuschließen. Das können zum Beispiel Hirntumore, Hirnblutungen oder ein "Wasserkopf" (Hydrozephalus) sein. Charakteristische Gewebeveränderungen können auch darauf hinweisen, welche vaskuläre Demenz-Variante vorliegt, also zum Beispiel eine Multiinfarktdemenz oder eine Demenz infolge eines Infarkts in wichtigen Hirnschaltstellen (strategischer Infarkt).
- Ultraschalluntersuchung: Eine Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Blutgefäße kann eventuelle Verengungen (Stenosen) und Verschlüsse aufzeigen.
- Labortests: Routinemäßig wird bei Verdacht auf eine vaskuläre Demenz auch eine Blutprobe des Patienten untersucht. Parameter wie Blutsalze (Elektrolyte), Blutzucker und Leberwerte sind wichtig, um Risikofaktoren für Gefäßschäden zu erkennen, die man medizinisch behandeln kann. Außerdem lassen sich anhand der Blutuntersuchungen andere Demenz-Ursachen (wie eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine Leberfunktionsstörung) erkennen. Bleiben die Befunde uneindeutig, wird auch eine Probe der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) aus der Lebenwirbelsäule entnommen (Lumbalpunktion) und im Labor untersucht. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel entzündliche beziehungsweise immunologische Erkrankungen des Gehirns als Grund für die Symptome ausschließen.
- Gentests: Eine vaskuläre Demenz kann mit verschiedenen genetisch bedingten Gefäßerkrankungen einhergehen. Manche davon lassen sich mit molekulargenetischen Verfahren nachweisen. Solche Gentests sollten aber nur bei begründetem Verdacht durchgeführt werden.
Therapie der vaskulären Demenz
Eine vaskuläre Demenz ist nicht heilbar. Die im Gehirn entstandenen Schäden können nicht rückgängig gemacht werden. Ziel der Therapie ist es, weiteren Schäden vorzubeugen und eine Verschlimmerung der Beschwerden aufzuhalten, beziehungsweise zu verlangsamen. Bei der vaskulären Demenz werden Durchblutungsstörungen im Gehirn mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt. So kann weiteren Schlaganfällen vorgebeugt werden. Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel und erhöhter Blutzucker können ebenfalls medikamentös behandelt werden.
- Medikamente: Gegen die vaskuläre Demenz selbst gibt es keine Medikamente, die zugelassen sind und deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist. Im Einzelfall werden aber Medikamente gegen die psychiatrischen Symptome gegeben. Solche Präparate haben keine spezifische Zulassung für die vaskuläre Demenz, werden hier also im "off-label-use" angewendet. Manchmal sind bei vaskulärer Demenz sogenannte Acetylcholinesterase-Hemmer und Memantin hilfreich. Diese Medikamente werden als Antidementiva vor allem bei Alzheimer angewendet. Es gibt auch Hinweise, dass ein bestimmter Extrakt aus Ginkgo-Blättern (Ginkgo biloba EGb761) bei vaskulärer Demenz wirksam ist. Mit geeigneten Medikamenten sollten zudem relevante Risikofaktoren für Gefäßschäden und vaskuläre Grunderkrankungen (wie erhöhte Blutfettwerte, Bluthochdruck etc.) behandelt werden. Damit sollen weitere Gefäßschäden und Infarkte vermieden werden.
- Nicht-medikamentöse Behandlung: Eine vaskuläre Demenz sollte - wie andere Demenzformen - auch auf nicht-medikamentöse Weise behandelt werden. Beispielsweise können kognitives Training, Ergotherapie, Musik- und Tanztherapie bei Demenz sinnvoll sein. Bei Gangunsicherheit sollten Betroffene Gehhilfen und ein regelmäßiges Gehtraining erhalten. Bei Problemen mit der Kontinenz ist unter anderem ein konsequentes Toilettentraining ratsam. Auch bei vaskulären Risikofaktoren und Grunderkrankungen sind nicht-medikamentöse Maßnahmen wichtig. So wird der Arzt dem Patienten zum Beispiel empfehlen, künftig auf das Rauchen zu verzichten und die Ernährung umzustellen (weniger tierische, mehr pflanzliche Fette etc.). Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und somit die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten zu verbessern. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen. Vaskuläre Demenz kann mit Gesprächen (kognitive Stimulation) oder Erinnerungsarbeit (autobiographische Arbeit) behandelt werden. Körperliche Betätigung oder Kunsttherapie können geeignete Behandlungsmethoden darstellen.
Da die Symptome einer vaskulären Demenz sehr unterschiedlich sein können, ist die Behandlung sehr individuell.
Verlauf und Prognose
Die vaskuläre Demenz nimmt keinen einheitlichen Verlauf - die zugrunde liegenden Krankheitsmechanismen können ja sehr unterschiedlich sein. Meist treten die Symptome plötzlich auf (vaskuläre Demenz nach Schlaganfall) und verschlechtern sich oft schubweise. Manche vaskuläre Demenz-Formen schreiten aber auch langsam fort. Beeinflusst wird der Krankheitsverlauf (ebenso wie die Symptomatik) auch dadurch, dass nicht immer eine rein vaskuläre Demenz vorliegt. Oft leiden Patienten an einer Mischform, also zum Beispiel Alzheimer-Demenz plus vaskuläre Demenz. Lebenserwartung und Verlauf lassen sich dann kaum vorhersagen. Generell gilt, dass die Lebenserwartung der Patienten in vielen Fällen verkürzt ist. Die Lebenserwartung bei einer vaskulären Demenz variiert stark und hängt davon ab, wie schwer die Erkrankung ist und ob weitere Erkrankungen vorliegen.
Prävention
Einer vaskulären Demenz beugt man vor, indem man einem Schlaganfall vorbeugt. Wer sich regelmäßig bewegt, kann (weiteren) Schlaganfällen vorbeugen.
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