Magensonde bei Demenzpatienten: Information und ethische Aspekte

Die Versorgung von Demenzpatienten, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium, stellt eine besondere Herausforderung dar. Ein häufiges Problem ist die verminderte oder gar völlig sistierende Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme. In solchen Fällen wird oft die Anlage einer Magensonde (perkutane endoskopische Gastrostomie, PEG) zur künstlichen Ernährung in Betracht gezogen. Dieser Artikel beleuchtet die Thematik der Magensonde bei Demenzpatienten umfassend, unter Berücksichtigung medizinischer, ethischer und rechtlicher Aspekte.

Was ist eine PEG-Sonde?

Die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) ist ein endoskopisch angelegter, direkter Zugang zum Magen durch die Bauchwand. Dabei wird ein elastischer Kunststoffschlauch im Rahmen einer Gastroskopie (Magenspiegelung) gelegt. Sie ermöglicht bei Patienten mit Schluckstörungen unterschiedlichster Ursache die künstliche Ernährung über lange Zeit. Gegenüber der nasalen Magensonde, die über Nase, Rachen und Speiseröhre in den Magen reicht, besitzt die PEG-Sonde mehrere Vorteile. Sie ermöglicht die enterale Ernährung, also die Ernährung über den Magen-Darm-Trakt, im Gegensatz zur parenteralen Ernährung.

Indikation für eine PEG-Sonde

Allgemein ist eine Indikation für die Anlage einer PEG gegeben, wenn über längere Zeit eine enterale Ernährung notwendig erscheint. Die Sonde dient der zusätzlichen oder ausschließlichen Ernährung mit allen notwendigen Nährstoffen (Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe) sowie Flüssigkeit. Die Hauptziele einer PEG sind unter anderem das Überbrücken der postoperativen Unfähigkeit der oralen Nahrungsaufnahme sowie die Verbesserung des Ernährungszustandes mit dem Hauptziel der Gesundung des Patienten.

PEG-Sonde bei Demenzpatienten: Eine besondere Betrachtung

Bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz, die zu einer oralen Nahrungsaufnahme nicht mehr fähig sind, erfolgt oft die routinemäßige Versorgung mit einer PEG-Sonde zur künstlichen Ernährung. Allerdings ist der Einsatz einer PEG-Sonde bei schwerst demenziell erkrankten Patienten eine zu beleuchtende Sonderform.

Studienlage und Expertenmeinungen

Zahlreiche Studien haben keine Hinweise dafür ergeben, dass die mit dieser Maßnahme angestrebten Therapieziele bei Demenzpatienten erreicht werden können. Es zeigen sich keine Unterschiede hinsichtlich Lebensverlängerung, Verbesserung des Ernährungsstatus, Verbesserung der Lebensqualität, Verbesserung der Wundheilung oder Verringerung der Aspirationsgefahr. Letztere ist sogar bei Patienten mit PEG-Sonde leicht, aber signifikant erhöht.

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Experten sprechen sich daher kritisch über den Einsatz von PEG-Sonden bei fortgeschrittener Demenz aus: „Dieses Missverhältnis zwischen Vorteilen und Nachteilen der künstlichen Ernährung begründet die Empfehlung, dass künstliche Ernährung bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz nicht angewendet werden sollte“.

Nachteile und Nebenwirkungen einer PEG-Sonde

Die PEG-Sonde hat außerdem schwere potentielle Nebenwirkungen, wie lokale und systemische Entzündungen, Verlust der Freude am Essen und Verringerung der pflegerischen Zuwendung.

Ein weiterer Punkt ist das Nicht-Tolerieren des Fremdkörpers PEG, was zum Entfernen derselbigen führen kann. Ein Patient mit schwerer Demenz hat wohl kaum das geistige Vermögen zu verstehen, warum eine Sonde aus seinem Bauch herausragt. Um ihn wiederum davor zu bewahren, ordnen Ärzte oft Fixierungen an, die dann den Patienten in seiner Bewegungsfreiheit und somit auch verbliebenen Selbstbestimmtheit einschränken.

Es bleibt auch zu bemerken, dass bei der bekannten Wichtigkeit von Vertrautem und Gewohntem das Vorenthalten der oralen Nahrungsaufnahme einen nicht auszugleichenden Ein-schnitt bedeutet. Dem Patienten wird die eventuell noch vor-handene restliche Freude des Essens vorenthalten. Er hat nicht mehr die Möglichkeit, die aufzunehmende Nahrung zu schmecken, geschweige denn an dem nicht zu unterschätzen-den Wahrnehmungserlebnis der Mahlzeit teilzunehmen.

Ethische Aspekte

Die Entscheidung für oder gegen die Anlage einer Ernährungssonde kann schwer fallen, insbesondere dann, wenn ihre Anlage nicht differenziert im Rahmen einer Patientenverfügung ausgeschlossen worden ist. In einer solchen Lage ist es ethisch durchaus vertretbar, eine Sonde anzulegen und über sie für mehrere Wochen Flüssigkeit und Nahrung zuzuführen, um dann zu beurteilen, wie sich die allgemeine Verfassung des Kranken unter diesem Procedere entwickelt hat. Profitiert der Patient ganz offensichtlich von der Sonde, sollte sie liegen bleiben; profitiert er nicht oder vertieft sich sein Leidenszustand gar, sollte sie wieder entfernt werden.

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Für das fortgeschrittene und finale Demenzstadium gilt anderes: In zahlreichen Studien (USA, Skandinavien, Großbritannien) konnte gezeigt werden, dass die Patienten von einer Sondenernährung in keiner Hinsicht profitieren: Weder verlängert sich ihre Überlebenszeit gegenüber Patienten die oral ernährt werden, noch ließen sich Infekte oder Druckgeschwüre eher vermeiden, noch besserte sich ihr Allgemeinbefinden.

Nach den grundlegenden Prinzipien der Medizinalethik („Informierte Einwilligung“, Alleinrang der medizinischen Indikation) ist es nicht gerechtfertigt, eine PEG an einem Patienten zu stechen, nur um z.B. die zeitraubende Essensprozedur bei Demenzkranken (und damit Personalkosten) einzusparen.

Rechtliche Aspekte

Das Legen einer PEG-Sonde ist ein chirurgischer Eingriff, der zwar als unproblematisch angesehen wird, jedoch zwingend der Zustimmung des Patienten selbst oder beim nicht einwilligungsfähigen Menschen der Entscheidung seines Stellvertreters (Betreuer oder Bevollmächtigter) bedarf, denn gesundheitliche Risiken sind weder beim Legen noch bei der Anwendung der Sonde ganz auszuschließen. Die Ernährung über eine PEG ist ein ärztlicher Eingriff in die Körperintegrität des Menschen. Der Arzt braucht deshalb die Einwilligung des Patienten bzw. seines Vertretungsberechtigten. Ob eine PEG noch erforderlich ist (oder „gezogen“ werden kann), muss in regelmäßigen Abständen geprüft werden.

Liegt eine Patientenverfügung vor, in der der Patient eine solche ablehnt, dürfen nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Schwierig wird es, wenn der gesetzliche Vertreter des Patienten die Einstellung einer bereits vorgenommenen künstlichen Ernährung verlangt.

Am 08.06.2005 hat der Bundesgerichtshof diese Wertung dahingehend konkretisiert, dass eine gegen den Willen des Patienten durchgeführte künstliche Ernährung eine rechtswidrige Handlung sei, deren Unterlassung der Patient gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB verlangen kann, was auch dann gelte, wenn die begehrte Unterlassung zum Tode des Patienten führen würde (BGH-Beschluss vom 08.06.2005, [2].

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Alternativen zur PEG-Sonde

Falls demente Patienten Nahrung und Flüssigkeit nicht mehr selbständig zu sich nehmen können, müssen sie grundsätzlich von Hand gefüttert werden, welchen personellen Aufwand dies auch immer bedeutet. In seltenen Fällen kann es allerdings infolge unüberwindbarer Ablehnung des Patienten oder aufgrund eines unkoordinierten Schluckaktes bereits in der Frühphase der Erkrankung zu Flüssigkeits- und Kaloriendefiziten kommen, die den Allgemeinzustand des Patienten erheblich beeinträchtigen.

Durch eine gute Pflege könne eine PEG jedoch oft vermieden werden, etwa indem Flüssigkeit angedickt und die Gabel nicht überladen werde. Auch Halsbeugemanöver helfen beim Schlucken.

Ernährungstipps für Demenzpatienten

  • Angenehme Atmosphäre schaffen: Es ist wichtig, die Mahlzeiten angenehm zu gestalten. Dazu gehören eine angenehme Atmosphäre und ansprechend dargereichte, angenehm riechende Speisen und Getränke.
  • Sinne anregen: Es ist hilfreich, wenn Betroffene das Essen oder Trinken mit möglichst vielen Sinnen wahrnehmen können. Es kann hilfreich sein, Menschen mit Demenz in die Speisenzubereitung mit einzubeziehen. Durch verschiedene Gerüche werden positive Erinnerungen geweckt.
  • Geschmack berücksichtigen: Die Geschmacksempfindungen bei Demenz können sich verändern, oft werden süße Speisen bevorzugt. Bittere oder salzige Speisen werden teilweise als unangenehm empfunden und deshalb abgelehnt. Neben dem Geschmack wird oft auch die Temperatur der Nahrung nicht mehr gut wahrgenommen.
  • Fingerfood anbieten: Menschen mit fortgeschrittener Demenz verlieren oft die Fähigkeit, Besteck zu benutzen. Um Betroffenen das Essen zu erleichtern, kann auf fingerfreundliche Mahlzeiten umgestellt werden.
  • Regelmäßig trinken: Getränke sollten den Tag über regelmäßig angeboten und an mehreren Stellen in der Wohnung positioniert werden. Das Trinkgefäß und das Getränkeangebot können für die Trinkbereitschaft eine Rolle spielen. Farbige Becher werden besser wahrgenommen und animieren zum Trinken.
  • Schluckstörungen berücksichtigen: Bei Schluckstörungen kann das Andicken von Flüssigkeiten das Trinken erleichtern. Sicherheitstrinkbecher helfen, Verschlucken zu vermeiden, indem sie kontrollierte Flüssigkeitsmengen abgeben. Essen sollte breiartig, aber optisch ansprechend sein.

Die Rolle der Patientenverfügung

Patiententestamente können eine Hilfe darstellen, wenn sie mit einer Beauftragung an eine oder mehrere dem Patienten nahe stehenden Personen verbunden sind, den Willen des Patienten gegenüber den Ärzten zu erläutern (living will). Aber auch die in einem solchen Fall durch nahe Stehende interpretierte Selbstbestimmung des Patienten kann nur ein Faktor der ärztlichen Entscheidung sein (Huber 1994, S. 151).

Bereits am 31. Mai 1894 hebt ein Urteil des Reichsgerichts die zentrale Bedeutung des Patientenwillens als Legitimierungsgrund für ärztliche Eingriffe hervor. Das Reichsgericht erteilt der Ansicht, dass der Arzt ohne Berücksichtigung des autonomen Willens des Patienten beziehungsweise seines Stellvertreters zum Wohl des autonomen Patienten handeln dürfe, eine klare Absage (Vollmann 2000, S. 18).

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