Magensonde bei Parkinson: Ursachen und Anwendung

Die Parkinson-Krankheit, gekennzeichnet durch eine Verminderung und Verlangsamung der Bewegungen (Bradykinese) und mindestens ein weiteres Symptom wie Ruhetremor oder Rigor, betrifft in Deutschland etwa 310.000 Menschen, von denen etwa 150.000 älter als 80 Jahre sind. Gerade bei geriatrischen Patienten, die durch Multimorbidität und ein höheres Lebensalter (überwiegend ≥ 70 Jahre oder ≥ 80 Jahre) gekennzeichnet sind, stellt die Parkinson-Krankheit besondere Herausforderungen an die Therapie. Im Verlauf der Erkrankung kann es zu Schluckstörungen kommen, die eine Magensonde erforderlich machen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Anwendung einer Magensonde bei Parkinson-Patienten, insbesondere unter Berücksichtigung der Besonderheiten im höheren Alter.

Parkinson im Alter: Eine besondere Herausforderung

Geriatrische Patientinnen und Patienten mit Parkinson-Krankheit befinden sich oft in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium, entweder weil die Erkrankung schon vor vielen Jahren begann oder weil die Erstdiagnose erst im höheren Alter gestellt wurde. Etwa 60 % der Patientinnen und Patienten, bei denen die Parkinson-Diagnose jenseits des 80. Lebensjahrs erstmals gestellt wird, leiden unter dem akinetisch-rigiden Phänotyp. Die Parkinson-Symptomatik, insbesondere die posturale Instabilität, wird verschlimmert durch im Alter häufige Begleiterkrankungen, vor allem Polyneuropathien, Sehstörungen, Erkrankungen des Innenohrs und Sarkopenie. Die Prävalenz der orthostatischen Hypotension korreliert mit dem Lebensalter. Schmerzen, Obstipation, Schlafstörungen oder Blasenfunktionsstörungen durch die Parkinson-Krankheit verstärken sich bei Multimorbidität. Neuropsychiatrische Symptome wie Apathie, Depression und Angst sind Symptome der Parkinson-Krankheit, aber auch unabhängig davon im Alter häufig. Etwa 80 % der Erkrankten entwickeln im Verlauf eine Demenz. Zahlreiche ältere Patientinnen und Patienten mit Parkinson-Krankheit erhalten eine Polypharmakotherapie (≥ 5 Medikamente) oder Hyperpolypharmakotherapie (≥ 10 Medikamente).

Mit zunehmender Erkrankungsdauer sind schwerwiegende Beeinträchtigungen durch Nebenwirkungen der Parkinson-Medikation und durch die Erkrankung selbst zu erwarten, zum Beispiel Tagesmüdigkeit, Zwangsstörung, Verwirrtheit oder vorwiegend optische Halluzinationen. Wirkungsfluktuationen werden zunehmend unkontrollierbar. Orthostatische Hypotonie sowie Desorientiertheit, Verkennungen und visuelle Halluzinationen treten nicht mehr nur bei hohen Medikamentendosierungen auf. Etwa 50 % der Patientinnen und Patienten mit Parkinson-Krankheit berichten über bestehende oder stattgehabte Halluzinationen, noch häufiger sind Tagesmüdigkeit und orthostatische Hypotonie.

Ursachen für eine Magensonde bei Parkinson

Eine der Hauptindikationen für eine Magensonde bei Parkinson ist die Dysphagie oder Schluckstörung. Im Verlauf der Erkrankung kann es durch die fortschreitende Schwäche der Schluckmuskulatur zu einer fortschreitenden Schluckstörung kommen, welche die normale Nahrungsaufnahme zunehmend erschwert und verhindern kann, dass Parkinson-Patienten eine ausreichende Kalorienmenge zuführen können. Darüber hinaus kann die Schluckstörung dazu führen, dass Speisereste in die Lunge gelangen und so die Entstehung einer Lungenentzündung begünstigen (Aspiration). Eine Lungenentzündung kann aufgrund des geschwächten Allgemeinzustands der Patienten im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein.

Weitere Ursachen können sein:

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  • Akute neurologische Erkrankungen: Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma.
  • Schwere Bewusstseinsstörungen: Koma oder Wachkoma.
  • Gastroenterologische Erkrankungen: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) oder Kurzdarmsyndrom.
  • Krebserkrankungen: Insbesondere bei Tumoren im Mund-Rachen-Raum oder in der Speiseröhre.
  • Postoperative Zustände: Nach schweren Operationen im Magen-Darm-Trakt oder im Kopf-Hals-Bereich.
  • Akinetische Krise: Eine plötzliche Verschlechterung der Symptome mit totaler Bewegungsunfähigkeit, die auch das Sprechen und Schlucken beeinträchtigt.

Parkinson-Patienten besitzen ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung. Und das schon in einem relativ frühen Krankheitsstadium, wenn motorische Symptome wie Zittern noch nicht die Ursache für einen Gewichtsverlust sein können. Die genauen Gründe für diese frühe Mangelernährung sind noch nicht bekannt. Später steigt das Risiko einer Mangelernährung wegen des gesteigerten Energieverbrauchs durch das Muskelzittern.

Arten von Magensonden

Es gibt verschiedene Arten von Magensonden, die je nach Bedarf und Dauer der Anwendung eingesetzt werden:

  • Nasogastrale Sonde: Ein kleiner Schlauch, der über die Nase, den Rachen und die Speiseröhre in den Magen vorgeschoben wird. Sie eignet sich für eine kurzfristige Sondenernährung (maximal 2 Wochen).
  • Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG): Eine Sonde, die in einem kleinen operativen Eingriff unter örtlicher Betäubung direkt über die Bauchdecke in den Magen vorgeschoben wird. Sie eignet sich für eine längerfristige Sondenernährung.
  • Perkutane Jejunalsonde: Eine Sonde, die durch die Bauchdecke direkt in den Dünndarm gelegt wird. Sie wird eingesetzt, wenn eine Magenentleerungsstörung vorliegt oder eine kontinuierliche Zufuhr von Nährstoffen erforderlich ist.

Anwendung und Verabreichung von Medikamenten über die Magensonde

Patientinnen und Patienten mit Parkinson-Krankheit, die (zeitweise) nicht schlucken können, erhalten ihre Medikation über nasogastrale oder perkutane Magensonde. Eine Magensonde kann bei Verschlimmerungen der Parkinson-Symptomatik zum Beispiel durch einen Infekt lebensrettend sein. Perkutane Sonden werden bei adäquater Fixierung zumeist langfristig toleriert.

Bei der Verabreichung von Medikamenten über die Magensonde ist Folgendes zu beachten:

  • Sondengängigkeit prüfen: Nicht jedes Medikament darf/kann jedoch aufgelöst oder gemörsert werden. Die verschriebenen Medikamente auf ihre Sondengängigkeit über-prüft werden (Riluzol ist sondengängig).
  • Medikamente zerkleinern: Wenn die Medikamente über die Sonde verabreicht werden, müssen sie vorher sondengerecht zerkleinert werden.
  • Flüssigkeit: Bei vorherrschender Mundtrockenheit sollten alle Medikamente mit mindestens 200 ml Flüssigkeit eingenommen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass diese über Stunden in der Mundhöhle, im Rachen oder in der Speiseröhre hängen blei-ben und nicht zur Wirkung kommen. Bei Schluckstörungen Wasser ohne Kohlen-säure oder Kamillentee verwenden, Kaffee, schwarzen Tee und Fruchtsäfte jedoch meiden.
  • Spülen: Auf ausrei-chendes Nachspülen sollte man insbesondere bei Medikamenten achten, welche die Schleimhaut der Speiseröhre schädigen könnten, z.B. Eisenpräparate oder Me-dikamente gegen Osteoporose.
  • Verklebungen vermeiden: Verklebungen der Sonden sollten vermieden werden, da sonst eine erneute Magenspiegelung notwendig wird.

Levodopa-Therapie über die Magensonde

Levodopa ist ein wichtiger Bestandteil der Parkinson-Therapie. Da Levodopa-Präparate für die intravenöse Anwendung in der klinischen Routine nicht zur Verfügung stehen, ist die Applikation über eine Magensonde eine gängige Praxis bei Schluckstörungen.

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Einige wichtige Aspekte bei der Levodopa-Therapie über die Magensonde sind:

  • Pharmakokinetik: Die Pharmakokinetik von Levodopa ist abhängig von der Magenentleerung. Diese kann bei Parkinson-Krankheit verzögert sein.
  • Einnahmezeiten: Levodopa-Dosen, die zusammen mit einer (proteinreichen) Mahlzeit eingenommen werden, können weniger wirksam sein („Eiweißakinese“). Die zu behandelnde Person soll standardisierte Einnahmezeiten in Relation zur Nahrungsaufnahme einhalten (Levodopa mindestens 30 Minuten vor oder 60 Minuten nach einer Mahlzeit).
  • Lösliche Tabletten: Die erste Dosis morgens und die zwischenzeitliche Bedarfsmedikation in Off-Phasen wird bei schwer betroffenen Personen in Form einer löslichen Tablette (aufgelöst getrunken) appliziert.
  • Duodopa-Pumpe: Mit der Duodopa-Pumpe - einem der modernsten Verfahren in der Parkinson-Behandlung - können Patienten ihre Erkrankung auch im fortgeschrittenen Stadium besser kontrollieren. Der Schlauch am Bauch ist so etwas wie die Eingangstür in den Körper. Über ihn wird ein Medikament in Gelform durch den Magen direkt in den Dünndarm geleitet. Nicht alles auf einmal, sondern ganz regelmäßig in kleinen Mengen. Dass das so funktioniert, dafür sorgt ein spezielles Pumpensystem - die sogenannte Duodopa-Pumpe. Sie sorgt für eine regelmäßige Dosierung und hilft Patienten so, ihre Parkinson-Krankheit auch im fortgeschrittenen Stadium besser zu kontrollieren.

Weitere Therapieoptionen bei Parkinson

Neben der medikamentösen Therapie und der Sondenernährung gibt es weitere Therapieoptionen bei Parkinson, die je nach Stadium der Erkrankung und individuellen Bedürfnissen eingesetzt werden können:

  • Tiefe Hirnstimulation (THS): Ein neurochirurgischer Eingriff, bei dem Elektroden in bestimmte Bereiche des Gehirns implantiert werden, um die Symptome zu lindern.
  • Physiotherapie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit, des Gleichgewichts und der Koordination.
  • Logopädie: Bei Sprech- und Schluckstörungen.
  • Ergotherapie: Zur Anpassung des Wohnraums und zur Erlernung von Hilfsmitteln, um den Alltag besser bewältigen zu können.

Ethische Aspekte

Vor der Entscheidung für eine perkutane Gastrostomie kann für den Arzt eine ethische Orientierung notwendig sein. Bei schwerstpflegebedürftigen Menschen, zum Beispiel Patienten mit Hirnausfall infolge Unfall, Schlaganfall oder Demenz, kann eine langfristige künstliche Ernährung erforderlich sein. Einem Verzicht darauf mit oder ohne Einwilligung des Patienten, wie von Kritikern gefordert, wollen die Autoren nicht befürworten. Sie weisen aber auf die Problematik eines möglichen Konflikts zwischen Patientenwillen, dem ärztlichen und pflegerischen Standesethos und Gewissensüberzeugungen der Therapeuten hin. Die Anwendung einer PEG-Sonde bedarf immer einer medizinischen Indikation.

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