Chorea Huntington: Mutationstyp, Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Die Huntington-Krankheit (Morbus Huntington, Chorea Huntington, Huntington’s Disease, HD) ist eine seltene, vererbbare neurodegenerative Erkrankung des Gehirns, die durch fortschreitende Bewegungsstörungen, kognitive und psychiatrische Symptome gekennzeichnet ist. Sie führt zu unwillkürlichen Bewegungen, psychischen Veränderungen mit Verhaltensstörungen und einem Rückgang der intellektuellen Fähigkeiten. Die Erkrankung verläuft fortschreitend und manifestiert sich meist im mittleren Lebensalter.

Ursachen und Genetik der Huntington-Krankheit

Die Ursache von Morbus Huntington liegt in einer Mutation des Huntingtin-Gens (HTT). Dieses Gen befindet sich auf Chromosom 4 (Genlokus p16.3) und enthält eine repetitive Sequenz des Codons Cytosin-Adenin-Guanin (CAG). Die Mutation besteht in einer übermäßigen Wiederholung dieser CAG-Sequenz im Exon 1 des HTT-Gens.

Die Huntingtin-Mutation und CAG-Wiederholungen

Jeder Mensch besitzt zwei Kopien des Huntingtin-Gens, eine von der Mutter und eine vom Vater vererbt. Die meisten Menschen tragen "normale" CAG-Längen im Huntingtin-Gen, die bis zu 35 CAG-Wiederholungen umfassen, wobei Längen um 17 CAG am häufigsten sind. Eine übermäßige Wiederholung der drei Basen führt zu Morbus Huntington. CAG-Blöcke mit 36 oder mehr Wiederholungen führen zur Erkrankung. Bei Kopien zwischen 36 und 39 CAG ist eine reduzierte Penetranz bekannt, was bedeutet, dass nicht alle Menschen, die eine dieser CAG-Längen tragen, auch erkranken werden. Kopien zwischen 27 und 35 CAG sind nicht mit Krankheitssymptomen assoziiert; für Nachfahren besteht jedoch ein erhöhtes Risiko einer Expansion in den pathologischen Bereich. Diese Kopien mit intermediären Längen sind mit ein Grund dafür, dass sporadische Krankheitsfälle beobachtet werden, also bisher niemand sonst in der Familie erkrankt ist.

Autosomal-dominante Vererbung

Morbus Huntington wird autosomal-dominant vererbt, was bedeutet, dass es nur einer verlängerten Kopie bedarf, um die Krankheit zu verursachen. Trägt ein Elternteil eine verlängerte Huntingtin-Kopie, wird diese mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an die Nachkommen weitervererbt. Da das Huntingtin-Gen auf einem Autosom liegt, tritt die Erkrankung in beiden Geschlechtern auf.

Zusammenhang zwischen CAG-Länge und Krankheitsbeginn

Ein weiteres Merkmal der verlängerten CAG-Blöcke ist, dass ihre Länge mit dem Auftreten der ersten Symptome korreliert: je mehr CAG-Wiederholungen, desto früher bricht die Erkrankung aus. Die CAG-Länge erklärt allerdings nur ca. 50-70% der Varianz im Manifestationsalter, so dass von der individuellen CAG-Länge einer Person keine Rückschlüsse auf den genauen Zeitpunkt der Erkrankung gezogen werden können. Neben Umwelteinflüssen bestimmen auch weitere genetische Faktoren, ob die Erkrankung früher oder später ausbricht.

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Symptome der Huntington-Krankheit

Die Symptome der Huntington-Krankheit sind vielfältig und können sich individuell unterschiedlich äußern. Typisch ist das Auftreten von unwillkürlichen und unkontrollierbaren (sog. choreatischen) Bewegungen der Arme, Beine, des Rumpfes und des Kopfes. Anfangs werden diese Bewegungen oft noch in scheinbar sinnvolle Bewegungsabläufe eingebaut. Die Bewegungen nehmen bei Aufregung oder Nervosität zu. Eine deutliche Gangunsicherheit mit erhöhter Sturzgefahr kann zusätzlich bestehen. Außerdem ist die Sprache oft undeutlich und klingt abgehackt. Zudem können Schluckstörungen auftreten, so dass die Nahrungsaufnahme sehr schwierig wird. Lungenentzündungen aufgrund von Schluckstörungen sind eine häufige Komplikation im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung. Tritt die Erkrankung bereits im Jugendalter auf, kann es dagegen zu einer zunehmenden Muskelsteifigkeit und Bewegungshemmung kommen (sog. Westphal-Variante).

Psychiatrische und kognitive Symptome

Daneben zeigen sich oft bereits im Frühstadium der Erkrankungen psychische Veränderungen mit Reizbarkeit, Nervosität, Interesselosigkeit und Depression. Auch Zwangssymptome, Wahnvorstellungen und Halluzinationen können Teil des Krankheitsbildes sein. In späteren Stadien treten Gedächtnis- und Orientierungsstörungen bis zur Demenz auf. Die psychiatrischen Symptome gehen den motorischen oft um Jahrzehnte voran und verursachen initial im Allgemeinen wesentlich mehr Leidensdruck als die Bewegungsstörung.

Motorische Störungen im Detail

Als neurologisches Kardinalsymptom wird häufig die Chorea angeführt, eine hyperkinetische Bewegungsstörung aus abrupt einsetzenden, kurzzeitigen, unregelmäßigen, distal betonten Entäußerungen, die anfangs oft in Verlegenheitsbewegungen eingebaut werden. Chorea ist jedoch kein obligates Symptom der HK, weshalb der veraltete Begriff „Chorea“ Huntington irreführend ist und nicht mehr verwendet werden sollte. Im Krankheitsverlauf wandelt sich das motorische Bild meist in eine Hypo- und Bradykinesie mit Rigor.

Diagnose der Huntington-Krankheit

Die Diagnose der Huntington-Krankheit basiert auf der Familienanamnese, der klinischen Untersuchung und der molekulargenetischen Testung.

Familienanamnese und klinische Untersuchung

Da es sich um eine erbliche Erkrankung handelt, ist die Befragung zur Familiengeschichte des Patienten von großer Bedeutung. Daneben ist die ausführliche klinische Untersuchung durch einen Neurologen entscheidend. Sind die neurologischen Symptome und die Familiengeschichte eindeutig, kann auf eine ausgedehnte Diagnostik verzichtet werden. Bei untypischen Beschwerden werden zusätzliche bildgebende Verfahren (CT, MRT) eingesetzt, ggf. werden auch neurophysiologische und nuklearmedizinische Verfahren angewandt. Dies ist notwendig, um die Huntington-Erkrankung von anderen Krankheitsbildern, die im Anfangsstadium ähnlich verlaufen können, zu unterscheiden.

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Molekulargenetische Testung

Eine sichere Diagnosestellung gelingt mit Hilfe einer molekulargenetischen Testung. Dabei wird eine Blutprobe eines Betroffenen auf Veränderungen im entsprechenden Gen untersucht. Auch gesunde erwachsene Familienangehörige können sich diesbezüglich untersuchen lassen (sog. prädiktive Diagnostik). Die genetische Untersuchung kann von jeder Ärztin und jedem Arzt nach Aufklärung gemäß §10 Gen-DG und schriftlicher Einwilligung vorgenommen werden.

Prädiktive Diagnostik: Ablauf und ethische Aspekte

Jede Person, die von sich glaubt, ein Risiko für M. Huntington zu haben, kann eine genetische Beratung in Anspruch nehmen. Ein internationales Gremium aus Fachleuten, betroffenen Patienten sowie deren Angehörigen (Selbsthilfegruppen) hat Richtlinien erarbeitet, nach denen die prädiktive Diagnostik in einem Zeitplan mit Mindestreflexionszeiten für jeden Beratungsabschnitt durchzuführen ist.

In einem Erstgespräch werden im Wesentlichen Informationen über die Erkrankung sowie deren Erbgang und die Erkrankungsrisiken vermittelt. Es wird eine ausführliche Familien- und Eigenanamnese erhoben. Bei dem ersten Termin werden auch insbesondere die Möglichkeiten, Aussagekraft und Konsequenzen der molekulargenetischen Diagnostik besprochen und die Bedeutung der Aussa-gen und der evtl. zu erhebenden Befunde für andere Familienmitglieder erläutert. Vor der Blutentnahme wird empfohlen, dass der/die Ratsuchende ein Gespräch mit einem Psychologen führt, der mit den Besonderheiten der Huntington Krankheit und der prädiktiven Diagnostik vertraut ist und auch nach der Diagnostik für weitere Gespräche zur Verfügung stehen würde. Im Erstgespräch können entsprechende Kontakte mit kooperierenden Psychologen vermittelt werden, die zeitnah Termine vergeben. Zusätzlich wird der/die Ratsuchende gebeten sich eine Vertrauensperson zu wählen welche während der Vorbereitungsphase auf die Diagnostik sowie bei der Befundmitteilung und auch danach begleitet zur Seite steht. Bei der Vertrauensperson kann es sich um den/die Lebenspartner/-in, einen/eine Freund/-in oder irgendeine andere Person handeln, in welche der/die Ratsuchende das entsprechende Vertrauen hat.

Die Blutentnahme und anschließende molekulargenetische Untersuchung erfolgt dann, wenn die obengenannten Rahmenbedingungen gewährleistet sind und wenn die Risikoperson und der/die psychotherapeutische Berater(in) ihre Zustimmung gegeben haben. Das Ergebnis wird an den Arzt/die Ärztin, der/die die genetische Beratung durchgeführt hat übermit-telt. Die Ergebnismitteilung durch das Labor in der Humangenetik des Zentrums erfolgt allerdings so, dass die beteiligten Berater/Beraterinnen selbst nicht über das Ergebnis informiert sind. Die Risikoperson kann jederzeit erklären, dass sie an der Fortsetzung der Untersuchung bzw. der Befundmitteilung nicht mehr interessiert ist.

Therapie der Huntington-Krankheit

Bislang gibt es keine kausale Therapie für Chorea Huntington. Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität.

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Medikamentöse Therapie

  • Hyperkinesen: Zur Therapie von choreatischen Hyperkinsen sind Tiaprid (D2/D3-Dopaminrezeptor-antagonist) und Tetrabenazin zugelassen. Tetrabenazin ist am besten zur Therapie geeignet, hat aber den Nachteil, dass als unerwünschte Arzneimittelwirkung eine Depression auftreten kann. Alternativ können Antipsychotika wie Olanzapin angewendet werden.
  • Dystonien: Die Therapie von Dystonien bei Chorea Huntington ist schwierig. Tetrabenazin in niedriger Dosierung, Amantadin, Baclofen, Tizanidin und Clonazepam können probiert werden.
  • Bradykinesen, Rigidität: In einzelnen Fallberichten wird über eine Besserung unter L-Dopa, Amantadin oder Pramipexol berichtet. Besonders bei bradykinetischen Patienten und der juvenilen Westphal-Variante können Dopaminagonisten angewendet werden.
  • Depressionen und Apathie: Die Behandlung von Depressionen wird nach den Grundsätzen der üblichen psychiatrischen Therapie durchgeführt, jedoch sollten keine MAO-Hemmer eingesetzt werden. Bei schweren Depressionen scheint die Therapie mit SSRI, besonders mit Venlafaxin, effektiv zu sein.
  • Psychosen: Antipsychotika sollten angewendet werden. Erfahrungen gibt es zu Haloperidol, Olanzapin, Aripiprazol, Risperidon, Quetiapine, Clozapin und Amisulprid.

Nicht-medikamentöse Therapieformen

  • Ernährung: Der Stoffwechsel von Patienten mit Chorea Huntington befindet sich in einem katabolen Zustand. Sie benötigen eine hochkalorische Kost mit ggf. sechs bis acht Mahlzeiten am Tag und ggf. eine hochkalorische Nahrungsergänzung. Liegen Schluckstörungen vor, kann das Andicken von Flüssigkeiten hilfreich sein. Je nach Verlauf kann eine frühe PEG-Anlage sinnvoll sein.
  • Psychosoziale Maßnahmen: Die Patienten sollten psychologisch, psychosozial, krankengymnastisch, ergotherapeutisch und logopädisch betreut werden. Zwei Studien konnten eine Verbesserung der Gangsicherheit durch Krankengymnastik belegen.

Forschung und neue Therapieansätze

Da die genetische Ursache der HK eindeutig geklärt ist, stellen Strategien zur Hemmung der Bildung von Huntington-Genprodukten besonders vielversprechende Therapieperspektiven dar. Eine erste entsprechende klinische Phase I/IIa ASO-Studie hat aktuell sehr ermutigende Ergebnisse gezeigt, weitere Entwicklungen werden von Patienten und Angehörigen verständlicherweise sehr aufmerksam verfolgt und diskutiert. Am weitesten entwickelt ist zurzeit die nicht allelspezifische „Stummschaltung“ („silencing“) des Huntingtin-Genlokus mittels intrathekaler Gabe von Antisense-Oligonukleotiden.

Das Europäische Huntington-Netzwerk (EHDN)

Um die Erforschung der Huntington-Erkrankung voranzutreiben, gründeten einige Zentren in Europa 2003 das Europäische Huntington-Netzwerk (EHDN). Dieses Netzwerk bündelt die Anstrengungen von Ärzten, Grundlagenwissenschaftler, Pflegekräften, Therapeuten, aber auch Patienten und Angehörigen, um neue Therapien für die Huntington-Erkrankung zu entwickeln.

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