Assessments in der Neurologie: Ein umfassender Überblick

Die neurologische Rehabilitation zielt darauf ab, Menschen mit neurologischen Erkrankungen oder Verletzungen eine bestmögliche Selbstständigkeit und Funktionsfähigkeit im Sinne der sozialen Teilhabe zu ermöglichen. Um die Fortschritte in der Rehabilitation zu erfassen und die Therapieplanung zu optimieren, sind Assessments unerlässlich. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene Assessments in der Neurologie, von der Basisdiagnostik bis hin zu spezifischen Tests für unterschiedliche Funktionsbereiche.

Einführung in neurologische Assessments

Assessments in der Neurologie dienen der Beurteilung des neurologischen Zustands eines Patienten. Sie helfen dabei, motorische, kognitive und emotionale Störungen frühzeitig zu erkennen, um eine gezielte Therapie rechtzeitig durchführen zu können. Die Tests sind so beschrieben, dass der Leser sie sofort anwenden kann. Fragebögen sind möglichst in der deutschen validierten Form wiedergegeben.

Die "Assessments in der Rehabilitation" werden beschrieben, beurteilt und ergänzt um die Bereiche Diagnose, Prognose, Behandlungsergebnis. Das Buch richtet sich an Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und alle Mitarbeitenden in den Gesundheitsberufen. Nach Band 2 (Bewegungsapparat) ist nun auch der Band 1 (Neurologie) der Autorengruppe neu aufgelegt und macht die Serie der "Assessments in der Rehabilitation" wieder komplett. Die neue Auflage ist überarbeitet und mit acht neuen Assessments wie DEMMI oder der Mini-BESTest ergänzt. Gleich geblieben ist der Ansatz der Autoren, ausgewählte Assessments der Neurologie anhand wissenschaftlicher Kriterien zu beurteilen und zu beschreiben, ergänzt durch Empfehlungen zur Verwendung in den Bereichen Diagnose, Prognose und Behandlungsergebnis. Mit diesem Wissen im Rücken wählen die Physiotherapeuten für den jeweiligen Zweck die richtigen Assessments aus. Die Testergebnisse der Assessments erfassen die Behandlungsziele der Rehabilitation: den betroffenen Menschen eine bestmögliche Selbstständigkeit und Funktionsfähigkeit zu ermöglichen, im Dienste der sozialen Teilhabe. Inhalt und Einteilung des Buches richten sich auf die Praxis aus.

Geriatrisches Assessment

Das geriatrische Assessment dient einer genauen geriatrischen Beurteilung der Fähigkeit des Patienten, das Leben in seiner persönlichen Umwelt bewerkstelligen zu können. Es beurteilt alle Organsysteme und die sozialen und psychologischen Komponenten einer Erkrankung. Die im Rahmen des geriatrischen Assessments eingesetzten Verfahren und Funktionstests werden als Assessment-Instrumente bezeichnet.

Das Verfahren

In der Anamnese wird geprüft, ob ein geriatrisches Assessment durchgeführt werden sollte. Folgende Bereiche werden hierzu beurteilt:

Lesen Sie auch: Neurologie vs. Psychiatrie

  • Alter
  • Vergesslichkeit
  • Einschränkungen der Seh- und Hörfähigkeit
  • Depressive Verstimmung
  • Gewichtsverlust (unklarer Ursache)
  • Stürze (unklarer Ursache)
  • Motorische Einschränkungen
  • Post-Schlaganfall - im Rahmen der Verlaufskontrolle
  • Parkinson
  • Vorliegen mehrerer Erkrankungen (bspw. Demenz, Hypertonus, Diabetes mellitus)

Ist ein geriatrisches Assessment erforderlich, sollten spezifische Tests zur genauen Bestimmung der körperlichen oder mentalen Einschränkungen durchgeführt werden.

Häufige Assessment-Instrumente

Die häufigsten Assessment-Instrumente sind:

  • Barthel Index: Zur Beurteilung der Selbstständigkeit.
  • Mini Mental State Test nach Folstein: Zur Erkennung kognitiver Defizite.
  • DemTec-Test: Zur Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten.
  • Geriatrische Depressionsskala: Zur Erfassung depressiver Verstimmungen.
  • Soziale Situation: Beurteilung des sozialen Umfelds.
  • Fähigkeit des Geldzählens: Überprüfung der alltagspraktischen Fähigkeiten.
  • Timed "Up and Go": Zur Überprüfung der Mobilität und der Gehfähigkeit. Gehfähigkeit bezogen auf unabhängige Mobilität unter Verwendung von Gehhilfen bzw. mit der Stopuhr in drei Kategorien: weniger als 20 Sek. (kein Sturzrisiko), 20 bis 30 Sek. oder mehr als 30 Sek. Podsiadlo D, Richardson S (1991) The timed "Up & Go": A test of basic functional mobility for frail elderly persons. Ng SS, Hui-Chan CW (2005) The timed up & go test: its reliability and association with lower-limb impairments and locomotor capacities in people with chronic stroke.
  • Clock Completion (Vervollständigen einer Uhrenzeichnung): Test zur Erfassung kognitiver und visuokonstruktiver Fähigkeiten.

Ergänzende neurologische Basisdiagnostik

Ergänzend wird folgende neurologische Basisdiagnostik durchgeführt:

  • Unterberger Tret-Test: Zur Beurteilung von Gleichgewichtsstörungen.
  • Finger-Finger- und Finger-Nase-Test: Zur Überprüfung der Koordination.
  • Muskeleigenreflex-Test: Zur Beurteilung der Reflexe.

Als Folge des diagnostischen Erkenntnisse können weiterer diagnostische Untersuchungen, die Gabe von Medikamenten, pflegerische Maßnahmen oder die Hilfsmittelversorgung erforderlich sein.

Ihr Nutzen

Das geriatrische Assessment dient einer frühzeitigen Erkennung von motorischen, kognitiven und emotionalen Störungen, um eine gezielte Therapie rechtzeitig durchführen zu können.

Lesen Sie auch: Expertise in Neurologie: Universitätsklinik Heidelberg

Assessments der Armfunktion

Verschiedene Assessments dienen der Beurteilung der Armfunktion auf unterschiedlichen Ebenen (Impairment, Aktivität, Partizipation).

Assessments auf der Impairmentebene (Schädigung)

  • Armfunktionstests: Van Kaick S. Armfunktionstests auf der Impairmentebene (Schädigung). In: Minkwitz K & Platz T (Hrsg.): Armmotorik nach Schlaganfall. Neue Ansätze für Assessment und Therapie. Idstein, Schulz-Kirchner Verlag 2001, S.
  • Beurteilung von Spastizität: Ursprünglich für Patienten mit Multiple Sklerose, später für alle Patienten mit Spastizität wie z.B. Ashworth B (1964) Preliminary trial of carisoprodal in multiple sclerosis. Bohannon RW, Smith MB (1987) Interrater reliability of a modified Ashworth scale of muscle spasticity. Pandyan AD, Johnson GR, Price CIM, Curless RH, Barnes MP, and Rodgers H (1999) A review of properties and limitations of the Ashworth and the modified Ashworth Scales as measures of spasticity.

Assessments zur Beurteilung der motorischen Fähigkeiten

  • Fugl-Meyer Assessment: Bewegungen mit oder ohne Beteiligung von Synergien, d.h. v.a. Fugl-Meyer AR, Jääskö L, Leyman I, Olsson S, Steglind S (1975) The post-stroke hemiplegic patient. De Weerdt WJG, Harrison MA (1985) Measuring recovery of arm-hand-function in stroke patients: A comparison of the Brunnstrom-Fugl-Meyer test and Action Research Arm test. Malouin F, Pichard L, Bonneau C, Durand A, Corriveau D (1994) Evaluating motor recovery early after stroke: Comparision of the Fugl-Meyer Assessment and the Motor Assessment Scale. Platz T, Pinkowski C, van Wijck F, Johnson G. ARM. Arm Rehabilitation Measurement, Manual for performance and scoring. Baden-Baden, Deutscher Wissenschafts-Verlag: 2005.

Assessments zur Beurteilung der Alltagstauglichkeit

  • Tests mit Gegenständen aus Therapie und Alltag: Gegenstände aus Therapie und Alltag wie z.B. Lincoln N, Leadbitter D (1979) Assessment of motor function in stroke patients. Collen FM, Wade DT, Bradshaw CM (1990) Mobility after stroke: reliability of measures of impairment and disability. Jones F (1998) The accuracy of predicting functional recovery in patients following stroke, by physiotherapists and patients. van Kaick S. Armfunktionstests auf der Impairmentebene (Schädigung). In: Minkwitz K & Platz T (Hrsg.): Armmotorik nach Schlaganfall. Neue Ansätze für Assessment und Therapie. Idstein, Schulz-Kirchner Verlag 2001, S.

Assessments des Gleichgewichts

  • Brunel Balance Assessment: Tyson SF, DeSouza LH (2004) Development of the Brunel Balance Assessment: a new measure of balance disability post stroke. Tyson SF et al (2006) Balance disability after stroke.
  • Berg Balance Scale (BBS): 14 Aufgaben zu Stabilität und Gleichgewichtsreaktionen (z.B. max. entwickelt wurde die BBS für ältere Menschen, inzwischen wird sie für viele verschiedene Patientengruppen mit Gleichgewichtsstörungen angewandt, u.a. Berg K, Wood-Dauphinée S, Williams JI, Gayton D. Measuring balance in the elderly. Preliminary development of an instrument. Stevensen TJ. Detecting change in patients with stroke using the Berg Balance Scale.

Assessments der Gehfähigkeit

  • Beurteilung der Gehfähigkeit: geeignete Umgebung (z.B. Einteilung in 6 Schweregrade von Stufe 1 (Gehen ist nicht möglich bzw. Holden MK, Gill KM, Magliozzi MR Nathan J, Piehl-Baker L (1984) Clinical gait assessment in the neurologically impaired. Reliability and meaningfulness. Holden MK, Gill KM, Magliozzi MR (1986) Gait assessment for neurologically impaired patients. Standards for outcome assessment. Collen C, Wade DT, Bradshaw CM (1990) Mobility after stroke: reliability of measures of impairment and disability. Pat. z.B. Bradstater ME, de Bruin H, Gowland C, Clarke BM (1983) Hemiplegic gait: analysis of temporal variables. Wade DT, Wood VA, Heller A, Maggs J, Langton Hewer R (1987) Walking after stroke: measurement and recovery over the first three months. Perry J, Garrett M, Gronley JK, Mulroy SJ.Classification of walking handicap in the stroke population. Pat. z.B. Butland RJA, Pang J, Gross ER, Woodcock AA, Geddes DM (1982) Two, six and twelve minute walking tests in respiratory disease. Wade DT, Wood VA, Heller A, Maggs J, Langton Hewer R (1987) Walking after stroke: measurement and recovery over the first three months.
  • Ganganalyse: Gangstörungen, z.B. sichtbar in den Zeit- und Distanzfaktoren des Ganges: Ganggeschwindigkeit, Schritte/Minute (Kadenz), Doppelschrittlänge, Stand- und Schwungbeinphasenanteile, Winkelverläufe von Hüfte, Knie und Fuß in der Streckung/Beugung, Bodenreaktionskräfte. Spezielle Apparatur, z.B. Vergleich der Gangparameter mit Normwerten bzw. Untersuchung des Ganges ist seit dem 19. Jhd. bekannt; bei zentral gelähmten Menschen im deutschsprachigen Raum: v.a. H.U. Derbrunner, Bern 1968, M. Feldkamp, Münster 1972, J.U. Knüsel O, Wiedmer L. Der menschliche Gang und seine quantitative und qualitative Diagnostik - Vorstellung der Ganganalyse. In: Conradi E & Brenke R (Hrsg.): Bewegungstherapie. Grundlagen, Ergebnisse, Trends. Berlin, Ullstein-Mosby 1993, S. Wiedmer L. Quantitative und qualitative Ganganalyse und ihre Anwendung in der Klinik. In: Conradi E & Brenke R (Hrsg.): Bewegungstherapie. Grundlagen, Ergebnisse, Trends. Berlin, Ullstein-Mosby 1993, S.

Assessments im ergotherapeutischen Bereich

Assessments im ergotherapeutischen Bereich dienen dazu, die Betätigungsperformance und die Teilhabe am Leben zu erfassen. Sie bilden die Grundlage für die Therapieplanung und helfen, die klientenzentrierte und betätigungsbasierte Therapiegestaltung zu gewährleisten.

  • Framework der AOTA: American Occupational Therapy Association, Marotzky U, Reichel K, Hrsg. Framework der AOTA: Gegenstandsbereich, Prozesse und Kontexte. Höynck J. Assessments im neurologischen Kontext. Kranz F, Hrsg. und betätigungsbasiert gestalten.
  • Canadian Occupational Performance Measure (COPM): Carswell A. et al. COPM: Canadian Occupational Performance Measure. 6th ed.
  • Assessment of Motor and Process Skills (AMPS): Jones KB. Assessment of Motor and Process Skills. Vol. 2. 7th ed.
  • Evaluation of Social Interaction (ESI): Griswold LA. Evaluation of Social Interaction (Evaluation sozialer Interaktion). 3rd ed. Kielhofner G. der Kommunikations- und Interaktionsfertigkeiten. Fisher AG. use in Middle Europe.
  • Rollencheckliste: Kielhofner G. et al. Checklisten des Model of Human Occupation. Kranz F. Rollencheckliste: Rollen des Lebens.
  • Occupational Questionnaire: Kranz F. Occupational Questionnaire: Betätigung im Tagesverlauf.
  • Interessencheckliste: Kranz F. Leidenschaft in die Therapie bringen: Interessencheckliste.
  • Volitionsbogen: Kranz F. Volitionsbogen: Motivation für Betätigung erkennen. de la Heras C. Handbuch zum Volitionsbogen (Version 4.1).

Weitere wichtige Assessments

  • National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS): Measurements of acute cerebral infarction: a clinical examination scale. Lyden et al (1994) for the NINDS tPA Stroke Study Group. Improved reliability of the NIH Stroke Scale using video training. Berger et al (1999) The reliability of stroke scales. The german version of NIHSS, ESS and Rankin scales.

Assessments zur Erfassung der Teilhabe

  • Fragebögen zur Lebensqualität: Mayer M. Messung von Lebensqualität. F, Hrsg. betätigungsbasiert gestalten.
  • WHO-Instrumente zur Erfassung von Lebensqualität: Matschinger H. der WHO-Instrumente zur Erfassung von Lebensqualität. Riedel-Heller SG. der WHO-Instrumente zur Erfassung von Lebensqualität im Alter.

Lesen Sie auch: Aktuelle Informationen zur Neurologie in Salzgitter

tags: #Assessments #in #der #Neurologie #Übersicht