Chorea Huntington im Spätstadium: Eine umfassende Betrachtung

Chorea Huntington, auch Huntington-Krankheit oder Huntingtonsche Chorea genannt, ist eine seltene, fortschreitende neurodegenerative Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang und schlechter Prognose. Sie wird durch Cytosin-Adenin-Guanin (CAG)-Trinukleotid-Wiederholungen im Huntingtin-Gen (HTT) verursacht. Diese Krankheit, die erstmals 1872 von dem Arzt George Huntington beschrieben und nach ihm benannt wurde, führt zu einem schrittweisen Untergang von Nervenzellen im Gehirn. Das Allel, welches die Krankheit verursacht, lässt sich seit 1993 auf dem kurzen Arm des vierten Chromosoms nachweisen.

Einführung

Die Huntington-Krankheit betrifft Generationen von Familienmitgliedern und erstreckt sich typischerweise über mehrere Jahrzehnte. Die Erkrankung manifestiert sich klinisch mit schnellen, unregelmäßigen und unwillkürlichen Bewegungen (Chorea) sowie neuropsychiatrischen Symptomen. Im Endstadium kann die Krankheit zur Demenz führen.

Symptome und Verlauf

Beginn und frühe Symptome

Bei der Chorea Huntington kommt es meist im Alter zwischen 30 und 50 Jahren zu den ersten Symptomen, wobei sich die Beschwerden kontinuierlich verstärken. Es gibt jedoch auch eine juvenile Form, bei der die Beschwerden schon vor dem 20. Lebensjahr auftreten. Patienten fallen zunächst durch Wesensveränderungen auf, sind gereizter, entwickeln Ängste, Depressionen und Zwänge oder ziehen sich sozial zurück.

Im frühen Stadium der Erkrankung können die Betroffenen ihren Alltag meist noch normal meistern. Dennoch müssen sie sich frühzeitig mit Fragen auseinandersetzen, wie der Fahrsicherheit oder der finanziellen Absicherung. Auch die Familienplanung spielt eine wichtige Rolle, da Huntington mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit vererbt wird.

Sehr belastend sind die psychischen Symptome, die oft vor den körperlichen Beschwerden auftreten. Betroffene verhalten sich anders als früher, sind gereizt, aggressiv oder enthemmt. Hinzu können Ängste, Depressionen und Zwänge kommen.

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Fortschreiten der Krankheit

Wie schnell Chorea Huntington fortschreitet, ist individuell verschieden und schwer vorherzusagen. Manchmal gibt die Anzahl der CAG-Wiederholungen Aufschluss über den Verlauf. Ab 60 Wiederholungen bricht die Krankheit früh aus und schreitet schnell fort.

Im Verlauf der Krankheit gehen immer mehr Nervenzellen im Gehirn zugrunde, was zu stärkeren Einschränkungen führt. An die Stelle von überschießenden Bewegungen treten eher ein Erstarren und eine Verlangsamung. Es sind nur noch wenige zielgerichtete Bewegungen möglich, die dann aber oft explosionsartig ausgeführt werden und mit Verletzungen einhergehen können. Die Patienten sind meist bettlägerig.

Auch die Zungen- und Schlundmuskulatur funktioniert nicht mehr richtig, was zu Sprach- und Schluckstörungen führt. Viele Patienten können nicht mehr richtig sprechen, und wenn dies noch möglich ist, ist die Sprache oft abgehackt. Das Schlucken bereitet zunehmend Schwierigkeiten, sodass eine Magensonde sinnvoll sein kann. Bei starker Beeinträchtigung der Atemmuskulatur kann eine Trachealkanüle helfen.

Oft sind die Patienten zu dünn, weil die vorausgegangenen überschießenden Bewegungen viel Energie verbraucht haben. Auch kognitiv bauen die Betroffenen meist stark ab.

Spätstadium

Im Spätstadium der Huntington-Krankheit sind die Patienten meist bettlägerig und auf umfassende Pflege angewiesen. Die Kommunikation ist stark eingeschränkt, und die Fähigkeit zu schlucken geht weitgehend verloren, was oft eine Ernährung über eine Magensonde notwendig macht. Die kognitiven Fähigkeiten nehmen weiter ab, und es kommt zu einer zunehmenden Demenz.

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Ursachen und Vererbung

Chorea Huntington ist eine Erbkrankheit, bei der ein bestimmtes Gen auf dem Chromosom 4 verändert ist. Dieses Gen ist für die Bildung des Huntingtin-Proteins verantwortlich. Durch die Genmutation kommt es zu einer Veränderung der Struktur des Eiweißes. Bei betroffenen Menschen liegen ungewöhnlich viele Wiederholungen von bestimmten Basenkombinationen (Cytosin, Adenin und Guanin, kurz CAG) auf einem Gen vor. Gesunde Menschen haben nur drei CAG-Wiederholungen im entsprechenden Gen. Dieses fehlerhafte Eiweiß wirkt toxisch auf bestimmte Nervenzellen im Gehirn und lässt diese absterben. Vor allem die sogenannten Basalganglien sind betroffen, die für einen flüssigen und koordinierten Bewegungsablauf zuständig sind.

Chorea Huntington wird autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet: Wenn ein Elternteil die genetische Veränderung in sich trägt, erkranken Kinder mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent ebenso. Dabei reicht es aus, wenn nur ein Elternteil die Genmutation aufweist und weitergibt. Wer das verantwortliche Erbmerkmal hat, erkrankt früher oder später zwangsläufig. Paternale Weitervererbung : 70-88 % der Betroffenen mit juveniler Huntington-Krankheit erben das Gen vom Vater.

Diagnose

Die Diagnose im Frühstadium der Huntington-Krankheit ist in der Regel schwierig, da die Symptome meist nur schwach ausgeprägt sind. Zudem ist die Krankheit sehr selten, weshalb viel Zeit bis zur finalen Diagnose vergehen kann. Jeder Verdacht sollte von Fachleuten für Neurologie in spezialisierten Kliniken untersucht werden. In der Regel wird die Erkrankung vererbt, weshalb für Fachleute insbesondere die Familiengeschichte von Interesse ist. Nach der Familienanamnese schließt sich eine klinische Untersuchung an, bei der neurologische oder psychische Auffälligkeiten im Fokus stehen.

Unter Umständen folgen bildgebende Verfahren, wie:

  • Positronen-Emissions-Tomographie (PET)
  • Magnetresonanztomographie (MRT)
  • Computertomographie (CT)

Mithilfe eines Gentests lässt sich die Diagnose sichern. Für den Test ist eine Blutprobe nötig, die anschließend hinsichtlich des Gens untersucht wird. Auch gesunde Erwachsene, deren Eltern betroffen sind, können sich testen lassen. Eine solche DNA-Testung darf nur nach sorgfältiger Aufklärung und Einwilligung durchgeführt werden. Die zu untersuchende Person muss volljährig, psychisch entsprechend stabil und vorab ausführlich beraten worden sein. Denn das Wissen, möglicherweise eine tödliche Krankheit zu haben, kann äußerst belastend sein und sollte ärztlich begleitet werden. In Deutschland ist die sogenannte pränatale Diagnostik bei Krankheiten, die sich erst im Erwachsenenalter zeigen, gesetzlich verboten.

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Behandlung und Therapie

Aktuelle Therapieansätze

Chorea Huntington ist bisher nicht heilbar. Ziel der Behandlung ist es deshalb, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Die Therapie der Huntington-Krankheit umfasst medizinische und psychologische Unterstützung, um die Symptome zu behandeln und die Lebensqualität zu erhalten.

Bei bestimmten Beschwerden können Medikamente zum Einsatz kommen. Gegen Bewegungsstörungen und psychische Symptome wie Depressionen oder Angstzustände erhalten Betroffene etwa Neuroleptika (Antipsychotika, etwa Sulpirid oder Wirkstoffe wie Tiaprid oder Tetrabenazin), Antiparkinsonmittel oder Antidepressiva.

Medikamente gegen Chorea/hyperkinetische Bewegungen bei Patient*innen ohne Depression:

  • Vesikuläre Monoamintransporter 2 (VMAT2)-Inhibitoren: Tetrabenazin oder Deuterabenazin

Diese Therapien zur Linderung von Huntington-Symptomen umfassen körperliches Training und Krankengymnastik (Physiotherapie). Es ist wichtig, dass diese regelmäßig durchgeführt werden. Man kann damit gar nicht früh genug beginnen.

Begleitende Maßnahmen

Neben der medikamentösen, symptomatischen Therapie sind begleitende Maßnahmen wichtig. Hierzu zählen etwa:

  • Physiotherapie (zum körperlichen Training)
  • Ergotherapie (um Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten, z. B. Kleidung anzuziehen)
  • Logopädie (Training bei Sprech- und Schluckstörungen)

Auch eine begleitende Psychotherapie ist mitunter für Betroffene und Angehörige wichtig, um mit der Erkrankung besser umgehen zu können.

Palliativversorgung

In den späteren Stadien der Erkrankung spielt die Palliativversorgung eine immer größere Rolle. Hierbei geht es darum, die Lebensqualität des Patienten so gut wie möglich zu erhalten und ihm ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. Ein SAPV-Team ermöglicht vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten (Hospizdienste, ärztliche Betreuung zu Hause, Pflegedienste,…) in kritischen Krankheitsphasen bis hin zum Tod im häuslichen Umfeld.

Lebenserwartung und Prognose

Die Lebenserwartung bei Chorea Huntington beträgt nach dem Auftreten der ersten Symptome 10 bis 30 Jahre. 15 Jahre nach Erkrankungsbeginn lebt noch ein Drittel der Betroffenen. Die meisten Betroffenen sterben an einer Aspirationspneumonie oder einem Infekt. Aspirationspneumonie bedeutet, dass durch die Luftröhre Fremdkörper wie Nahrungsreste in die Lunge gelangen und sich diese dadurch entzündet. Das ist häufig, weil die Patienten im Endstadium kaum noch schlucken können. Zu Infektionen kommt es, weil die Patienten allgemein schwach sind und damit anfälliger für Krankheiterreger.

Besondere Aspekte

Juvenile Huntington-Krankheit

Die juvenile Huntington-Krankheit kann vor dem 20. Lebensjahr auftreten und weist einige Besonderheiten auf. Im Vordergrund stehen zunächst Verhaltensauffälligkeiten, Konzentrationsschwierigkeiten, Ungeschicklichkeit und schlechte Lernfortschritte. Das Bewegungsmuster ist anders als bei Erwachsenen: Kinder und Jugendliche verlangsamen und erstarren eher. Paternale Weitervererbung : 70-88 % der Betroffenen mit juveniler Huntington-Krankheit erben das Gen vom Vater. Zur Behandlung der jugendlichen Form werden Medikamente eingesetzt, die normalerweise gegen die Parkinson-Krankheit verwendet werden.

Familiäre und soziale Aspekte

Die Huntington-Krankheit betrifft nicht nur den Patienten selbst, sondern auch seine Familie und sein soziales Umfeld. Die Erkrankung bringt viele Herausforderungen mit sich, oft einhergehend mit finanziellen Problematiken und Kontrollverlusten. Erschwerend kann zudem sein, dass viele Betroffene ihre eigenen Symptome oft nicht wahrnehmen. Deutschlandweit gibt es gut organisierte Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige.

Differenzialdiagnosen

Bei der Diagnose von Chorea Huntington müssen andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen ausgeschlossen werden. Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen gehören:

  • Arzneimittelinduzierte Bewegungsstörungen
  • Ticstörungen und Tourette-Syndrom
  • Morbus Wilson
  • Schizophrenie

Forschung und Ausblick

Um die Erforschung der Huntington-Erkrankung voranzutreiben, gründeten einige Zentren in Europa 2003 das Europäische Huntington-Netzwerk (EHDN). Dieses Netzwerk bündelt die Anstrengungen von Ärzten, Grundlagenwissenschaftler, Pflegekräften, Therapeuten, aber auch Patienten und Angehörigen, um neue Therapien für die Huntington-Erkrankung zu entwickeln. Inzwischen gibt es über 140 Zentren in 17 Ländern Europas.

Die Ergebnisse bestätigten die Vermutung der Wissenschaftler: Die Modelle zeigten, dass das Huntingtin-Gen bereits in der Kindheit die Gehirnentwicklung verändert und dass dies durch Medikamente, die die „Übersetzung“ des genetischen Codes in Eiweißmoleküle modulieren, aufzuhalten ist.

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