Chorea Huntington, auch bekannt als Huntington-Krankheit (HK), ist eine erbliche neurodegenerative Erkrankung, die in der Regel im Alter zwischen 30 und 50 Jahren auftritt. Sie ist durch einen fortschreitenden Abbau von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet. Die Erkrankung manifestiert sich durch eine Kombination von motorischen, kognitiven und psychiatrischen Symptomen, die den Alltag der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Obwohl es derzeit keine Heilung gibt, können spezialisierte Behandlungsansätze und Forschung dazu beitragen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.
Was ist Chorea Huntington?
Chorea Huntington ist eine neurodegenerative Erkrankung, die sich vor allem in Form von unkontrollierten, übermäßigen Bewegungen äußert. Neurodegenerative Erkrankungen betreffen Anteile des Nervensystems, im Falle der Chorea sind bestimmte Nervenzellen im Gehirn krankhaft verändert. Der Begriff degenerativ beschreibt in der Medizin Krankheitsprozesse, die stetig fortschreiten und die Funktionsweise bestimmter Organe somit zunehmend einschränken. Die Symptome der Chorea Huntington nehmen somit im Krankheitsverlauf zu.
Die Erkrankung tritt mit etwa 2-10 Fällen pro 100 000 Einwohnern pro Jahr relativ häufig auf. Dabei sind große regionale Unterschiede zu verzeichnen, so kommt sie in Ländern wie Finnland, China oder Japan deutlich seltener vor. Die genaue Ursache dafür ist bislang unbekannt. Männer und Frauen sind in etwa gleich häufig von der Erkrankung betroffen. Durchschnittlich zeigen sich die ersten Symptome etwa im Alter von 40 Jahren.
Ursachen und Risikofaktoren
Chorea Huntington ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die einen autosomal-dominanten Erbgang aufweist. Jedes Gen, das wir besitzen, besteht aus zwei verschiedenen Genkopien, sogenannten Allelen. Davon wird jeweils eines von der Mutter und eines vom Vater vererbt. Bei einer dominant vererbten Erkrankung wie der Chorea Huntington reicht es aus, wenn bereits ein Allel verändert ist, um die Krankheit auszulösen. Der Begriff autosomal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das betroffene Gen nicht auf einem Geschlechtschromosom lokalisiert ist. Die Erkrankung kann somit bei beiden Geschlechtern mit derselben Wahrscheinlichkeit auftreten.
Die Erkrankung wird durch eine Mutation im Huntingtin-Gen auf Chromosom 4 verursacht. Bei Patienten findet man eine Verlängerung eines Abschnitts mit dem Code “CAG” über das normale Maß hinaus. In diesem Fall ist das ebenfalls nach dem Erstbeschreiber benannte Huntington-Gen verändert (mutiert), wodurch die Funktionsweise des Huntington-Proteins beeinflusst wird. Die Mutation führt dazu, dass bestimmte Bereiche des genetischen Codes krankhaft wiederholt auftreten, man spricht dabei von repeats. Je mehr repeats das Gen aufweist, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten der Erkrankung. Ab einer Wiederholungszahl von etwa 40 liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei 100%.
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Auch das Erkrankungsalter und die Schwere der Symptome korrelieren mit der Anzahl der repeats. Bei Wiederholungsraten von über 60 spricht man von der sogenannten juvenilen Form, bei der die Patienten bereits ab einem Alter von etwa 30 Jahren erkranken. Zudem konnte beobachtet werden, dass der Schweregrad der Erkrankung durch die Vererbung der repeats von Generation zu Generation zunehmend ist. Dieser Effekt tritt vor allem dann auf, wenn die Krankheit durch den Vater vererbt wird.
Patienten geben diese Mutation mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an ihre Kinder weiter. Die Erkrankung betrifft daher nicht nur die Patienten selbst, sondern auch ihre Nachkommen.
Symptome
Das veränderte Huntington-Protein führt zu einer Beeinflussung bestimmter Nervenzellen (Neurone) im Gehirn, die an der Entstehung und Regulierung von Bewegungsabläufen beteiligt sind. Im Falle der Chorea Huntington betrifft dies vor allem Neurone, die zu einer Bewegungshemmung beitragen. Somit kommt es zu einer Übererregung und folglich zu unkontrollierten, überschießenden Bewegungen. Diese machen sich vor allem im Gesicht und an den Extremitäten bemerkbar. Auch die Sprachproduktion ist häufig eingeschränkt.
Anfangs sind Wesensveränderungen und Gemütsschwankungen charakteristisch, die für die betroffenen Patienten und ihre Familie sehr belastend sein können. Später kommen dann motorische Symptome wie unwillkürliche, nicht beherrschbare Bewegungsabläufe, Gangunsicherheit, erhöhte Unruhe und andere Symptome dazu.
Obwohl es sich bei diesen überschießenden Bewegungen um das Leitsymptom der Erkrankung handelt, können Symptomatik und Verlauf der Erkrankung sehr variabel sein. So fallen viele Betroffene zunächst durch psychische Veränderungen auf. Es kann beispielsweise zu Depressionen, vermehrter Reizbarkeit, Zwangsstörungen, aber auch zu Wahnvorstellungen und Halluzinationen kommen.
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Auch der überschießende Bewegungszwang kann sich im Verlauf der Erkrankung so verändern, dass es sogar zu einer verminderten Beweglichkeit kommt. Der Muskeltonus, also die Grundspannung der Muskulatur, ist dabei jedoch meist erhöht. Weitere mögliche Symptome sind Harninkontinenz oder vermehrtes Schwitzen. Im späteren Verlauf der Erkrankung kommt es bei fast allen Patienten zu einer Demenz. Viele Patientinnen und Patienten leiden unter Bewegungsstörungen, meist zeigen sich aber auch psychische und Verhaltensstörungen, die den motorischen Symptomen sogar vorausgehen können und oft als sehr belastend erlebt werden.
Diagnose
Die Diagnostik bei Chorea Huntington stützt sich vor allem auf die Erhebung der Krankengeschichte und die körperliche Untersuchung. Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, ist die Erhebung der Familienanamnese dabei von besonderer Bedeutung. Aufgrund der Variabilität der Symptome ist der Verdacht auf eine Huntington-Krankheit häufig nicht leicht zu stellen, wenn die Erkrankung in der Familie noch nicht bekannt ist.
In der körperlichen Untersuchung werden die Patienten hinsichtlich verschiedener Bewegungsstörungen untersucht. Dies umfasst beispielsweise die Augenbewegung und die Auslösung von Muskelreflexen. Bei vielen Patienten findet sich das sogenannte Gordon-II-Zeichen. Nach der Auslösung des Patellarsehnenreflexes, bei dem mit einem Reflexhammer die Sehne unterhalb der Kniescheibe beklopft wird, kommt es zwar zur reflexartigen Bewegung des Beins, die Ruheposition kann allerdings erst verzögert wieder eingenommen werden.
Ergänzende diagnostische Maßnahmen sind psychologische Untersuchungen, MRT- und CT-Aufnahmen des Gehirns oder sogenannte FDG-PET-Untersuchungen, bei denen eine Störung des Zuckerstoffwechsels auf das Vorliegen der Erkrankung hinweisen kann. Schließlich wird die Diagnose über eine genetische Testung (nach ausführlicher Untersuchung und Beratung) gesichert, die die krankhafte Veränderung des Huntington-Gens nachweist. Viele Menschen, die die Erkrankung in der Familie haben, wünschen jedoch auch ohne Symptome eine Aufklärung und Beratung, zum Beispiel im Hinblick auf eine prädiktive genetische Testung. Diese Untersuchung darf jedoch erst nach vorhergehender ausführlicher Beratung und frühestens nach Erreichen der Volljährigkeit durchgeführt werden.
Bei einer unklaren hyperkinetischen Bewegungsstörung oder Verdacht auf das Vorliegen einer Huntington-Erkrankung kann eine Vorstellung zur differentialdiagnostischen Abklärung und ggfs. erfolgen. In der Chorea-Ambulanz werden Patienten mit Chorea Huntington aber auch anderen Formen erblicher choreatischer Erkrankungen behandelt. Erstes Ziel ist eine genaue genetische Diagnose zu stellen.
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Spezialisierte Behandlungszentren und Angebote
Bisher ist es nicht gelungen, eine an der Ursache ansetzende (kausale) Therapie für Morbus Huntington zu entwickeln. Patienten werden daher symptomatisch, das heißt bezogen auf ihre Symptome, behandelt. Umso wichtiger ist es, dass Patienten eine adäquate Behandlung erhalten. Spezialisiert auf die Diagnostik und Therapie sind Fachärzte für Neurologie.
Viele Patienten mit Chorea Huntington profitieren zudem von Rehabilitationsmaßnahmen, im Rahmen derer die körperliche und psychische Gesundheit sowie der Umgang mit der Erkrankung im Vordergrund stehen.
Huntington Zentrum NRW in Bochum
Seit über 25 Jahren besteht das Huntington Zentrum NRW in Bochum als Kooperation der Klinik für Neurologie im St. Josef-Hospital (Prof. R. Gold) und der Abteilung für Humangenetik (Prof. Dr. Prof. Carsten Saft ist Leiter der Huntington-Ambulanz und federführender Autor der Leitlinien zur Behandlung „Morbus Huntington / Chorea“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) für den deutschsprachigen Raum.
Huntington Forschungs- und Behandlungszentrum Mainz (HFBM)
An der Universitätsmedizin Mainz wurde für Patienten mit Morbus Huntington und ihre Familienangehörigen ein interdisziplinäres Huntington Forschungs- und Behandlungszentrum Mainz (HFBM) eingerichtet. Ziel ist die optimale klinische Versorgung der Patienten.
kbo-Huntington-Zentrum-Süd Taufkirchen (Vils)
Das kbo-Huntington-Zentrum-Süd in Taufkirchen (Vils) ist eine der wenigen Einrichtungen, die auf die Erkrankung Chorea Huntington spezialisiert sind. Der Huntington Schwerpunkt wurde im Jahr 1998 von Prof. Dr. Matthias Dose, damaliger Ärztlicher Direktor, in Taufkirchen (Vils) begründet. Das kbo-Huntington-Zentrum Süd ist Teil des kbo-Isar-Amper-Klinikum und es ist direkt der Ärztlichen Direktion zugeordnet.
In ärztlich-medizinischer Hinsicht wird das kbo-Huntington-Zentrum Süd durch die Oberärztliche Leitung Med. Univ. Dr. Alzbeta Mühlbäck und den Oberarzt Dr. med. Rainer Hoffmann geführt. Die pflegerische Leitung wird durch den Pflegedienstleiter Günther Badura gewährleistet. Das Alleinstellungsmerkmal des kbo-Huntington-Zentrums Süd ist das große und bewährte stationäre Behandlungsangebot mit 19 stationären Betten. Neben einer ambulanten Behandlung bietet es auch die Möglichkeit einer stationären Behandlung von Patienten in allen Stadien der Huntington-Krankheit. Darüber hinaus werden Möglichkeiten zur stationären und ambulanten psychotherapeutischen Behandlung für Menschen, die Anlageträger für die HK sind, aber noch keine Symptome der Erkrankung zeigen, und für Angehörige angeboten. In diesem Kontext wird unter anderem Unterstützung zur Krankheitsbewältigung, bei Anpassungsstörungen sowie bei Neudiagnosen angeboten. In Rahmen der ambulanten Behandlung wird eine medizinisch-neuropsychiatrische und psychotherapeutische Behandlung sowie eine genetische und sozialmedizinische Beratung angeboten.
Universitätsklinikum Ulm
Mit dem Huntingtonzentrum Ulm (Prof. Dr. G. Bernhard Landwehrmeyer), der Abteilung Neurologie des Universitätsklinikums Ulm und der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm besteht eine intensive Kooperation, die zukünftig weiter ausgebaut und formalisiert werden soll.
Behandlungsangebot
In Kooperation mit der Psychiatrie bieten die Zentren eine Sprechstunde für Huntington-Patient:innen und ihre Familien sowie nach Absprache auch für Risikopersonen an. Auch die Möglichkeit einer neuropsychologischen Testung und psychologischen Betreuung besteht. Zudem besteht eine gute Kooperation mit humangenetischen Praxen.
Therapieansätze
Da bei der Chorea Huntington und anderen Chorea-Erkrankungen sehr unterschiedliche Symptome im Vordergrund stehen können, erfolgt die Therapie Symptom-orientiert in individueller Abstimmung auf den einzelnen Patienten. Sinnvoll ist hierbei ein multimodales Therapiekonzept, das an den individuellen Krankheitsverlauf angepasst ist.
Verschiedene Medikamente können zur Linderung der Symptome eingesetzt werden. Die medikamentöse Therapie zielt vor allem darauf ab, die überschießenden Bewegungen und die psychischen Symptome zu reduzieren. Viele Patienten benötigen beispielsweise eine Behandlung depressiver oder psychotischer Zustände. Hier ist es besonders wichtig, die Therapie regelmäßig hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu beurteilen und gegebenenfalls anzupassen.
Weiterhin profitieren viele Betroffene von einer begleitenden Ergotherapie sowie krankengymnastischen und logopädischen Übungsbehandlungen. Da der unwillkürliche Bewegungszwang zu einem sehr hohen Energieverbrauch führt und die Erkrankung zu Schluckstörungen führen kann, sollten die meisten Patienten zudem eine spezielle hochkalorische Diät erhalten, um Untergewicht zu vermeiden. Studien konnten zeigen, dass ein erhöhtes Stresslevel mit einem vermehrten Fortschreiten der Erkrankung einhergeht. Daher ist es besonders wichtig, den Betroffenen eine umfangreiche Unterstützung im Alltag anzubieten und so zu einer möglichst hohen Lebensqualität beizutragen. Dabei können Selbsthilfegruppen oder Vereine eine wichtige Stütze für Betroffene und Angehörige darstellen.
Vorbereitung zum Besuch der Spezialambulanz
Es wird empfohlen, folgende Unterlagen vorzubereiten und mitzubringen:
- Liste aller eingenommenen Medikamente
- Stammbaum mit Alter (ggf.
Forschung
Zusammen mit nationalen und internationalen Kooperationspartnern sind die genannten Zentren an zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen beteiligt. Klinische Forschungsschwerpunkte sind: Erforschung der peripheren Pathologie, die Entwicklung von Verlaufsparametern (Biomarker) mit einem Schwerpunkt bei der Entwicklung von motorischen Tests.
Zur Erforschung der Chorea Huntington arbeiten einige Zentren mit dem Institut für Medizinische Genetik in Tübingen (Prof. Olaf Rieß) und dem George-Huntington-Institut in Münster (Dr. Ralf Reilmann) zusammen. Für die Choreaakanthozytose besteht eine enge Forschungskooperation mit dem Institut für Physiologie (Prof.
Am kbo-Huntington-Zentrum Süd in Taufkirchen werden seit mehreren Jahren klinische Studien (z.B. Natural-History-Studien) und klinische Medikamentenprüfungen mit Patienten, die von der HK betroffen sind, durchgeführt.
Klinische Studien
In klinischen Forschungszentren werden Studien zum Einsatz neuer Medikamente bei der Huntington-Erkrankung durchgeführt. Unter anderem sind einige Zentren eines der wenigen Zentren weltweit, die an hochinnovativen Studien, wie der IONIS Antisense Studie teilnehmen.
Die Enroll-HD Studie wird weltweit allen Huntington-Betroffenen (symptomatische Personen, Genträger ohne Beschwerden und Kindern sowie Angehörigen von Betroffenen) angeboten. Einmal jährlich wird eine ausführliche klinische Untersuchung durchgeführt. Bei Teilnahme an ENROLL-HD erhalten Sie keine Medikamente - Sie werden lediglich jährlich untersucht und gleichzeitig beraten. Falls Sie zukünftig an einer klinischen Studie teilnehmen wollen, z.B. mit einem neuen Medikament, können Sie mit den in der ENROLL-HD Studie erhobenen Daten vorab Informationen darüber geben, ob eine Studienteilnahme möglich erscheint. Die ENROLL-HD Untersuchungen dauern ca. 1-2 Stunden.
Lebenserwartung und Prognose
Die Chorea Huntington schreitet chronisch fort und kann nicht geheilt werden. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer liegt bei etwa 12-15 Jahren, sodass die Lebenserwartung auch maßgeblich davon abhängt, in welchem Alter die Erkrankung auftritt. Das 60. Lebensjahr wird nur von den wenigsten Patienten erreicht.
Dennoch können ein individuell angepasstes Behandlungsschema und pflegerische Unterstützung im Alltag dazu beitragen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Unterstützung und Informationen
Die Huntington-Krankheit ist selten. Daher ist es verständlich, dass Ärzte/Therapeuten nur wenige Patient*innen mit der Diagnose der Huntington-Krankheit betreuen. Die Deutsche Huntington-Hilfe e.V. stellt Informationen zusammen, die für Ärzte/Therapeuten wichtig sind. Sie finden darüber hinaus auf der Webseite noch weitere Informationen rund um den Patientenweg - u.a. bzgl. Prävention und Therapie, den Alltag und den Umgang mit den Erkrankten und deren Symptomen. Auch das könnte für Sie interessant sein, um sich in die Lage der Familien zu versetzen. Wenn Sie weitere Fragen haben, Kontakte zu anderen Ärzten/den Huntington-Zentren oder den Selbsthilfe-Vertretern in Ihrer Region suchen, sind sie gerne für Sie da! Schauen Sie auch nach dem Landesverband in Ihrer Region - und deren Angeboten sowie den Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe. Für individuelle Fragen können Sie sich auch gerne an die Geschäfts- und Beratungsstelle wenden.
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