Corona-Impfung und das Demenzrisiko: Was Sie wissen sollten

Die COVID-19-Pandemie hat die Welt vor große Herausforderungen gestellt, und die Forschung konzentriert sich weiterhin auf die langfristigen Auswirkungen der Infektion und der Impfung. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Zusammenhang zwischen COVID-19, Impfungen und dem Risiko für neurologische Erkrankungen, insbesondere Demenz. Dieser Artikel fasst die aktuellen Erkenntnisse zusammen und beleuchtet die komplexen Zusammenhänge.

Langfristige neurologische Folgen von COVID-19

Eine Studie, die in The Lancet Psychiatry veröffentlicht wurde, untersuchte die Krankenakten von etwa 2,5 Millionen Patientinnen und Patienten aus verschiedenen Ländern über einen Zeitraum von zwei Jahren. Die Ergebnisse zeigen, dass das Risiko für bestimmte neurologische Erkrankungen, wie kognitive Defizite, Demenz, psychotische Störungen, Epilepsie oder Krampfanfälle, auch zwei Jahre nach einer COVID-19-Infektion leicht erhöht bleibt.

Unterschiede zwischen Altersgruppen

Die Studie ergab, dass bei Patienten im mittleren Alter (18 bis 64 Jahre) die Inzidenz für kognitive Defizite zwei Jahre nach einer COVID-19-Infektion bei 6,39 % lag, verglichen mit 5,50 % in der Kontrollgruppe mit anderen Atemwegserkrankungen. Bei Erwachsenen über 65 Jahre lag die Inzidenz einer Demenz bei 4,46 % nach einer COVID-19-Infektion und bei 3,34 % nach anderen Atemwegsinfektionen.

Kinder hatten nach sechs Monaten ein erhöhtes Risiko für kognitive Defizite, Schlaflosigkeit, intrakranielle Blutungen, ischämische Schlaganfälle, Nerven-, Nervenwurzel- und Plexuserkrankungen, psychotische Störungen und Epilepsie oder Krampfanfälle. Anders als bei den Erwachsenen war das Risiko für das Auftreten von kognitiven Defiziten bei den Kindern aber weniger als ein Vierteljahr lang erhöht.

Einfluss von Virusvarianten

Die Risikoprofile waren vor und kurz nach dem Aufkommen der Alpha-Variante von SARS-CoV-2 noch vergleichbar. Doch kurz nach dem Aufkommen der Delta-Variante waren erhöhte Risiken für ischämische Schlaganfälle, Epilepsie oder Krampfanfälle, kognitive Defizite, Schlafstörungen und Angststörungen zu beobachten. Dies ging mit einer erhöhten Sterberate einher.

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Mögliche Ursachen

Es ist noch unklar, ob die beobachteten erhöhten Risiken für psychiatrische und neurologische Erkrankungen auf die Infektion mit SARS-CoV-2 zurückzuführen sind oder vielmehr die Folge der mit einer weltweiten Pandemie verbundenen Belastung sind. Es gibt jedoch potenzielle biologische Mechanismen, die eine kausale Beziehung erklären würden, wie z.B. eine maladaptive Reaktion des Wirts, die zu einer nachhaltigen neurologischen Schädigung führen kann.

COVID-19 und Alzheimer: Eine mögliche Verbindung

Forschende der New York University haben beobachtet, dass Patientinnen und Patienten, die wegen Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden und während ihrer akuten Infektion neurologische Symptome haben, ein Niveau an Hirnverletzungsmarkern aufweisen können, die so hoch oder höher sind als diejenigen, die bei Patientinnen und Patienten mit Alzheimer beobachtet werden. Hirnverletzungen, die auch mit einem Anstieg dieser Biomarker verbunden sind, bedeuten nicht zwangsläufig, dass ein Patient oder eine Patientin später Alzheimer oder eine damit verbundene Demenz entwickelt, sondern erhöhen das Risiko dafür.

Eine Studie in Nature Medicine deutet darauf hin, dass COVID-19 möglicherweise die Ablagerung von Beta-Amyloiden und Tau-Fibrillen im Gehirn fördern kann, die Kennzeichen des Morbus Alzheimer sind. Betroffen wären vor allem Patienten, die wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden oder aus anderen Gründen eine erhöhte Vulnerabilität haben.

Biomarker-Veränderungen

Die Forscher verglichen Blutproben von Personen, die an COVID-19 erkrankt waren, mit Blutproben von Personen, die sich nicht erkennbar mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. In den Blutproben wurde ein Abfall des Quotienten aus Abeta42 und Abeta40 festgestellt, ein wichtiger Parameter zur Früherkennung des Morbus Alzheimer. Bei älteren Menschen und solchen mit einer erhöhten Vulnerabilität fiel auch die Abeta42-Konzentration insgesamt ab und die pTau-181-Konzentration nahm zu.

Beschleunigung des Krankheitsverlaufs?

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Infektion mit SARS-CoV-2 zwar keinen Morbus Alzheimer auslöst, den jahrzehntelangen Verlauf der Erkrankung jedoch beschleunigen könnte. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird sich erst in künftigen epidemiologischen Studien zeigen.

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Die Rolle der COVID-19-Impfung

Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus ist weiterhin eine Impfung. Eine Studie von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität München konnte nachweisen, dass das SARS-CoV-2-Spike-Protein in den schützenden Schichten des Gehirns, den Hirnhäuten und im Knochenmark des Schädels bis zu vier Jahre nach der Infektion verbleiben kann. Dies könnte zu chronischen Entzündungen führen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie beispielsweise Alzheimer- oder Parkinson-Krankheit erhöhen.

Die Forschenden stellten fest, dass der mRNA-COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn um 50 Prozent reduziert. Dies deutet darauf hin, dass mRNA-Impfstoffe das Risiko langfristiger neurologischer Folgen erheblich senken können und somit einen entscheidenden Schutz bieten.

Nebenwirkungen der Impfung

Wie bei anderen Impfstoffen auch können jedoch Nebenwirkungen auftreten. Im Rahmen einer Studie wurden lokale (Schwellungen, Rötungen, Schmerzen an der Injektionsstelle, Hautempfindlichkeit) und systemische Nebenwirkungen (Müdigkeit, Durchfall, Übelkeit, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Fieber) untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass nach der ersten Impfung vor allem lokale Nebenwirkungen bei den mRNA-Impfstoffen BioNTech/Pfizer und Moderna auftraten, während systemische Nebenwirkungen bei dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca häufiger und schwerer waren. Nach der zweiten Dosis nahm jedoch die Häufigkeit systemischer Nebenwirkungen ab, wenn AstraZeneca verabreicht wurde.

Impfung für neurologische Patienten

Neurologische Patienten sollten sich impfen lassen, da einige neurologische Krankheiten mit einem erhöhten Risiko einhergehen können, dass man im Fall einer Corona-Erkrankung einen schwereren, lebensbedrohlichen Verlauf erleidet. Besonders gefährdet sind Menschen mit Demenz. Bei bestimmten Medikamenten gegen Multiple Sklerose kann es allerdings sein, dass sich die Impfwirkung nicht oder nicht voll entfaltet.

Gürtelrose-Impfung und Demenzrisiko

Einige Forscher suchen nach anderen Ursachen für Demenz - einschließlich der Rolle bestimmter Virusinfektionen. Eine Impfung gegen die Gürtelrose, die Menschen über 60 Jahren empfohlen wird, könnte möglicherweise auch vor Demenz schützen. Eine Studie aus Wales deutet darauf hin, dass die Gürtelroseimpfung das Auftreten von Demenz bei den Geimpften über einen Zeitraum von sieben Jahren um etwa 37 % senken könnte.

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Natürliches Experiment in Wales

In Wales begann am 1. September 2013 ein Impfprogramm, bei dem jeder, der zu diesem Zeitpunkt 79 Jahre alt war, ein Jahr lang Anspruch auf den Impfstoff gegen Gürtelrose hatte. Personen, die 78 Jahre alt waren, hatten im nächsten Jahr ein Jahr lang Anspruch darauf usw. Menschen, die am 1. September 2013 80 Jahre oder älter waren, hatten keinen Anspruch auf den Impfstoff. Diese Regel ermöglichte es, die Wirkung des Impfstoffs isoliert zu betrachten.

Weniger Demenzfälle bei Geimpften

Die Analyse der Gesundheitsdaten von mehr als 280.000 älteren Erwachsenen aus Wales ergab, dass in dem siebenjährigen Nachbeobachtungszeitraum bei mehr als einem von sechs älteren Erwachsenen, die nicht geimpft wurden, eine Demenz diagnostiziert wurde. Im Gegensatz dazu entwickelte nur etwa einer von acht älteren Erwachsenen, die aufgrund ihrer Berechtigung die Gürtelroseimpfung erhielten, die Krankheit.

Schutz vor allem bei Frauen beobachtet

Ein wichtiges Ergebnis der Studie war, dass der Schutz vor Demenz durch die Impfung bei Frauen viel stärker zu sein scheint als bei Männern. Dies könnte möglicherweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Immunantwort zurückzuführen sein oder in der Art und Weise, wie sich Demenz entwickelt.

Wirkmechanismus noch unbekannt

Es ist noch nicht bekannt, wie der Impfstoff vor Demenz schützt. Es könnte sein, dass er das Immunsystem insgesamt ankurbelt, dass er speziell verhindert, dass das schlummernde Varizella Zoster Virus reaktiviert wird, oder über einen ganz anderen Mechanismus funktioniert.

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