Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Weltgesundheit, sondern auch das Nervensystem vieler Menschen beeinträchtigt. SARS-CoV-2, das Virus, das COVID-19 verursacht, kann neurologische Erkrankungen auslösen, die als "Neuro-COVID" bekannt sind. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen neurologischen Auswirkungen von COVID-19, einschließlich der möglichen Nebenwirkungen von Impfungen, und bietet Informationen sowie Ratschläge für Betroffene.
Neuro-COVID: Ein Angriff auf das Nervensystem
Schon früh in der Pandemie wurde deutlich, dass COVID-19 nicht nur die Atemwege betrifft. Viele Patientinnen entwickelten neurologische Beschwerden, die unter dem Begriff "Neuro-COVID" zusammengefasst werden. Dazu gehören anhaltende Erschöpfung, Schmerzen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme und Schlafstörungen. In extremen Fällen kann es sogar zu demenzähnlichen Symptomen oder Psychosen kommen. Etwa 80 % der Patientinnen, die mit einer Coronaviruserkrankung im Krankenhaus behandelt werden, haben neurologische Beschwerden. Selbst bei einem leichten Verlauf können einige Menschen in den Monaten nach einer COVID-19-Erkrankung unter neurologischen Problemen leiden.
Neurologische Symptome und Manifestationen
Eine retrospektive Fallserie aus Wuhan zeigte, dass sich COVID-19 bei mehr als einem Drittel der analysierten Patientinnen auch neurologisch manifestierte. Die häufigsten neurologischen Symptome sind Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns (Anosmie und Kakosmie). In einer europäischen Studie berichteten über 85 % der COVID-19-Patientinnen mit milden bis moderaten Symptomen von solchen Störungen. In über 10 % der Fälle traten die Riechstörungen vor allen weiteren Symptomen auf.
Weitere neurologische Symptome und Manifestationen von COVID-19 umfassen:
- Enzephalopathie: Verwirrtheits- und Agitationszustände, Ataxie und Bewusstseinstrübungen.
- Schlaganfall und Hirnblutung: Erhöhte D-Dimer-Spiegel deuten auf ein aktiviertes Gerinnungssystem und damit eine erhöhte Thromboseneigung hin, was zu ischämischen Schlaganfällen oder Embolien führen kann.
- Enzephalitis und Epilepsie: SARS-CoV-2 kann auch mit einer Meningoenzephalitis assoziiert sein, die zu Gedächtnisstörungen und epileptischen Anfällen führen kann.
- Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Ein schweres Krankheitsbild, bei dem durch eine Autoimmunreaktion die Myelinschicht peripherer Nerven Schaden nimmt.
Ursachen neurologischer Komplikationen
Das Coronavirus kann durch verschiedene Mechanismen ins Nervensystem vordringen, z. B. über die Nasenschleimhaut und die Riechnerven Richtung Gehirn. Bei schwer erkrankten Corona-Patient*innen entstehen die meisten neurologischen Probleme aber aus anderen Gründen:
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- Übermäßige Entzündungsreaktion: Der Körper antwortet mit einer zu starken Entzündungsreaktion auf das Virus.
- Fehlreaktion des Immunsystems: Das Immunsystem reagiert falsch und greift eigene Körperzellen an.
- Erhöhte Blutgerinnung: Das Blut gerinnt vermehrt, was zu Gefäßverschlüssen führen kann.
- Schädigung der Gefäßwände: Die Gefäßwände werden geschädigt, was das Risiko für Blutungen erhöht.
Corona-Impfung und neurologische Komplikationen
Die zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 sind nach jetzigem Kenntnisstand sicher. Bei etwa zehn von einer Million Geimpften kann es schwere allergische Reaktionen geben. Es wurde ein insgesamt statistisch gering erhöhtes Risiko für Thrombosen beobachtet. Daher wird auf Empfehlung der "Ständigen Impfkommission" der Impfstoff nur noch für Personen über 60 Jahre empfohlen, bei denen diese Thrombosen nicht aufgetreten sind.
Guillain-Barré-Syndrom (GBS) und COVID-19-Impfstoffe
Einige Studien deuten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen bestimmten COVID-19-Impfstoffen und dem Auftreten des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) hin. Eine im „JAMA Network Open“ publizierte Auswertung der Fälle, die an die US-Nebenwirkungsdatenbank VAERS gemeldet wurden, ergab, dass die GBS-Melderaten innerhalb von 21 und 42 Tagen nach der Janssen-Impfung (Johnson & Johnson) neun- bis zwölfmal höher waren als nach einer mRNA-Impfung mit den COVID-19-Vakzinen von BioNTech/Pfizer (Comirnaty) und Moderna (Spikevax). Für die beiden mRNA-Impfstoffe konnte kein entsprechender Zusammenhang ermittelt werden.
Eine weitere Studie zeigte, dass die Zahl der GBS-Fälle innerhalb von 14 Tagen nach einer Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine 1,4- bis 10-mal höher war als erwartet.
Es ist wichtig zu beachten, dass das absolute GBS-Risiko nach der COVID-19-Impfung sehr gering ist. Laut Schätzungen der Forschenden liegt es nur in einer Größenordnung von wenigen Fällen pro Million Impfdosen.
Mögliche Ursachen für GBS nach Impfung
Die spezifischen Ursachen und Risikofaktoren einer GBS-Erkrankung sind oft unklar. Molekulare Mimikry könnte jedoch eine Rolle bei der Ätiologie spielen. Es ist möglich, dass durch bestimmte Impfstoffe induzierte Antikörper mit Glykoproteinen auf der Myelinscheide der Axone peripherer Nerven kreuzreagieren und ein Guillain-Barré-Syndrom auslösen.
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Ein erhöhtes GBS-Risiko nach Impfung mit Adenovirus-Vektor-Impfstoffen könnte auf einen Zusammenhang mit dieser Impfstoffklasse hindeuten.
Umgang mit neurologischen Symptomen nach COVID-19 oder Impfung
Viele Spätfolgen von COVID-19 oder Impfungen bilden sich in den ersten Wochen oft deutlich zurück. Es gibt jedoch Maßnahmen, die Betroffene ergreifen können, um ihre Symptome zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern:
- Ärztliche Beratung: Bei anhaltenden oder schweren neurologischen Symptomen sollte man einen Arzt aufsuchen. Der Hausarzt kann einen zum Neurologen überweisen oder eine Post-COVID-Ambulanz empfehlen.
- Symptom-Tagebuch: Ein Symptom-Tagebuch kann helfen, die Entwicklung der Beschwerden zu verfolgen und zu erkennen, ob es Stück für Stück besser wird.
- Rehabilitation: Eine gezielte Reha kann bei bestimmten Spätfolgen wie eingeschränkter Bewegungsfreiheit, Lähmungen oder Erschöpfung helfen.
- Langsame Steigerung der Alltagsaktivitäten: Das Alltagsleben sollte nur ganz langsam wieder hochgefahren werden. Körperliche Anstrengungen sollten stufenweise angepasst und Überanstrengung vermieden werden.
- Stress vermeiden: Stress kann die Symptome verstärken und sollte daher vermieden werden.
- Schmerzmedikamente: Bei Kopfschmerzen können versuchsweise Schmerzmedikamente eingenommen werden, aber nicht länger als eine Woche am Stück. Wenn der Kopfschmerz von den Medikamenten in ausreichender Dosierung nicht besser wird, sollte man zum Hausarzt gehen.
Wichtige Hinweise für neurologische Patient*innen
- Impfung: Neurologische Patient*innen sollten sich gegen COVID-19 impfen lassen, da einige neurologische Krankheiten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf einhergehen können.
- Arztbesuche: Auch in Corona-Zeiten sollten neurologische Patient*innen bei Problemen oder neuen Symptomen immer zum Arzt gehen.
- Schlaganfall-Symptome: Bei Symptomen eines Schlaganfalls (Lähmungen, Sprachstörungen, Sehstörungen) muss immer und sofort der Notruf gewählt werden.
Fazit
COVID-19 kann eine Vielzahl von neurologischen Symptomen und Komplikationen verursachen, die als "Neuro-COVID" bekannt sind. Einige COVID-19-Impfstoffe wurden mit einem erhöhten Risiko für das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) in Verbindung gebracht, obwohl das absolute Risiko sehr gering ist. Neurologische Patient*innen sollten sich gegen COVID-19 impfen lassen und bei anhaltenden oder schweren Symptomen ärztliche Hilfe suchen. Mit den richtigen Maßnahmen können Betroffene ihre Symptome lindern und ihre Lebensqualität verbessern.
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