Die COVID-19-Pandemie hat viele Aspekte des Gesundheitswesens beeinflusst, und auch Menschen mit Parkinson-Syndromen und anderen Bewegungsstörungen stehen vor besonderen Herausforderungen. Dieser Artikel fasst die aktuellen Erkenntnisse aus Studien und Empfehlungen zusammen, um Betroffenen und ihren Angehörigen eine Orientierung zu geben.
Impfung gegen SARS-CoV-2 bei Parkinson-Patienten
Empfehlung zur Impfung
Es wird dringend empfohlen, dass sich Parkinson-Patienten gegen SARS-CoV-2 impfen lassen. Diese Empfehlung steht im Einklang mit der „International Parkinson and Movement Disorder Society (MDS)“, da die Vorteile einer Impfung die potenziellen Risiken deutlich überwiegen. In Deutschland und der EU sind mehrere Impfstoffe zugelassen, darunter die von Pfizer/BioNTech und Moderna, die eine hohe Effektivität bei der Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion gezeigt haben. Auch der Impfstoff von Oxford/AstraZeneca bietet einen hohen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen.
Auswirkungen der Impfung
Bisherige Studien und Erfahrungen zeigen, dass die Impfung keinen Einfluss auf den neurodegenerativen Prozess bei Parkinson-Syndromen hat. Das Nebenwirkungsprofil bei Parkinson-Patienten unterschied sich nicht von dem gesunder Probanden, wobei ältere Patienten tendenziell geringere Nebenwirkungen zeigten als jüngere. Es gibt keine Hinweise auf eine Interaktion zwischen Parkinson-spezifischen Medikamenten und der Impfung gegen SARS-CoV-2.
Risiken einer SARS-CoV-2-Infektion
Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann zu einer deutlichen Verschlechterung der Parkinson-Symptome führen. Parkinson-Betroffene haben bei schweren Verläufen von Infektionskrankheiten, einschließlich der Grippe, oft mehr Komplikationen, insbesondere bei Lungenentzündungen. Dies gilt besonders für Patienten mit fortgeschrittenen Stadien der Parkinson-Krankheit und atypischen Parkinson-Syndromen wie Multisystematrophie (MSA) oder Progressiver supranukleärer Parese (PSP), bei denen aufgrund von Atem- oder Schluckstörungen ein erhöhtes Risiko für Lungenentzündungen besteht.
Zusammenhang zwischen COVID-19 und Parkinson-Krankheit
Aktuelle Erkenntnisse
Ein eindeutiger direkter Zusammenhang zwischen SARS-CoV-2 und der Parkinson-Krankheit ist derzeit nicht bekannt. Es gibt Fallberichte, die die Entwicklung von Parkinson-Symptomen im zeitlichen Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion beschreiben. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ein zeitlicher Zusammenhang keine Kausalität beweist. Es ist möglich, dass das Parkinson-Syndrom bereits vor der Infektion bestand, aber unbemerkt blieb.
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Weitere Forschung
Unser Verständnis von SARS-CoV-2 ist noch nicht vollständig. Die Bindungsstelle für das Coronavirus SARS-CoV-2 (ACE2) findet sich auch in verschiedenen Regionen des Gehirns, einschließlich des Striatums, das bei der Parkinson-Krankheit eine wichtige Rolle spielt. Ob es einen Zusammenhang zwischen der bei vielen COVID-19-Erkrankten beschriebenen Anosmie (Geruchsverlust) und dem bekannten Frühsymptom Anosmie/Hyposmie bei Parkinson gibt, ist noch unklar.
Risikofaktoren und Mortalität
Es gibt keine Hinweise darauf, dass Parkinson-Betroffene ein erhöhtes Risiko haben, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken. Auch eine erhöhte Mortalität bei Parkinson-Betroffenen wurde bisher nicht nachgewiesen. Allerdings ist das Wissen über die Auswirkungen von mutierten Varianten von SARS-CoV-2 auf Parkinson-Patienten noch begrenzt.
Forschungsprojekte
Das EU-Projekt COMMUTE untersucht den Zusammenhang zwischen COVID-19 und Neurodegeneration. Führende europäische Fachleute analysieren, ob eine SARS-CoV-2-Erkrankung bei einigen Patienten eine Neuroinflammation auslöst und ob dies zu neurodegenerativen Erkrankungen führen kann. Das Projekt zielt darauf ab, Mechanismen der möglichen Komorbidität von COVID und Alzheimer zu identifizieren und personalisierte Gesundheitsanwendungen zu entwickeln.
Kontakt für Betroffene
Wenn Sie die Diagnose eines Parkinson-Syndroms haben und an SARS-CoV-2 erkrankt waren oder nach einer SARS-CoV-2-Infektion Symptome und/oder die Diagnose eines Parkinson-Syndroms erhalten haben, können Sie sich unter pnmplus(at)ukmuenster(dot)de melden.
Besondere Maßnahmen für Parkinson-Patienten während der Pandemie
Allgemeine Empfehlungen
Parkinson-Betroffene müssen grundsätzlich keine besonderen Maßnahmen ergreifen, sollten aber aufgrund ihres oft höheren Lebensalters die Bedeutung von Schutzmaßnahmen vor einer Infektion beachten. Es wird dringend empfohlen, die allgemeinen Maßnahmen und Vorgaben einzuhalten, um eine Exposition gegenüber dem Virus zu vermeiden.
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Schutzmaßnahmen
Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören das Reduzieren von Kontakten, das Beachten der AHA+L-Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmasken tragen und lüften) und das Zuhause bleiben bei akuten Atemwegssymptomen. Aufgrund des Auftretens von mutierten Varianten wurde die Maskenpflicht verschärft (OP-Masken oder FFP2-Masken in Bussen und Bahnen).
Arzt- und Therapietermine
Notwendige Arzttermine sollten wahrgenommen werden. Bei gesundheitlichen Bedenken oder Symptomen einer Atemwegsinfektion sollte der behandelnde Arzt vor dem Aufsuchen der Praxis telefonisch kontaktiert werden. Rezepte für Parkinson-Medikamente sollten rechtzeitig telefonisch angefordert und nach Möglichkeit per Post zugesandt werden. Es sollte auch nach der Möglichkeit von Televisiten gefragt werden, bei denen der Arztkontakt elektronisch über Video erfolgt.
Aktivierende Therapien wie Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie sollten unter Beachtung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen wahrgenommen werden, um eine Verschlechterung von Symptomen wie Gang-, Sprech- und Schluckstörungen zu verhindern. Therapeuten können auch Übungen für ein Heimübungsprogramm empfehlen.
Bewegungstherapie und Lebensqualität
Bedeutung der Bewegungstherapie
Zusätzlich zur medikamentösen Therapie und der tiefen Hirnstimulation ist eine kontinuierliche Bewegungstherapie essentiell für den Alltag von Menschen mit Parkinson. Studien haben gezeigt, dass Bewegungstherapie die motorischen und nicht-motorischen Symptome verbessert und die Lebensqualität steigert.
Empfehlungen für Bewegungsprogramme
Es gibt viele unterschiedliche Bewegungsprogramme, die positive Effekte gezeigt haben, darunter Ausdauersportarten wie Walken, Krafttraining, Dehnübungen und achtsamkeitsbasierte Bewegungsprogramme wie Thai Chi. Die Übungen sollten dem jeweiligen Krankheitsstadium angepasst sein und zu einer dem Lebensalter angepassten Erhöhung der Herzfrequenz und leichtem Schwitzen führen.
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Beispiele für Übungen
- Ausdauertraining: Walken, Aerobic, Hometrainer über 30 Minuten, die zu einer Erhöhung der Herzfrequenz und Schwitzen führen. Ziel ist die Verbesserung der Herz-Kreislauffunktion und des allgemeinen Wohlbefindens.
- Krafttraining: Training bestimmter großer Muskelgruppen mit Gewichten zur Stärkung der Muskeln und Verbesserung der Ausdauer.
- 2-Komponenten-Training: Kombination von motorischen und kognitiven Komponenten.
Regelmäßigkeit und positive Auswirkungen
Regelmäßiges Training (mindestens 3-4x wöchentlich ca. 30 Minuten) wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus, reduziert Ruhepuls und Blutdruck, verbessert den Fett- und Kohlehydratstoffwechsel, reduziert immunologische Reaktionen und chronische Entzündungen und beeinflusst Adipositas.
Bewegungstherapie als Antidepressivum
Körperliche Aktivität kann als Antidepressivum wirken, die Stimmung verbessern, Symptome lindern und das allgemeine Wohlbefinden stärken. Studien haben gezeigt, dass körperliches Training ohne begleitende pharmakologische Therapie die depressive Symptomatik in gleichem Ausmaß reduziert wie eine medikamentöse Behandlung.
Erhöhung des BDNF-Spiegels
Körperliche Aktivität führt zu einer Erhöhung des BDNF (Brain-derived neurotrophic factor) im Blut, einem Neurotrophin, der essentiell für neuronale Neubildungs- und Umbildungsprozesse ist. Bei Depressionen ist der BDNF-Spiegel erniedrigt, und sowohl Antidepressiva als auch sportliche Aktivität führen zu einer Erhöhung des BDNF-Spiegels.
Tipps für Bewegung während der Pandemie
Es ist wichtig, sozial distanziert zu bleiben und wenn möglich in der eigenen Wohnung zu trainieren. Spaziergänge sollten mit einem Partner unternommen werden, Menschenmengen vermieden und ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen eingehalten werden. Zu Hause können Fitnessgeräte nützlich sein. Bei Bedarf sollte man sich durch eine im Haushalt lebende Person helfen lassen und nur Übungen ausführen, bei denen man sich sicher fühlt.
Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf Dopamin-Neurone
Forschungsergebnisse
SARS-CoV-2 kann Dopamin-Neurone beeinträchtigen und eine entzündliche Alterungsreaktion auslösen. Da Dopamin-Neurone bei der Parkinson-Krankheit zugrunde gehen, wird untersucht, ob COVID-19-Patienten langfristig auf ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Parkinson-Symptomen überwacht werden müssen.
Potenzielle Wirkstoffe
Studien haben gezeigt, dass die Wirkstoffe Riluzol, Metformin und Imatinib die Corona-bedingte Alterung der Dopamin-Neurone verhindern könnten, indem sie die SARS-CoV-2-Infektion blockieren.
Klinische Relevanz
Die klinische Relevanz dieser Forschungsergebnisse für den einzelnen Patienten ist noch nicht bekannt, da die Infektion nur einen relativ kleinen Prozentsatz der Dopamin-Neuronen betrifft.
Erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe bei Parkinson-Patienten
Studienergebnisse
Parkinson-Betroffene, die wegen COVID-19 stationär versorgt wurden, zeigten häufiger schwere Krankheitsverläufe. Dies könnte auf eine beeinträchtigte Lungenfunktion durch Begleiterkrankungen und eine Parkinson-assoziierte Atemmuskelschwäche zurückzuführen sein.
Begleiterkrankungen als Risikofaktoren
Parkinson-Patienten haben häufiger Begleiterkrankungen wie Pneumonien, Hypertonie und chronische Nierenerkrankungen, die Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19 darstellen.
Sterberate
Die Sterberate von Parkinsonpatienten mit COVID-19 im Krankenhaus war erhöht.
Neuropathologische Veränderungen und neuroimmunologische Aktivierung
Forschungshypothese
Es wird untersucht, ob die neuroimmunologische Aktivierung bei COVID-19 die Parkinson-Erkrankung moduliert und zu einer beschleunigten Neurodegeneration führt. Neuropathologische Veränderungen und gestörte biologische Pfade werden bei verschiedenen Patientengruppen untersucht, um diese Mechanismen zu verstehen.
Untersuchungsschwerpunkte
Die Forschung konzentriert sich auf das neuroimmunologische Profil, die Protein-Faltung/Ablagerung und den Protein-Abbau in verschiedenen Regionen des Gehirns sowie auf differentiell exprimierte Gene im frontalen Cortex und Mittelhirn.
Schlussfolgerung
Die COVID-19-Pandemie stellt Menschen mit Parkinson-Syndromen vor besondere Herausforderungen. Es ist wichtig, sich impfen zu lassen, die empfohlenen Schutzmaßnahmen einzuhalten und regelmäßige Bewegungstherapie in den Alltag zu integrieren. Aktuelle Forschungsprojekte untersuchen den Zusammenhang zwischen COVID-19 und Parkinson-Krankheit, um neue Therapieansätze und personalisierte Gesundheitsanwendungen zu entwickeln.
Ausgewählte Literatur und Videos
- Okun/Malaty/Deeb (2020), Living with Parkinson's Disease.