Das Gehirn, auch Cerebrum oder Encephalon genannt, ist die Steuerzentrale des Körpers und übernimmt lebenswichtige Aufgaben wie die Steuerung von Atmung und Kreislauf. Es ist ein komplexes Organ, das Denken, Lernen, Emotionen und Handlungsabläufe steuert. In diesem Artikel werden wir die Anatomie und Funktionsweise des Gehirns detailliert untersuchen.
Anatomie des Gehirns
Das Gehirn befindet sich im Kopf, gut geschützt durch die knöcherne Schädeldecke. Im Bereich des Hinterkopfs geht das Gehirn in das Rückenmark über. Das Nervengewebe des Gehirns ist von drei verschiedenen Hirnhäuten (Meningen) geschützt, bevor es vom Schädel umgeben wird. Sie setzen sich außerhalb unseres Gehirns in den Rückenmarkshäuten fort.
Genau wie das Rückenmark, besteht das Gehirn aus zwei verschiedenen Gewebeanteilen:
- Graue Substanz: Sie enthält alle Zellkörper der Nervenzellen. Bei Groß- und Kleinhirn bildet die graue Masse die umhüllende Rinde. Außerdem befindet sie sich in der weißen Substanz.
- Weiße Substanz: Sie enthält die Nervenfasern, also die Axone der Nervenzellen. Beim Gehirn befinden sich die Nervenzellkörper also vor allem in den äußeren Bereichen und die Axone liegen im inneren Teil des Gehirns.
Die Länge aller Nervenbahnen unseres Gehirns zusammen beträgt ungefähr 5,8 Mio. Kilometer.
Hauptstrukturen des Gehirns
Das Gehirn lässt sich in verschiedene Bereiche unterteilen, die jeweils spezifische Funktionen erfüllen:
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- Großhirn (Cerebrum): Das Großhirn ist, wie der Name schon sagt, das größte Gehirnareal und nimmt rund 80 Prozent der gesamten Hirnmasse ein. Um seine Oberfläche noch weiter zu vergrößern, ist es stark gefaltet. Es bildet viele Gehirnwindungen (Gyri), die durch Gräben (Sulci) voneinander getrennt sind. Die Großhirnrinde bildet die Oberfläche des Großhirns. Darauf befinden sich 52 Rindenfelder, die nach verschiedenen Funktionen eingeteilt werden. Das sind Hirnareale mit verschiedenen Aufgaben, in denen die Nervenbahnen enden oder entspringen. Das Großhirn besteht aus einer rechten und einer linken Gehirnhälfte. Beide sind durch ein dickes Bündel aus Nervenfasern verbunden, dem Balken (Corpus callosum). Jede Gehirnhälfte besteht wiederum aus sechs Bereichen (Lappen) mit unterschiedlichen Funktionen. Das Großhirn kontrolliert Bewegungen und verarbeitet Sinneseindrücke von außen. Hier entstehen bewusste und unbewusste Handlungen und Gefühle. Es ist außerdem für Sprache und Hören, Intelligenz und Gedächtnis verantwortlich.
- Frontallappen (Stirnlappen): Er kontrolliert die Bewegungen und führt kognitive Prozesse aus. Unterstützt die Kontrolle der Feinmotorik, Gemüt, Zukunftsplanung, Ziel- und Prioritätensetzung.
- Parietallappen (Scheitellappen): Ist ein primär sensorisches Rindenfeld und ist für somatosensorische Funktionen zuständig. Empfängt und verarbeitet Informationen über Temperatur, Geschmack, Berührung und Bewegung, die vom Rest des Körpers kommen.
- Temporallappen (Schläfenlappen): Im Temporallappen befindet sich das Sprachzentrum, das für das Verständnis und die Verarbeitung von Sprache eine wichtige Rolle spielt. Der mittlere Teil des Temporallappens enthält den Hippocampus, der für das Gedächtnis von größter Bedeutung ist. Im Hippocampus werden Informationen aus dem Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis überführt.
- Okzipitallappen (Hinterhauptlappen): Der Okzipitallappen ist der hinterste und auch kleinste der vier Hirnlappen.
- Insellappen: viele verschiedene Funktionen, z.B.
- Zwischenhirn (Diencephalon): Das Zwischenhirn liegt, wie der Name schon sagt, zwischen dem Großhirn und dem Mittelhirn. Es enthält den Thalamus, den Hypothalamus und die Zirbeldrüse. Es filtert eingehende Informationen, bevor es sie an das Großhirn weiterleitet.
- Thalamus: Den Thalamus kannst du dir als „Tor zum Bewusstsein“ vorstellen. Seine Funktion ist die Sammlung fast aller Sinneswahrnehmungen und die Weiterleitung an das primär sensorische Rindenfeld im Scheitellappen des Großhirns. Der Thalamus beinhaltet graue Substanz und ist für die Sammlung von Sinneswahrnehmungen zuständig, die er an den Parietallappen des Großhirns weiterleitet. Eine wichtige Verbindungsstation zwischen Sinnen und Hirnrinde (die äußere Schicht des Gehirns besteht aus Scheitel-, Hinterhaupts-, Frontal- und Schläfenlappen).
- Hypothalamus: Der Hypothalamus kontrolliert den Hormonhaushalt. Damit stellt er sozusagen die Verbindung zwischen Hormon- und Nervensystem dar. Er steuert wichtige Funktionen, wie Schlaf-Wach-Rhythmus, Körpertemperatur und Sexualverhalten. Der Hypothalamus ist verbunden mit der Hypophyse. Sie ist die Hormondrüse am Gehirn. Der Hypothalamus steuert den Hormonhaushalt und agiert sozusagen als Brücke zwischen Hormon- und Nervensystem. Er übernimmt die Steuerung von Funktionen wie Schlaf-Wach-Rhythmus, Körpertemperatur und Sexualverhalten. Der Hypothalamus ist mit der Hypophyse verbunden, die die Ausschüttung von Hormonen im Körper reguliert. Er reguliert zum Beispiel Hunger, Durst und Schlaf und kontrolliert zusammen mit der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) den Hormonhaushalt.
- Kleinhirn (Cerebellum): Das Kleinhirn liegt unterhalb des Großhirns und hinter dem Hirnstamm. Genau wie das Großhirn, lässt sich auch das Kleinhirn in zwei Hemisphären einteilen. Zwischen den beiden Hälften liegt der Kleinhirnwurm. Die Hauptaufgabe des Kleinhirns besteht darin, Bewegungsabläufe zu steuern und zu koordinieren. So haben wir es beispielsweise dem Kleinhirn zu verdanken, wenn unser Gleichgewicht hergestellt und die Körperhaltung aufrechterhalten wird. Jede Bewegung unseres Körpers wird vom Kleinhirn blitzschnell analysiert. Bewegungssteuerung.
- Hirnstamm (Truncus cerebri): Der Hirnstamm bildet den untersten Teil des Gehirns. Er dient als Verbindung zwischen Rückenmark und Großhirn. Er besteht aus dem Mittelhirn (Mesencephalon), der Brücke (Pons) und dem verlängerten Mark (Medulla oblongata). Der Hirnstamm ist für eine Vielzahl überlebenswichtiger Funktionen zuständig. Er koordiniert automatische Abläufe wie die Atmung und den Herzschlag, außerdem kontrolliert er auch Reflexe wie Husten, Harndrang, Erbrechen und Schlucken. Der Hirnstamm ist für die Verschaltung von Sinneseindrücken verantwortlich. Im Nachhirn überkreuzen sich viele Nervenbahnen unserer beiden Körperhälften.
- Pons (Brücke): beinhaltet Zentren zur Kontrolle lebenswichtiger Funktionen wie Atmung und Herz-Kreislauf-System. Sie ist auch an der Koordination der Augenbewegung und dem Gleichgewicht beteiligt.
- Medulla oblongata (verlängertes Mark): beinhaltet die Zentren für lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck und Schlucken.
Das limbische System
Das limbische System ist eine Gruppe miteinander verbundener Strukturen, die Emotion, Lernen und Gedächtnis vermitteln. Es besteht aus einer Vielzahl von Strukturen inklusive Fornix, Hippocampus, Gyrus cinguli, Amygdala, dem parahippokampalen Gyrus sowie Teilen des Thalamus.
- Amygdala: Limbische Struktur, die an vielen Hirnfunktionen beteiligt ist, darunter Emotion, Lernen und Gedächtnis.
- Gyrus cinguli: spielt eine Rolle bei der Entwicklung des bewussten emotionalen Erlebens.
- Fornix: eine arche-typische Struktur, die den Hippokampus mit anderen Teilen des limbischen Systems verbindet.
- Hippocampus: spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung des Langzeitgedächtnisses. Der Hippocampus ist einer der ersten Areale, die von der Alzheimer-Krankheit befallen werden. Wenn die Krankheit fortschreitet, weitet sich die Zerstörung auf die Hirnlappen aus.
- Parahippokampaler Gyrus: ein wichtiger verbindender Weg im limbischen System.
Wie funktioniert das Gehirn?
Das Gehirn übernimmt alle lebenswichtigen Funktionen unserer Körpers, wie die Atmung, den Kreislauf oder das Schlaf-Wach-Verhalten. Dazu nimmt das Gehirn alle Informationen von den Organen und aus der Umwelt auf, speichert und verarbeitet sie. Auch komplexe Funktionen wie Denken, Lernen, Emotionen oder Handlungsabläufe werden dort gesteuert.
Das Gehirn ist also sehr komplex und übernimmt viele unterschiedliche Aufgaben. Daher gibt es viele verschiedene Gehirnregionen mit speziellen Aufgaben, die zusammen arbeiten müssen. Die Gehirnzellen tauschen über die Synapsen Informationen aus. Als Synapsen werden die Kontaktstellen zwischen den Neuronen bezeichnet. Neurotransmitter (chemische Botenstoffe) übertragen die Informationen. Man geht von rund 100 Milliarden Synapsen im menschlichen Gehirn aus. Die Synapsen können dabei nutzungsabhängig optimiert und verändert werden. Der Prozess heißt auch neuronale oder synaptische Plastizität. Das beantwortet zum Beispiel die Frage „Wie lernt das Gehirn?“. Denn Lernfähigkeit kommt dadurch zustande, dass durch ständiges Wiederholen entsprechende Synapsen verstärkt werden.
Energieversorgung des Gehirns
Da der Energieverbrauch des Gehirns so hoch und der Stoffwechsel dort so aktiv ist, benötigt es sehr viel Sauerstoff und Glucose (Energielieferant). Denn obwohl das Gehirn nur 2% des Körpergewichts ausmacht, geht ungefähr ein Fünftel unseres gesamten Sauerstoffbedarfs an das Gehirn. Die Durchblutung des Gehirns läuft über zwei große, jeweils in Paaren angelegte Arterien ab. Seitlich am Hals entlang verläuft die innere Halsschlagader (Arteria carotis interna), die aus der Halsschlagader (Arteria carotis communis) entspringt.
Die vordere Hirnarterie (Arteria cerebri anterior) versorgt das Gewebe hinter der Stirn und im Bereich des Scheitels. Die mittlere Hirnarterie (Arteria cerebri media) ist für die Seite und weiter innen liegende Gehirnbereiche wichtig. Die vordere und die mittlere Hirnarterie zweigen von der inneren Halsschlagader ab. Die hintere Hirnarterie (Arteria cerebri posterior) versorgt den Hinterkopf und den unteren Bereich des Gehirns sowie das Kleinhirn. Sie wird mit Blut aus den Wirbelarterien gespeist.
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Bevor die drei Arterien in „ihre“ Hirnregionen ziehen und sich dort in kleinere Äste verzweigen, liegen sie nahe beieinander unterhalb des Gehirns. Hier sind sie über kleinere Blutgefäße miteinander verbunden - ähnlich wie in einem Kreisverkehr. Auch an weiter entfernten Stellen gibt es Verbindungswege zwischen den einzelnen Arterien. Das hat den Vorteil, dass Durchblutungsstörungen im Gehirn bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden können: Wenn zum Beispiel ein Arterienast allmählich immer enger wird, kann über diese „Umwege“ (sogenannte Kollateralen) trotzdem Blut in den betroffenen Hirnbereich fließen.
Die feinsten Aufzweigungen (Kapillaren) der Hirnarterien geben zwar Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut an die Gehirnzellen ab - für andere Stoffe sind sie jedoch weniger durchlässig als vergleichbare Blutgefäße im übrigen Körper. Fachleute nennen diese Eigenschaft „Blut-Hirn-Schranke“. Sie kann das empfindliche Gehirn zum Beispiel vor im Blut gelösten Schadstoffen schützen.
„Verbrauchtes“ - also sauerstoffarmes - Blut wird über die Gehirnvenen abtransportiert. Sie leiten es in größere Blutgefäße, die sogenannten Sinusse. Die Sinuswände sind durch harte Hirnhaut verstärkt, die die Gefäße gleichzeitig aufspannen.
Entwicklung des Gehirns
Das Gehirn eines Embryos entwickelt sich etwa ab der vierten Schwangerschaftswoche. Dazu bilden sich aus dem vorderen Teil Neuralrohr drei bläschenförmige Erweiterungen aus. Bereits in dieser frühen Entwicklungsphase wird das Gehirn also in unterschiedliche Abschnitte eingeteilt. Aus den drei ersten Bläschen bilden sich das Vorder-, das Mittel- und das Rautenhirn. Im Laufe der Entwicklung gehen daraus dann weitere Hirnbläschen hervor, welche die restlichen Gehirnabschnitte bilden.
Erkrankungen des Gehirns
Das Gehirn kann aber auch durch verschiedene Ursachen in seiner Funktion gestört oder beschädigt werden. Am besten können Schädigungen durch ein Gehirn-MRT festgestellt werden. Bei der Magnetresonanztomographie (MRT) wird der Kopf sozusagen gescannt und ein Bild erstellt. Je nachdem, welcher Bereich des Gehirns beschädigt wird, können ganz unterschiedliche Symptome auftreten.
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Einige häufige Erkrankungen des Gehirns sind:
- Schlaganfall: Eine Durchblutungsstörung im Gehirn durch den Verschluss eines Blutgefäßes, die zu Sauerstoffunterversorgung im entsprechenden Gebiet führt.
- Gehirntumor: Es gibt gutartige und bösartige Hirntumore.
- Demenz: Unter Demenz versteht man die Abnahme von Gedächtnis- und Denkleistungen. Eine Art der Demenz ist Alzheimer.
- Parkinson: Bei Parkinson kommt es zum Absterben einer bestimmten Art von Nervenzellen im Gehirn. Dadurch herrscht eine geringere Konzentration des Botenstoffs Dopamin vor.
- Gehirnerschütterung: Die leichteste Form der Gehirnerkrankung.
Die hier genannten Erkrankungen treten also alle im ersten Teil des zentralen Nervensystems (ZNS) - dem Gehirn - auf. Den zweiten Teil des ZNS bildet das Rückenmark.
Aktuelle Forschung
Forscher wollen herausfinden, wie das Gehirn kommuniziert und was in den grauen Zellen abläuft. Dafür kartieren sie das Gehirn und die Hirnrinde in 3D. Das könnte auch neue Erkenntnisse über Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer liefern.
Bereits 1909 erstellte der deutsche Neuroanatom und Psychiater Korbinian Brodmann eine Karte der Großhirnareale und kam auf insgesamt 52 Parzellen des menschlichen Gehirns. Seitdem gab es immer wieder neue Versuche von Neurowissenschaftlern, die Struktur der Hirnrinde zu analysieren. Die Anzahl der Areale variierte dabei zwischen 50 und mehr als 200. Das liegt unter anderem daran, dass die Oberfläche des Gehirns überall recht ähnlich aussieht.
Matthew Glasser und David Van Essen von der Washington University in Saint-Louis fanden heraus, dass "die Grenzen zwischen den Arealen zwar unsichtbar, aber extrem wichtig sind". Diese zu identifizieren ist allerdings alles andere als einfach. Glasser und sein Team haben für ihre Karte aus dem Jahr 2016 etwas bis dahin Neues versucht: Sie verknüpften die Anatomie und die Funktion der Areale.
Die World Federation of Neurology (WFN) hat den 22. Juli zum Welttag des Gehirns erklärt. Glasser und seine Kollegen sind sich sicher: Ihre detaillierte Karte identifiziert 180 verschiedene Areale in jeder Hirnhälfte, darunter 97 neu identifizierte. Die Areale in beiden Hirnhälften seien verblüffend symmetrisch, erklärten die Forscher. Eine Ausnahme bildet allerdings der Bereich für die Verarbeitung von Sprache. Und noch etwas zeigt die Karte: Areale, die nur eine Funktion haben, sind eindeutig in der Minderheit, wie das neu definierte Areal 55b, das immer dann aktiv wird, wenn wir eine Geschichte vorgelesen oder erzählt bekommen. In den meisten Fällen haben die Parzellen sowohl eine kognitive als auch sensorische Aufgaben.
2023 haben mehrere Forscherteams zusammen den bislang umfangreichsten Zellatlas des menschlichen Gehirns erstellt und unter anderem mehr als 3.000 Typen von Hirnzellen ermittelt. Untersucht wurde auch, wie Nervenzellen im Gehirn in ihren Funktionen voneinander abweichen. Die insgesamt 21 Studien sind Teil der "Brain Initiative" der US-Gesundheitsbehörde NIH.
Einen Beitrag zur Hirnforschung lieferte auch das "Human Brain Project", das 2013 in Lausanne gestartet und mit bis zu einer Milliarde Euro von der EU bezuschusst worden ist. 2020 stellte das deutsche Forschungszentrum Jülich den ersten 3D-Atlas des menschlichen Gehirns vor, der die "Variabilität der Gehirnstruktur mit mikroskopischer Auflösung" abbildet.
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