Die Diagnose Demenz stellt Betroffene, Angehörige und die Gesellschaft vor immense Herausforderungen. Prominente Persönlichkeiten wie Rudi Assauer, Tilman Jens und Arno Geiger haben das Thema in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Reimer Gronemeyer liefert mit seinem Buch "Das vierte Lebensalter" den Hintergrund für eine längst überfällige Debatte. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte der Demenz, stützt sich dabei auf Gronemeyers Analyse und weitere Erkenntnisse, um ein umfassendes Bild dieser komplexen Erkrankung zu zeichnen.
Demenz: Eine wachsende Herausforderung
Die Industriegesellschaften stehen vor der Aufgabe, einen akzeptablen Umgang mit Demenzkranken zu finden. Derzeit sind in Deutschland 1,2 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Prognosen sagen voraus, dass diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 2,6 Millionen ansteigen wird. Weltweit sind es laut WHO bereits 66 Millionen Demenzkranke. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Demenz zu einer der größten Herausforderungen der Zukunft wird.
Was ist Demenz?
Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einem Verlust kognitiver Fähigkeiten einhergehen. Dazu gehören Gedächtnis, Denkvermögen, Sprache und Orientierung. Ein Hauptmerkmal der Demenz sind Veränderungen der Stimmung, des Verhaltens, der sozialen Umgangsformen und der Persönlichkeit.
Früher wurde oft von Altersschwachsinn oder Senilität gesprochen, heute hat sich der Begriff Demenz etabliert. Altern hat mit dem Nachlassen organischer Funktionen zu tun, und dazu gehören auch die Funktionen des Gehirns.
Die drei Aspekte der Altersdemenz
Die Altersdemenz hat einen medizinischen, einen sozialen und einen kulturhistorischen Aspekt. Obwohl alle drei das nämliche Objekt betreffen, sind sie durchaus unterschiedlich und berühren einander nur manchmal.
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Verhaltensänderungen bei Demenz
Verhaltensänderungen sind ein häufiges und belastendes Symptom der Demenz. Sie entstehen durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren und können sich in unterschiedlicher Form äußern.
Häufige Verhaltensänderungen
Zu den häufigsten Verhaltensänderungen bei Demenz gehören:
- Veränderungen der Stimmung: Depressionen, Angstzustände, Reizbarkeit, Aggressivität.
- Veränderungen des Verhaltens: Unruhe, Umherwandern, Schreien, stereotypes Verhalten.
- Veränderungen der sozialen Umgangsformen: Rückzug, Isolation, Enthemmung.
- Veränderungen der Persönlichkeit: Misstrauen, Eifersucht, Verlust des Interesses an Hobbys.
Demenz im jüngeren Lebensalter
Bei Demenzen im jüngeren Lebensalter können die Verhaltensänderungen besonders ausgeprägt sein. Es ist wichtig, diese Veränderungen frühzeitig zu erkennen und angemessen damit umzugehen.
Die "ABC"-Methode
Die verhaltenstherapeutische "ABC"-Methode hat sich als hilfreich erwiesen, um Verhaltensänderungen bei Demenz zu verstehen und zu behandeln. "A" steht für Auslöser (Antecedent), "B" für Verhalten (Behavior) und "C" für Konsequenz (Consequence). Durch die Analyse dieser drei Elemente können die Ursachen für das Verhalten erkannt und gezielte Maßnahmen ergriffen werden.
Kritik an der modernen Demenzversorgung
Reimer Gronemeyer bemängelt, dass die modernen Industriegesellschaften noch keinen akzeptablen Umgang mit ihren Demenzkranken gefunden haben. Er kritisiert die Ausgrenzung der Dementen und die Ökonomisierung ihrer Situation. Seiner Meinung nach wird Demenz zu stark aus medizinischer und pflegerischer Sicht betrachtet.
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Die Demenzmaschine
Gronemeyer spricht von einer "Demenzmaschine", die läuft und läuft. Er sieht die Demenz als die Rückseite einer Gesellschaft, die vom Beschleunigungszwang zerrissen ist. Menschen, die der Geschwindigkeit nicht gewachsen sind, werden aussortiert und auf den Standstreifen geschleudert.
Forderung nach einem Perspektivenwechsel
Gronemeyer fordert einen Perspektivenwechsel im Umgang mit Demenz. Seiner Meinung nach wird man das Problem nicht mit medizinischer Forschung lösen können. Stattdessen brauche es eine Strategie gegen die sozialen Folgen von Demenz.
Gastfreundliche Lebenswelten
Ein Ausweg aus dem Demenzdilemma muss künftig eher in der Konstruktion einer gastfreundlichen Lebenswelt als in der Perfektionierung spezialisierter Versorgung gesucht werden. Menschen mit Demenz gehören als Bürgerinnen und Bürger zu uns, und es ist unsere Aufgabe, sie so gut wie möglich zu umsorgen, sie zu respektieren und sie, wenn möglich, zu Wort kommen zu lassen.
Die Rolle der Gesellschaft
Die Gesellschaft spielt eine entscheidende Rolle im Umgang mit Demenz. Es ist wichtig, dass Demenzkranke nicht ausgegrenzt werden, sondern weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
Abbau von Stigmata
Ein wichtiger Schritt ist der Abbau von Stigmata, die mit Demenz verbunden sind. Viele Menschen haben Angst vor Demenz und meiden den Kontakt zu Betroffenen. Durch Aufklärung und Information kann diese Angst abgebaut werden.
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Unterstützung für Angehörige
Auch die Angehörigen von Demenzkranken benötigen Unterstützung. Die Pflege eines Demenzkranken ist eine große Belastung, die oft an die Grenzen der Belastbarkeit führt. Es ist wichtig, dass Angehörige Zugang zu Beratungsangeboten, Selbsthilfegruppen und Entlastungsangeboten haben.
Ursachenforschung: Sinnvoll oder überflüssig?
Gronemeyer hält die Ursachenforschung zu Morbus Alzheimer und anderen dementiellen Erkrankungen für sinnlos und überflüssig. Diese Aussage ist umstritten. Viele Wissenschaftler sehen in der Ursachenforschung einen wichtigen Schritt, um Demenz eines Tages heilen oder zumindest verzögern zu können.
Die Bedeutung der Prävention
Unabhängig von der Ursachenforschung ist die Prävention von Demenz von großer Bedeutung. Studien haben gezeigt, dass bestimmte Lebensstilfaktoren das Risiko für Demenz erhöhen können. Dazu gehören Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung. Durch einen gesunden Lebensstil kann das Demenzrisiko gesenkt werden.
Kulturhistorische Aspekte der Demenz
Gronemeyer liefert in seinem Buch interessante kulturhistorische Exkurse zum Thema Demenz. Er zeigt, dass der Umgang mit Menschen mit geistigen Anomalien im Laufe der Geschichte sehr unterschiedlich war.
Heiliger Wahnsinn
In manchen Kulturen wurden geistige Anomalien nicht nur nicht ausgegrenzt oder verfemt, sondern in Gestalt eines heiligen Wahnsinns quasireligiösen Respekt genossen. Die radikale Ausgrenzung, sagt Gronemeyer, beginne für Europa im 18. Jahrhundert.
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