Psychische Erkrankungen sind ein weit verbreitetes Problem, das viele Menschen betrifft. Lange Zeit waren sie jedoch ein Tabuthema. In den letzten Jahren hat sich dies jedoch geändert, und solche Erkrankungen werden zunehmend offen diskutiert. Die Neurowissenschaftlerin Camilla Nord leistet mit ihrem Buch "Das ausgeglichene Gehirn" einen wichtigen Beitrag zu dieser Entwicklung. Auf 350 Seiten untersucht sie die Frage, was mentale Gesundheit eigentlich ist und wie sie erreicht werden kann.
Einführung: Die Bedeutung der psychischen Gesundheit
In ihrer Einleitung betont Nord die Bedeutung des Themas psychische Gesundheit. Weltweit sind mehr als 250 Millionen Menschen von Depressionen betroffen, der häufigsten psychischen Erkrankung. Die mit psychischen Erkrankungen verbundenen Kosten sind immens und werden für 2030 auf über 6 Billionen US-Dollar geschätzt.
Ein zentrales Problem, das Nord anspricht, ist die unterschiedliche Wahrnehmung von psychischen und körperlichen Leiden. Sie argumentiert, dass es aus neurowissenschaftlicher Sicht keine klare Abgrenzung zwischen beiden gibt. Psychische Probleme können körperliche Symptome wie Müdigkeit oder Appetitveränderungen verursachen. Auch Schmerz und Depression sind eng miteinander verknüpft. Studien zeigen, dass Patienten mit Depressionen Schmerz verstärkt wahrnehmen und Menschen mit chronischen Schmerzen eher zu Depressionen neigen.
Was ist ein ausgeglichenes Gehirn?
Frau Nord definiert mentale Gesundheit als eine Art Mosaik aus positiven und negativen Einflussfaktoren, die das Gehirn zu einem ausgewogenen Bild zusammensetzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch dominiert jedoch oft ein "entweder/oder"-Blick auf die einzelnen Faktoren. Entweder man sieht nur die positiven Einflüsse und denkt, das sei reines Wohlbefinden, oder man konzentriert sich auf die negativen Aspekte, die schlechte Gefühle hervorrufen. Nord betont jedoch, dass beides zusammengehört. Ein ausgeglichenes Gehirn ist also nicht frei von negativen Erfahrungen oder Gefühlen, sondern in der Lage, diese in ein Gesamtbild zu integrieren und ein Gleichgewicht zu finden.
Die Komplexität psychischer Erkrankungen
Nord warnt vor unkritischer Akzeptanz von neurowissenschaftlichen Studien und "bahnbrechenden" Erkenntnissen. Oft basieren diese auf Tierversuchen, deren Ergebnisse schwer auf den Menschen übertragbar sind. Zudem spielen bei psychischen Erkrankungen viele Faktoren eine Rolle, die sich gegenseitig beeinflussen. Eine gedrückte Stimmungslage geht beispielsweise mit erhöhten Entzündungsmarkern einher, und Menschen mit psychischen Problemen neigen eher zu Verhaltensweisen, die Entzündungen verstärken, wie Rauchen.
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Die Vielfalt psychischer Erkrankungen zeigt sich auch in der großen Anzahl möglicher Symptomkombinationen. So gibt es 227 denkbare Symptomkombinationen, die zur Diagnose "Depression" führen können. Dies verdeutlicht, wie schwierig die Behandlung psychischer Erkrankungen ist und dass verschiedene Therapien bei Patienten mit Depressionen unterschiedliche Ergebnisse erzielen können. Daher gibt es in der Neurowissenschaft intensive Bemühungen, eine zielgerichtete, personalisierte Medizin zu entwickeln.
Behandlungsmöglichkeiten und ihre Grenzen
Nord weist darauf hin, dass nicht nur medikamentöse Behandlungen Nebenwirkungen haben können. Auch Psychotherapien können bei traumatisierten Menschen ernste Störungen wie Dissoziation auslösen, bei der sich das Bewusstsein vom Körper löst.
Die Autorin teilt auch persönliche Erfahrungen mit chronischen Schmerzen und dem einmaligen Genuss von Magic Mushrooms, deren Wirkstoff Psilocybin bei einigen Patienten mit psychischen Erkrankungen eine Linderung ihrer Symptome bewirkt. Die genauen Mechanismen dieses Effekts sind jedoch noch unklar.
Obwohl die Verbindung zwischen dem Mikrobiom und psychischer Gesundheit immer wieder diskutiert wird, betont Nord, dass für diese Beziehung bisher keine klare Evidenz vorliegt. Auch für eine kausale Verbindung von Junkfood mit psychischen Erkrankungen gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Allerdings gibt es erste Hinweise darauf, dass bestimmte Lebensmittel die psychische Gesundheit verbessern können.
Resilienz als Immunsystem der Psyche
In einem Buch über psychische Gesundheit darf das Thema Resilienz nicht fehlen. Nord beschreibt sie als das Immunsystem der Psyche, das gestärkt werden muss. Welche Faktoren und Aktivitäten die Resilienz stärken, ist jedoch sehr individuell verschieden.
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Wege zum psychischen Gleichgewicht
Der Weg zu mehr Ausgeglichenheit und psychischer Gesundheit scheint heute simpel: Guter Schlaf, Yoga, Achtsamkeitsübungen und Medikamente. Doch was, wenn diese Rezepte keine Besserung bringen? Camilla Nord bringt auf Basis neuester Forschung Licht ins Dunkel. Sie erklärt, wie Wohlbefinden im Gehirn entsteht und wie wir es selbst regulieren können. Dabei zeigt sie, dass es kein Allheilmittel gibt, sondern dass Glücksrezepte so vielschichtig sein können wie wir selbst.
Selbstregulation des Gehirns
Nord betont, dass wir unser Gehirn selbst regulieren können, um ein psychisches Gleichgewicht zu erreichen. Dies kann durch verschiedene Strategien geschehen, wie zum Beispiel:
- Achtsamkeit: Achtsamkeitsübungen können helfen, die Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu lenken und negative Gedankenmuster zu durchbrechen.
- Yoga: Yoga kann helfen, Stress abzubauen und das Körperbewusstsein zu verbessern.
- Schlaf: Ausreichend Schlaf ist wichtig für die Regeneration des Gehirns und die psychische Gesundheit.
- Soziale Kontakte: Soziale Kontakte und Beziehungen sind wichtig für das Wohlbefinden und können vor psychischen Erkrankungen schützen.
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung kann die Stimmung verbessern und Stress abbauen.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann die psychische Gesundheit unterstützen.
Individuelle Glücksrezepte
Nord betont, dass es kein Patentrezept für psychische Gesundheit gibt. Was für den einen funktioniert, muss für den anderen nicht gelten. Es ist wichtig, individuelle Glücksrezepte zu finden, die auf die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben zugeschnitten sind. Dies kann ein Prozess des Ausprobierens und Experimentierens sein.
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