Unser Nervensystem spielt eine entscheidende Rolle für unser Wohlbefinden. Es beeinflusst unsere Stressreaktionen, unsere Fähigkeit zur Entspannung und unser allgemeines Gefühl. Ein ausgeglichenes Nervensystem stärkt unsere Widerstandsfähigkeit und ermöglicht es uns, den Alltag mit Gelassenheit, Konzentration und innerer Ruhe zu meistern. Ein Ungleichgewicht im Nervensystem kann sich auf unseren gesamten Körper und Geist auswirken. Es gibt jedoch wirksame Methoden, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.
Die Bedeutung eines ausgeglichenen Nervensystems
Ein ausgeglichenes Nervensystem ist entscheidend für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Es ermöglicht uns, Stressoren effektiv zu bewältigen, unsere Emotionen zu regulieren und unsere körperlichen Funktionen zu optimieren. Wenn unser Nervensystem überlastet ist, kann dies zu einer Vielzahl von Problemen führen, darunter Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden und chronische Schmerzen.
Das autonome Nervensystem verstehen
Das autonome Nervensystem (ANS), oft auch als vegetatives Nervensystem (VNS) bezeichnet, ist ein stiller Helfer, der rund um die Uhr für uns arbeitet. Es steuert lebenswichtige Körperfunktionen, ohne dass wir bewusst darüber nachdenken müssen: unseren Herzschlag, die Atmung, die Verdauung oder die Körpertemperatur. Im Alltag werden die Begriffe autonomes Nervensystem (ANS) und vegetatives Nervensystem (VNS) meist gleichbedeutend verwendet. Medizinisch gesehen ist das autonome Nervensystem jedoch der übergeordnete Begriff. Er betont, dass diese Prozesse unabhängig von unserem bewussten Willen gesteuert werden. Der Begriff „vegetativ“ verweist eher auf die Steuerung der inneren Organe, also der sogenannten Viszeralfunktionen. „Autonomes Nervensystem“ wird international (z. B.
Das ANS besteht aus drei Hauptsystemen:
- Sympathikus: Er bringt unseren Körper auf Touren. Wenn wir unter Stress stehen oder schnell reagieren müssen, ist der Sympathikus aktiv.
- Parasympathikus: Er sorgt für Ruhe und Regeneration.
- Enterisches Nervensystem (ENS): Oft auch als „Bauchgehirn“ oder „Darmnervensystem“ bezeichnet, besteht es aus einem dichten Netz von Nervenzellen im Magen-Darm-Trakt. Es arbeitet weitgehend eigenständig und steuert die Verdauung.
Diese drei Systeme arbeiten eng zusammen und halten unseren Körper in Balance - je nachdem, was gerade gebraucht wird. Mal brauchen wir Leistung, mal Erholung, mal eine gute Verdauung. Unser autonomes Nervensystem ist ein echter Leistungsträger - und das völlig unbemerkt. Es hält uns am Leben, ohne dass wir bewusst eingreifen müssen. Wir atmen, unser Herz schlägt, unsere Verdauung arbeitet - und all das passiert ganz von allein. Das ANS reguliert alle Körperfunktionen, die für unser Überleben notwendig sind - und zwar kontinuierlich und weitgehend unabhängig von unserem bewussten Willen. All diese Funktionen werden in Echtzeit angepasst, damit unser Körper in jeder Situation handlungsfähig bleibt.
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Zentral für die Funktionsweise ist das Wechselspiel zweier Hauptakteure: dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Der Sympathikus wird aktiv, wenn unser Körper in eine belastende oder herausfordernde Situation kommt. Das kann ein körperlicher Reiz sein (z. B. Sport), aber auch psychischer Stress. Dieses System bereitet uns auf „Fight or Flight“ / Kampf oder Flucht vor. Sobald die „Gefahr“ vorüber ist oder wir uns bewusst entspannen, übernimmt der Parasympathikus. Er aktiviert „Rest and Digest“-/ Ruhe und Verdauung. Dieser Zustand ist essenziell, um unsere Energiereserven aufzufüllen, Immunsystem und Zellreparatur zu aktivieren. Ein oft unterschätzter Teil ist das enterische Nervensystem, das in der Wand unseres Verdauungstrakts sitzt. Es enthält etwa genauso viele Nervenzellen wie das Rückenmark und arbeitet größtenteils unabhängig vom Gehirn. Über die sogenannte Darm-Hirn-Achse kommuniziert das ENS direkt mit unserem zentralen Nervensystem.
Unser autonomes Nervensystem entscheidet mit, wie widerstandsfähig wir gegenüber Stress sind, wie schnell wir uns nach Belastung erholen und wie gut wir uns langfristig fühlen. Es ist ständig aktiv und beeinflusst unsere Gesundheit maßgeblich. Unser autonomes Nervensystem ist auf feine Abstimmung angewiesen. Gerät dieses sensible Gleichgewicht aus der Bahn, können vielfältige Beschwerden entstehen - oft ohne dass auf den ersten Blick eine klare Ursache erkennbar ist.
Symptome eines überreizten Nervensystems
Wenn unser autonomes Nervensystem aus dem Gleichgewicht gerät, kann sich das sehr unterschiedlich äußern. Das hängt davon ab, welche Bereiche betroffen sind. Neben körperlichen Ursachen spielen psychische Belastungen eine bedeutende Rolle bei Störungen des autonomen Nervensystems. In Stresssituationen wird der Sympathikus dauerhaft aktiviert - unser Körper bleibt im „Kampf- oder Flucht“-Modus, selbst wenn keine akute Gefahr besteht. Das führt langfristig zu einer Überlastung und Erschöpfung des gesamten Systems. Traumatische Erfahrungen können sogar bewirken, dass bestimmte Reize unser Nervensystem dauerhaft „neu verdrahten“.
Zu den häufigsten Anzeichen eines überreizten Nervensystems gehören:
- Innere Unruhe und Nervosität
- Reizbarkeit
- Schlafstörungen
- Konzentrationsprobleme
- Herzrasen
- Muskelverspannungen
- Magen-Darm-Beschwerden
- Erhöhter Blutdruck
- Das Gefühl, ständig „unter Strom“ zu stehen
Wenn wir mehrere dieser Symptome bei uns feststellen, ist es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um unser Nervensystem zu beruhigen und wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
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Methoden zur Beruhigung des Nervensystems
Es gibt viele wirksame Methoden, um das Nervensystem zu beruhigen und das Gleichgewicht wiederherzustellen. Einige dieser Methoden sind:
1. Atempausen einlegen
Atemübungen sind eine der effektivsten und einfachsten Methoden, um das Nervensystem zu beruhigen und Resilienz aufzubauen. Wenn wir gestresst sind, neigen wir dazu, flach und schnell zu atmen, was unser Nervensystem zusätzlich belastet. Tiefe, bewusste Atemzüge hingegen signalisieren unserem Körper, dass keine Gefahr besteht, und können den Parasympathikus - den beruhigenden Teil des Nervensystems - aktivieren.
Ein Beispiel für eine wirkungsvolle Atemübung ist die 4-7-8-Methode: Atmen Sie vier Sekunden lang ein, halten Sie den Atem sieben Sekunden lang an und atmen Sie dann acht Sekunden lang aus. Diese Übung hilft, den Herzschlag zu verlangsamen und die Gedanken zu beruhigen. Studien zeigen, dass regelmäßiges Atemtraining nicht nur den Blutdruck senkt, sondern auch das allgemeine Stresslevel reduziert.
Die Zwerchfellatmung (auch Diaphragmatic Breathing genannt) gilt als Goldstandard für Stressreduktion. Studien zeigen, dass Zwerchfellatmung den Cortisol-Spiegel reduzieren kann. Wissenschaftlicher Hintergrund: Zwerchfellatmung aktiviert das parasympathische Nervensystem und verbessert die Herzratenvariabilität.
Auch die Boxatmung, bei der man auf vier Zählzeiten einatmet, vier Zählzeiten die Atmung hält, auf vier ausatmet und wieder vier Zählzeiten hält oder eine verlängerte Ausatmung können die Entspannung fördern.
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2. Erdung durch Natur
Zeit in der Natur zu verbringen, ist eine kraftvolle Methode, um uns zu erden und unser Nervensystem zu regulieren. Die Natur hat eine beruhigende Wirkung auf unseren Geist und Körper, die oft unterschätzt wird. Ein Spaziergang im Wald, das Barfußlaufen auf einer Wiese oder einfach nur das Sitzen unter einem Baum können helfen, wenn die Nerven blank liegen.
Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass der Kontakt mit der Natur den Cortisolspiegel, ein Stresshormon, signifikant senken kann. In Japan wird diese Praxis als Shinrin Yoku oder Waldbaden bezeichnet und gilt als anerkannte Therapieform zur Stressreduktion. Der direkte Kontakt mit der Erde, etwa durch Barfußlaufen, kann zudem den Energiefluss im Körper fördern und das Gefühl der Verbundenheit mit der Umgebung stärken.
3. Bewegung für Körper und Geist
Regelmäßige Bewegung ist nicht nur gut für unseren Körper, sondern auch für unser Nervensystem. Schon moderate körperliche Aktivität, wie ein 30-minütiger Spaziergang, regt die Produktion von Endorphinen (den sogenannten Glückshormonen) an, was zu einer besseren Stimmung und weniger Stress führt. Körperliche Aktivität hilft, das ausgeschüttete Adrenalin und Cortisol abzubauen und signalisiert dem Gehirn, dass die Gefahr vorüber ist - so kann sich das Nervensystem wieder sicher und ausgeglichener anfühlen.
Besonders effektiv sind sanfte Bewegungsformen wie Yoga oder Tai Chi, die nicht nur den Körper, sondern auch den Geist entspannen. Diese Aktivitäten fördern die Flexibilität, verbessern die Atmung und schulen die Achtsamkeit - allesamt Faktoren, die zur Regulation des Nervensystems beitragen. Ein weiterer Vorteil: Bewegung hilft, überschüssige Stresshormone abzubauen und das Nervensystem so schneller in Balance zu bringen.
4. Achtsamkeit im Alltag
Achtsamkeit bedeutet, bewusst im Hier und Jetzt zu leben und den Moment vollständig wahrzunehmen. Diese Praxis kann unser Nervensystem beruhigen, indem sie hilft, den Geist von stressigen Gedanken zu befreien und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Achtsamkeit ist eine bewährte Technik, um Stress abzubauen und mehr innere Ruhe zu finden.
Eine Studie der American Psychological Association zeigt, dass regelmäßige Achtsamkeitsübungen das Stressniveau signifikant senken und gleichzeitig die emotionale Stabilität fördern können. Es geht dabei nicht nur um formelle Meditation, sondern auch darum, alltägliche Aktivitäten - wie das Essen, Gehen oder sogar das Zähneputzen - mit voller Aufmerksamkeit auszuführen. Diese kleinen Momente der Achtsamkeit können im Laufe des Tages große Wirkung auf unsere Nerven haben.
Regelmäßige Meditation und Achtsamkeitsübungen können den Geist und das Nervensystem beruhigen und uns bei regelmäßiger, täglicher Übung helfen, unsere Stressresilienz zu stärken. Bereits wenige Minuten am Tag reichen aus.
5. Schlafroutine pflegen
Schlaf ist unerlässlich für die Regeneration des Nervensystems. Während wir schlafen, verarbeitet unser Gehirn die Eindrücke des Tages, sortiert Erinnerungen und stellt das emotionale Gleichgewicht wieder her. Eine gesunde Schlafroutine hilft, den natürlichen Rhythmus des Körpers zu unterstützen und sorgt dafür, dass wir erfrischt in den neuen Tag starten.
Schaffen Sie sich eine entspannende Abendroutine, die Sie mental und körperlich auf den Schlaf vorbereitet. Dazu gehört beispielsweise, das Zimmer zu lüften, eine Tasse beruhigenden Kräutertee zu trinken oder ein Buch zu lesen. Studien zeigen, dass eine regelmäßige Schlafenszeit und eine schlaffreundliche Umgebung den Schlaf verbessern und dadurch auch das Nervensystem stabilisieren können.
6. Wirkung von Schütteln
Das Schütteln des Körpers ist eine einfache, aber äußerst wirkungsvolle Technik, um unser Nervensystem zu regulieren und unsere Resilienz zu stärken. Diese Methode, die ihren Ursprung in verschiedenen traditionellen Heilpraktiken hat, nutzt die natürliche Fähigkeit des Körpers, Spannungen abzubauen und wieder in Balance zu kommen. Durch das Schütteln werden Muskeln entspannt und gleichzeitig angestaute Emotionen oder Stress aus dem Körper geschüttelt.
Ein Beispiel hierfür ist das sogenannte Neurogenes Zittern, das in der Traumaheilung eingesetzt wird. Dabei handelt es sich um ein unwillkürliches Schütteln des Körpers, das nach einer intensiven Belastung auftritt und dazu dient, den Körper zu beruhigen und das Nervensystem zu entlasten. Das bewusste Nachahmen dieses Zitterns durch gezieltes Schütteln kann ebenfalls helfen, das Nervensystem zu resetten und innere Spannungen abzubauen.
Studien deuten darauf hin, dass das Schütteln die Produktion von Stresshormonen reduzieren kann und gleichzeitig die Ausschüttung von Wohlfühlhormonen wie Serotonin und Dopamin fördert. Sie können diese Technik ganz einfach in Ihren Alltag integrieren: Schütteln Sie Ihren Körper für ein bis zwei Minuten kräftig durch, am besten in einem entspannten und geschützten Umfeld, und spüren Sie danach, wie sich Ihre innere Anspannung löst.
7. Stimulation des Vagusnervs
Der Vagusnerv ist der längste Hirnnerv unseres Körpers und spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Nervensystems. Er ist wie eine „Bremse“ für unser vegetatives Nervensystem. Wenn er aktiviert wird, sendet er Signale an Herz, Lunge und andere Organe, um unseren Körper zu beruhigen. Das Besondere: Den Vagusnerv können wir durch gezielte Übungen bewusst aktivieren.
Einige effektive Methoden zur Stimulation des Vagusnervs sind:
- Kältereize: Eine kurze kalte Dusche am Morgen kann helfen, den Sympathikus zu dämpfen und den Vagusnerv zu aktivieren.
- Singen und Summen: Die beiden Äste des Vagusnervs verlaufen auf beiden Seiten des Halses entlang von Kehlkopf und Luftröhre. Singen und Summen können diese Nerven stimulieren und die Entspannung fördern.
- Selbstmassage: Seitlich beide Handflächen außen an den Hals legen und mit sanften Bewegungen zwischen Ohr und Schulterübergang kreisend über die Haut streichen. Der Vagusnerv verläuft seitlich am Hals entlang. Das ist auch die ideale Stelle, um ihn von außen durch leichten Druck anzuregen.
- Akupressur: Für eine Selbst-Akupressur den Punkt in der Ohrmuschel, der mit dem Vagusnerv in Verbindung steht, 30 Sekunden drücken und wieder loslassen. Mehrmals wiederholen.
8. Weitere Tipps und Techniken
Neben den oben genannten Methoden gibt es noch weitere Tipps und Techniken, die helfen können, das Nervensystem zu beruhigen:
- Wärme: Ein langes, heißes Bad kann Entzündungen reduzieren und die Entspannung fördern.
- Gewichtsdecken: Üben einen leichten, gleichmäßigen Druck auf den gesamten Körper aus, der ein Gefühl der Entspannung und Ruhe hervorrufen kann.
- Kuscheln: Das Kuscheln mit Ihren Liebsten, Ihrer Katze oder Ihrem Hund fördert nicht nur die Bindung, sondern setzt auch das Wohlfühlhormon Oxytocin frei.
- Reduzierte Bildschirmzeit: Eine Pause von der schnelllebigen und stressigen Arbeit am Bildschirm ist wichtig, um Ihr Nervensystem zu regulieren.
- Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung liefert unserem Nervensystem den Grundstein für Stabilität und Regeneration.
- Soziale Interaktion: Lockere, freundliche und liebevolle soziale Interaktionen sind ein gutes äußeres Zeichen, dass die Welt ein sicherer Ort ist.
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