Muskelkrämpfe sind ein weit verbreitetes und oft schmerzhaftes Phänomen, das viele Menschen betrifft. Sie können plötzlich auftreten und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Muskelkrämpfen, insbesondere in den Waden, und gibt Ratschläge zur Behandlung und Vorbeugung.
Muskelkontraktionen und Muskelkrämpfe
Damit sich unsere Muskeln gezielt an- und entspannen können, sendet unser Gehirn über die Nervenzellen Stromimpulse in die Muskeln. Daraufhin spannen sich die Muskeln an oder entspannen sich. Senden die Nerven aber zu viele, zu wenige oder falsche Spannungen, führt dies zu unkontrollierten Kontraktionen - was wir dann als schmerzhaften Krampf zu spüren bekommen. Davon häufig betroffen sind die Waden, Oberschenkel oder auch Hände und Füße.
In der Regel hält ein Krampf nur wenige Minuten an, er kann aber auch Stunden dauern. Oft treten die Muskelkrämpfe nachts auf. Tagsüber sind insbesondere Sportler und Sportlerinnen davon betroffen - so manche Marathonläuferin oder so mancher Triathlet musste schon einmal wegen eines schmerzhaften Muskelkrampfs das Training oder den Wettkampf abbrechen.
Muskelkrämpfe sind unwillkürliche Zuckungen der Skelettmuskulatur. Die Ursachen sind multifaktoriell und noch nicht vollends geklärt. Menschen mit gewissen Vorerkrankungen oder Personen ab dem 60. Lebensjahr neigen eher zu Krämpfen.
Muskelkrämpfe, insbesondere nächtliche, sind häufig. Vereinzelt treten sie bei jungen Erwachsenen, besonders Sportlern, mit einer Häufigkeit von über 90 % auf. Die Frequenz nimmt mit dem Alter zu, sodass 33-50 % der älteren Erwachsenen jenseits von 65 Jahren regelmäßig - mindestens 1-mal pro Woche - an Muskelkrämpfen leiden.
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Es handelt sich um tastbare und schmerzhafte Verhärtungen der Muskulatur. Sie sind selbstlimitierend und hören meist binnen weniger Minuten auf. Bei lang anhaltenden Muskelkrämpfen kann es zu Schmerzen in der betroffenen Muskulatur kommen, die über den eigentlichen Krampf hinaus anhalten.
Ursachen von Muskelkrämpfen
Warum es zu Muskelkrämpfen kommt, ist nicht abschließend geklärt. Die Theorie, dass Muskelkrämpfe durch einen Elektrolytmangel entstehen, ist bereits mehr als 100 Jahre alt. Und auch nach wie vor gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass ein Magnesiummangel häufige Krämpfe in Wade oder anderen Muskeln auslösen kann. Neben Magnesium gehören auch Kalium und Natrium zu den wichtigen Elektrolyten im Körper. Neuere Ansätze sehen Muskelkrämpfe eher als ein neuronales Problem: Die Nervenzellen, die im Rückenmark die Muskeln steuern, werden etwa bei hoher Belastung überregt. Das führt dazu, dass die Muskeln ermüden und Krämpfe entstehen.
Auch ein schlechter Trainingsstand, verkürzte Muskeln und hohe Temperaturen können zu Krämpfen führen. Zentral bei der Entstehung von Krämpfen scheint auch eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr zu sein.
Weitere mögliche Ursachen von Muskelkrämpfen sind:
- Medikamente: Vor allem Arzneimittel mit entwässernder Wirkung, wie etwa bestimmte Blutdruck- oder Cholesterinsenker, können das Risiko von Muskelkrämpfen erhöhen.
- Erkrankungen: Eine unerkannte Schilddrüsenfehlfunktion oder ein Diabetes kann ebenfalls zu vermehrten Krämpfen führen.
- Überlastung: Starke oder abnormale Belastung des betroffenen Muskels oder ein verminderter Blutzufluss.
- Alter: Mit zunehmendem Alter verkürzen sich die Sehnen und Muskeln, wodurch ein Krampf leichter ausgelöst werden kann.
Pathophysiologisch entstehen Muskelkrämpfe durch hochfrequente Entladungsserien der motorischen Einheiten mit etwa 50 und 150 Hz. Dies konnte während Muskelkrämpfen elektromyografisch nachgewiesen werden. Sie sind Ausdruck einer neurogenen Übererregbarkeit. Darüber hinaus scheinen zusätzlich spinale Faktoren wie der Wegfall inhibitorischer Einflüsse an den Vorderhornzellen bedeutsam zu sein.
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Schmerzhafte Muskelkrämpfe im Rahmen körperlicher Belastung wurden vor mehr als 100 Jahren bei Arbeitern in Minen und auf Dampfschiffen beschrieben: Sie arbeiteten unter warmen und feuchten Bedingungen. Vermutlich war es die Dehydratation und der Elektrolytverlust, welche das Auftreten der Muskelkrämpfe begünstigte. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass Muskelkrämpfe bei Sportlern häufig ein großes Problem darstellen. Auch bei ihnen wird das Auftreten der Muskelkrämpfe durch eine Dehydratation und Elektrolytstörungen begünstigt.
In zahlreichen Untersuchungen ist gezeigt worden, dass mit dem Alter die Frequenz von Muskelkrämpfen zunimmt. Je nach Studie liegt die Häufigkeit ab dem 60. Lebensjahr bei etwa 30-50 %, Frauen sind eher betroffen als Männer. Insbesondere bei den Älteren muss auch an medikamentös induzierte Crampi gedacht werden. Die Frequenz der Muskelkrämpfe ist interindividuell sehr unterschiedlich. Etwa 2 % der Betroffenen klagen mindestens 2-mal pro Woche darüber. Die Häufigkeit der Crampi ist nicht homogen über das Jahr verteilt, sie nimmt während des Sommers zu.
Diagnostische Kriterien
Die Anamnese von Patienten mit Muskelkrämpfen ist für die Diagnose entscheidend. Wichtige Differenzialdiagnosen lassen sich bereits im Gespräch gut differenzieren.
Üblicherweise handelt es sich um einen starken Schmerz, der meist im Bereich der Wade oder des Fußgewölbes lokalisiert ist. Der Schmerz hält für wenige Sekunden bis maximal 10 Minuten an. Auch nach dem Krampf kann ein Schmerz noch persistieren. Häufig kommt es zu Schlafstörungen.
Differenzialdiagnostisch sollte an ein - anamnestisch gut abgrenzbares - Restless-legs-Syndrom (RLS) gedacht werden. Die Patienten beschreiben einen Bewegungsdrang meist der Beine. Dieser ist häufig assoziiert mit unangenehmen Missempfindungen wie beispielsweise Kribbeln oder Brennen. Die Beschwerden treten häufig in Ruhephasen auf und bessern sich durch Herumlaufen und durch körperliche Aktivität. Der Schlaf kann ebenso beeinträchtigt sein. Schmerzen sind beim RLS nachrangig und die Beschwerden bessern sich im Gegensatz zu den Muskelkrämpfen durch Bewegung.
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Die Lokalisation der Krämpfe ist zu erfragen. Sofern sie häufig am Rumpf, den Armen oder den Oberschenkeln auftreten, sollte der Patient zur Mitbeurteilung neurologisch vorgestellt werden. Anamnestisch ist zu klären, ob es Hinweise für Muskelerkrankungen in der Familie gibt. Es ist wichtig, eine vollständige Medikamentenanamnese zu erheben. Häufig leiden ältere Patienten unter Muskelkrämpfen und hier stellt die Polypharmazie ein ernsthaftes Problem dar. Zahlreiche Medikamente können das Auftreten von Muskelkrämpfen begünstigen. Am häufigsten scheint diese Problematik unter Diuretika, Statinen und unter inhalativen Beta-2-Sympathomimetika aufzutreten.
Eine neurologische Abklärung sollte erfolgen, sofern sich Hinweise für eine Schädigung des ersten Motorneurons ergeben. Gesteigerte Reflexe, verbreiterte Reflexzonen, Pyramidenbahnzeichen, Muskeltonuserhöhung und spastische Paresen in der Untersuchung sind Hinweise für eine derartige Erkrankung. Auch bei Hinweisen für eine Schädigung des 2. Motoneurons sollte eine neurologische Mitbeurteilung erfolgen. Klinisch imponiert dies durch schlaffe Paresen, Muskelatrophie und Reflexausfälle. Erkrankungen des 2. Motorneurons wie Polyneuropathien oder Radikulopathien können zu Muskelkrämpfen führen.
Symptomatische Muskelkrämpfe können beispielsweise im Rahmen körperlicher Anstrengung oder einer Schwangerschaft auftreten. Zahlreiche internistische Erkrankungen wie Schilddrüsenfunktionsstörung, Diabetes mellitus, Hämodialyse, Leberzirrhose begünstigen das Auftreten von Muskelkrämpfen. Zur weiteren Abklärung sollte eine orientierende neurologische Untersuchung auch hausärztlich erfolgen. Hierbei sollte auf Paresen, Muskelatrophie, Reflexdifferenz und Sensibilitätsstörungen geachtet werden.
Bevor eine Therapie eingeleitet und bewertet wird, sollte zunächst der Status quo erhoben werden. Dies ist entscheidend, um später die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen zu bewerten. Der Patient sollte für etwa 4 bis 8 Wochen die Häufigkeit und die Schwere der Muskelkrämpfe erfassen. Er sollte potenzielle Auslösefaktoren wie beispielsweise Alkohol meiden.
Was hilft bei Muskelkrämpfen?
Die beste Sofortmaßnahme bei einem nächtlichen Muskelkrampf ist: dehnen - auch wenn es wehtut. Zudem hilft es, aufzustehen und umherzulaufen. Dadurch wird die Muskulatur automatisch gelockert. Tritt der Krampf während des Trainings auf, solltest du den betroffenen Muskel sofort entlasten. Auch das Massieren des Muskels wirkt durchblutungsfördernd, entspannend und wohltuend. Tipp: Wenn du zum Massieren eine Massagepistole nutzen willst, starte langsam und vorsichtig.
Als Sofortmaßnahme bei einem Krampf reicht es meist, den Muskel zu massieren und langsam und vorsichtig zu dehnen. Am einfachsten gelingt dies, wenn Sie die Zehen - eventuell mithilfe der Hand - in Richtung Schienbein ziehen und die Position für einige Sekunden halten. Ebenfalls hilfreich können eine warme Dusche oder eine auf die betroffene Stelle gelegte Wärmflasche sein, da beides die Muskulatur entspannt. Das Ausschütteln der Beine und vorsichtiges Gehen können einen Krampf im Bein ebenfalls lindern.
Dehnübungen sind effektiv
Die Behandlung von Muskelkrämpfen lässt sich in nichtmedikamentöse und medikamentöse Maßnahmen unterteilen. Nichtmedikamentöse Therapien werden sowohl in der Prävention als auch in der Akuttherapie angewandt. Der Patient sollte über die Sinnhaftigkeit regelmäßiger Dehnübungen der betroffenen Muskulatur informiert werden. Hierdurch kann er effektiv die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Muskelkrämpfen reduzieren. Regelmäßige Dehnübungen sollten mehrmals am Tag für circa 30 Sekunden durchgeführt werden. Die Übungen sollten 3-mal wiederholt und zwischen den Durchgängen Pausen von wenigen Sekunden eingehalten werden.
In der Akutbehandlung kann der Muskelkrampf durch Anspannung der antagonistischen Muskulatur über die einsetzende reziproke antagonistische Hemmung beendet werden. Hierbei hemmen Renshaw-Interneurone über Ia-Interneurone den Antagonisten (Inhibitorische Wirkung auf das α-Motorneuron des Antagonisten). Eine kräftige Dehnung des betroffenen Muskels kann ebenfalls zur Unterbrechung des Krampfes führen (sogenannte autogene Hemmung durch Golgi-Sehnenrezeptoren).
Dehnübungen für die Wadenmuskulatur
- Dehnübung 1: Stellen Sie sich mit nach vorn ausgestreckten Armen vor eine Wand und stützen Sie sich mit den Händen daran ab. Strecken Sie in Schrittstellung das Bein mit der verkrampften Wade nach hinten durch und drücken Sie die Ferse auf den Boden. Winkeln Sie das andere Bein leicht an.
- Dehnübung 2: Setzen Sie sich gerade hin, strecken Sie die Beine aus und stützen Sie sich mit den Händen ab. Ziehen Sie die Fußspitze des betroffenen Beins nach oben in Richtung Knie und bewegen Sie die Ferse weg vom Körper. Wer die Übung variieren möchte, kann zusätzlich das Knie anwinkeln und mit der Hand die Zehen zu sich heranziehen.
- Dehnübung 3: Stellen Sie sich auf eine Treppenstufe. Setzen Sie den Fuß des betroffenen Beins auf die Kante der Treppenstufe und senken Sie die Ferse bis auf den Boden ab. Beugen Sie dann Ihren Oberkörper nach vorn und winkeln Sie das Knie des Standbeins an. Stützen Sie sich zusätzlich mit dem Arm am angewinkelten Bein ab.
Stretching hilft gegen Wadenkrämpfe - unabhängig davon, welche Dehnübung zu wählen. Wichtig ist es, die Muskeln regelmäßig zu dehnen. Akute „gewöhnliche“ Wadenkrämpfen, wie sie manchmal beim Sport oder nachts auftreten, lassen sich durch Stretching allein meist beheben.
Ist eine Erkrankung der Grund für die Krämpfe, muss diese zunächst behandelt werden. Dann bessern sich in der Regel die Muskelbeschwerden.
Wie beuge ich vor?
Damit es gar nicht erst zu schmerzhaften Krämpfen kommt, solltest du ein paar Tipps befolgen. Wichtig: Treten trotz dieser Maßnahmen weiterhin Muskelkrämpfe auf, lasse die Ursache ärztlich abklären.
Nicht nur Magnesium
Die medikamentöse Behandlung der Muskelkrämpfe beruht im Wesentlichen auf der Therapie mit Chinin. Gemäß der neurologischen Leitlinie sollte zunächst ein Versuch mit der Gabe von Magnesium aufgrund des günstigen Nebenwirkungsprofils durchgeführt werden - auch wenn die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist. Je nach Alter und Geschlecht liegt die empfohlene Tageszufuhr für Magnesium gemäß den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bei 300-400 mg pro Tag. Es gibt zahlreiche Hersteller von Magnesiumpräparaten, häufig liegen deren Dosierungen ebenfalls bei 300 oder 400 mg pro Tablette/Kapsel. Es sind auch deutlich höher dosierte Präparate erhältlich. Im Zusammenhang mit der Einnahme von Magnesium kann es zu Durchfällen kommen. Insbesondere bei einer bestehenden Niereninsuffizienz muss die Gefahr einer Hypermagnesiämie beachtet werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt eine Tageshöchstdosis von 250 mg, da Magnesium zusätzlich über die Nahrung aufgenommen wird und insofern eine Überdosierung möglich sein kann.
Der Nutzen von Magnesium in der Vorbeugung von Muskelkrämpfen scheint insgesamt jedoch sehr begrenzt zu sein. Die meisten Betroffenen haben Magnesium bereits versucht, bevor sie einen Arzt aufgrund ihrer Beschwerden aufsuchen.
Die Gabe von Chinin zur vorbeugenden Behandlung von schmerzhaften Muskelkrämpfen ist etabliert und durch Studien belegt. Insofern wird diese Therapie auch in der aktuellen neurologischen Leitlinie empfohlen. Den französischen Chemikern Pierre Pelletier und Joseph Caventou gelang es 1820, den eigentlichen Wirkstoff Chinin aus der Rinde der Cinchona-Bäume zu extrahieren und in reiner Form darzustellen. Chinin ist schlecht wasserlöslich. Die Lösbarkeit der Chininsalze ist deutlich besser und war Voraussetzung für die Entwicklung von Tabletten. Chinin wird meist in Form des Chininsulfates angeboten.
Eine Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2015 bewertete den Einsatz von Chinin zur Behandlung von Muskelkrämpfen und untersuchte Studien, die Chinin gegen Plazebo und gegen Vitamin E testeten. Außerdem wurden Kombinationen aus Chinin und Vitamin E sowie Chinin und Theophyllin herangezogen. So wurden 23 Studien mit insgesamt 1 586 Probanden berücksichtigt. In ihnen wurde meist eine Tagesdosis von 300 mg pro Tag (Bandbreite 200-500 mg) eingenommen.
Verglichen mit Plazebo kam es zu einer signifikanten Reduktion der Crampi-Häufigkeit über 2 Wochen um 28 %, die Intensität der Muskelkrämpfe nahm um 10 % ab. Die Anzahl der Nächte mit Muskelkrämpfen wurde um 20 % reduziert. Die Dauer der Muskelkrämpfe wurde durch Chinin nicht beeinflusst. Als Hauptnebenwirkung wurden gastrointestinale Beschwerden beschrieben. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine mittelstarke Evidenz für die Reduktion der Intensität der Muskelkrämpfe vorliegt. Für die Reduktion der Häufigkeit der Muskelkrämpfe und der Häufigkeit der Nächte mit Muskelkrämpfen lag eine schwache Evidenz vor.
2010 wurde für die amerikanische Gesellschaft für Neurologie ein Review publiziert. Hierfür sondierte man 563 Artikel, von denen 24 Arbeiten in die Publikation Eingang fanden. 13 Studien wurden zur Beurteilung von Chinin herangezogen. Die Autoren bewerteten Chinin als wahrscheinlich wirksam (Level A). Der federführende Autor wies 2015 in einem Leserbrief auf die eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten von Muskelkrämpfen hin. Er betonte, dass Chinin - durch Ärzte verordnet und überwacht - ein ausreichend sicheres Medikament sei und es den Betroffenen nicht vorenthalten werden sollte. Dazu muss man wissen, dass Chinin in den USA in dieser Indikation nicht zugelassen ist.
Chininsulfat kann zur Prophylaxe von Muskelkrämpfen verordnet werden, da es zu Veränderungen im Bereich der neuromuskulären Übertragung führt. Es verlängert die Refraktärzeit durch direkte Wirkung auf die Muskelfaser. Es vermindert die Erregbarkeit an der motorischen Endplatte, eine Wirkung ähnlich der von Curare. Außerdem beeinflusst es die Verteilung von Kalzium in der Muskelfaser. Über diese Mechanismen wird die Schwelle für eine Reaktion des Muskels auf einen einzelnen maximalen Reiz erhöht. Die Bereitschaft zu einer tetanischen Kontraktion nimmt ab.
Chininsulfat weist eine hohe orale Bioverfügbarkeit (> 85 %) auf und wird überwiegend im oberen Teil des Dünndarms resorbiert. Die höchsten Plasmakonzentrationen werden etwa 1-3 Stunden nach Einnahme erreicht. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei etwa 11 Stunden. Die Plasmaeiweißbindung beträgt 70 %.
Die Behandlung mit Chininsulfat beginnt mit 200 mg nach dem Abendessen. Der Behandlungserfolg kann etwa nach 4 Wochen beurteilt werden. Bei Bedarf kann die Dosis auf 400 mg gesteigert werden. Insbesondere zu Beginn der Therapie sollten die Betroffenen die Häufigkeit und die Intensität der Muskelkrämpfe dokumentieren, um die Wirksamkeit besser abschätzen zu können.
Zahlreiche Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit Chininsulfat beschrieben wurden wie beispielsweise eine Schädigung des Nervus vestibulocochleares oder des Nervus opticus, sind auf hohe Plasmakonzentrationen zurückzuführen. Derartig hohe Plasmakonzentrationen werden in der Prophylaxe von Muskelkrämpfen nicht erreicht, da hierfür maximal 400 mg täglich gegeben werden. Dabei sind Plasmakonzentrationen deutlich unter 7 μg/ml zu erwarten. In Malariatherapie ist dies ganz anders. Die Erhaltungstherapie für einen 70 kg schweren Patienten liegt dann bei bei 2 100 mg/d.
Chininsulfat darf nicht in der Schwangerschaft und der Stillzeit angewendet werden. Es ist bei Bradykardien und Herzrhythmusstörungen kontraindiziert, da es zu einer Verlängerung der QT-Zeit kommen kann. Auch sollten regelmäßige Kontrollen der Elektrolyte bei gleichzeitiger Anwendung von Diuretika oder Laxantien erfolgen.
Zahlreiche Medikamente können die QT-Zeit verändern. Dies ist in der Kombination mit Chininsulfat zu berücksichtigen, da es seinerseits zu einer Verlängerung des QT-Intervalls führen kann. Patienten mit vorbestehendem QTc-Intervall > 500 ms sollten nicht mit Chininsulfat behandelt werden.
In sehr seltenen Fällen kann sich unter der Behandlung mit Chininsulfat eine thrombozytopenische Purpura entwickeln. Derartige immunvermittelte Reaktionen unter Chinin haben zu einer erheblichen Verunsicherung der behandelnden Ärzte geführt. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass Patienten mit Muskelkrämpfen häufig eine wirkungsvolle Behandlung vorenthalten wird. Typischerweise treten nach bis zu einer Woche der Einnahme oder bei intermittierender längerer Einnahme petechiale oder ekchymatöse Blutungen als Hinweise auf eine Thrombozytopenie auf. Auch neu aufgetretenes Nasen- oder Zahnfleischbluten oder gastrointestinale Blutungen sollten daran denken lassen. Thrombozytopenien treten unter zahlreichen Arzneien wie Cotrimoxazol, Rifampicin, Carbamazepin, Diclofenac, Ibuprofen, Vancomycin, Heparin und Chinin auf. Unter der Behandlung mit Chininsulfat ist eine medikamentös-induzierte Thrombozytopenie sehr selten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beschrieb 81 Fälle seit 1978, darunter eine…
Wichtig: Schmerzen in der Wade hängen nicht immer mit Muskelkrämpfen zusammen. Sie können auch bei Gefäß-Erkrankungen wie einer tiefen Beinvenenthrombose oder Durchblutungsstörungen auftreten.
Weitere Tipps zur Vorbeugung
- Magnesium: Obwohl die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist, kann Magnesium versuchsweise genommen werden. Bei Muskelkrämpfen in der Schwangerschaft hat sich Magnesium dagegen vielfach bewährt, zumal der Magnesiumbedarf vor allem im letzten Schwangerschaftsdrittel ansteigt.
- Ausreichend trinken: Trinken wir nicht genug, kann unser Körper Nährstoffe nicht richtig transportieren. Dehydrierung ist insbesondere auch bei Sportlern und bei Hitze ein Risiko. Mindestens 1,5 Liter Wasser oder andere kalorienfreie Getränke wie Tee sollte es täglich sein. Bei hohen Belastungen ist Apfelsaftschorle ideal oder auch Wasser, dem etwas Salz zugesetzt ist.
- Balance zwischen Ruhe und Bewegung: Achte darauf, dass du dich jeden Tag mindestens 30 Minuten bewegst. Das lockert die Muskeln und fördert die Durchblutung. Wenn du viel und gerne trainierst: Übertreibe es nicht und höre auf deinen Körper!
- Regelmäßiges Dehnen: Empfohlen werden regelmäßiges Dehnen der betroffenen Muskeln oder leichte sportliche Betätigung, etwa auf dem Heimtrainer, für einige Minuten vor dem Schlafengehen.
- Vermeidung von Alkohol und Koffein: Meiden Sie dagegen Alkohol und Koffein.
- Medikamentenüberprüfung: Lösen Medikamente bei Ihnen Wadenkrämpfe aus, können Sie - in Absprache mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt - einen Wechsel des Präparats in Betracht ziehen. Es kann auch helfen, die Einnahme von Abführ- und Entwässerungsmitteln zu reduzieren, sollte dies möglich sein.
- Fußgymnastik und leichter Sport: Bei einer verkürzten beziehungsweise verspannten Muskulatur helfen regelmäßige Fußgymnastik und leichter Sport wie Walking, Radfahren und Schwimmen, die Ihre Muskeln trainieren. Auch Yoga und andere Übungsformen können helfen. Verkrampfen sich Ihre Muskeln leicht, kann es zudem hilfreich sein, diese täglich sanft zu massieren.
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