Dein Gehirn lernt wie? Effektive Lerntechniken für nachhaltiges Wissen

Hast du dich jemals gefragt, warum du alles vergisst, sobald es darauf ankommt, obwohl du gelernt hast? Vielleicht bereitest du dich einfach nicht optimal vor. Dieser Artikel erklärt, wie dein Gehirn arbeitet und welche Techniken dir helfen können, es bestmöglich zu unterstützen, damit dein Wissen auch dann abrufbar ist, wenn du es brauchst.

Wie dein Gehirn Informationen verarbeitet und speichert

Das Gehirn ist keine Festplatte, die Wissen einfach abspeichert. Stattdessen entscheidet es ständig neu, welche Informationen wichtig sind und welche aussortiert werden. Diese Entscheidung kannst du jedoch beeinflussen.

Das menschliche Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, den sogenannten Neuronen. Diese Neuronen sind über winzige Verbindungsstellen, die Synapsen, miteinander verbunden. An diesen Synapsen tauschen die Nervenzellen elektrische und chemische Signale aus, um Informationen innerhalb des Gehirns zu verarbeiten.

Stell dir die Neuronen als Inseln und die Synapsen als Brücken vor, die diese Inseln miteinander verbinden. Anfangs sind diese Brücken noch schmal und wackelig. Aber je häufiger die Nervenzellen Informationen darüber weitergeben, desto stabiler werden sie. Das bedeutet: Je öfter du eine bestimmte Information abrufst und wiederholst, desto fester prägt sie sich in dein Gedächtnis ein.

Wiederholen - aber wie? Aktives Abrufen und verteiltes Wiederholen

Es ist also klar: Nicht alles, was du lernst, bleibt automatisch im Kopf. Nur durch gezieltes Wiederholen kannst du dein Wissen im entscheidenden Moment sicher abrufen. Aus diesem Grund gibt es zu vielen Lernmaterialien Wiederholungsfragen und Kenntnisnachweise.

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Es gibt zwei Methoden, die sich als besonders effektiv erwiesen haben:

  • Aktives Abrufen (Active Recall): Teste dich selbst, anstatt den Stoff immer wieder zu lesen.
  • Verteiltes Wiederholen (Spaced Repetition): Verteile den Lernstoff und lerne in größeren Abständen, anstatt alles auf einmal zu pauken.

Hilfreiche Werkzeuge, die diese Methoden unterstützen, sind zum Beispiel Lernkarten. Sie helfen dir, das Gelernte besser zu strukturieren und langfristig im Gedächtnis zu behalten.

Active Recall: Kannst du es erklären?

Active Recall bedeutet, dass du versuchst, dich ohne Hilfsmittel wie Bücher, Notizen oder Spickzettel an den Lernstoff zu erinnern. Es ist ein großer Unterschied, ob du eine Seite zum wiederholten Male liest und denkst "Ja, okay, ich hab's jetzt drauf" oder ob du den Stoff tatsächlich beherrschst. Oft bleibt das Gelernte nämlich nur oberflächlich hängen.

Um herauszufinden, ob du etwas abrufen und wiedergeben kannst oder ob du es nur flüchtig im Kopf hast, solltest du Folgendes ausprobieren:

  • Schließe das Buch oder lege das Arbeitsblatt weg und versuche, die wichtigsten Punkte in eigenen Worten wiederzugeben.
  • Erstelle eine Skizze oder Mindmap, um die Zusammenhänge darzustellen.
  • Leite typische Prüfungsfragen ab und beantworte sie.
  • Erkläre das Thema laut für dich selbst und nimm dich dabei mit dem Smartphone auf. Höre dir anschließend die Aufnahme an und prüfe, ob deine Erklärung schlüssig und vollständig ist.
  • Erkläre das Thema einer anderen Person. Wenn du es verständlich erklären kannst, hast du es wirklich verinnerlicht.

Diese Übungen zeigen dir sofort, ob du den Stoff nur flüchtig im Kopf hast oder ob du ihn auch abrufen und wiedergeben kannst.

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Spaced Repetition: Oft genug wiederholt?

Spaced Repetition ist eine einfache, aber extrem wirksame Methode: Statt alles auf einmal zu lernen, verteilst du den Stoff auf mehrere Tage und wiederholst ihn in immer größer werdenden Abständen.

Eine sinnvolle Taktung könnte so aussehen:

  • Erste Wiederholung: nach 1 Tag
  • Zweite Wiederholung: nach 2-3 Tagen
  • Dritte Wiederholung: nach 1 Woche
  • Vierte Wiederholung: nach 2-3 Wochen

Lernkarten: doppelt stark

Regelmäßiges Wiederholen ist wichtig - aber wie organisierst du es am besten? Lernkarten sind ein praktisches Werkzeug, das weit mehr kann, als nur beim Vokabellernen zu helfen. Egal, ob Fachbegriffe, Definitionen oder komplexe Zusammenhänge - mit Lernkarten gelingt es, Wissen gezielt zu testen und langfristig zu speichern.

Weil sie sowohl Active Recall als auch Spaced Repetition unterstützen, sind sie doppelt stark: Statt den Lernstoff nur durchzulesen, stellst du dir mit den Karten gezielte Fragen und überprüfst, ob du die Antworten wirklich aus dem Kopf weißt. Gleichzeitig sind sie ideal, um Informationen in sinnvollen Zeitabständen zu wiederholen.

Beim klassischen Leitner-Prinzip sortierst du die Karten in verschiedene Fächer eines Karteikastens. Richtig beantwortete Karten wandern ein Fach weiter und werden seltener wiederholt. Falsch beantwortete Karten bleiben im ersten Fach und kommen häufiger dran. Wer lieber digital lernt, kann auf Apps wie Anki oder SuperMemo zurückgreifen. Sie funktionieren nach dem gleichen Prinzip, steuern die Wiederholungen aber automatisch und passen sie individuell an deinen Lernfortschritt an.

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Weitere Tipps und Tricks für ein gehirngerechtes Lernen

Neben den genannten Methoden gibt es noch weitere Faktoren, die dein Lernen positiv beeinflussen können:

  • Schaffe eine geordnete und angenehme Arbeitsatmosphäre: Das Gehirn scannt seine Umgebung ständig nach neuen Reizen ab. Schalte daher alle Störquellen aus, die zum gefundenen Fressen für dein reizhungriges Gehirn werden könnten - dein Handy oder ungeordneter Papierkram zum Beispiel. Umso weniger Ablenkung dein Arbeitsplatz bietet, desto besser. Außerdem sollte deine Lernumgebung positive Assoziationen in dir wecken.
  • Achte auf deinen individuellen Biorhythmus: Dein Biorhythmus folgt einer Leistungskurve, die ganz individuell ist. Gehörst du zu den Lerchen, die am Morgen besonders aufnahmefähig sind, oder den Nachteulen, die erst abends so richtig aufdrehen? Es ist hilfreich, den eigenen Biorhythmus zu kennen und deine Lernaktivitäten zeitlich als auch inhaltlich danach zu organisieren. Erledige wichtige oder schwierige Aufgaben während eines Leistungshochs und nutze die Zeiten, in denen du ein Tief erlebst, für organisatorische To-dos.
  • Mache es dir einfach und lerne mit allen Sinnen: Stell dir dein Gehirn wie eine Bibliothek vor, in der jedes Buch nach Titel und Themengebiet sortiert ist. Dieselbe Ordnung braucht dein Geist, um neues Wissen einzuordnen. Achte daher auf eine strukturierte Arbeitsweise, bei der du komplexe Informationen auf kleinere Zwischenschritte herunterbrichst. So gibst du deinem Gehirn die Möglichkeit, die aufgenommenen Informationen effektiv zu verarbeiten. Binde zudem mehrere Sinne in deinen Lernprozess ein. Das Gehirn kann sich Informationen deutlich leichter merken, wenn es diese mit verschiedenen Sinneswahrnehmungen verknüpft.
  • Lerne im Schlaf: Eine besonders geeignete Phase, um Lerninhalte zu wiederholen, ist kurz vor dem Schlafengehen. Tagsüber wiederum ist es empfehlenswert, nach einer intensiven Lernphase einen kurzen Power-Nap einzulegen. Denn im Schlaf konsolidiert sich dein Gedächtnis. Das bedeutet, dass das Gelernte vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis transferiert und dort gespeichert wird.
  • Jonglieren lernen, genug schlafen oder einfach mal den Tag anders gestalten: All das ist gut für das Gehirn.
  • Beim Lesen Inhalte aktiv wiederholen: Am besten ist es, Gelerntes mit Stift und Papier aufzuschreiben.
  • Langfristig etwas für dein Gehirn tun: Ein Musikinstrument lernen, Sport treiben, öfters mal an die frische Luft gehen und immer mal etwas Neues lernen. Strukturen zu durchbrechen, Neues auszuprobieren und Neues zu lernen, trainiert das Gehirn.
  • Vermeide Stress, zu wenig Schlaf und einen unregelmäßigen Schlafrhythmus: Stress oder auch zu wenig Schlaf sind schlecht für die Neuroplastizität, die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst zu ändern.
  • Achte auf die richtige Motivation: Lernen sorgt für Glückshormone, aber nur, wenn du dich nicht überforderst. Wichtig ist, dass das Lernen Spaß macht und du das Gefühl hast, da ist eine Herausforderung, die aber nicht so schwer sein darf, dass du sofort aufgibst.
  • Nutze dein Gehirn: "Use it or lose it". Benutzt du dein Gehirn nicht, geht Wissen verloren.

Was passiert beim Lernen im Gehirn?

Beim Lernen werden Sinnesreize aktiviert, die Synapsen im Gehirn anregen. Über diese Verbindungsstellen werden Informationen von Nervenzelle zu Nervenzelle geleitet. Die Anzahl der aktiven Synapsen und Nervenzellen entscheidet über den Lernerfolg. Je mehr Nervenzellen am Lernprozess beteiligt sind, desto tiefer werden Informationen im Gehirn verankert. Das Gehirn bevorzugt dabei Informationen, die gleichzeitig haptisch, visuell und akustisch aufgenommen werden. Genauso wichtig sind Lernwiederholungen, da sie die gleichen Synapsen regelmäßig neu aktivieren und die Verbindung zwischen den Nervenzellen stärken.

Unser Gehirn verändert sich ständig. Die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu strukturieren, begleitet uns ein Leben lang. Beim Lernen setzt man neue Reize. Das neuronale Netz verändert sich, es bilden sich neue Verbindungen unter den Nervenzellen, es wird dichter und größer. Diese Prozesse werden als Neuroplastizität bezeichnet. Die Neubildung der Nervenzellen findet hauptsächlich im Hippocampus statt, dem Bereich im Gehirn, der für das Gedächtnis und Lernen zuständig ist.

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