Demenzsymptome 15 Jahre vorher erkennen: Neue Wege in der Früherkennung

Die Alzheimer-Demenz, eine der häufigsten Ursachen für Demenz weltweit, entwickelt sich über viele Jahre hinweg, oft bevor die ersten Symptome überhaupt erkennbar sind. Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Veränderungen im Gehirn und im Blut bereits 15 bis 20 Jahre vor dem Auftreten klinischer Symptome wie Gedächtnisverlust und Orientierungslosigkeit nachweisbar sein können. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für die Früherkennung und Prävention der Alzheimer-Krankheit.

Die lange symptomfreie Phase der Alzheimer-Demenz

Die Demenzerkrankung Morbus Alzheimer hat einen 15 bis 20 Jahre langen symptomfreien Verlauf, bevor erste klinische Symptome auftreten. Die Anfänge einer Demenz liegen Jahrzehnte vor der Diagnose. Diese lange symptomfreie Phase ist entscheidend, da in diesem Zeitraum bereits pathologische Veränderungen im Gehirn stattfinden, die potenziell beeinflussbar sind.

Veränderungen im Gehirn Jahrzehnte vor der Diagnose

Forscher haben herausgefunden, dass bei familiärer Alzheimerdemenz eine verstärkte Amyloiddeposition rund 25 Jahre vor Demenzbeginn beginnt. Deutliche Divergenzen fanden die Wissenschaftler für die Werte von phosphoryliertem Tau (pTau) im Liquor: Hier stießen sie auf eine drastische Abnahme etwa fünf Jahre vor Demenzbeginn. Eine solche ließ sich in den Querschnittsdaten nicht erkennen. Allerdings wurde eine ähnliche Dynamik bei Patienten mit sporadischer Alzheimerdemenz bisher nicht nachgewiesen. Hier wird allenfalls im Krankheitsverlauf eine Reduktion von pTau im Liquor beobachtet.

Amyloid-Plaques und Tau-Protein: Schlüsselakteure im Krankheitsgeschehen

Bei der Alzheimer-Krankheit kommt es zu einer Fehlfaltung des Amyloid-β-Proteins, die bereits 15 bis 20 Jahre vor Auftreten der ersten Symptome beginnt. Die fehlgefalteten Proteine verklumpen und lagern sich als Amyloid-Plaques im Gehirn ab. Diese Plaques und die Ansammlung von Tau-Protein in Form von Neurofibrillen sind Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit.

Neue Hoffnung durch Bluttests zur Früherkennung

Einem Forschungsteam der Universität Warwick in Großbritannien und der Fudan-Universität in Shanghai ist dieser Nachweis nun offenbar gelungen. Die bisher größte Studie zu diesem Thema wurde kürzlich im englischsprachigen Fachblatt "Nature Aging" veröffentlicht. Demnach können Blutproteine Demenz bis zu 15 Jahre vor der klinischen Diagnose vorhersagen. Dies haben Wissenschaftler mithilfe von maschinellen Lernverfahren herausgefunden und damit die Forschung zur Vorbeugung dieser Krankheit vorangetrieben.

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Der Immuno-Infrarot-Sensor: Ein vielversprechender Ansatz

Klaus Gerwert und seinem Team gelang es, einen Test zu entwickeln, der im Blut nachweist, ob das Gehirn mit diesen Plaques belastet ist. Dazu bestimmen die Forscher das Verhältnis von gesunden zu krankhaften Formen der Amyloid-β-Proteine. Der Bluttest verwendet eine als Immuno-Infrarot-Sensor bezeichnete Technologie, um das Verhältnis von pathologischem und gesundem Amyloid-β zu messen. Aufgrund einer fehlerhaften Faltung der Proteinkette nimmt das pathologische Amyloid-β eine so genannte β-Faltblatt-Struktur ein, die zur Aggregation neigt, während die gesunde Struktur dies nicht tut. Die beiden Strukturen absorbieren Infrarotlicht mit unterschiedlicher Frequenz, sodass der Bluttest das Verhältnis von gesundem zu pathologischem Amyloid-β in der Probe bestimmen kann.

Ergebnisse der ESTHER-Studie

Die Forscher untersuchten Blutproben, die bei Studieneintritt entnommen worden waren. Sie verglichen die Proben von 65 Personen, bei denen im Verlauf der Studie eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert wurde, mit 809 Kontrollen. Der Test war in der Lage, Personen ohne klinische Alzheimer-Symptome im Durchschnitt acht Jahre vor der klinischen Diagnose der Krankheit zu erkennen. In 70 Prozent der Fälle identifizierte der Bluttest diejenigen Personen, bei denen sich später tatsächlich eine Alzheimer-Demenz entwickelte. Bei neun Prozent lieferte der Test fälschlicherweise ein positives Ergebnis, obwohl die Probanden gesund blieben („falsch-positiv“).

Einschätzung der aktuellen Aussagekraft von Bluttests

„Momentan ist der Test wegen der falsch positiven Ergebnisse noch nicht zur alleinigen Frühdiagnose von Alzheimer geeignet“, erläutert Gerwert. „Aber er eröffnet die Möglichkeit, in einem kostengünstigen und minimal-invasiven Screening Personen herauszufiltern, die sich dann einer weiterführenden teuren und invasiven Diagnose unterziehen sollten, die ein falsch positives Ergebnis ausschließen kann.“

REM-Schlaf-Verhaltensstörung als Warnzeichen

Neurowissenschaftler der Universität Toronto haben jetzt eines der frühen Warnzeichen im Schlafverhalten entdeckt. Wer nachts in seinen Träumen ständig um sich schlägt und tritt, hat ein 80 bis 100 Prozent höheres Risiko, später eine neurodegenerative Störung zu entwickeln wie etwa Parkinson und Demenz. Die Studie aus Kanada deutet darauf hin, dass die sogenannte REM-Schlaf-Verhaltensstörung ein Warnzeichen für Hirnkrankheiten ist, die etwa 15 Jahre später auftreten können.

Zusammenhang zwischen REM-Schlaf und Alzheimer

Auch eine weitere Studie von Forschern der Boston University legt den Zusammenhang von REM-Schlaf und Alzheimer nahe: Die Forscher fanden heraus, dass verkürzte REM- oder Traumschlaf-Phasen das Krankheitsrisiko steigern.

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Bedeutung der Früherkennung für Prävention und Therapie

Sollte eine präsymptomatische Therapie gegen Beta-Amyloid die Krankheit verhindern oder verzögern können, stünde theoretisch also ein recht großes Zeitfenster offen. Das Zeitfenster für die Alzheimerprävention könnte bis zu 20 Jahre betragen.

Lebensstiländerungen und Medikamente zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufs

Wir wissen, dass körperliche Aktivität und Gedächtnistraining die Alzheimer-Erkrankung verlangsamen können, allerdings nur in Frühstadien. Außerdem stehen uns Medikamente zur Verfügung, die den Krankheitsprozess verzögern. Offensichtlich wirken sie umso effektiver, je eher sie eingenommen werden. Um den Patienten durch Lebensstiländerungen, geistiges Training und Medikamente lange eine gute Lebensqualität zu sichern, muss man die Krankheit also möglichst früh diagnostizieren.

Antikörper-Wirkstoffe als vielversprechender Therapieansatz

Ein vielversprechender Ansatz in der Alzheimer-Therapie sind Antikörper-Wirkstoffe, die gezielt gegen die Ablagerungen des Amyloid-Beta-Proteins im Gehirn wirken. Diese monoklonalen Antikörper greifen direkt in den Krankheitsprozess ein, anstatt nur die Symptome zu lindern. Studien zeigen, dass diese Medikamente die degenerativen Veränderungen im Gehirn verlangsamen können. In den USA sind bereits erste Vertreter dieser Wirkstoffklasse zugelassen, was neue Hoffnung für die Behandlung von Alzheimer-Demenz gibt.

Risikofaktoren und Präventionsmaßnahmen

Auch wenn die Ursachen der Alzheimer-Demenz noch nicht hinreichend bekannt sind, lässt sich aus entsprechenden Studien ableiten, dass neben nicht veränderbaren Faktoren (wie Alter, Geschlecht und Genetik) und Vorerkrankungen auch Verhaltensweisen und Lebensumstände das Risiko beeinflussen, daran zu erkranken. Das Risiko sinkt beispielsweise durch körperliche Aktivität und ausgewogene Ernährung, geistige Aktivität und soziale Teilhabe. Neuere Untersuchungen weisen zudem auf ein erhöhtes Risiko durch folgende Faktoren hin: Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen, übermäßigen Alkoholkonsum, Diabetes, schwere Kopfverletzungen, Infektionen, Depression, chronischer Stress sowie das Vorliegen einer Hör- oder Sehminderung, erhöhte Cholesterinwerte.

Herausforderungen und Perspektiven

Große Fortschritte in Diagnostik und Therapie der Demenzerkrankung Alzheimer sind in nächster Zukunft zu erwarten. Sie werden die bisherige Behandlung der Krankheit auf den Kopf stellen. Was muss passieren, dass diese Innovationen bei den Menschen ankommen? Die Forschung zum Thema Demenz ist sehr dynamisch - auf dem Gebiet der Ursachenforschung ebenso wie in den Bereichen Diagnostik und Therapie. Beispielsweise untersuchen Wissenschaftler:innen, inwiefern sich eine gesunde Lebensweise auf das individuelle Demenz-Risiko auswirkt.

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