Demenz ist eine der häufigsten und folgenreichsten neuropsychiatrischen Erkrankungen im höheren Alter. In Deutschland leben derzeit etwa 1,6 Millionen Menschen mit diesem Verfall ihrer geistigen Leistungsfähigkeit, und es wird erwartet, dass diese Zahl bis 2050 auf fast 3 Millionen Betroffene ansteigt. Demenz ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Syndrom, das durch den fortschreitenden Verlust kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten gekennzeichnet ist.
Was ist Demenz?
Der Begriff "Demenz" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich "Weg vom Geist" oder "ohne Geist". Er beschreibt den schleichenden Rückgang der geistigen Fähigkeiten, der über das normale Altern hinausgeht. Betroffene erleben eine kontinuierliche Verschlechterung von Gedächtnis, Denkvermögen, Urteilskraft, Konzentrations- und Lernfähigkeit. Auch die Persönlichkeit kann sich verändern.
Demenz ist keine normale Alterserscheinung, sondern eine Erkrankung, die das Gehirn betrifft. Sie beeinträchtigt die Fähigkeit, sich im Alltag zurechtzufinden, vertrauten Tätigkeiten nachzugehen und für sich selbst zu sorgen.
Ursachen von Demenz
Die Ursachen von Demenz sind vielfältig und nicht immer vollständig geklärt. Im Allgemeinen beruht Demenz auf krankhaften Veränderungen des Gehirns, die mit zunehmendem Alter häufiger auftreten. Diese Veränderungen führen zum Absterben von Nervenzellen (Neurodegeneration) und zur Anhäufung von krankhaften Eiweißstoffen im Gehirn.
Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Demenzen:
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- Primäre Demenzen: Haben ihre Ursache im Gehirn selbst. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Krankheit, die etwa 60-70 % aller Demenzfälle ausmacht. Weitere primäre Demenzformen sind die vaskuläre Demenz, die Lewy-Körperchen-Demenz und die frontotemporale Demenz.
- Sekundäre Demenzen: Sind die Folge einer anderen Grunderkrankung, wie z.B. Tumor- und Stoffwechselerkrankungen, Vitaminmangel, Depressionen, Durchblutungsstörungen, Hirnverletzungen oder Alkoholmissbrauch. In einigen Fällen können sich die Demenz-Symptome bessern, wenn die Grunderkrankung behandelt wird.
Risikofaktoren
Obwohl die genauen Ursachen vieler Demenzformen unbekannt sind, gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, die das Risiko einer Erkrankung erhöhen können:
- Alter: Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor für Demenz. Das Risiko steigt mit jedem Lebensjahrzehnt ab dem 65. Lebensjahr deutlich an.
- Genetische Veranlagung: Bei einigen seltenen Formen der Demenz, wie z.B. der familiären Alzheimer-Krankheit, spielt die Genetik eine wichtige Rolle.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Arteriosklerose und Diabetes mellitus können die Durchblutung des Gehirns beeinträchtigen und das Demenzrisiko erhöhen.
- Depressionen: Depressionen treten häufig im Vorfeld einer Demenz auf und gelten als Risikofaktor.
- Ungesunder Lebensstil: Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum können das Demenzrisiko erhöhen.
- Soziale Isolation und mangelnde geistige Aktivität: Ein aktives soziales Leben und geistige Stimulation können das Gehirn fit halten und das Demenzrisiko senken.
Die häufigsten Demenzformen im Überblick
- Alzheimer-Demenz: Die häufigste Form der Demenz, gekennzeichnet durch den fortschreitenden Untergang von Nervenzellen, insbesondere im Schläfen- und Scheitellappen des Gehirns. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer lagern sich schädliche Proteine wie Amyloid-beta ab.
- Vaskuläre Demenz: Entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn, z.B. durch Arteriosklerose oder Schlaganfälle. Je nach Ort der Schädigungen im Gehirn ist die Symptomatik unterschiedlich.
- Lewy-Körperchen-Demenz: Gekennzeichnet durch Halluzinationen, starke Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit, Bewegungsstörungen im Sinne von Parkinson-Symptomen und eine ausgeprägte Überempfindlichkeit gegenüber Medikamenten.
- Frontotemporale Demenz: Führt häufig zu auffälligen Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen. Es werden drei Unterformen unterschieden, die oft schon ab ca. 50 Jahren beginnen.
- Demenz bei Parkinson: Gedächtnis- oder Denkstörungen im fortgeschrittenen Parkinson-Stadium.
- Gemischte Demenz: Mischform zwischen Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz.
Symptome von Demenz
Die Symptome von Demenz sind vielfältig und können je nach Form und Stadium der Erkrankung variieren. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Gedächtnisverlust: Betrifft vor allem das Kurzzeitgedächtnis. Betroffene vergessen Namen, Termine, kürzlich geführte Gespräche oder verlegen Gegenstände.
- Orientierungslosigkeit: Schwierigkeiten, sich in vertrauter Umgebung zurechtzufinden, zeitliche oder räumliche Desorientierung.
- Sprachstörungen: Wortfindungsstörungen, Schwierigkeiten, Sätze zu verstehen oder sich auszudrücken.
- Beeinträchtigung des Denkvermögens: Schwierigkeiten, logisch zu denken, Probleme zu lösen oder Entscheidungen zu treffen.
- Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens: Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Aggressivität, Rückzug, Teilnahmslosigkeit oder unangemessenes Verhalten.
- Probleme mit der Urteilsfähigkeit: Schwierigkeiten, Situationen richtig einzuschätzen und angemessen zu handeln.
- Verlust der Alltagskompetenzen: Schwierigkeiten, alltägliche Aufgaben wie Kochen, Anziehen oder Waschen selbstständig auszuführen.
Demenz Stadien
Der Verlauf einer Demenz-Erkrankung ist individuell unterschiedlich, lässt sich aber grob in drei Stadien einteilen:
- Frühphase: Erste Symptome sind erkennbar, aber die Betroffenen sind noch weitgehend selbstständig.
- Mittelschwere Phase: Die Symptome sind deutlicher ausgeprägt und beeinträchtigen die Selbstständigkeit erheblich. Die Betroffenen benötigen zunehmend Unterstützung im Alltag.
- Schwere Phase: Die Betroffenen sind auf intensive Betreuung und Pflege angewiesen. Sie verlieren die Kontrolle über körperliche Funktionen und erkennen oft selbst engste Angehörige nicht mehr.
Diagnose von Demenz
Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig, um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten und den Betroffenen und ihren Familien Zeit zu geben, sich auf die Veränderungen vorzubereiten.
Der Diagnoseprozess umfasst in der Regel:
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- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte des Patienten und Befragung von Angehörigen.
- Körperliche Untersuchung: Überprüfung von Reflexen, Koordination, Gedächtnisleistung, Sprache und Orientierung.
- Neuropsychologische Tests: Standardisierte Fragebögen und Tests zur Messung der geistigen Leistungsfähigkeit. Ein Beispiel ist der Mini-Mental-Status-Test (MMST).
- Bildgebende Verfahren: Kernspintomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) des Gehirns, um Veränderungen im Gehirn sichtbar zu machen und andere Ursachen für die Symptome auszuschließen.
- Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen, um andere Erkrankungen als Ursache der Symptome auszuschließen. In einigen Fällen kann auch eine Nervenwasseruntersuchung (Lumbalpunktion) durchgeführt werden, um demenztypische Eiweiße nachzuweisen.
- Ultraschalluntersuchungen: der Blutgefäße am Hals und Kopf
Behandlung von Demenz
Bislang gibt es keine Heilung für die meisten Demenzformen, insbesondere nicht für die Alzheimer-Krankheit. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien zu verbessern.
Die Behandlung umfasst in der Regel:
- Medikamentöse Therapie:
- Antidementiva: Acetylcholinesterase-Hemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin) und NMDA-Rezeptor-Antagonisten (Memantin) können bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.
- Amyloid-Antikörper-Therapie: Für Menschen mit einer Frühform der Alzheimer-Krankheit (leichte kognitive Störung oder leichte Demenz) gibt es seit September 2025 eine Amyloid-Antikörper-Therapie mit Lecanemab. Die Antikörper binden an die Beta-Amyloid-Ablagerungen, die man zwischen den Nervenzellen im Gehirn Alzheimer-Erkrankter vermehrt feststellt.
- Weitere Medikamente: Je nach Symptomatik können weitere Medikamente eingesetzt werden, z.B. Antidepressiva bei Depressionen oder Neuroleptika bei Verhaltensstörungen.
- Nicht-medikamentöse Therapien:
- Kognitives Training: Übungen zur Verbesserung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Konzentration.
- Ergotherapie: Unterstützung bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben und Erhaltung der Selbstständigkeit.
- Physiotherapie: Förderung der Beweglichkeit und Koordination.
- Logopädie: Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten und des Schluckvermögens.
- Musiktherapie: Kann positive Erinnerungen und Gefühle wecken und das Wohlbefinden verbessern.
- Realitätsorientierungstraining (ROT): Übungen zur Verbesserung der zeitlichen und räumlichen Orientierung.
- Erinnerungstherapie: Mithilfe von Fotos, Geschichten und Alltagsgegenständen werden Erinnerungen geweckt und die geistigen Fähigkeiten angeregt.
- Verhaltenstherapie: Hilft, mit der Krankheit besser umzugehen.
- Unterstützung für Angehörige:
- Beratung und Schulung: Informationen über die Erkrankung, den Umgang mit den Betroffenen und Entlastungsmöglichkeiten.
- Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen.
- Entlastungsangebote: Tagesbetreuung, Kurzzeitpflege oder ambulante Pflegedienste, um die pflegenden Angehörigen zu entlasten.
Leben mit Demenz
Die Diagnose Demenz verändert das Leben der Betroffenen und ihrer Familien grundlegend. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit der Krankheit auseinanderzusetzen und Strategien zu entwickeln, um den Alltag so gut wie möglich zu gestalten.
Tipps für den Umgang mit Menschen mit Demenz
- Kommunikation: Sprechen Sie in kurzen, klaren Sätzen und geben Sie dem Betroffenen Zeit, zu antworten. Seien Sie geduldig und wiederholen Sie Informationen bei Bedarf.
- Orientierung: Schaffen Sie eine vertraute und strukturierte Umgebung mit festen Tagesabläufen und wiederkehrenden Ritualen. Verwenden Sie Orientierungshilfen wie Kalender, Uhren und Fotos.
- Aktivitäten: Fördern Sie die Teilhabe an alltäglichen Aktivitäten und bieten Sie altersgerechte Beschäftigungen an, die Freude bereiten.
- Sicherheit: Sorgen Sie für eine sichere Umgebung, um Stürze und andere Unfälle zu vermeiden.
- Wertschätzung: Behandeln Sie den Betroffenen mit Würde und Respekt, auch wenn er sich nicht mehr an Sie erinnert. Beziehen Sie sich auf die Lebenserfahrung der Person und wertzuschätzen diese.
Vorbeugung von Demenz
Obwohl es keine Garantie dafür gibt, dass man einer Demenz entgehen kann, gibt es einige Maßnahmen, die das Risiko einer Erkrankung senken können:
- Gesunder Lebensstil: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung, regelmäßige geistige Aktivität und soziale Kontakte.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Behandeln Sie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes und Depressionen frühzeitig. Verzichten Sie auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum.
- Geistige Stimulation: Fordern Sie Ihr Gehirn regelmäßig durch Lesen, Lernen, Spielen oder andere geistig anregende Aktivitäten heraus.
- Soziale Kontakte: Pflegen Sie soziale Kontakte und engagieren Sie sich in Vereinen oder Gruppen.
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