Demenz-Apps für Angehörige: Funktionen und Nutzen

Die Betreuung von Menschen mit Demenz stellt Angehörige vor immense Herausforderungen. Digitale Helfer in Form von Apps können eine wertvolle Unterstützung sein, indem sie den Pflegealltag erleichtern, die Kommunikation verbessern und die Selbstständigkeit der Betroffenen fördern. In Deutschland sind knapp fünf Millionen Menschen pflegebedürftig, die meisten (rund 80 %) werden zu Hause versorgt - überwiegend von pflegenden Angehörigen. Um diese Angehörigen zu entlasten und gleichzeitig die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Pflegebedürftigen zu stärken, gibt es eine Reihe digitaler Helfer. Die Digitalisierung ist auch in der Pflege angekommen: Gesundheits- und Pflege-Apps versprechen, die häusliche Pflege in vielen Bereichen zu entlasten, zu stärken oder zu verbessern.

Digitale Helfer im Pflegealltag: Ein Überblick

Moderne Pflege digital zu unterstützen heißt, dass es für fast jeden Aspekt des Pflegealltags spezialisierte Anwendungen gibt. Die Vielfalt der verfügbaren Apps ist groß und deckt unterschiedliche Bereiche ab:

  • Medikamenten-Erinnerungs-Apps: Sie helfen, den Überblick über Medikamente zu behalten. Funktionen sind u. a. Erinnerungen an Einnahmezeiten, Dosierungsinformationen und Warnungen vor Wechselwirkungen.
  • Notruf- und Sicherheits-Apps: Diese Anwendungen ermöglichen es, im Notfall schnell Hilfe zu rufen - etwa per Knopfdruck auf dem Smartphone oder via spezieller Notfall-Uhren. Wenn per App auf Knopfdruck Hilfe geholt werden kann oder Stürze automatisch erkannt werden, steigt das Vertrauen, auch alleine zu Hause zurechtzukommen. Diese digitalen Helfer bedeuten „mehr Sicherheit und ein Stück Selbstständigkeit“ im Alltag.
  • Pflege-Dokumentation & -Organisation: Digitale Pflegeplaner erleichtern die Dokumentation von Pflegemaßnahmen und die Organisation des Alltags. Sie erlauben eine strukturierte Erfassung von Pflegeplänen, Berichten und Terminen, was den manuellen Aufwand reduziert und die Versorgung transparenter macht. Pflege-Apps mit Kalender- und To-do-Funktionen helfen auch bei der Tages- und Wochenplanung.
  • Kommunikations- und Vernetzungs-Apps: Diese Plattformen ermöglichen eine einfachere Abstimmung zwischen Pflegebedürftigen, Angehörigen und ggf. Pflegekräften. Typische Funktionen sind sichere Chat-Nachrichten, Videoanrufe oder gemeinsame Terminplanung. So bleiben alle Beteiligten auf dem Laufenden, was besonders bei verteilten Familien wertvoll ist. Eine digitale Pflegechronik und Chat-Funktion (etwa in der App MyPflege24) ermöglichen es, sich über den Zustand des Pflegebedürftigen auszutauschen und Aufgaben aufzuteilen. Termine können in der App koordiniert und für alle sichtbar gemacht werden. So weiß jeder, wer wann z. B. beim Arzt war oder welche Einkäufe erledigt wurden.
  • Telemedizin-Apps: Telemedizinische Anwendungen erlauben es Patienten, ärztliche Beratungen per Videoanruf von zu Hause aus durchzuführen. So können Symptome online mit einem Arzt besprochen, Rezepte ausgestellt oder Nachsorgetermine virtuell erledigt werden. Man kann den Arzt per Video konsultieren und erhält Ratschläge oder Rezepte digital.
  • Apps für Tagesstruktur und kognitive Unterstützung: Diese Helfer sorgen für Orientierung und Tagesstruktur. Sie erinnern an tägliche Routinen (z. B. Essenszeiten, Trinkmenge, Bewegungsübungen) und unterstützen Menschen mit beginnender Demenz oder geistigen Einschränkungen. Auch Gedächtnistraining oder kleine Spiele gehören dazu. Das Ziel ist, den Alltag zu organisieren und geistige Fähigkeiten so lange wie möglich zu erhalten. Einige Anwendungen zeigen z. B. ein seniorengerechtes Assistenz-Tablet zeigt Uhrzeit, Wetter und Termine an. Solche digitalen Pflegeassistenzsysteme kombinieren mehrere Funktionen, um den Alltag sicherer und einfacher zu machen. Ein großer Bildschirm mit klarer Schrift informiert über Datum, Uhrzeit und sogar das Wetter - hilfreich für die Orientierung. Gleichzeitig werden wichtige Termine oder Aufgaben des Tages angezeigt (etwa “Frühstück um 8:00” oder “Arzttermin um 15:00”), und bei Bedarf erinnert die App an Medikamenteneinnahmen oder Trinkpausen. Einige Systeme bieten auch Sprachassistenten, damit die Bedienung per Spracheingabe erfolgen kann.

Vorteile von Pflege-Apps für Pflegebedürftige

Gut konzipierte Gesundheits- und Pflege-Apps können dazu beitragen, dass pflegebedürftige Menschen selbstbestimmter leben und länger möglichst autonom bleiben. Laut den Kriterien für digitale Pflegeanwendungen sollen diese Apps vor allem eines leisten: Pflegebedürftige Personen in ihrer Selbstständigkeit und ihren Fähigkeiten stärken oder einer Verschlechterung ihres Zustands vorbeugen.

  • Sicherheit im Alltag: Notruf-Apps und Sensoren geben vielen älteren oder kranken Menschen die Sicherheit, im Notfall nicht allein zu sein.
  • Eigenständige Gesundheitsversorgung: Medikations-Apps und Gesundheits-Apps ermöglichen es Nutzern, ihre Gesundheit aktiv selbst zu managen. Wer zuverlässig an Tabletten erinnert wird und seine Vitalwerte per App im Blick hat, muss weniger auf fremde Hilfe zurückgreifen.
  • Aktiv bleiben und Fähigkeiten erhalten: Einige Apps motivieren zu regelmäßiger Bewegung oder Gedächtnistraining, was der Gesundheitsprävention dient. So gibt es z. B. Sturzpräventions-Apps, die per KI das persönliche Sturzrisiko ermitteln und Übungsprogramme anbieten (eine Studie der Charité Berlin zeigte etwa, dass die Lindera-App langfristig das Sturzrisiko um ~20 % senken kann). Andere Anwendungen wie DigiPreventiion oder DigiCare bieten individuelle Trainingspläne, um körperliche oder kognitive Fähigkeiten zu erhalten.
  • Bessere Orientierung und Alltagshilfe: Spezielle Senioren-Apps mit Kalenderuhren, Erinnerungen und einfacher Bedienung helfen, den Tag strukturiert zu meistern. Insbesondere Menschen mit Demenz profitieren davon, wenn eine App sie freundlich an Termine oder an das Trinken erinnert und durch den Tag führt. Natürlich ersetzen Apps nicht die menschliche Zuwendung - aber sie geben vielen Pflegebedürftigen das Gefühl, ihren Alltag aktiver mitzugestalten zu können. Schon einfache Dinge, wie selbstständig per App die Medikamenteneinnahme abzuhaken oder per Tablet einen Videogruß an die Enkel zu senden, fördern das Selbstwertgefühl.

Entlastung für pflegende Angehörige

Wenn Angehörige pflegen, sind sie häufig mit organisatorischen, körperlichen und emotionalen Belastungen konfrontiert. Genau hier setzen Pflege-Apps an: Sie helfen, den Pflegealltag zu strukturieren, effizienter zu gestalten und Entlastung zu bieten.

  • Organisation und Zeitersparnis: All-in-One Pflege-Apps erleichtern die Planung des Pflegealltags. Aufgabenlisten, Kalender und Erinnerungshilfen stellen sicher, dass nichts Wichtiges vergessen wird. Zum Beispiel vereint die App Care+ Pflegeplanung, Medikamentenerinnerung, Dokumentenablage und Notfallkontakte in einer Anwendung - das spart Zeit und Nerven.
  • Bessere Absprachen in Familien: Pflegen mehrere Familienmitglieder gemeinsam, verhindern Kommunikations-Apps Missverständnisse. Termine können in der App koordiniert und für alle sichtbar gemacht werden.
  • Schneller Informationszugriff: Angehörige haben oft viele Fragen - zu Pflegeleistungen, Krankheitsbildern, Medikamenten etc. Pflege-Apps bieten hier oft integrierte Wissensdatenbanken, Tipps oder sogar Beratungsfunktionen. Einige Anwendungen (z. B. Nui Care) geben Schritt-für-Schritt Hinweise zur Beantragung von Pflegeleistungen und beantworten Fragen rund um die Pflege. Communities innerhalb mancher Apps (Fabel bietet z. B. einen Community-Support) ermöglichen Austausch mit anderen Pflegenden.
  • Weniger Sorge durch Monitoring: Viele Angehörige sind in Sorge, wenn sie ihren Liebsten kurz alleine lassen. Monitoring-Apps und smarte Sensoren können hier entlasten: Sie melden z. B., ob Medikamente genommen wurden oder ob ungewöhnlich lange Inaktivität herrscht. Durch Notfall-Benachrichtigungen aufs Handy (etwa wenn ein Sturz detektiert wird) erhalten Angehörige mehr Sicherheit. Man kann beruhigter auch mal außer Haus gehen, da man im Ernstfall sofort alarmiert würde. Viele Nutzer berichten, dass Apps ihnen Struktur geben und das Gefühl, im Pflegealltag nicht mehr allein kämpfen zu müssen.

Herausforderungen und wichtige Aspekte bei der Nutzung von Pflege-Apps

Trotz der zahlreichen Vorteile gibt es auch Herausforderungen und wichtige Aspekte, die bei der Nutzung von Pflege-Apps berücksichtigt werden müssen:

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  • Datenschutz und Datensicherheit: Pflege-Apps verarbeiten sensible Gesundheitsdaten, daher spielt Datenschutz eine große Rolle. Offiziell zugelassene Apps - etwa DiPA (Digitale Pflegeanwendungen) oder DiGA (Digitale Gesundheitsanwendungen) - werden vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte streng auf Datensicherheit geprüft. Bei frei verfügbaren Apps ohne Zulassung ist dies nicht der Fall; sie müssen lediglich der DSGVO genügen. Das bedeutet: Nicht alle Apps gehen transparent mit Daten um. Manche unabhängigen Anwendungen finanzieren sich z. B. durch Werbung oder Kooperationen (etwa mit Apotheken). Der Nutzer sollte daher darauf achten, welche Berechtigungen eine App verlangt und wohin Daten fließen. Positiv ist, dass in Tests die meisten seriösen Anwendungen keine eklatanten Datenschutz-Mängel zeigten. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl bestehen, wenn unklar ist, womit die App ihr Geld verdient.
  • Bedienbarkeit für ältere Menschen: Eine benutzerfreundliche Gestaltung ist entscheidend, denn viele Senior:innen sind mit Smartphones und Apps nicht vertraut. Große Schrift, klare Symbole und einfache Menüs sind Pflicht. Die Bedienung von Apps kann für ältere Menschen schnell zur Hürde werden - fehlende Übung, Seh- oder Hörprobleme und Berührungsängste mit der Technik spielen dabei eine Rolle. Die Stiftung Warentest hat herausgefunden, dass nur wenige Medikamenten-Apps wirklich gut für ältere Anwender geeignet sind - entscheidend war eine gute Erinnerungsfunktion und eine einfache, übersichtliche Bedienung. Schulungsangebote und Unterstützung durch Angehörige können helfen, Anfangshürden zu überwinden.
  • Technische Voraussetzungen: Damit Pflege digital gelingt, braucht es gewisse Basics: ein Smartphone oder Tablet, Internetzugang und im besten Fall jemanden, der bei Problemen helfen kann. Nicht jeder Pflegebedürftige verfügt über moderne Geräte oder möchte diese nutzen. Auch können technische Probleme (Akku leer, WLAN-Ausfall, Softwarefehler) die Zuverlässigkeit einschränken. Hier sollten immer analoge Notfall-Alternativen (z. B. klassischer Hausnotruf-Knopf als Backup) vorhanden sein.
  • Akzeptanz und Vertrauen: Neue Technologien stoßen bei älteren Generationen nicht immer sofort auf Gegenliebe. Manche Senioren fühlen sich von zu viel Digitalisierung überfordert oder lehnen sie ab, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen. Datenschutzbedenken können ebenso Misstrauen wecken. Es braucht manchmal Geduld und Aufklärung, um Vorurteile abzubauen („Die App spioniert mich nicht aus, sie soll dir helfen, Mama“). Wichtig ist, die Vorteile klarzumachen und die Anwendung am Anfang gemeinsam einzuüben.
  • Unübersichtlicher Markt: Der Markt an Gesundheits- und Pflege-Apps wächst ständig. Für Laien ist es nicht immer leicht, Spreu von Weizen zu trennen - also wirklich nützliche oder geprüfte Apps von weniger ausgereiften Angeboten. Offizielle Verzeichnisse (etwa das DiGA-Verzeichnis des BfArM für Gesundheits-Apps) bieten Orientierung, doch im Pflegebereich (DiPA) gibt es solche Listen erst im Aufbau. Es gilt daher, vor Nutzung einer App auf Bewertungen, Empfehlungen von Stellen wie Verbraucherzentralen oder Tests (z. B. Warentest) zu achten. Ein hoher Download-Rang allein ist kein Qualitätsmerkmal.
  • Der menschliche Faktor: Nicht zuletzt spielt der menschliche Faktor eine Rolle: Technik kann viel, aber sie ersetzt nicht die menschliche Wärme in der Pflege. Eine App wird niemals ein persönliches Gespräch oder liebevolle Zuwendung ersetzen.

Beispiele für bewährte Pflege-Apps

Der Markt für Pflege-Apps ist jung, aber es gibt bereits einige bewährte Anwendungen, die sich in der Praxis einen Namen gemacht haben:

  • Care+ - die All-in-One-Lösung: Eine führende App für pflegende Angehörige, die alle wichtigen Funktionen bündelt. Care+ bietet Pflegeplanung, Medikamenten-Erinnerung, Dokumentenablage und hinterlegte Notfallkontakte in einer App.
  • MyPflege24 - die Kommunikationszentrale: Diese App eignet sich ideal für Familien, in denen sich mehrere Personen an der Pflege beteiligen. MyPflege24 beinhaltet eine digitale Pflegechronik, Chat-Funktionen für den Austausch und eine gemeinsame Terminabstimmung. Besonderheit: Die App ist mit Smart-Home-Geräten kompatibel.
  • Pflegebox-App - Einkauf und Organisation leicht gemacht: Hinter diesem Angebot steckt die Idee, die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln zu vereinfachen. Die Pflegebox-App hilft beim Beantragen der monatlichen Pflegehilfsmittel-Pauschale und organisiert die Bestellung von Verbrauchsmaterial (wie Einmalhandschuhe, Betteinlagen etc.). Sie bietet Antrags-Hilfen für die Pflegekasse, führt eine Bestellhistorie und zeigt den Lieferstatus in Echtzeit an.
  • MindfulCare - für das seelische Wohlbefinden: Diese App richtet sich direkt an die pflegenden Angehörigen selbst. MindfulCare enthält Achtsamkeitsübungen, einen Stress-Tracker und Tipps für kleine Pausen im Pflegealltag. Entwickelt mit Pflegewissenschaftler:innen, soll sie Überlastung vorbeugen. Die App erinnert z. B. täglich an kurze Entspannungsübungen oder ans Führen eines Stress-Tagebuchs.
  • DemenzGuide - Unterstützung bei Demenzpflege: Diese App wurde speziell für den Umgang mit Demenz entwickelt. DemenzGuide liefert praktische Verhaltenstipps im Alltag mit Demenzerkrankten und verfügt über Erinnerungsfunktionen (z. B. an Termine oder daran, bestimmte Türen abzuschließen) sowie einen Notrufknopf für den Ernstfall. Besonders innovativ ist die Einbindung regionaler Demenznetzwerke - Nutzer können lokale Ansprechpartner und Angebote finden.
  • Nui Care - smarter Pflegeassistent mit KI: Die Nui-Care-App wurde mit Unterstützung der ADAC-Stiftung erprobt und fungiert als digitale Pflegeassistenz. Sie enthält ein digitales Pflege.

Weitere vielversprechende Apps und Initiativen

Neben den bereits etablierten Apps gibt es eine Vielzahl weiterer Initiativen und Anwendungen, die das Potenzial haben, die Versorgung von Menschen mit Demenz und die Unterstützung ihrer Angehörigen weiter zu verbessern.

  • MindAhead Active: Diese App bietet eine evidenzbasierte Zusatz-Therapie für Menschen mit ersten Gedächtnisproblemen oder leichter Demenz. Im Gegensatz zu klassischen „Gehirnjogging“-Apps setzt „MindAhead Active“ auf echte Aktivitäten im Alltag - kognitive, körperliche und soziale. Die App soll dazu beitragen, dass Menschen wieder mehr am Leben teilnehmen. Die MindAhead-App ist ein CE-zertifiziertes Medizinprodukt der Klasse I und wurde in einer klinischen Studie der Universitätsmedizin Göttingen auf ihre Wirksamkeit geprüft.
  • Tabletgestützte Aktivierung für Pflegeheimbewohner mit Demenz: Ein Verbundprojekt unter Leitung der Charité Universitätsmedizin Berlin entwickelt ein tabletgestütztes Angebot für Pflegeheimbewohner mit Demenz. Ziel ist die Entwicklung eines tabletgestützten Angebots für Pflegeheimbewohner mit Demenz. Zur wissenschaftlichen Erprobung soll 2016 eine klinische Studie mit circa 200 Pflegeheimbewohnern starten, in der untersucht wird, ob sich die tabletgestützte Aktivierung positiv auf Faktoren wie Wohlbefinden oder soziale Teilhabe der Betroffenen auswirkt.
  • Malteser App „Demenz“: Die Malteser geben zusammen mit der Swedish Care International (SCI) die App „Demenz“ heraus. Es ist die erste kostenlose deutschsprachige Anwendung zum Thema Demenz in den App-Stores von Apple und Android. Sie hilft Angehörigen, Pflegenden und demenziell Erkrankten selbst, die Lebensqualität durch nützliche Hinweise und Anregungen zu steigern. Ein übersichtlich strukturiertes Menü führt durch wichtige Informationen zum Thema Demenz. So informiert sich der Nutzer schnell zu Arten demenzieller Erkrankungen, ihren Symptomen und zur Therapie. Weiterhin finden sich praktische Tipps zur Erleichterung des alltäglichen Lebens. Häufig gestellte Fragen beantwortet die App direkt. Darüber hinaus bietet das Netzwerk die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Forschungsergebnisse und Studien

Spanische Forscherinnen haben Apps untersucht, die speziell für pflegende Angehörige entwickelt wurden. Diese Bedürfnisse, so Marina Sala-Gonzaléz und ihre Kolleginnen, seien umfassend untersucht worden. Im Hinblick auf diese Bedürfnisse könnten auch mobile Apps hilfreich sein, schreiben die Autorinnen. Sie könnten etwa bei der Bereitstellung von Aufklärungsinformationen, der Erinnerung an Arzttermine, der Koordination der Pflege und dem Umgang mit Medikamenten unterstützen. Für ihre Übersichtsarbeit werteten sie elf Studien aus, die zwischen Januar 2011 und Juli 2020 veröffentlicht wurden. An den einzelnen Studien nahmen zwischen 4 und 90 Pflegende teil. Der Zeitraum, in dem sie die Apps testeten, reichte von einer Woche bis zu sechs Monaten. Die Auswertung der Forscherinnen zeigte, dass die meisten Studien die Bedürfnisse von pflegenden Angehörigen berücksichtigt hatten, um Funktionen der App zu erstellen oder sie anzupassen. Das Fazit der Autor*innen fällt positiv aus: Mobile Anwendungen können danach eine gute Unterstützung für pflegende Angehörige sein, sofern sie nach ihren Bedürfnissen entwickelt wurden.

Die Liv-App: Eine qualitative Interviewstudie

Eine qualitative Interviewstudie zeigt, dass sich eine Pflege-App wie Liv aus Angehörigenperspektive v. a. für pflegende Angehörige eignet, die die sich mit weiteren Personen um ihre zu pflegenden Angehörigen kümmern und die technisch versiert sind. Bei einer hohen Notwendigkeit der Dokumentation von medizinischen Werten bekommt eine solche App aus Angehörigenperspektive eine zusätzliche Relevanz. Im Vordergrund steht die Personalisierung der Planerfunktion, sodass Nutzer:innen sie mit qualitativem Inhalt füllen können (zu Mahlzeiten, Trinkmenge, Vorlieben oder Abneigungen). Die zweite Erweiterung betrifft die Kommunikationsformen in der App. Dazu gehören auch Reminder- und Kontrollfunktion für Aufgaben, die andere übernehmen. Die Möglichkeit, kurze, selbst aufgenommene Videos als Kommunikationsform zwischen den pflegenden Angehörigen kursieren zu lassen, wurde in einer App aus den USA als erfolgreich befunden. Ein Informationsbereich als dritte mögliche Erweiterung in der App könnte über eine Baumstruktur kurz und knapp Antworten zu Fragestellungen anbieten, die sich in unmittelbaren Pflegesituationen ergeben. Diese sind in den allgemeinen Medien zwar ebenfalls zugänglich, diese informieren jedoch oft zu umfangreich oder müssen vorab mühselig gefiltert und selektiert werden. Das Bedürfnis, erwünschte Informationen in wenigen Schritten einfach zur Verfügung stehen zu haben, gilt für Smartphone-Nutzer:innen und besonders für technikaffine pflegende Angehörige, da diese über sehr wenig Zeit verfügen. Komplexere Inhalte, die eine App überfrachten würden, könnten untergebracht werden. Dazu gehören z. B. Videotutorials oder eine Linksammlung zu weiterführenden Themen im Bereich Versicherungen oder Finanzen. Sinnvoll wäre dabei auch eine Funktion zur Filterung von Informationen hinsichtlich der eigenen Relevanz. Da aktuelle Forschungsergebnisse aus Deutschland zeigen, dass besonders ältere Menschen ab 65 Jahren Probleme im Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen haben, ist eine übersichtliche und ansprechende Aufbereitung der Information von zentraler Bedeutung. Wie aus den Interviews ersichtlich wurde, ist die zentrale Komponente der erfolgreichen Nutzung der App eine klare und intensive Einarbeitung. Ein vierter möglicher Erweiterungsbereich ist ein Notfallpaket mit integriertem Notfallmanagement, inklusive der Hinterlegung von Gesundheitsdaten und wichtigen Dokumenten der zu pflegenden Person zur Weiterleitung an eine:n medizinische:n Ansprechpartner:in. Wichtige zusätzliche Notfalltelefonnummern könnten hier ebenfalls abgespeichert werden. Die Integration der App in andere therapeutische Behandlungen mit gemeinsamer Nutzung von Daten ist ein fünfter möglicher Erweiterungsbereich. In der jungen Branche des Telemonitoring sind digitale Angebote für die Betreuung einer zu pflegenden Patient:innengruppe bisher noch ein kleines Segment. Diesem könnte durch die unkomplizierte Möglichkeit einer Datenweitervermittlung zu anderen Betreuungsinstanzen der zu pflegenden Person hier Vorstoß geleistet werden. Zudem könnte die Möglichkeit einer direkten Kommunikationsmöglichkeit mit medizinischem Fachpersonal überlegt werden. Weiterhin, als 6. Bereich und explizit vorgeschlagen, könnte die App die Möglichkeit bieten, die Aktivitäten der zu pflegenden Person zu dokumentieren und zu analysieren.

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