Die Früherkennung von Demenz ist eine große Herausforderung, da die Diagnose oft erst dann sicher gestellt werden kann, wenn das Gehirn bereits stark geschädigt ist. Neueste Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass Augenuntersuchungen möglicherweise eine frühere Diagnose ermöglichen könnten.
Die Verbindung zwischen Augen und Gehirn
Eine Studie britischer Forscher hat ergeben, dass bestimmte Veränderungen in der Sehleistung und den Augenbewegungen Jahre vor einer Demenzdiagnose auftreten können. Das Team um Eef Hogervorst von der Loughborough University in England analysierte Daten von 8623 Personen im Alter von 48 bis 92 Jahren, von denen 537 im Laufe der Zeit eine Demenz entwickelten.
Die Forscher konzentrierten sich auf eine spezielle Untersuchung der Sehleistung, bei der die Probanden so schnell wie möglich einen Knopf drücken sollten, sobald sich aus beweglichen Punkten auf einem Bildschirm ein Dreieck bildete. Es zeigte sich, dass Menschen, die später an Demenz erkrankten, das Dreieck deutlich später erkannten als diejenigen ohne Demenz.
Der Grund dafür könnte darin liegen, dass sich die für Alzheimer typischen Ablagerungen fehlgefalteter Proteine, sogenannte Amyloid-Plaques, zuerst in den für das Sehen zuständigen Hirnbereichen bilden. Einschränkungen in diesem Bereich könnten somit auf eine beginnende Problematik hinweisen, und zwar bis zu zwölf Jahre vor einer Diagnose.
Veränderungen der Augenbewegungen
Es ist schon länger bekannt, dass Menschen mit Demenz bereits vor dem Auftreten erster kognitiver Einschränkungen ihre Augen anders bewegen. Sie folgen nicht mehr den üblichen Mustern, nach denen gesunde Menschen neue Gesichter scannen, um sie abzuspeichern und später wiederzuerkennen. Gesunde Menschen betrachten ein Gesicht von den Augen über die Nase zum Mund, um es sich einzuprägen, während Demenzkranke dies möglicherweise nicht tun.
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Auch der oft etwas verlorene Ausdruck Betroffener könnte darauf beruhen, dass die Umgebung von ihnen nicht mehr gezielt mit Blicken abgetastet wird, wie es Gesunde tun. Die logische Folge: Das Erkennen von Gesichtern und der Umgebung fällt schwerer, weil alles nicht mehr so genau betrachtet wird.
Nachlassende Kontrastempfindlichkeit
Ein weiteres Anzeichen könnte eine nachlassende Kontrastempfindlichkeit sein, die dazu führt, dass Umrisse und Farbunterschiede weniger genau wahrgenommen werden. Betroffene bemerken dies oft selbst nicht, aber mit speziellen Untersuchungen lässt sich zum Beispiel eine nachlassende Differenzierung des Blau-Grün-Spektrums schon früh nachweisen.
Künstliche Intelligenz (KI) zur Früherkennung
Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Früherkennung von Demenz anhand von Augen-Scans. Wissenschaftler der Universität London haben herausgefunden, dass auffällige Veränderungen in den Blutgefäßen der Netzhaut auf ein erhöhtes Risiko für Demenz hinweisen könnten.
Mithilfe der KI-Technik "Quartz" untersuchten sie die Augen von mehr als 60.000 Menschen im Alter zwischen 40 und 69 Jahren. Die Technologie misst automatisch die Breite und das Ausmaß, in dem sich winzige Venen und Arterien drehen und wenden, und erkennt so auffällige Muster in den Netzhautgefäßen.
Die Wissenschaftler verglichen ihre Scan-Ergebnisse mit denen von kognitiven Leistungstests der Studienteilnehmer. Das Ergebnis: Personen mit verengten oder auffällig gewundenen Blutgefäßen schnitten schlechter in Gedächtnis- und Reaktionstests ab. Die Forscher vermuten, dass Veränderungen der Blutgefäße in der Netzhaut auf eine verminderte Blutversorgung des Gehirns zurückzuführen sein könnten, was wiederum eine frühe Ursache oder Folge von Demenz und Alzheimer sein könnte.
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Die EPIC-Norfolk-Studie
Die Ergebnisse der britischen Forscher basieren auf Daten der EPIC-Norfolk-Studie, an der die Probanden bereits seit über 25 Jahren teilnehmen. Zwischen 1993 und 1998 konnten sich Patienten von Hausarztpraxen für die Studienteilnahme anmelden; mehr als 30.000 Männer und Frauen haben das getan. Sie willigten ein, auch zukünftige Befunde zur Verfügung zu stellen. EPIC steht für „European Prospective Investigation into Cancer“ und sollte ursprünglich für die Krebsforschung Daten liefern. Bisher konnten aber schon mehrere Studien aus unterschiedlichen Fachgebieten aus den Ergebnissen durchgeführt werden.
Können Augenbewegungen das Gedächtnis verbessern?
Forschende prüfen nun, ob die Anregung zu mehr Augenbewegungen, zum Beispiel durch Lesen und Fernsehen, hilft, das Erinnerungsvermögen zu verbessern. Speziell schnelle, horizontale Bewegungen wie beim Lesen zeigen in manchen Untersuchungen eine Wirkung.
Einige Studien deuten darauf hin, dass gezielte Augenbewegungen die Gedächtnisleistung verbessern können, was erklären könnte, warum Menschen, die mehr fernsehen und lesen, ein besseres Gedächtnis und ein geringeres Demenzrisiko haben als diejenigen, die dies nicht tun.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Ein großes Problem ist, dass die bisherigen Verfahren zur Messung der Augenbewegungen teuer sind, da dafür speziell geschultes Personal und komplexe Technologie benötigt werden. Gelingt es, die Methoden besser zugänglich zu machen, könnte dies bei der frühzeitigen Diagnose von Demenzen helfen.
Da bisher oft erst nach dem Auftreten von Symptomen eine Vorstellung beim Arzt erfolgt, geht wertvolle Zeit verloren. In dieser Zeit bilden sich die typischen, zellschädigenden Ablagerungen fehlgefalteter Beta-Amyloid-Proteine, die zum Untergang der Nervenzellen führen. Bisher lässt sich der Prozess nicht aufhalten, auch wenn die Forschung stets weitergeht.
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Weitere Symptome und Risikofaktoren von Demenz
Neben den genannten Veränderungen der Sehkraft und Augenbewegungen gibt es weitere Anzeichen, die auf eine Demenz hindeuten können:
- Gedächtnisprobleme: Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, Vergessen von Terminen oder wichtigen Dingen.
- Schwierigkeiten beim Planen und Problemlösen: Konzentrationsprobleme, Schwierigkeiten bei der Organisation des Alltags.
- Probleme mit gewohnten Tätigkeiten: Schwierigkeiten bei alltäglichen Handlungen wie Kochen oder Anziehen.
- Orientierungsprobleme: Schwierigkeiten, sich in vertrauter Umgebung zurechtzufinden.
- Sprachprobleme: Wortfindungsschwierigkeiten, Schwierigkeiten, einem Gespräch zu folgen.
- Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit: Stimmungsschwankungen, Verlust der Eigeninitiative, sozialer Rückzug.
Neben dem Alter gibt es weitere Risikofaktoren, die eine Demenz begünstigen können:
- Bewegungsmangel
- Kopfverletzungen
- Alkohol
- Feinstaubbelastung
- Geringe Bildung
- Übergewicht
- Bluthochdruck
- Eingeschränkte Hörfähigkeit
- Rauchen
- Diabetes
- Depressionen
- Mangel an sozialen Kontakten