Das Theaterstück "Demenz Depression und Revolution", untertitelt "Studie zu 3 Mythen der Gegenwart" von Fritz Kater, inszeniert von Armin Petras, thematisiert auf komplexe Weise die Zusammenhänge zwischen Demenz, Depression und Revolution. Das Stück, das aus drei unabhängigen Teilen besteht, beleuchtet die Ohnmacht des Menschen angesichts von Krankheit, persönlichem Leid und gesellschaftlichen Umbrüchen.
Die drei Teile des Triptychons
Demenz: Eine Reise ins Vergessen
Der erste Teil des Stücks, "Demenz", ist eine Sammlung persönlicher Statements, Statistiken und Dialogfragmente von Menschen, die direkt oder indirekt von der Krankheit betroffen sind. Katers fragmentarischer Text versammelt Miniaturen vom langsamen Verschwinden, vom Nicht-mehr-Begreifen, bei Patienten, Angehörigen wie Betreuern. Es ist ein verzweifelter Gedankenstrom, der mit zarter Ironie die aberwitzigen Versuche des Menschen beschreibt, seiner endlichen Natur zu entfliehen.
Die Geschichten spielen immerzu und überall. Sechs Personen suchen nach dem, was von ihnen geblieben ist. Längst frisst gierig die Krankheit das Bewusstsein auf, das Wettrennen zwischen schrumpfendem Hirn und wachsenden Tumoren ist eröffnet. Und wer mittendrin ist, kann nur noch verlieren, mehr oder weniger schnell.
Katers fragmentarischer Text versammelt Miniaturen vom langsamen Verschwinden, vom Nicht-mehr-Begreifen, bei Patienten, Angehörigen wie Betreuern. Das ist manchmal zum Verzweifeln komisch, anrührend und voller Schmerz erzählt. Der Allerdementeste beschwört immerhin den Traum vom „Schmetterlings-grund“ - als eine Art Paradies jenseits der belebten und bewohnten Welt.
Depression: Der Fall Robert Enke
Der zweite Teil, "Depression", zeichnet den Lebensweg eines Nationaltorwarts vom gefeierten Jungstar zum ewigen Zweiten als moderne Passionsgeschichte nach. Das Stück thematisiert die Depression eines Fußballtorwarts, in die Facetten des in der Öffentlichkeit mit großer Anteilnahme diskutierten Lebens- und Leidensweges von Robert Enke eingearbeitet worden sind.
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Im zweiten Teil-Stück „Schwarzer Hund“ erzählt Kater die Geschichte vom Auf-, Ab- und Wieder-Aufstieg, von den persönlichen Dramen um Robert und Theresa Enke, von Krankheit und Tod in der Depression, die sich (so steht’s in Enkes Biographie) als „schwarzer Hund“ unabschüttelbar auf Herz und Hirn des Top-Torwarts gelegt hatte. So stark die Geschichte um das zeitlebens zwischen Leben und Karriere überforderte Paar sein mag, so schwach ist Katers Text: rein biographisch an den Daten von Leben und Werk entlang erzählt und ohne die finstre Poesie, die die Fabeln von den Dementen zuvor weithin ausgezeichnet hatte: „Schwarzer Vogel, nimm mich mit!“
Die Inszenierung dieses Teils war jedoch umstritten, da Teresa Enke, die Witwe des Torwarts, nicht um Zustimmung zur Verwendung der Tragödie ihrer Familie gebeten worden war. Bis zur Lösung des Konflikts um die Verwendung des biografischen Materials über den einstigen Nationaltorwart Robert Enke wird der strittige Mittelteil der Trilogie nicht gezeigt. Dem Team um den Regisseur Armin Petras sei es ausschließlich darum gegangen, "an dieser Stelle das persönliche Schicksal Enkes und seines Krankheitsbildes in einen archetypischen und damit allgemeingültigen Fall zu überführen und sich auf diesem Weg mit der Krankheit Depression künstlerisch auseinanderzusetzten und das Ergebnis zur Diskussion zu stellen.
Revolution: Der Prager Frühling
Der dritte Teil, "Revolution", rekapituliert anhand des fiktiven Tagebuchs eines tschechischen Filmregisseurs die Ereignisse des Prager Frühlings.
Im dritten Teil erzählt Kater in einem eher fahrig-wurschtigen Happening-Versuch vom Tagebuch des praktisch vergessenen tschechischen Film-Modernisten Pavel Juraczek - der ist gerade mit einem „Gulliver“-Film beschäftigt, als 1968 der Prager Frühling losbricht; und er quält sich anhaltend mit der Frage, ob er nun die Kunst vorantreiben solle oder nicht doch besser die Revolution.
Es geht um Hedonismus und Revolution, um Kunst und Realität. Erst zieht die Zeit an ihm vorbei, dann wird sie sein einziges Thema. Im Grunde zeigt Petras hier einen klar der Groteske und der Farce verpflichteten Reigen der Ausweglosigkeit. Sowohl der Hedonismus in stürmischen Zeiten sowie die Agit Prop, die auch als aktuelles Pussy-Riot-Zitat wiederkehrt, versprechen eine legitime Künstlerposition. Am Ende sitzt Thomas Lawinky da, immer wieder malt Svenja Liesau ihm ein Clownsgesicht auf die Maske aus Knetmasse, immer wieder malt sie die Maske neu.
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Gemeinsame Themen: Ohnmacht, Ausgeliefertsein und die Suche nach Sinn
Allen drei Teilen des Stücks ist ein tiefes Gefühl von Ohnmacht, völligen Ausgeliefert-Sein an die Natur und die gesellschaftlichen Verhältnisse gemein. Der babylonische Stimmenwirrwarr über die fragile Mensch-Maschine geht über in den biografischen Abriss eines Heimatlosen, in einem Moment bejubelt, im nächsten in der Luft zerrissen, um in das fiktive Tagebuch eines sich verströmenden Künstlers einzutauchen, seinem täglichen Kampf, Teil seiner Zeit zu werden, ohne sich vereinnahmen zu lassen, um schließlich doch von den Ereignissen des Prager Frühlings fortgerissen zu werden.
Kater untersucht die Mythen der Gegenwart, die oft rätselhaft und verdruckst geredet werden: Demenz, Depression und Revolution. Warum bezeichnen Manager ihr Leiden als Burnout, wenn sie eigentlich depressiv sind? Warum geben wir so ungern zu, lieber zu Hause auf der Couch zu liegen, statt für eine große Sache auf die Straße zu gehen? Die drei Phänomene Demenz, Depression und Revolution stehen dramaturgisch in sich jeweils abgeschlossen hintereinander.
Demenz: Risikofaktoren und Prävention
Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor für eine Demenzerkrankung, gleich danach kommen die Gene. Es gibt aber Möglichkeiten, das persönliche Risiko zu senken. Der Großteil des Demenz-Risikos wird von den Genen bestimmt. Aber immerhin 40 Prozent des Risikos wird von Faktoren bestimmt, die individuell beeinflussbar sind.
Hier setzt eine neue Initiative in Großbritannien an, die am 18. Im "Brain Health Check" geht es um drei zentrale Fragen: Fordern Sie ihr Gehirn? Wie sieht es mit Ihren sozialen Kontakten aus? Ist Ihr Herz gesund? Diese Abfrage mit weiteren Nachfragen dauert knapp zehn Minuten. Grundlage dafür ist ein Bericht der Lancet Comission von 2020, in der Studien zu Risikofaktoren für Demenz zusammengefasst wurden.
Der Bericht unterscheidet zwischen drei Lebensphasen: Im jungen Alter ist Bildung der entscheidende Faktor. Wer sein Gehirn früh trainiert, kommt später besser mit einem Nachlassen des Gedächtnisses zurecht. Zwischen 45 und 65 Jahren steht Bluthochdruck als Risikofaktor im Vordergrund, dazu kommen Übergewicht, Alkohol, aber auch Kopfverletzungen und Schwerhörigkeit. Ab 65 wird Rauchen zum größten Risikofaktor, gefolgt von Einsamkeit und Depression. Der "Brain Health Check" richtet sich an die 45- bis 65 Jährigen.
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Generell gilt: Je früher man etwas für sein Gehirn tut, desto besser. Die Finnische Finger-Studie hat zum Beispiel ergeben, dass Ernährungsberatung, Sportangebote aber auch eine gute Einstellung von Blutdruck und Blutzucker das Gehirn tatsächlich länger gesund erhalten. Aber auch später kann noch etwas getan werden.
Generell gibt es in westlichen Ländern zwar immer mehr Demenzpatienten, einfach weil die Zahl der älteren Menschen steigt. Individuell betrachtet, sieht es jedoch anders aus, hier scheint das Risiko für jede Einzelne, jeden Einzelnen leicht zu sinken, was auf die Anti-Rauch-Kampagne und eine bessere Bluthochdruck-Behandlung zurückgeführt wird. Weil die Angst vor Demenzerkrankungen stark verbreitet ist, erhofft sich Alzheimer’s Research UK eine große Wirkung, was dann auch dem Herzen und dem Stoffwechsel zugute käme. Dass die Ratschläge ein wenig individuell zugeschnitten werden, soll zusätzlich motivieren, sie zu beherzigen. Bei der Pressekonferenz, auf der die Kampagne vorgestellt wurde, wurde aber auch betont: Es geht darum, das Risiko für Demenz zu senken. Dem Demenzforscher Charles Marshall war es deshalb auch ganz wichtig, zu betonen: Wenn jemand dement wird, dürfe man nicht sagen: selber Schuld. Denn das Risiko, an Demenz zu erkranken, ist zu 60 Prozent in den Genen festgeschrieben.
Interpretation und Kritik
Das Stück "Demenz Depression und Revolution" wurde von Kritikern unterschiedlich aufgenommen. Gelobt wurde die Auseinandersetzung mit den "Mythen der Gegenwart" und die experimentelle Intelligenz, mit der disparate Formen für die drei großen Themen gefunden wurden. Kritisiert wurde hingegen die fehlende verbindende Regieidee und die zähe Betroffenheitsdramatik.
Tobi Müller lobte, dass Armin Petras es wagen würde, drei aktuelle und dicke Dossiers auf einmal auf die Bühne zu bringen und dass der Abend ein überzeugendes Beispiel für das Veränderungspotential der Kunst sei. Katrin Pauly hingegen vermisste eine verbindende Regieidee. Irene Bazinger kritisierte die "zähe Betroffenheitsdramatik mit Trauerrand" und die "Kitschgefahr".
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