Demenz durch Stress: Ursachen, Forschung und Prävention

Einführung

Es wird seit Langem vermutet, dass chronischer Stress das Risiko einer Alzheimer-Krankheit erhöhen kann. Auch wenn fast jeder Mensch zu einem gewissen Grad mit Stress zu kämpfen hat, ist es wichtig, die potenziellen Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit zu verstehen. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Stress und Demenz, aktuelle Forschungsprojekte und präventive Maßnahmen.

Die Rolle von Stress bei der Entstehung von Demenz

Chronischer Stress und Neuroinflammation

Vorangegangenen Forschungsergebnissen zufolge führt chronischer Stress zu einer Aktivierung des Immunsystems, wodurch Entzündungen im Gehirn entstehen können. Dies wird auch Neuroinflammation genannt und spielt eine wichtige Rolle bei der Alzheimer-Krankheit.

Stresshormone und ihre Auswirkungen auf das Gehirn

Bei sehr großem, aber auch bei chronischem Stress können Stresshormone die Gedächtniszentrale im Gehirn überlasten, und es kommt zu Blockaden und Aussetzern. Die Stresshormone Adrenalin und Cortisol, die in belastenden Situationen ausgeschüttet werden, können langfristig sogar zu physiologischen und anatomischen Veränderungen im Hirn führen. Vor allem im Hippocampus, einer Region im Hirn, die Teil des limbischen Systems ist, vor allen an der Gedächtnisbildung beteiligt und für das Kurzzeitgedächtnis und Konzentrationsfähigkeit verantwortlich ist. Hält der Stress über mehrere Monate an, kann es sogar zum Absterben von Nervenzellen im Hippocampus kommen.

Der Teufelskreis von Stress und Gedächtnisverlust

Menschen im Stress neigen dazu, innerlich abgelenkt zu sein: Sie grübeln über vergangene Konfliktsituationen und zukünftige Schwierigkeiten. Wenn man nun diese Gedächtnisaussetzer an sich bemerkt, setzt manchmal ein psychischer Prozess ein, der in einen „Teufelskreis" einmündet: Man bemerkt die Gedächtnisfehler und macht sich Sorgen darüber, dass etwas mit einem nicht stimmen könnte. Nun schenkt man den Gedächtnisfehlern wiederum mehr Beachtung. So entsteht wieder neuer Stress und der Teufelskreis schließt sich.

Forschungsprojekte zum Thema Stress und Demenz

Rheinland Studie und die Covid-19 Pandemie

Während der Covid-19 Pandemie war die gesamte Bevölkerung über einen längeren Zeitraum hinweg Stress ausgesetzt. Diese Situation bietet die einzigartige Möglichkeit die Fragestellung in einem natürlichen Experiment zu untersuchen. Dr. Dianna de Vries vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn wird untersuchen, ob längere Zeiträume, in denen Stress empfunden wird, das Risiko für die Alzheimer-Krankheit erhöht. Die Wissenschaftler*innen haben vor, während und nach der Pandemie hochwertige Daten von Studienteilnehmenden zu Stressempfinden, Immunaktivierung und Hirngesundheit wie Kognition, Bildgebung und Blut-Biomarkern erhoben, die nun ausgewertet werden.

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Ziele des Forschungsprojekts von Dr. Dianna de Vries

Die Wissenschaftler*innen möchten den Zusammenhang zwischen empfundenem Stress und Hirngesundheit besser verstehen und herausfinden, ob dieser Zusammenhang indirekt durch die Aktivierung des Immunsystems geschieht. Da es derzeit noch keine effektive Behandlung der Alzheimer-Krankheit gibt, ist es besonders wichtig, weit verbreitete Risikofaktoren anzugehen, auf die man Einfluss nehmen kann.

Fördermittelverwendung

Die Forschungsgelder werden für Gehälter (43.356 Euro), Publikationskosten (781 Euro) und Labormaterialien (105.863 Euro) wie Analysekosten von Blut-Biomarkern verwendet.

Stress als Risikofaktor für Demenz

Stress und seine körperlichen Folgen

Unter Stress spannt sich die Muskulatur an, Atmung und Puls beschleunigen sich, Blutzucker und Blutdruck steigen. Bleiben Entspannungsphasen aus, kann der Körper die Stresshormone nicht abbauen und bleibt dauerhaft in diesem Alarmzustand. Das hat Folgen: "Bei übermäßigem, dauerhaftem Stress leiden Körper und Gedächtnis erheblich. Unter anderem wird das Immunsystem geschwächt. Es drohen Beschwerden wie etwa Magenschmerzen und Durchfall bis hin zu Diabetes und schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen", sagt Dr. Andreas Hagemann, ärztlicher Direktor der Röher Parkklinik für Psychosomatik in Eschweiler bei Aachen.

Auswirkungen auf das Gehirn

Auch das Gehirn bekommt langfristigen Stress zu spüren. Das Gedächtnis lässt nach, wir werden vergesslich. Schuld sind unter anderem die Stresshormone Adrenalin und Cortisol, die in belastenden Situationen ausgeschüttet werden. Der Körper schaltet auf Überleben. Chronischer Stress kann Teile der Nervenzellen im Hippocampus deaktivieren und sogar schrumpfen lassen. Die Folge: "Gedächtnisleistung und Konzentrationsfähigkeit werden unter Dauerstress gemindert", sagt Hagemann. "Zudem steigt die Anfälligkeit für demenzielle Prozesse und Phobien. Selbst depressive Erkrankungen sind eine mögliche Folge der biochemischen Veränderungen des Gehirns."

Multitasking und seine Auswirkungen

Auch das in stressigen Phasen verstärkt praktizierte Multitasking ist für das Gehirn eine Belastung und kann zu Gedächtnisstörungen führen. Vor allem bei Tätigkeiten, die höhere Ansprüche an unsere mentalen Fähigkeiten stellen, kommt das Gehirn an seine Grenzen. Denn dieses ist nicht in der Lage, sich gleichzeitig auf zwei komplexe Tätigkeiten zu konzentrieren.

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Unterscheidung zwischen normaler Vergesslichkeit und Demenz

Symptome und Ursachen

Es gibt eine ganz normale Vergesslichkeit, bei einigen Menschen mehr, bei anderen weniger stark. Wenn Sie ab und zu Ihren Schlüssel verlegen, einen Termin vergessen oder Ihnen der Name eines Bekannten nicht einfällt, dann ist das kein Grund zur Beunruhigung. Treten jedoch häufig und über längere Zeit Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, der Konzentration oder der Orientierung auf (man kann sich nicht mehr erinnern, einen bestimmten Termin überhaupt vereinbart zu haben, oder man findet sich in neuen Umgebungen wesentlich schlechter zurecht als früher), so ist dies ein Grund, einen Arzt aufzusuchen. Auch bei stärkeren Schwankungen der Stimmungslage und geistigen Fähigkeiten ist es gut, einen Arzt zu kontaktieren.

Mögliche andere Ursachen für Gedächtnisstörungen

Die genannten Symptome können ganz verschiedene Ursachen haben und stehen nicht unbedingt im Zusammenhang mit einer Demenz. Sie können beispielsweise durch Stress, Burn-out, seelische Belastungen, Depressionen oder auch eine Umstellung des Hormonhaushalts - wie in den Wechseljahren -hervorgerufen werden. Weitere körperliche Ursachen sind unter anderem eine Unterfunktion der Schilddrüse, ein erhöhter Hirndruck, wie er im Alter auftreten kann, oder ein Tumor.

Strategien zur Stressbewältigung und Demenzprävention

Entspannungstechniken

Entschleunigt sind wir einfach besser: Denn je entspannter wir sind, desto komplexer die Aufgaben, die sich bewältigen lassen, und desto größer das Wissen, das wir uns aneignen können. Regelmäßige Entspannungstechniken (z. B. bewusstes Atmen, Achtsamkeitsübungen, aber auch Sport und Spaziergänge) fahren den „Pegel“ runter und helfen dabei, in einen Zustand der Gelassenheit und Ausgeglichenheit zurückzukehren.

Weitere Risikofaktoren und präventive Maßnahmen

Neben Stress gibt es weitere Risikofaktoren für Demenz, die beeinflussbar sind:

  • Erhöhtes Cholesterin: Kann die Ablagerung von schädlichen Proteinen im Gehirn fördern.
  • Depression: Anhaltende Niedergeschlagenheit belastet das Gehirn.
  • Bewegungsmangel: Beeinträchtigt die Durchblutung des Gehirns.
  • Typ-2-Diabetes: Gehört zu den am besten belegten Risikofaktoren.
  • Rauchen: Erhöht das Risiko für Alzheimer und vaskuläre Demenz.
  • Bluthochdruck: Erhöht das Risiko für alle Demenzformen.
  • Übergewicht: Besonders Bauchfett ist problematisch.
  • Hoher Alkoholkonsum: Führt zum Verlust der grauen Masse im Gehirn.
  • Soziale Isolation: Das Gehirn braucht Anregung durch Gespräche und Begegnungen.
  • Luftverschmutzung: Feine Partikel können Entzündungen auslösen.
  • Sehschwäche: Unbehandelte Sehschwächen können das Gehirn weniger anregen.

Positive Aspekte und Vorbeugung

Positiv ist: Wer an einer Stelle ansetzt, kann oft mehrere Risiken gleichzeitig verringern. Geistige Anregung in jungen Jahren schützt das Gehirn - besonders durch den Aufbau sogenannter kognitiver Reserven. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche. Wer das Rauchen aufhört, kann sein Risiko deutlich senken. Einsamkeit lässt sich überwinden - durch Mut, Neugier und Begegnung. Viele Sehprobleme lassen sich gut behandeln - zum Beispiel mit der richtigen Brille, Kontaktlinsen oder einer Augenoperation bei Grauem Star.

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Aktuelle Forschungsergebnisse und Erkenntnisse

Subjektive Gedächtnisprobleme und Stress

Forscher der Universität Göteborg weisen in einer aktuellen Studie jedoch darauf hin, dass subjektive Gedächtnisprobleme keineswegs immer auf einen beginnenden geistigen Verfall hindeuten. Stattdessen verursache bei der Mehrzahl der Menschen, die sich um ihre geistigen Fähigkeiten sorgten, eher Stress die Symptome - insbesondere, wenn sie jünger als 60 Jahre sind. Im Gegensatz zur Alzheimerkrankheit lässt sich dieser Effekt jedoch mit therapeutischer Hilfe umkehren.

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